Stereotypisierung. Wie werden Italiener in den amerikanischen Medien dargestellt?


Thèse de Bachelor, 2014

29 Pages, Note: 2,0

Anonyme


Extrait


Inhalt

1. Einleitung

2. Begriffserklärung
2.1 Definition des Begriffs ethnische Gruppe
2.2 Definition der Begriffe Vorurteil, Stereotype und Diskriminierung
2.3. Die Definition des Begriffs Medien und der Medienwirkung

3.Die Große Emigration ( ca.1880- 1927)
3.1Push-Faktoren der Emigration
3.2.Pull-Faktoren der Emigration

4. Italiener in den Vereinigten Staaten
4.1 Soziale (Re-)Organisation
4.2 US-amerikanische Migrationspolitik
4.3 Fremdenfeindlichkeit und Untergrundkriminalität

5. Italiener in den amerikanischen Medien
5.1 Italiener im Film
5.2 Italiener im Fernsehen am Beispiel der TV-Serie The Sopranos
5.2 Italiener in der amerikanischen Werbung
5.4 Stereotypisierung der italienischstämmigen Frau

6.Fazit / Ausblick

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

"I'm gonna make him an offer he can't refuse."1

Dieser oft zitierte Satz aus dem Film Der Pate von Francis Ford Coppola aus dem Jahr 1972 ist vielen bekannt, auch ohne diesen gesehen zu haben. Schon beim lesen des Zitats stellen wir uns bildhaft Männer in dunkel gekleideten Anzügen, mit bedrohlicher Miene, das typische Bild eines Mafiosi, vor. Diese nach Walter Lippman allgemein bezeichneten „pictures in our heads“2 sind der natürliche Prozess des Menschen, in bestimmten Situationen festgelegte Denkmuster abzurufen, um „ ein geordnetes, mehr oder weniger beständiges Weltbild“3 zu schaffen. Bis heute werden italienisch stämmige Menschen mit diesem Stereotyp des Gangsters, der Mafia assoziiert. In wieweit die Medien zu diesem und anderen Bildern der Italiener beigetragen haben, soll in folgender Bachelorarbeit erschlossen werden.

In der heutigen Zeit der Globalisierung spielt der Umgang mit anderen Kulturen eine wichtige Rolle. Dabei sind nicht nur das Erwerben von Kenntnissen anderer Kulturen notwendig, sondern vor allem auch das Bewusstwerden der eigenen Kulturhaftigkeit. Dieses Selbstverständnis der eigenen Kultur entwickelt sich nämlich nur im Kontakt mit anderen Kulturen. Doch genau dort liegt das Problem verankert. Die Angst vor dem Fremden ist tief verwurzelt in der menschlichen Natur. Deshalb treten wir allem Fremden nicht unvoreingenommen gegenüber und besonders Vorurteile oder stereotypes Denken gegenüber anderen ist weit verbreitet.4 Dieses Verhalten tritt vor allem bei Migrationsprozessen auf, also wenn Gruppen unterschiedlicher Ethnien miteinander konfrontiert werden. Auch die italienischen Einwanderer, die in die Vereinigten Staaten auswanderten, trafen auf diese Problematik der Vorurteile und Stereotypisierung. Die vorliegende Arbeit konzentrierte sich dabei auf das Thema der Darstellung der italienischen Migranten in den Medien, speziell im Fernsehen und in Filmen. Die Frage lautete dabei, ob die italienischen Einwanderer auf unfaire Weise in den Medien stereotypisiert wurden, oder ob die Mediendarstellung fair war und die italienischen Migranten nicht auch Vorteile aus diesen medialen Darstellungen gezogen haben.

Die amerikanischen Einwohner italienischen Ursprungs bilden mit 15,6 Millionen etwa 6% der Gesamtbevölkerung der USA5. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhundert wurden Einrichtungen, wie etwa die UNICO National6, die IAOVC7 oder die OSIA8, von italienischen Einwanderern oder Menschen mit italienischem Hintergrund gegründet. Diese Organisationen dienen dem Schutz der in den Vereinigten Staaten lebenden Italiener vor Diskriminierungen, indem sie sich vor allem der Bekämpfung der Verbreitung von Vorurteilen und Stereotypisierungen widmen. Hier stellt sich notgedrungen die Frage, welchen Konflikten die italienischen Immigranten in Amerika begegnet sein müssen, die die Gründungen solcher Institutionen notwendig machten, und welche Umstände ihr aktuelles Fortbestehen begründen?

