Inwiefern tolerierte Adam Smith den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft?


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2018

19 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Staat
2.1 Kritik von Smith an bestehenden Staatsformen
2.2 Aufgaben des Staates nach Smith

3 Das Verständnis von Markt und Wirtschaft bei Adam Smith

4 Kritische Würdigung des staatlichen Einflusses auf die Wirtschaft

5 Fazit

6 Literatur- und Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Nur selten herrscht klarer Konsens darüber, welche Aufgaben der Staat zu übernehmen hat und welche Aufgaben von privater Seite übernommen werden können. Vor allem die Privatisierung staatlicher Unternehmen ist in Industrie- und Entwicklungsländern häufig viel diskutiert und umstritten. Befürworter von Privatisierungen fordern die Verschlankung des Staates, während die Gegner überwiegend Nachteile für die Menschen befürchten.1

Liberalisierungs- und Privatisierungsbefürworter beziehen sich vielfach auf Adam Smith, der als Begründer der klassischen politischen Ökonomie gilt und diese maßgeblich geprägt hat. Schefold und Carstensen (2002) sehen das von Adam Smith im Jahr 1776 veröffentlichte Werk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“ als Beginn der klassischen Nationalökonomie und erklären die daraufhin entbrannte Diskussion innerhalb der politischen Ökonomie zur „Modewissenschaft“ des 19. Jahrhunderts.2 Oftmals gilt Adam Smith als der Begründer des freien Liberalismus. Dass dies nicht so ist und Smith teilweise falsch rezipiert wird, macht unter anderem der Abdruck auf dem Einband des Werkes „Markt, Staat und Solidarität bei Adam Smith“ von Kaufmann und Küsselberg (1984) deutlich:

„Der Band will die im deutschen Sprachraum vorherrschende Auffassung korrigieren, derzufolge Adam Smith lediglich ein Klassiker der Nationalökonomie ist, dessen Lehre das Credo liberaler Wirtschafspolitik begründet haben. Das Werk des schottischen Moralphilosophen enthält vielmehr auch eine politische und eine ethische Theorie, die zusammen mit seinen ökonomischen Arbeiten als umfassendes sozialwissenschaftliches System konzipiert werden.“3

Aus dieser Äußerung geht klar hervor, dass Adam Smith in seinen Werken nicht ausschließlich die Wirtschaft sondern auch politische und ethische Aspekte beleuchtet hat. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist die Tatsache, wie Adam Smith selbst gelebt hat. Dies manifestiert sich an den Schilderungen zu Adam Smiths Beisetzung und zur Testamentseröffnung: Einerseits haben sich die Angehörigen darüber erstaunt gezeigt, dass das Erbe eines Universitätsprofessors so gering ausfällt, andererseits auch darüber, dass seiner Beerdigung Personen aus ärmlichen Verhältnissen beigewohnt haben. Dies wird dadurch erklärt, dass Smith zu Lebzeiten einen Großteil seines Geldes für wohltätige Zwecke gespendet hat.4 Der ethische und karitative Aspekt haben folglich eine große Rolle in seinem Leben gespielt.

An diesem Beispiel wird deutlich, dass Smith mit der Veröffentlichung seiner Werke auf mehr abzielte, als die bloße Vermehrung des Geldes in der freien Wirtschaft. Der Titel seines bekanntesten Werkes „Wealth of Nations“ legt nahe, dass Smith in erster Linie aufzeigen wollte, wie der Wohlstand der Bevölkerung vergrößert werden könnte.

Adam Smith befürwortet keine absolut liberale Wirtschaftspolitik, sondern spricht sich sehr wohl für staatliche Eingriffe in den Markt aus. Schefold und Carstensen (2002) konstatieren, dass bei Smith „der Staat die Ordnung der natürlichen Freiheit vor Übergriffen schützen […] soll.“5 Im Zuge dessen stellt sich die Frage, inwiefern Adam Smith den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft toleriert hat. In der folgenden Arbeit soll diese Frage beantwortet werden. Zunächst wird die Kritik Smiths an bestehenden Wirtschaftssystemen und -konzepten der damaligen Zeit dargestellt, was für eine klare Abgrenzung notwendig ist. Hierauf folgt die Darlegung, wie nach Smith der Staatsapparat funktionieren sollte. In einem weiteren Schritt wird Smiths Verständnis von wirtschaftlichem Handeln am Markt und die Rolle des Individuums innerhalb einer Volkswirtschaft aufgezeigt. Das hier veranschaulichte Menschenbild ist nötig, um den Eingriff des Staates in die Wirtschaft darstellen zu können. Die kritische Würdigung beantwortet im Anschluss daran die Forschungsfrage und zeigt deutlich auf, an welchen Stellen Smith staatlichen Einfluss toleriert. Die Arbeit endet mit einem abschließenden Fazit.

