Die Wirkung von Negative Campaigning im US-amerikanischen Wahlkampf


Trabajo Escrito, 2016

31 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Negative Campaigning in der Kommunikationswissenschaft

2 Wie wirkt sich der Einsatz von Negative Campaigning im USamerikanischen Wahlkampf auf unterschiedlichen Ebenen aus?

3 Negative Campaigning als Wahlkampfstrategie
3.1 Das Konzept des Negative Campaignings: Begriffsbestimmung und
Charakteristika
3.2 Akteure und Zielgruppen des Negative Campaignings
3.3 Negative Campaigning im US-amerikanischen Wahlkampf
3.4 Negative Campaigning im wissenschaftlichen Diskurs

4 Auswirkungen von Negative Campaigning
4.1 Wirkung auf Ebene des Angreifers
4.2 Wirkung auf Ebene des Angegriffenen
4.3 Wirkung auf Ebene des politischen Publikums
4..4 Wirkung auf Ebene des politischen Systems

5 Heterogene Wirkungspotentiale des Negative Campaignings

6 Anhang

7 Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Negative Campaigning in der Kommunikationswissenschaft

„In der Realität des Jahres 2016 wird zwar nicht gemordet, aber immerhin beschimpft der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump den scheidenden Amtsinhaber Barack Obama als ,Weichei‘ und ,dummen, schwachen Führer‘. Er beschuldigt seine Gegenkandidatin Hillary Clinton, angebliche Vergewaltigungen ihres Mannes gedeckt zu haben. Und er erklärt seine parteiinterne Konkurrentin Carly Fiorina mit den Worten ,Schauen Sie sich doch mal ihr Gesicht an!‘ für nicht wählbar. Trotzdem wird Trump im Vorwahlkampf zur Präsidentschaftswahl phasenweise mit der Spitzenposition unter den Republikanischen Kandidaten belohnt.“ (Burgard 2016: S. 187 f.)

In dieser Beschreibung der US-amerikanischen Vorwahlen im Jahr 2016 betont Burgard zum einen, dass es sich bei Negative Campaigning (NC) um eine Wahlkampfstrategie (WS) handelt, die in der politischen Landschaft der USA fest verankert ist (vgl. Schmücking 2015: S. 22). Darüber hinaus setzt der Journalist bereits den Einsatz von NC mit Trumps Wahlerfolg in Verbindung. Diese potentielle Korrelation ist ein Aspekt, der in der vorliegenden Arbeit analysiert wird. Denn der Seminararbeit liegt folgende Fragestellung zugrunde: Wie wirkt sich der Einsatz von NC im US-amerikanischen Wahlkampf (WK) auf unterschiedlichen Ebenen aus?

Die Relevanz dieses kommunikationswissenschaftlichen Forschungsthemas bemisst sich einerseits – wie bereits Burgard verdeutlicht – aus dessen Aktualität: So ist die Nutzungsfrequenz dieser WS im Verlauf der letzten Jahrzehnte in USamerikanischen WK deutlich angestiegen (vgl. Geer 2006: S.35 f.) und heutzutage fester Bestandteil der modernen US-amerikanischen PW (vgl. Burgard 2016: S. 187 f.). Andererseits empfiehlt sich eine intensive Auseinandersetzung mit der Fragestellung aus Gründen des wissenschaftlichen Diskurses. Debatten um mögliche Auswirkungen des (zunehmenden) Einsatzes von NC sind fester Bestandteil der Kommunikationswissenschaft.

Diese Bedeutung des Forschungskomplexes spiegelt sich im wissenschaftlichen Literaturstand wider. Es existiert eine Vielzahl an empirischen Studien, die potentielle Konsequenzen von Negativkampagnen (NK) in den USA analysieren. Allerdings weist die Wirkungsforschung zum Teil heterogene Ergebnisse auf, sodass verschiedene Aspekte noch nicht als empirisch abgesichert gelten. Dieser umfassenden empirischen Auseinandersetzung steht ein verhältnismäßig kleiner Anteil an theoretischen Arbeiten gegenüber.