Zur Einführung in die Thematik werden vorab die wesentlichen Begrifflichkeiten dieser Arbeit erläutert und voneinander abgegrenzt. Darauf folgend werden die Hintergründe der Migrationsbewegung der Italiener aufgezeigt, indem auszugsweise die soziale, wirtschaftliche und politische Ausgangssituation sowohl im Herkunfts- als auch im Aufnahmeland betrachtet werden. Die zentralen Fragen, die in dieser Arbeit beantwortet werden sollen, lauten jedoch: Welche Vorurteile, Stereotype und Formen von Diskriminierungen haben sich während des 20. Jahrhunderts in den USA gegenüber den italienischen Migranten entwickelt? In welcher Form haben die Medien zu der Entstehung dieser Vorurteile und Stereotypenbildung beigetragen und welche Folgen haben diese bis heute für die italienisch stämmigen Amerikaner?

Zu diesem Zweck werde ich das Gangster und Mafia Bild benutzen und verschiedene Filme aufführen, welche dieses aufzeigen. Ebenso werde ich die Fernsehserie The Sopranos näher auf Stereotypbilder analysieren. Des Weiteren werde ich einen aktuelleren US-amerikanischen Fernsehwerbespot untersuchen, in dem die Protagonisten Charaktere sind, die den Zuschauer aufgrund bestimmter Eigenschaften oder äußerlicher Merkmale auf einen italienischen Hintergrund schließen lassen sollen. Zum Ende werde ich einen Ausblick auf aktuelle Fernsehsendungen geben, um einen Vergleich ziehen zu können, inwiefern sich die ursprünglichen Klischees und Stereotype gegenüber Italienern in den Vereinigten Staaten bis heute verändert haben.

2. Begriffserklärung

Für die bessere Verständlichkeit der nachfolgenden Arbeit ist es notwendig, jene Begriffe zu definieren, die dieser Arbeit den Rahmen geben.

2.1 Definition des Begriffs ethnische Gruppe

Damit man eine ethnische Gruppe identifizieren kann, bedarf es einer geeigneten Definition. Der Soziologie Max Weber lieferte folgende gängige Definition: "Wir wollen solche Menschengruppen, welche auf Grund von Ähnlichkeiten des äußeren Habitus oder der Sitten oder beider oder von Erinnerungen an Kolonisation und Wanderung einen subjektiven Glauben an eine Abstammungsgemeinsamkeit hegen, [...] "ethnische" Gruppen nennen."9

2.2 Definition der Begriffe Vorurteil, Stereotype und Diskriminierung

„[a]feeling, favorable or unfavorable, toward a person or thing, prior to, or not based on, actual experience […] it is nonetheless true that ethnic prejudice are mostly negative“10

Nach dem Sozialpsychologen Gordon W. Allport wird das Vorurteil als ein affektiver, voreiliger und ungerechtfertigter Standpunkt beschrieben. Zudem zeichnet sich dieser Standpunkt dadurch aus, dass er sich durch neue Informationen nicht korrigieren lässt und bei seiner Widerlegung gefühlsmäßigen Widerstand beim Vorurteilhaber auslöst,11 denn es entspricht der Neigung des Menschen, sein Denken durch Verallgemeinerungen zu vereinfachen.12 Dabei wird bei der Vorurteilsbildung so selektiert, dass „die gewählten Informationen dem Konzept des Vorurteils entsprechen“13, damit der Mensch vor Informationsüberfluss bewahrt wird. Ein Teilprozess der Vorurteilsbildung ist das Einordnen in soziale Gruppen. Dabei wird zwischen in-group (Eigengruppe) und out-group (Fremdgruppe) unterschieden, das heisst in der in-group entwickelt sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl, welches von Kameradschaft und Frieden geprägt ist, gleichzeitig wird sich von den out-groups abgegrenzt. Häufig sind diese Abgrenzungen kulturellen Ursprungs, denn beispielsweise dienen Sprache, Religion, Ethnie als Kriterien. Durch diese selbstbezogenen Denkmuster begreift sich die Eigengruppe als überlegen, während alle Fremdgruppen als minderwertig gewertet werden.14 Entscheidend für die Entstehung von Vorurteilen ist letztlich die Angst, durch die Fremdgruppe in der eigenen Überlegenheit angegriffen zu werden.15