Als Quellengrundlage dieser Arbeit dient das Werk „Wealth of Nations“ von Adam Smith. Literaturgrundlage bilden die biografische Aufarbeitung „Adam Smith“ von Streminger, „Die klassische Politische Ökonomie“ von Schefold und Carstensen sowie „Adam Smith für Jedermann“ und „Die größten Ökonomen: Adam Smith“ von Kurz und Sturn.

2 Staat

Um den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft aus Sichtweise Adam Smiths genau beleuchten zu können, muss zu Beginn dargestellt werden, was Adam Smith unter dem Begriff des Staates verstanden hat. Dies erfolgt zunächst durch die Darstellung der Kritik an bestehenden Staatsformen und der darauffolgenden Veranschaulichung, welche Aufgaben der Staat laut Smith übernehmen sollte.

2.1 Kritik von Smith an bestehenden Staatsformen

In „Wealth of Nations“ übt Smith vor allem an drei ökonomischen Systemen Kritik: Am Merkantilismus, am Zunftwesen in den Städten und an der Theorie der Physiokraten. Schefold und Carstensen (2002) konstatieren, dass bereits der Titel des ersten Buches in Smiths „Wealth of Nations“ bei genauerer Ansicht eine starke Kritik an der seinerzeit vorherrschenden Lehrmeinung darstelle:6 „Of the Causes of Improvement in the productive Powers of Labour, and of the Order according to which its Produce is naturally distributed among the different Ranks of the People“ 7. Schefold und Carstensen (2002) sehen den Hauptvorwurf Smiths vor allem an die Merkantilisten gerichtet, da deren Bestrebung vornehmlich der Mehrung des begrenzten Edelmetallschatzes für die eigene Nation gegolten hat.8 Hinzufügend folgert Fellmeth (1981), dass neben der Akkumulation von Edelmetall die Notwendigkeit bestanden habe, die Produkte aus inländischen Manufakturen zu exportieren und dadurch Handelsbilanzüberschüsse zu generieren. 9 Dies sei in den merkantilistischen Wirtschaftssystemen vor allem durch staatliche Subvention und durch die gezielte Schaffung von Monopolen erreicht worden. 10 Hier ist zu erwähnen, dass im 17. Jahrhundert der Merkantilismus die gängige Wirtschaftsordnung in den meisten europäischen Ländern gewesen ist. 11

Laut Schefold und Carstensen (2002) widerspricht Smith dem Grundgedanken des Merkantilismus, da er anstelle der Akkumulation von Edelmetallen sich eine Steigerung der Arbeitsproduktivität befürwortet. 12 Streminger (2017) merkt an, dass Smith Zölle als Verstärker von Monopolen ansieht. Durch die Gewährung von Subventionen bestünde seiner Meinung nach zudem die Gefahr, ertragsschwache Industrien zu fördern. Dies habe ein geringeres Sozialprodukt eines Landes zur Folge.13

De Roover (1951) erläutert Kritikpunkt Smiths an den Zünften. Sehr deutlich wird das laut de Roover (1951) an der von Smith unterstellten Absichtserklärung der Zünfte, die Konkurrenz gezielt auf eine geringe Anzahl einzuschränken. Zünfte waren zu Lebzeiten Smiths vorherrschend in den Städten und hatten Einfluss auf beinahe jedes Gewerbe, das sich in einer Stadt niederlassen konnte. Um selbstständig ein Gewerbe ausführen und Güter produzieren zu dürfen, war die Genehmigung der entsprechenden Zunft notwendig. Der Preis für Güter und Leistungen wurde von den Zünften bestimmt. Smith kritisiert, dass es keine wirksame Aufsicht gebe, die die Zünfte und die angebotenen Waren und Dienstleistungen kontrolliert.14 Folglich sind die Konsumenten auf die angebotenen Waren der Zünfte angewiesen, da keine weiteren Alternativen am Markt vorhanden sind, die die Konsumenten auswählen könnten. Die Konsumenten sind somit auch von der Qualität der dargebotenen Waren abhängig. Ähnlich dem Merkantilismus findet hier eine gezielte Beeinflussung des Marktes – in diesem Falldurch die Zünfte – statt. Ein optimaler Ausgleich von Angebot und Nachfrage ist somit nicht möglich.

Weniger als den Merkantilismus und das Zunftwesen kritisiert Smith die Physiokratie. Söllner (2001) merkt an, dass Smith einerseits an eine natürliche Ordnung (Tauschwirtschaft) wie sie in der physiokratischen Lehre dargestellt wird, geglaubt habe und er andererseits an die utilitaristische Philosophie Humes anknüpfe. Söllner (2001) erkennt, dass Smith die Meinung vertritt, dass vor der Etablierung der gesetzlichen Ordnung schon die natürliche Freiheit vorhanden gewesen sei. Smiths Auffassung nach zählen das Privateigentum sowie die persönliche Freiheit zu den unabdingbaren Naturrechten und somit stimmt er in diesem Bereich den Physiokraten zu. Smiths Meinung unterscheidet sich jedoch in dem Punkt von der Meinung der Physiokraten, dass er davon ausgeht, dass diese Ordnung von alleine gebildet werde und nicht durch die Vernunft.15 Bei den drei Faktoren Boden, Kapital und Arbeit sehen die Physiokraten ausschließlich den Boden als produktiv an, da ihrer Auffassung nach in Handel und Gewerbe das Kapital zirkuliere. Dementsprechend liegen die Intentionen der Physiokraten in der Abschaffung von Zunftzwang und Getreidezöllen oder der Leibeigenschaft. Ebenso fokussieren sie den liberalen Außenhandel sowie stabile Agrarpreise, da sie hier von Vorteilen für die Landwirte ausgehen.16