Zur Beantwortung der vorliegenden Forschungsfrage wurde ein deskriptives Verfahren gewählt, um einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu geben. Diese Arbeit konzentriert sich zunächst auf das NC als WS: In diesem Zuge werden sowohl das Konzept der NK sowie deren relevante Akteure und Zielgruppen vorgestellt. Anschließend wird der Einsatz von negativer Wahlwerbung (WW) in US-amerikanischen WK thematisiert. Der wissenschaftliche Diskurs bezüglich potentieller Auswirkungen des NC schließt die theoretische Annäherung an die Forschungsfrage ab. Das darauffolgende Kapitel beinhaltet sowohl theoretische Argumente als auch empirische Belege für unterschiedliche Auswirkungen des NC. Hierbei werden die Konsequenzen, die dem Einsatz von NK im WK entspringen, differenziert auf vier Ebenen dargestellt: auf Ebene des Angreifers, auf Ebene des Angegriffenen, auf Ebene des politischen Publikums sowie auf Ebene des politischen Systems. Ein Fazit fasst abschließend die wichtigsten Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit zusammen.

2 Wie wirkt sich der Einsatz von Negative Campaigning im USamerikanischen Wahlkampf auf unterschiedlichen Ebenen aus?

Die vorliegende Arbeit verfolgt die wissenschaftliche Fragestellung, inwiefern sich der Einsatz von NC im US-amerikanischen WK auf unterschiedlichen Ebenen auswirkt. Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage wird im nächsten Kapitel zunächst die WS des NC eingehend beleuchtet. Auf diesen Ausführungen aufbauend werden anschließend die Auswirkungen des NC thematisiert.

3 Negative Campaigning als Wahlkampfstrategie

Das nachfolgende Kapitel stellt das NC als politische WS in den Fokus. Hierzu werden alle für das NC in den USA relevanten Basisinformationen zusammengefasst, um anschließend dieses Wissen für die Wirkungsanalyse nutzen zu können. Anfangs erfolgt die Begriffsbestimmung und das Aufzeigen relevanter Charakteristika. Im Anschluss daran werden Akteure und Zielgruppen von NK präsentiert. Das Kapitel 3.3 geht auf den besonders hohen Stellenwert, der dem NC im Rahmen von US-amerikanischen WK zukommt, ein. Abschließend wird der wissenschaftliche Diskurs bezüglich potentieller Wirkungen des NC dargestellt.

3.1 Das Konzept des Negative Campaignings: Begriffsbestimmung und Charakteristika

In der Fachliteratur beschreiben verschiedenste Termini die WS des NC – Synonyme sind etwa Negative Advertisement, Angriffswahlkampf (vgl. Leichsenring 2013: S. 30) oder Attack Politics (vgl. Schmücking 2015: S. 26). Demgegenüber herrschen in der Alltagssprache Bezeichnungen wie Schmutzkampagne (vgl. Ebd.) oder Mudslinging (entspricht im Deutschen der „Schlammschlacht“) vor (vgl. Daschütz 2014: S. 46) – also Termini, die bereits normativ aufgeladen sind (vgl. Leichsenring 2013: S. 30). Weitere am NC beteiligte Akteure wie Wahlkampfmanager, Politiker oder Journalisten verwenden ebenfalls häufig wertende Konnotationen. Demgegenüber verzichten aktuelle wissenschaftliche Definitionen auf sämtliche Evaluationen (vgl. Nai/ Walter 2015a: S. 12).

Um den Begriff des NC exakt bestimmen zu können, ist zunächst die Definition der politischen Kampagne – die Begriffskomponente, die das Fundament des NC bildet – erforderlich. Diese kann als „ organized efforts to inform, persuade and mobilize “ (Norris 2002: S. 128) verstanden werden. Die von politischen Organisationen publizierten Mitteilungen und die hierfür verwendeten Kommunikationswege, die daraus resultierenden Wirkungen auf die Rezipienten sowie deren reaktive Resonanz an die politische Organisation stellen Kernelemente einer jeden politischen Kampagne dar (vgl. Ebd.). Die zweite Begriffskomponente des NC, die Negativität innerhalb politischer Kampagnen, definiert Geer wie folgt:

„[ N ] e gativity is any criticism leveled by one candidate against another during a campaign” (Geer 2006: S. 23).

