Interethnische Beziehungen (IEB). Eine thesenartige anthropologisch–historische Zusammenfassung

Beitrag zum Verständnis der Xenophobie aus der Sicht der interethnischen Beziehungen. Von der Wahrnehmung bis zur Migration.


Etude Scientifique, 2019

62 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Einführung - Zur Methode

2. Variabilität des menschlichen Verhalten - Dichotomie

3. Abgrenzung als konstitutives Phänomen des Daseins

4. Abgrenzung individuell, gruppenbezogen, kulturell

5. Staat

6. Ethnische Minderheiten allgemein

7. Gegenseitige Verhältnisse und Handlungsvarianten Mehrheit –Minderheit

8. Bedrohung, Konflikt, Gewalt

9. Kulturwandel - Interethnische Beziehungen sind Teil des Kulturwandels

10. Theoretische Betrachtung über die IEB nach R.A. Schermerhorn. Modell Entwurf

11. Historische Formen der Interethnischen Beziehungen

12. Verschiedene Formen der Migrationen und ihre Folgen

12. Literatur (Auswahl)

Vorwort

Der inflationäre und undifferenzierte Gebrauch des Begriffs Rassismus und der verschiedenen Phobien (z. B. Islamophobie), um jegliche kritische Äußerung im Bereich der interethnischen Beziehungen zu diffamieren, hat mich dazu veranlasst, einen Zugang zu diesem Thema zu ermöglichen, indem ich die Ergebnisse meiner anfangs der achtziger Jahre gehaltener Seminare zu diesem Thema, ergänzt durch neuere Literatur, interdisziplinär und thesenartig darstellen möchte.

Weiterhin war es die einseitige Betrachtung des Verhältnisses zwischen Minderheiten und Mehrheiten und des Vorurteils in der neueren Fachliteratur, die meine Intention nur verstärkte.

In dem gegenwärtigen Diskurs zum Thema Xenophobie unterscheidet der Politikwissenschaftler Patzelt, zwar etwas vereinfacht, zwei Richtungen.

1) Die soziobiologische, welche die Xenophobie als Unterscheidung zwischen „Wir“ und „die Anderen“ in gewissem Umfang bereits angeboren betrachtet. Sie wäre dann ein jeglicher Individualität bereits vorausgehendes Kollektivmerkmal und
2) die quasi konstruktivistische Richtung, welche die Ursachen der Xenophobie in der Kultur der Gesellschaften sucht. Nach ihr, wäre die Überwindung der Fremdenfeindlichkeit durch Änderung der Gesellschaft durch Lernprozesse, Sanktionierung, Kommunikation möglich, bzw. durch Abschaffung des Nationalstaates mittels multikultureller Gesellschaftsformen bzw. religionsfreien Gesellschaften erstrebenswert.

In: Patzelt Werner J.: Fremdenfeindlichkeit in Europa und Konsequenzen für die Parteiensysteme.

S. 58 In: Deutschland & Europa, Heft 72-2016. Flüchtlinge, Asyldebatte und Fremdenfeindlichkeit. Hrsg. Landeszentrale für politische Bildung BW, Stuttgart. S. 54 - 59

Interethnische Beziehung sind einfach gesagt Beziehungen zwischen ethnischen Gruppen. Im weiteren Sinne handelt es sich auch um Beziehungen zwischen den Kulturen und Religionen, da es sich um identitätsstiftende und abgrenzende Phänomene handelt.

Das Spektrum der Fachbereiche, welche sich mit dem Thema beschäftigen reicht von Anthropologie, Verhaltensforschung, Ethnologie, Geschichte, Kognitionswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Rechtswissenschaften, Soziologie und vor allem Sozialpsychologie, weil es sich um Gruppenphänomene handelt. Interethnische Beziehungen haben auch ihre individuellen Auswirkungen, welche einen besonderen Teil implizieren. Diese werden hier nur geringfügig erörtert.

Bereits die Aufzählung der Fachgebiete weist auf die Vielfalt der Bereiche hin, aus welchen die interethnischen Beziehungen bestehen.