Vorurteile und Stereotype sind eng miteinander verbunden oder werden häufig als Synonyme verwendet. Ähnlich wie beim Vorurteil werden Stereotype als eine auf einer vereinfachten Ansicht, die davon ausgeht, dass eine festgelegte soziale Gruppe stets bestimmte Eigenschaften aufweist, betrachtet.16 Stereotype sind jedoch elementare Wahrnehmungsfunktionen, die der Erleichterung der Wahrnehmung dienen und das schnelle Einordnen von neuen Informationen in bestehende Kategorien ermöglichen.

„Denn wenn ein System von Stereotypen gut verankert ist, wendet sich unsere Aufmerksamkeit den Tatsachen zu, die es stützen, und von anderen, die ihm widersprechen, ab.“17

Folglich ist der Prozess der Stereotypisierung ein notwendiger menschlicher Mechanismus, der erst dann zum Problem wird, wenn Stereotype unreflektiert angewendet werden und sich somit zum Vorurteil einwickeln.18 Der Mensch hat im Gegensatz zum Vorurteil auch eine stereotype Vorstellung von sich selbst beziehungsweise seinem Ethnie. Eine allgemeine Untergliederung von Stereotypen sind die Autostereotypen (stereotype Selbstbilder) und die Heterostereotypen (Fremdbilder).19 Zusammenfassend kann man also sagen, dass während ein Stereotyp nur die mentale Verknüpfung festgelegter Attribute mit einer bestimmten sozialen oder ethnischen Gruppe darstellt, versteht man unter dem Vorurteil eine ablehnende Wertung dieser Gruppe, aufgrund der ihnen zugeschriebenen Eigenschaften.

Das Verhältnis von Vorurteil und Diskriminierung ist nicht immer eindeutig, da Diskriminierungen entweder als unmittelbare Folge von Vorurteilen oder aber Vorurteile als eine unvermeidbare Folge von Diskriminierungen auftreten können.20 Diskriminierung beschreibt zunächst eine Ungleichbehandlung von bestimmten Personen oder Gruppen aufgrund ihrer sozialen Unterschiede.21 Ethnische Diskriminierung tritt also auf, wenn die dominante Gruppe die Minderheitengruppe zum eigenen Vorteil versucht einzuschränken. Dies geschieht meist, wenn sich die überlegene Gruppe politische, wirtschaftliche oder psychologische Vorteile verspricht. So geschieht es, dass eine Verschiebung von Aggressionen stattfindet, in der sich die Gesellschaft einen Schuldigen für vorhandene soziale oder wirtschaftliche Probleme sucht und diesen meist in den Minderheiten findet.22 Es werden also bewusst Vorurteile gegenüber den Minderheitengruppen gesteigert, um so die Vorteile der dominanten Gruppe zu sichern. Häufig werden Minderheiten aber auch schlicht als Bedrohung empfunden. Räumliche Isolation, um Minderheitengruppen von wichtigen zentralen Gebieten fernzuhalten und die dominante Gruppe vor Gefahren schützen zu können, ist eine Konsequenz von Diskriminierung.23

In den folgenden Kapiteln soll untersucht werden, inwieweit all diese Phänomene auf die italienischen Minderheiten in den Vereinigten Staaten zutrafen.

2.3. Die Definition des Begriffs Medien und der Medienwirkung

Um die Relevanz der Medien für die Meinungsbildung zu analysieren, ist es zunächst nötig den Begriff Medium zu definieren. Dabei ist zu beachten, dass sich das Verständnis für die Begrifflichkeit immer wieder verändert. Abhängig von ‚technischer Innovation und gesellschaftlichem Wandel‘24. Im Allgemeinen als Massenmedien anerkannt sind heute: Fernsehen, Radio, Internet, Tageszeitung, Zeitschriften, Nachrichtenmagazine und Wochenzeitungen. In der folgenden Bachelorarbeit werde ich mich auf die Medien Film und Fernsehen konzentrieren, da für weitere Betrachtungen nicht genügen Rahmen gegeben ist.