Beide Elemente, die politische Kampagne sowie die Negativität, formen das NC maßgeblich. Jedoch erweist sich die Definitionsarbeit des NC als komplex: Denn in der Fachliteratur existiert eine Vielzahl an Definitionen, welche NC beziehungsweise dessen Synonyme unterschiedlich interpretieren (vgl. Nai/ Walter 2015a: S. 11 f.). Eine Übersicht zu den synonym verwendeten Konzepten sowie deren wissenschaftlichen Definitionen befindet sich im Anhang 1. Eine in der Kommunikationswissenschaft etablierte – wenngleich weniger exakte Begriffsbestimmung – stammt von Lau und Pomper. Sie begreifen NC als „talking about the opponent – criticizing his or her programs, accomplishments, qualifications, and so on” (Lau/ Pomper 2004: S. 4). Mayer fokussiert sich hingegen im Rahmen seiner Definitionsarbeit auf die gegnerische Angriffsfläche und vermittelt, dass es sich beim NC um gerechtfertigte Kritik handelt: „[N]egative campaigning focuses on the weaknesses and faults of the opposition: the mistakes they have made, the flaws in their character of performance, the bad policies they would pursue“ (Mayer 1996: S. 441). Die Definition von NC, an der sich die vorliegende Arbeit aus Gründen der Vollständigkeit und der Integration von vergleichenden Kampagnen orientiert, bringt schließlich Schmücking hervor:

„Negative Campaigning ist eine Wahlkampfmethode, bei der mittels politischer Kommunikation die Schwächen der politischen Konkurrenz aufgezeigt werden, um so das Ziel des Wahlsiegs zu erreichen. Der gegnerische Kandidat und die gegnerische Partei können sowohl sachlich als auch unsachlich angegriffen werden. […] Der Angriff erfolgt entweder über mittelbare oder über unmittelbare Kommunikation, zu der die Wahlkampfwerbung gehört. Der Angriff kann direkt sein, ohne die eigene Position darzustellen oder vergleichend, dann wird gleichzeitig die eigene Position dargestellt.“ (Schmücking 2015: S. 30f.)

Jedoch können Wahlerfolge ebenso durch andere WS erzielt werden – beispielsweise durch Positive Campaigning (PC) (vgl. Ebd.: S. 26). Hierbei stehen die eigenen Stärken und Verdienste des Kandidaten sowie die positive Darstellung seiner zukünftigen politischen Vorhaben im Fokus der politischen Kampagne (vgl. Mayer 1996: S. 440 f.). Dazu greifen politische Organisationen auf themenbezogene oder kulturelle Mythen beinhaltende WW zurück oder gestalten die Kampagnen in der Art, dass sich möglichst viele Wähler mit dem Kandidaten identifizieren können (vgl. Johnson-Cartee/ Copeland 1997: S. 2).

Die Legitimität einer politischen Kampagne ist jedoch nicht an deren WS geknüpft. Das bedeutet, dass PC nicht zwangsläufig als legitim beziehungsweise NC nicht zwangsläufig als illegitim einzustufen ist (vgl. Lau/ Pomper 2004: S. 4). Eine Kampagnentypologie veranschaulicht dies im Anhang 2. Vielmehr muss die Wissenschaft die Frage nach Legitimität individuell von Kampagne zu Kampagne stellen (vgl. Johnson-Cartee/ Copeland 1997: S. 20). Da – wie bereits in Schmückings Definition von NC angesprochen – das oberste Ziel dieser WS im Wahlsieg besteht (vgl. Lau/ Pomper 2004: S. 27), kommt den Bürgern eine zentrale Rolle in der Beurteilung der Legitimität von Kampagnen zu (vgl. Althaus 2005: S. 124). Die Toleranzgrenzen der Wähler können allerdings vorher nur bedingt abgeschätzt werden, der öffentliche Diskurs bezüglich der NK ist ungewiss (vgl. Ebd.). Beim Einsatz von NC müssen folglich immer potentielle, nicht abschätzbare Konsequenzen bedacht werden (vgl. Bike 2014: o.S.).

Politische Parteien und Akteure wollen den Wahlsieg mithilfe von NC erreichen, indem die NK „ Unsicherheit, Zweifel und möglicherweise Angst bei Unentschiedenen und Sympathisanten des Gegners“ (Althaus o.J.: S. 122) generieren und intensivieren, sodass diese sich der eigenen Partei zuwenden. Zudem zielt die Nutzung von NC im politischen WK darauf ab, die Bindung zu parteieigenen Anhängern zu stärken und diese dadurch zunehmend für parteiliche Aktivitäten zu gewinnen (vgl. Leichsenring 2013: S. 34).