Streminger (2017) kommt zu dem Schluss, dass Smith einerseits der Wirtschaftsordnung der Physiokraten mit ihrer Idee des freien Handels zustimmen könne. Dennoch sieht Smith es kritisch, dass innerhalb der physiokratischen Lehre ausschließlich der Faktor Boden als Grundlage für Wohlstand eines Staates dienen solle. Handwerker und Händler werden bei den Physiokraten nicht berücksichtigt. Ebenso merkt Smith an, dass diese Lehre noch nicht Einzug in die Praxis gefunden habe, dementsprechend also von keinem Staat angewandt werde. Bei Smith ist Arbeit und die Teilung der Arbeit der eigentliche Grund für Wohlstand und Reichtum. Gleichermaßen stimmt Smith in dem Punkt nicht zu, dass nur ein Faktor als Grund für Reichtum angesehen werden kann. 17 Kurz und Sturn (2013a) stellen fest, dass Smith Privilegien für die Landwirtschaft ausschließt, da seiner Meinung nach das Interesse der Landwirtschaft nicht darin bestehen könne, die Tätigkeiten von Händlern oder Handwerkern zu schwächen oder zu beschränken.18

Smith kritisiert die drei Systeme – Merkantilismus, Zünfte und die Lehre der Physiokraten - da bei allen dreien starker Einfluss auf den Markt vorgenommen wird. Sein vorrangiger Kritikpunkt ist die Ausbildung von Monopolen in diesen drei wirtschaftlichen Systemformen und der Fokus auf bestimmte Produktionsfaktoren. Smith toleriert zwar einige Ansätze der jeweiligen Wirtschaftsform, wie beispielsweise bei den Physiokraten, lehnt sie aber dennoch in ihrer Vollständigkeit ab. Für die Beantwortung der Forschungsfrage ist hier festzustellen, dass Smith vor allem den zu großen und starken Einfluss des Staates auf die Wirtschaft ablehnt.

2.2 Aufgaben des Staates nach Smith

Wie soeben dargestellt, kritisiert Smith die Lehrmeinungen dieser drei Staatsformen. Darauf bezugnehmend stellt sich die Frage, welche Rolle und welche Aufgaben dem Staat nach Meinung Smiths zugesprochen werden soll.

Nach Auffassung von Smith soll der Staat der Gesellschaft und dem Einzelnen dienen. Seiner Meinung nach wissen die Menschen selbst, was ihnen nützt und der Souverän hat nur drei Aufgaben zu erfüllen:

[...]


1 Vgl. Küblböck, K. (2004): S. 12.

2 Vgl. Schefold, B./Carstensen, K. (2002): S. 67.

3 Kaufmann, F./Krüsselberg, H. (1984): Einband.

4 Vgl. Streminger, G. (2017): S. 220-221.

5 Schefold, B./Carstensen, K. (2002): S. 71.

6 Vgl. Schefold, B/Carstensen, K. (2002): S. 69.

7 Smith, A./Sutherland, K. (1993): S. 11.

8 Vgl. Schefold, B./Carstensen, K. (2002): S. 69.

9 Vgl. Fellmeth, R. (1981): S. 50.

10 Vgl. Streminger, G. (2017): S. 165-166.

11 Vgl. Schefold, B./Carstensen, K. (2002): S. 69.

12 Vgl. Schefold, B./Carstensen, K. (2002): S. 69.

13 Vgl. Streminger, G. (2017): S. 167.

14 Vgl. de Roover, R. (1951): S. 502-503.

15 Vgl. Söllner, F. (2001): S. 29.

16 Vgl. Smith, A./Sutherland, K. (1993): S. 379-381.

17 Vgl. Streminger, G. (2017): S. 170-171.

18 Vgl. Kurz, H./Sturn, R. (2013a): S. 149.

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Inwiefern tolerierte Adam Smith den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft?
Université
University of Bamberg
Auteur
Année
2018
Pages
19
N° de catalogue
V457983
ISBN (ebook)
9783668914452
ISBN (Livre)
9783668914469
Langue
allemand
Mots clés
inwiefern, adam, smith, einfluss, staates, wirtschaft
Citation du texte
Lars Rößner (Auteur), 2018, Inwiefern tolerierte Adam Smith den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/457983

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