Vor dem Hintergrund der hohen Relevanz und der bedeutenden Rolle der Massenmedien bei der informierenden Mediennutzung ist die Kritik, die viele Wissenschaftler gegenüber den Massenmedien aufführen nicht zu unterschätzen. Medien nehmen eine tragende Rolle bei Meinungsbildung ein.25 Die Tatsache, dass Massenmedien zunehmend von ökonomischen Interessen angetrieben sind, ist nicht abzustreiten.26 Um auf dem hart umkämpften Markt zu bestehen, sind sie dazu verurteilt, wie kommerzielle Unternehmen zu agieren. Dabei wird gerne auf Stereotype über Gruppen von Personen bei der Aufbereitung und Darbietung medialer Information zurückgegriffen, um möglichst viele Rezipienten zu gewinnen. Besonders die Medien Film und Fernsehen wirken durch ihre audiovisuelle Repräsentanz der Wirklichkeit glaubhaft. Dem Zuseher wird die Illusion vermittelt, ein Stück Realität aufgenommen zu haben und somit wird stereotypes Denken verstärkt.27

„Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, daß der Film ständig eine Bilderwelt aufbaut, die dann durch Worte, welche die Menschen in Zeitungen lesen, beschworen wird. Im ganzen Erfahrungsbereich der Menschheit hat bisher kein dem Kino vergleichbares Mittel zur Verbildlichung existiert.“28

3. Die Große Emigration ( ca.1880- 1927)

Italien ist durch Migrationserfahrungen stärker geprägt als viele andere europäische Länder. Mit dem Jahr 1880 begann die moderne interkontinentale Massenwanderung in Europa und somit auch in Italien. Die Beweggründe für diese Massenbewegungen sind sowohl auf politischer und wirtschaftlicher, als auch auf demografischer Ebene zu suchen. Bedingt durch die Tatsache, dass der Süden Italiens von den wirtschaftlichen und sozialen Problemen des Landes besonders betroffen war, ist es wenig verwunderlich, dass der überwiegende Teil der italienischen Migranten in den USA vorrangig aus den ärmeren Regionen wie etwa Kalabrien, Kampanien oder Sizilien stammten.29

3.1 Push-Faktoren der Emigration

Als Push-Faktoren werden ein Teil der Gründe definiert, welche in diesem Fall dazu beitragen, dass jemand sein Land verlässt. Bezogen auf Italien sind diese im 19. Jahrhundert darauf zurückzuführen, dass das Land nach einer Ära von Bürgerkriegen und Aufständen am 17. März 1861 zum Königreich ausgerufen wurde, welches sich prompt mit einer Reihe von Problemen konfrontiert sah. Die Forderung des Königreichs nach Industrialisierung, Aufrüstung und innere Stabilität wurden lediglich an den Norden gestellt, weshalb das Land in einer Spaltung von Kultur und Politik regiert wurde. Der Süden Italiens verblieb in der Agrarwirtschaft und zeigte keine großartige Entwicklung nach vorn auf: Es blieb wirtschaftlich und politisch weiterhin wenig entwickelt. Die Subventionen des Staates gingen daher ebenfalls fast nur an den Norden, da dort eine entsprechende Entwicklung vollzogen wurde und die Industrie stetig wuchs.30 Besonders hart war der Süden Italiens dann in der Agrarkrise Ende des 19. Jahrhunderts betroffen, als Weizen nicht mehr großteilig aus Europa, sondern aus Amerika importiert wurde. Die Weizenpreise sanken dabei um 30 % im Jahr 1880, womit die Böden verarmten und ein weiterer Anbau nicht mehr lohnenswert war.31 Infolgedessen grassierten in den unteren Schichten der Bauern Italiens Unterernährung, Krankheiten und extreme Armut.32 Erschwerend hinzu kamen die Unterbezahlung Süditaliens sowie die Überbevölkerung, welche auf den Geburtenüberschuss zurückzuführen sind. Innerhalb von 50 Jahren wuchs die italienische Bevölkerung somit um 40 %, was den Druck auf die Bauern im Laufe der Zeit zunehmend erhöhte.33