Um in diese politische Vorrangstellung gelangen zu können, setzen politische Organisationen unterschiedliche Arten von NK ein: Erstens kann im Hinblick auf die Angriffsfläche zwischen NC auf persönlicher Ebene und NC auf politischer Ebene differenziert werden (vgl. Schmücking 2015: S. 28). Sowohl das Kandidatenimage als auch dessen politischen Agenda gelten als entscheidende Determinante der Wahlentscheidung in den USA. Dementsprechend thematisiert auch NC diese beiden Elemente (vgl. Benoit 2015: S. 39). Zweitens variieren die NK ebenso bezüglich der verwendeten Angriffsformen. Hierbei kann zwischen direkten Angriffen, direkten Vergleichen und impliziten Vergleichen unterschieden werden. Direkte Angriffe kritisieren gezielt den gegnerischen Akteur beziehungsweise die gegnerische Partei, ohne sich auf die eigene politische Position zu beziehen (vgl. Johnson-Cartee/ Copeland 1997: S. 27). Demgegenüber wird bei direkten Vergleichen der Kandidat, der das NC initiiert hat, dem Gegner unmittelbar gegenübergestellt, wobei der Erstgenannte hierbei möglichst positiv dargestellt wird (vgl. Ebd.: S. 31). Im Gegensatz dazu thematisieren und kritisieren NK mit impliziten Vergleichen nicht den Gegner – teilweise wird auch der Kandidat, der der Urheber des NC ist, nicht genannt. Stattdessen kommt die Negativität erst durch die Interpretation der Wähler zustande (vgl. Ebd.: S. 33). Schließlich können NK drittens anhand der eingesetzten Kommunikationsmittel zwischen unmittelbarer und mittelbarer Kommunikation differenziert werden. Unmittelbare Kommunikationsmaßnahmen ermöglichen politischen Organisationen die direkte und selbst gesteuerte – und daher auch selbst zu finanzierende – Ansprache der Wähler. Mittelbare Kommunikationsmaßnahmen gelangen hingegen durch den Umweg über die Medien an die Bürger. Daher sind derartige Kommunikationsmaßnahmen zwar kostenlos, jedoch können die publizierten Inhalte nur bedingt beeinflusst werden (vgl. Schmücking 2015: S. 30). Eine schematische Darstellung dieser drei Differenzierungsmerkmale befindet sich im Anhang 3.

3.2 Akteure und Zielgruppen des Negative Campaignings

Aus den vorherigen Ausführungen ist bereits das wesentliche Charakteristikum des NC hervorgegangen: Ein Herausforderer kritisiert – teils offenkundig, teils subtil – seinen Gegner. Die Entscheidung, NK im WK einzusetzen, wird laut Buell und Sigelman von aktuellen Umfrageergebnissen bezüglich der Wahlentscheidung beeinflusst: Die Autoren klassifizieren in diesem Rahmen vier verschiedene Wahlkampfszenarien, die die Tendenz eines Kandidaten beschreiben, NC tatsächlich zu nutzen (Buell/ Sigelman 2008: S. 19). Im Anhang 4 ist eine entsprechende Übersicht vorzufinden. Auch der aktuelle politische Status eines Kandidaten entscheidet, ob er zum Angreifer wird. Beispielsweise neigen Amtsinhaber dazu, weniger NK zu initiieren als neue Herausforderer (vgl. Althaus 2005: S. 133; vgl. Daschütz 2014: 151). Denn Amtsträger verfügen aufgrund ihrer politischen Karriere bereits über „eine mentale Präsenz […] beim Wähler“ (Kaltenthaler 2000a: S. 74). Weitere Determinanten, die den Einsatz von NC im WK begünstigen können, beziehen sich auf die soziodemografischen Merkmale des Kandidaten: So belegen verschiedene Studien, dass Geschlecht, Abstammung sowie Parteizugehörigkeit die Verwendung dieser WS beeinflussen können (vgl. Nai/ Walter 2015b: S. 100 f.).

Doch auch die Charakteristika des politischen Gegners entscheiden darüber, ob er zum Angegriffenen wird. Dies gilt wegen des Zweiparteiensystems zwar nicht für die US-amerikanischen PW selbst, aber – aufgrund der Mehrzahl politischer Konkurrenten – für die Vorwahlen. Es existieren empirische Belege dafür, dass sowohl das Geschlecht, der derzeitige politische Status, aktuelle Umfrageergebnisse als auch das Verhalten und die ideologische Nähe des Gegners beeinflussen, welcher politische Akteur angegriffen wird (vgl. Ebd.: S. 103 ff.).

Neben diesen beiden Protagonisten, dem Angreifer und dem Angegriffenen, sind jedoch noch weitere politische Akteure – wenn auch im Hintergrund – am Einsatz von NC beteiligt. Hierzu gehören etwa Politikberater. Sie empfehlen den zur Wahl stehenden Politikern adäquate WS wie die Verwendung von NK (vgl. Kamber 1997: S. 179) und gelten aufgrund der fortschreitenden Professionalisierung als wichtige Strategen der politischen Kampagnenführung (vgl. Kaltenthaler 2000a: S. 68). Daneben üben die Parteien in den USA ebenso Einfluss auf das Vorgehen im WK aus (vgl. Ebd.: S. 65). Sie fungieren „zusätzlich zu den professionellen Beratern als Quasi-, Consultants ‘“ (Ebd.) für aussichtsreiche Kandidaten (vgl. Ebd.). Schließlich nehmen Political Action Commitees Einfluss auf den US-amerikanischen WK. Sie finanzieren und gestalten Kampagnen für ihren favorisierten Kandidaten selbstständig. Zusätzlich können Political Action Commitees Wahlkampfspenden vergeben. Allerdings können sie auf die Kampagneninhalte der Kandidaten nur bedingt einwirken (vgl. Ebd.: S. 66 f.).

Die primäre Zielgruppe des NC stellen schließlich „unentschlossene und/oder wenig informierte Wähler/innen“ (Klimmt/ Netta/ Vorderer 2007: S. 391) dar. Anhänger der gegnerischen Partei werden hingegen nicht gezielt durch NK an gesprochen, da deren politischen Überzeugungen nur schwer umgekehrt werden können (vgl. Ebd.).

3.3 Negative Campaigning im US-amerikanischen Wahlkampf

NC als WS existiert laut Hauptmann und Schmücking bereits so lange wie die Demokratie selbst (vgl. Hauptmann/ Schmücking 2012: S. 57). Althaus untermauert diese Argumentation, indem er die NK als „integrale[n] Bestandteil jeder politischen Auseinandersetzung“ (Althaus 2005: S. 111) modelliert. Faktisch können seit Beginn der US-amerikanischen PW rhetorische Angriffe zwischen den Akteuren belegt werden. Zu den bekanntesten NK im Rahmen von US-amerikanischen PW gehören der Daisy-Spot von Lydon B. Johnson sowie Bushs Willie-Horton-Spot (vgl. Schmücking 2015: S. 31 f.). Sie zählen „heute zum kommunikationspolitischen Kulturgut der USA“ (Hauptmann/ Schmücking 2012: S. 57). „Negativkampagnen sind [folglich] tief in der amerikanischen Wahlkampftradition verwurzelt“ (Kaltenthaler 2000a: S. 30).

Die NK in US-amerikanischen WK weisen gewisse Spezifika auf: Demnach werden im Rahmen des NC teilweise nicht begründete oder nicht verifizierte „Unterstellungen, Lügen, Übertreibungen, Drohungen oder überzogene Zukunftsszenarien“ (Schmücking 2015: S. 31) aufgrund der hohen politischen wie medialen Wettbewerbsorientierung (vgl. Ebd) geäußert. Zudem ist eine starke Tendenz zur Personalisierung zu verzeichnen (vgl. Daschütz 2014: S. 47). Hierbei werden die Kandidaten gezielt durchleuchtet (vgl. Hauptmann/ Schmücking 2012: S. 58): „Persönlichkeit, Biografie, Temperament, Charakter werden im [sic!] Wahlkämpfen zur Diskussion gestellt – nicht zuletzt aus der Vermutung heraus, dass sich hier Hinweise darauf finden, wie ein Kandidat später im Amt entscheiden und handeln würde“ (Althaus 2005: S. 123).