Die Reaktionen der Regierung ließen stets auf sich warten, weshalb die Menschen sich selbst einen Ausweg aus ihrem Unglück suchten. Damit waren die süditalienischen Auswanderungen beschlossene Sache, womit die Massenemigrationen im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts begonnen haben. Der Höhepunkt wurde dabei in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erreicht; in der ersten Periode der Auswanderungen begaben sich 15% der Italiener nach Nordamerika und 35 % nach Südamerika, als es dann in Südamerika zur Wirtschaftskrise kam, schwenkten die Zahlen um: 40 % der italienischen Migranten wollten nun nach Nordamerika und 17 % nach Südamerika.34 Innerhalb Europas siedelten sich ebenfalls einige Migranten italienischer Staatsangehörigkeit an. So kam es, dass zwischen den Jahren 1899 und 1910 2,3 Millionen Italiener in die USA immigrierten, von denen allein 1,9 Millionen aus süditalienischen Provinzen stammten.35

3.2. Pull-Faktoren der Emigration

Die Auswanderung der Italiener wurde unter anderem dadurch begünstigt, dass die Schifffahrtsindustrie einen enormen Aufschwung erlebt und Amerika damit nicht unerreichbar war. Frühere Verschiffungen über den Atlantik dauerte von fünf Wochen bis zu zwei Monate. Diese enorme Reisedauer wurde durch die intensive Weiterentwicklung der Schiffsmotoren auf zehn bis zwölf Tage verkürzt. Im Jahr 1880 wurden dann Seewege von Süditalien vorrangig nach New York eingerichtet, wodurch die US-amerikanische Ostküste gut erreichbar war.36 Ebenfalls wurde die Emigration durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes begünstigt, da das Reisen und die Verbindungen innerhalb Italiens und Europas wesentlich vereinfacht wurden.37

Ein weiterer Faktor war die sich explosionsartig entwickelnde Industrie in den Vereinigten Staaten, welche eine große Nachfrage an Arbeitskräften mit sich brachte. Das US-amerikanische Hauptargument war dabei der wesentlich höhere Lohn, der um ein vielfaches höher war, als der Lohn in Europa, weshalb diese Arbeitsplätze entsprechend begehrt waren. Damit begaben sich viele der Süditaliener als ungelernte Arbeiter, ungefähr 77% der Süditaliener waren lediglich Bauern und circa 50 % Analphabeten, an den Big Apple, um beispielsweise als Schienenbauer, in Bergwerken oder Fabriken ihr Glück zu finden.38 Der Zustrom italienischer Emigranten blieb bis 1924 konstant, im Jahr 1930 lebten ungefähr 1,7 Millionen Italiener in den Vereinigten Staaten.

4. Italiener in den Vereinigten Staaten

4.1 Soziale (Re-)Organisation

Für die Migranten war es allerdings nicht leicht, nach New York zu gelangen. Waren sie doch angepasst an ihr Leben als Bauern in der Agrarwirtschaft und hatten keine Kenntnisse über die entsprechende Sprache, geschweige denn über die eigene Schriftsprache oder einen Ort außerhalb des eigenen Dorfes.39 Von großer Wichtigkeit war es jedoch, der jeweiligen Bürokratie nachzukommen, wo einige Betrüger ihre Bereicherung suchten. Angewiesen auf fremde Hilfe, suchten die Emigranten diese bei fremden Personen, die sich als hilfsbereit verkauften. Es entstand so ein System, welches darauf ausgerichtet war, die italienischen Migranten in die USA zu bringen, und dabei selbst sehr viel Kapital zu erlangen: das Padroni-System. Der genaue Ursprung des Systems ist unklar.40 Die Definition ist jedoch laut Wörterbuch für das Wort padrone eine Bezeichnung für Besitzer, Dienstherren oder Eigentümer gebraucht, weshalb man bereits erkennt, dass dieses System eine Verflechtung aus Macht, Habgier und Hierarchie verkörpert. Sinn dieses Systems war es, den nordamerikanischen Arbeitgebern gegen eine Provision italienische Arbeitskräfte zu vermitteln und den italienischen Migranten vor Ort mit gewissen Dienstleistungen bei Seite zu stehen, welche das Ankommen in der neuen Gesellschaft erleichtern sollten.41 Allerdings spürten die Migranten davon nichts, da sie in ein Abhängigkeitskonstrukt gepresst wurden. Bei der Auswahl des Arbeitspersonals nutzten die Padroni die Schwäche der Leute, beispielsweise das Analphabetentum aus, um diese mit sittenwidrigen Verträgen auszubeuten. Dazu wurden Verträge aufgesetzt, die die Emigranten aus Italien in einer Art Leibeigenschaft leben und arbeiten ließen. Aufgrund der Umstände in Süditalien waren viele die schlechte Bezahlung und die harten Verhältnisse gewohnt, jedoch war ihr Ziel aus diesen mit der Auswanderung zu entfliehen, was aber so in unerreichbare Ferne rückte. Löhne, die in die Heimat verschickt werden sollten, wurden teilweise an die Padroni gezahlt, Wachen wurden mit Waffen ausgerüstet, um die Migranten an der Flucht zu hindern, et cetera. Zum Scheitern kam das Padroni-System durch die steigenden Migranten-Zahlen, da diese sich in ihrer Gruppe sicher fühlten und später ebenfalls Gewerkschaften gründeten.42 Dadurch konnten die Padroni ihre Machtpositionen nicht mehr beibehalten. Unterstützt wurde dieses durch die Einwanderungsbehörden, welche die italienische Regierung zu errichten begann. Schließlich kam es dann in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts zum Zusammenbruch dieses Ausbeutungssystems. Aufgrund dieses Systems verloren die Leute mit dem Vorhaben ihr Heimatland zu verlassen auch an Vertrauen und konzentrierten sich bei Vertrauenspersonen an drei zentralen Punkten: Wohnort, soziales Ansehen und Verwandtschaftsgrad. Dadurch wandelte sich der Name der Mittelsmänner zwischen den USA und Italien von padroni in paesan i. Dabei handelte es sich um Personen, die aus demselben Dorf oder derselben Region stammten. Die Paesani unterstützten dabei die Leute in den USA auch vor Ort, da diese in der neuen Region nicht isoliert leben wollten. Hauptsächlich beschränkten sich aber deren Aufgaben auf die Ein- und Ausreise der Migranten. Ebenfalls halfen die Paesani ihren Landsmännern bei der Bereitstellung zinsgünstiger Kredite. Dies führte dazu, dass die Anzahl der italienischen Migranten in den USA stetig wuchs. Damit war das sogenannte Paesani- American Network entstanden und aufgrund der hohen Zahl an Immigranten, entstanden entsprechende Viertel: die Little-Italies. Mit Hilfe der Paesani gelang es den immigrierten Italienern so, in den Little-Italies mit Verwandten, Freunden und Bekannten zu wohnen, ohne sich zu isoliert zu fühlen. Hinzu kommt, dass diese ihnen bei der Eingliederung in die neue Kultur mit für sie wertvollen Ratschläge zur Seite standen, um so bürokratische Hürden bei der Arbeitssuche und im Alltagsleben zu nehmen. Dadurch gelang es den Migranten, bekannte Strukturen innerhalb der Viertel aufrecht zu erhalten und sich ein Teil Amerikas nach eigenen Vorstellungen und Idealen zu kreieren.43

[...]


1 The Godfather 1972 von Francis Ford Coppola.

2 Lippman, Walter (1964)Public Opinion [1922]: Die öffentliche Meinung. München: Rütten+ Loening.

3 Ebenda,S. 71.

4 Vgl. Allport, Gordon W. (1953): The nature of predjudice. Garden City, New York:Coubleday & Company, Inc.,S. 286 f.

5 http://www.census.gov/prod/2004pubs/c2kbr-35.pdf.

6 http://www.unico.org/

7 Die Abkürzung steht für Italian American One Voice Coalition.

8 Die Abkürzung steht für Order Sons of Italy in America.

9 Vgl. http://www.ethnologie-einfuehrung.de/PDFs/02_EthnischGruppe.pdf., S.1.

10 Allport,W.Gordon (1954): The nature of predjudice. New York: Doubleday Anchor, S.7.

11 Vgl. Han (2000):Soziologie der Migration: Erklärungsmodelle, Fakten, politische Konsequenzen, Perspektiven. Stuttgart: Lucius & Lucius., S. 262.