Doch warum bieten US-amerikanische WK – im Gegensatz zu politisch vergleichbaren Systemen wie das der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Hauptmann/ Schmücking 2012: S. 58) – einen derart fruchtbaren Nährboden für den Einsatz von NC? Die Verwendung dieser WS legitimiert sich durch die im USamerikanischen Politiksystem verankerte Kontrollfunktion (vgl. Kaltenthaler 2000a: S. 59): Dabei kontrollieren sich die drei Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative im Rahmen der sogenannten checks and balances gegenseitig, sodass ein ausgewogenes Machtverhältnis sichergestellt wird (vgl. Bosch 2008: S. 71). Außerdem setzt die Nutzung von NK eine in politischer und kultureller Hinsicht aufgeschlossene Wählerschaft voraus, was in den USA gegeben ist (vgl. Grünewald 2010: o.S.). Bosch argumentiert, dass die Bürger den Einsatz von NC gar einfordern (vgl. Bosch 2008: S. 76), da sie „den politischen Betrieb und sein Personal selbst mit einer gewissen Geringschätzigkeit und Skepsis betrachte[n]“ (Ebd.). Auch Kaltenthaler führt neben technologischen und politischen Gegebenheiten das instinktive Misstrauen in die Politik und die fehlende Beschäftigung der Bürger mit Politik als Ursachen für die Etablierung dieser WS an (vgl. Kaltenthaler 2000a: S. 55 ff.)

.Einen besonders hohen Stellenwert im Rahmen von Wahlkampagnen kommt dem Fernsehen in den USA zu. Denn es handelt sich dabei um den wichtigsten Informationslieferanten für breite Bevölkerungsschichten (vgl. Kaltenthaler 2000b: S. 30). Die Wahlspots informieren die Rezipienten in kompakter Form und wecken dabei Emotionen (vgl. Tönnesmann 2008: S. 108 f.). Dabei erreichen diese TV-Spots auch einen Großteil der Bürger, die bisher uninformiert und/ oder unentschieden sind (vgl. Kamber 1997: S. 42) – also die wichtigste Zielgruppe des NC. Aufgrund der technologischen Entwicklungen kann der USamerikanische WK allerdings in Zukunft vermehrt im Internet stattfinden (vgl. Tönnesmann 2008: S. 116). Die zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten des World Wide Webs könnten die Kampagnen etwa auf formaler und inhaltlicher Ebene beeinflussen (vgl. Grünewald 2008: o.S.). So wurde bereits im US-Präsidentschaftswahlkampf 2004 eine NK in der Form des Onlinespiels Flip-FlopOlympics von Bush initiiert. Hierbei standen die wechselnden politischen Ansichten seines Gegners Kerry im Zentrum (vgl. Vetter 2009: S. 263 f.).

Bei NC handelt es sich jedoch nicht nur um eine etablierte WS, sondern ebenso um einen festen Bestandteil der medialen Berichterstattung in den USA (vgl. Nai/ Walter 2015a: S. 2). Denn die Medien berichten ausführlich über die Aussagen der Kandidaten (vgl. Mayer 1996: S. 448). Kaltenthaler spricht in diesem Zusammenhang davon, dass „Nachrichtenredaktionen kaum mehr als der verlängerte Arm der Kampagnen sind“ (Kaltenthaler 2000b: S. 31). Gleichermaßen initiieren die Medien selbst NK, indem sie kritische Informationen über die zur Wahl stehenden Kandidaten selbstständig recherchieren und publizieren (vgl. Fridkin/ Kenney 2004: S. 573). Die Medienlogik führt zu einer Intensivierung der negativen Berichterstattung: Denn derartige Nachrichten erfüllen den Nachrichtenwert der Negativität (vgl. Johnson-Cartee/ Copeland 1997: S. 19 f.), sodass sie „sich besser [verkaufen], und darum füllen sie mehr Zeitungsspalten und Sendeminuten“ (Althaus 2005: S. 118). In der Konsequenz führt dies zum einen dazu, dass sich Politikberater an dieser Medienlogik orientieren, um mehr Negativbotschaften über die Gegenkandidaten kostenlos in den Medien platzieren zu können (vgl. Tönnesmann 2008: S. 113). Zum anderen nehmen die Rezipienten den WK als zunehmend negativ wahr (vgl. Althaus 2005: S. 119).