12 Vgl.Ebenda.,S.267.

13 Vgl. Ebenda.,S.263.

14 Vgl. Lüsebrink, Hans- Jürgen ( 2005).:Interkulturelle Kommunikation. Interaktion, Fremdwahrnehmung, Kulturtransfer. Stuttgart.:J.B.Metzler.,S.90ff.

15 Vgl. Petersen,Thomas,(Hrsg)(2009):Visuelle Stereotype.Köln:Herbert von Halem Verlag.,S.46f.

16 Vgl.Ebenda.,S.47.

17 Lippman, Walter( 1964).,S.87.

18 Vgl. Valota, Bianca (2007):National stereotypes. Correct images and distorted images. Alessandria: Edizioni dell’Orso.,S.9.

19 Vgl. Lüsebrink, Hans- Jürgen ( 2005), S.90ff.

20 Vgl. Han 2000, S. 259.

21 Vgl.Ebenda.,S.259f.

22 Vgl. Allport Gordon W. (1954): The Nature of Prejudice. New York: Doubleday Anchor, S. 235f.

23 Vgl. Han 2000, S.269f.

24 G.Rusch, H.Schanzen.G.Schwering(2007):Theorie der Neuen Medien. Kino-Radio-Fernsehen-Computer.Paderborn: Wilhelm Fink GmbH & Co.Verlags-KG.,S.26.

25 Vgl.Prokop,Dieter (1995): Medien-Macht und Massen-Wirkung.Ein geschichtlicher Überblick. Freiburg im Breisgau: Rombach. 1. Aufl. Rombach Wissenschaft. Reihe Litterae.,S.40.

26 Vgl. G.Rusch, H.Schanzen.G.Schwering(2007):Theorie der Neuen Medien. Kino-Radio-Fernsehen-Computer.Paderborn: Wilhelm Fink GmbH & Co.Verlags-KG.,S.113f.

27 Vgl. Schweinitz, Jörg (2006): Film und Stereotyp. Eine Herausforderung für das Kino und die Filmtheorie. Berlin: Akademie Verlag. S.12f.

28 Lippman, Walter(1964).,S.70.

29 Vgl. Nelli, Humbert (1983): From Immigrants to Ethnics: The Italian Americans. New York: Oxford University Press., S.31 f.

30 Vgl. Ebenda., S.20f.

31 Vgl. Woller, Hans (2010): Geschichte Italiens im 20. Jahrhundert. München: C.H.Beck.,S.20

32 Nelli,Humbert (1983).,S.22.

33 Vgl. Baily Samuel L. (1999): Immigrants in the Lands of Promise: Italians in Buenos Aires and New York City. 1870-1914. New York: Cornell, S.23.

34 Vgl. Ebenda.,S.23f.

35 Vgl. Procacci, Giuliano (1989): Geschichte Italiens und der Italiener. München: C.H.Beck, S.292f.

36 Vgl. Baily Samuel L. (1999), S.32.

37 Vgl. Ebenda, S. 31.

38 Vgl. Woller, Hans (2010), S. 77.

39 Vgl. Baily (1999), S.48.

40 Vgl. Rolle, Andrew F. (1970): The Immigrant Upraised: Italian adventurers and colonists in an expanding America. Oklahoma: University of Oklahoma Press, S. 92.

41 Vgl. Iorizzo,Luciano J. (1980): Italian immigration and the impact of the padrone system. New York: Ayer, S.75f.

42 Vgl. Ebenda., S.76.

43 Vgl. Luconi, Stefano (2001): From paesani to white ethnics: the Italian experience in Philadelphia. New York: SUNY Press, S.26ff.

Fin de l'extrait de 29 pages

Résumé des informations

Titre
Stereotypisierung. Wie werden Italiener in den amerikanischen Medien dargestellt?
Université
University of Potsdam
Note
2,0
Année
2014
Pages
29
N° de catalogue
V458069
ISBN (ebook)
9783668892859
ISBN (Livre)
9783668892866
Langue
allemand
Mots clés
Stereotypisierung, Vorurteil, ethnische Gruppen, Diskriminierung, Medien, Mafia, italienische Mafia, organisierte Kriminalität, Film, Der Pate, Sopranos, italo-amerikaner
Citation du texte
Anonyme, 2014, Stereotypisierung. Wie werden Italiener in den amerikanischen Medien dargestellt?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/458069

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