3.4 Negative Campaigning im wissenschaftlichen Diskurs

Die enorme Bedeutung des NC in den USA wird ebenso anhand der dortzulande stattfindenden intensiven wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dieser Thematik ersichtlich. Insbesondere die Entwicklung des NC innerhalb der letzten PW verstärkt das Forschungsinteresse: Einige empirische Studien belegen, dass die Negativität in US-WK zugenommen hat. Beispielsweise zeichnet Geer das Aufkommen von NK in den PW zwischen 1960 und 2004 anhand einer Stichprobe von politischer Werbung im Fernsehen nach. Der Forscher stellt eine deutliche Aufwärtsentwicklung des NC fest (vgl. Geer 2006: S. 33 37).In der Fachwelt setzte daher in den vergangenen Jahren vermehrt ein theoriegeleiteter Diskurs über Legitimität und Folgen dieser WS ein (vgl. Dolezal et al. 2014: S. 99). In diesem Rahmen wurde das NC mit den sogenannten Schmutzkübelkampagnen gleichgesetzt (vgl. Daschütz 2014: S. 46), bei denen „jegliche Prinzipien demokratischen Wettbewerbs verletzt werden: Fairness, Sachlichkeit und Diskursivität“ (Ebd.). Einige Wissenschaftler bemängeln, dass – anstelle von konkreten politischen Maßnahmen – die bloße Diffamierung des politischen Gegners im Fokus dieser WS steht (vgl. Dolezal et al. 2014: S. 99; vgl. Kaltenthaler 2000b: S. 26 f.). Die Kritik am NC verschärfte sich durch die Resultate einiger empirischer Studien, die drastische Folgen auf Rezipientenebene (vgl. Geer 2006: S. 15) sowie für das politische System belegen (vgl. Tönnesmann 2008: S. 110 f.). Konkretere Ausführungen hierzu befinden sich in Kapitel 4.3 beziehungsweise 4.4. Dies mündete schließlich in die verstärkte Forderung nach Reformen (vgl. Ebd.: S. 111). Demnach beschäftigten sich einige Autoren damit, „wie den von Negativwahlkämpfen ausgehenden Problemen mit gesetzlich verordneten Reformen, kritischer Medienberichterstattung über Wahlkampfwerbung und alternativen Wahlkampfstrategien beizukommen sei“ (Ebd.: S. 102). Demgegenüber betonten andere Wissenschaftler die positiven Aspekte des NC (vgl. Ebd.: S. 102 f). Althaus argumentiert, dass ein politischer Akteur dazu verpflichtet ist, seinen Kontrahenten zu kritisieren (vgl. Althaus o.J.: S. 124). Der Einsatz von NC ermöglicht es beispielsweise, die „Unterschiede zwischen politischen Lösungsansätzen […] besser [zu] verdeutlichen als ,Schönwetterwerbung‘“ (Kapferer 2005: 50). Eng damit verknüpft ist die im Vergleich zum PC verbesserte Informationsqualität der NK. So weisen diese etwa eine höhere Anzahl an Belegen für die publizierten Inhalte auf (vgl. Geer 2006: S. 55 f.) Somit schafft NC gleichzeitig Transparenz (vgl. Hauptmann/ Schmücking 2012: S. 56): „If one candidate performed poorly in his last major public office, if another has no clear or viable plan for dealing with the economy, if a third is dishonest, the voters really do need to be informed about such matters“ (Mayer 1996: 442). Alles in allem leistet der Einsatz dieser WS durch diesen Informationszusatz einen wichtigen Dienst für die Allgemeinheit (vgl. Althaus o.J.: S. 123 f.; vgl. Kamber 1997: S. 7).

4 Auswirkungen von Negative Campaigning

Der Grund für den im vorherigen Kapitel thematisierten Anstieg des Einsatzes von NC stellt dessen vermutete Effektivität dar. Insbesondere Politikberater sehen NC als eine effektive WS an, wodurch sich deren vielfältiger Einsatz in USamerikanischen Wahlen im 21. Jahrhundert erklären lässt (vgl. Fridkin/ Kenney 2004: S. 571). Doch was bedeutet Effektivität in diesem Zusammenhang? Die Wirksamkeit negativer Wahlkampagnen beschreiben Lau und Pomper wie folgt:

[...]

Final del extracto de 31 páginas

Detalles

Título
Die Wirkung von Negative Campaigning im US-amerikanischen Wahlkampf
Universidad
University of Bamberg
Calificación
1,3
Autor
Año
2016
Páginas
31
No. de catálogo
V459839
ISBN (Ebook)
9783668897175
ISBN (Libro)
9783668897182
Idioma
Alemán
Palabras clave
Negative Campaigning, Wahlkampf, US-Wahlkampf, Strategische Kommunikation, Medienwirkung, USA, Negative Campaigning US-Wahlkampf, Wahlkommunikation, Wahlkampfkommunikation, Wahlkampfstrategie, Negativkampagne, Wahlwerbung, Positive Campaigning, Wahlbeteiligung
Citar trabajo
Sandra Heimrich (Autor), 2016, Die Wirkung von Negative Campaigning im US-amerikanischen Wahlkampf, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/459839

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