Es beinhaltet die Problematik der Unterscheidung, der Abgrenzung, der Identität, das Verhältnis zwischen den Gruppen allgemein und speziell, der Stereotypie und des Vorurteils, der Ethnien und der Ethnizität, der Kultur, des Staates, das gegenseitige Verhältnis zwischen Mehrheiten und Minderheiten, des Zusammenlebens und des Konflikt und seine möglichen Lösungen, des Kulturwandels und der Migrationen. Die rechtlichen Vorgaben werden nur am Rande erwähnt, weil es sich überwiegend um individuelle Rechte (u.a. Menschenrechte, Grundgesetz) handelt. Ein allgemeingültiges Völkerrecht ist nur in Ansätzen vorhanden.

Natürlich besteht bereits eine Anzahl von Abhandlung entweder zu einzelnen Themen oder auch zusammenfassende Darstellungen, als auch einzelne historische Betrachtungen. Da das Thema sehr aktuell ist, fasste ich einen Teil dieser Ergebnisse stichwortartig aus einer anthropologisch-historischen Sicht in einer reduzierten Form zusammen, wobei die Abgrenzung als konstitutives Phänomen des Daseins der Leitgedanke ist.

Dadurch kommen gewiss gewichtige Aspekte des Themas nicht zum Ausdruck.

Doch als Grundlage für eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit diesem Thema ist es allemal geeignet

1. Einführung - Zur Methode

1.1. Jedes Phänomen hat eine Struktur, Funktion und Bedeutung. Es grenzt

sich von anderen Phänomenen ab und es hat eine Geschichte/Diachronie bzw. eine

Entwicklung, welche eine Änderung der Bedeutung von dem Ursprünglichen enthalten

kann (etymologisch).

1.2. Bezug genommen wird auf: Geschichte und das tägliche Leben, weil dies quasi

Experimente des Lebens sind, sowie jede situationsbedingte Verhaltensweise immer als

Experiment zu betrachten ist.

Berücksichtigt werden auch die Ergebnisse der sozialpsychologischen Labor –

Experimente mit Gruppen, auch wenn die Zusammenstellung der zu untersuchten

Gruppen nicht nach ethnischen Kriterien erfolgte.

1.3. Ebenen: individuell, gruppenspezifisch, allgemein.
1.4. Der hier verwendete Ansatz ist eklektisch.

2. Variabilität des menschlichen Verhalten - Dichotomie

2.1. Sozial: Friedfertigkeit, Kooperation – Gewalt
2.2. Individuell: Freund - Feind
2.3. Emotional: Liebe – Hass
2.4. Kognitiv: Vernunft – Indolenz/Einfalt
2.5. Kommunikativ: verbal – nonverbal, deutlich - missverständlich
2.6. Moralisch: gut - böse
2.7. Politisch: Links – Mitte – Rechts (gemäß der Gaußschen Kurve der Normalverteilung;

wobei die randpolitischen Minderheiten in ihren extremen Formen als abweichendes Verhalten, doch in einer speziellen Form als Impulsgeber des soziokulturellen Wandels betrachtet werden können)

2.8. Ökonomisch: Egoismus – Altruismus
2.9. Ergologisch: Fleiß - Trägheit
2.10. Rechtlich: Es gilt die Erklärung der individuellen Menschenrechte, als auch die Grundrechte und die Gesetzgebung des jeweiligen Staates

3. Abgrenzung als konstitutives Phänomen des Daseins

3.1. Wahrnehmen heißt Differenzieren.

3.2. Differenzieren bedeutet Abgrenzen .

3.3. Um Verständigung zu ermöglichen, werden Begriffe positiv durch Festlegung einzelner Merkmale bestimmt und, zusätzlich auch negativ – was es eben nicht ist – von anderen Begriffen abgegrenzt. In der Begriffshierarchie werden Begriffe mit einem höheren Allgemeinheitsgrad die Klassen, Kategorien, Typen bezeichnet.

3.4. Kategorisierung, Typologie

3.4.1. Kategorie: Allgemeines Ordnungssystem, welches durch genaue Festlegung der Merkmale bestimmt wird und daher in den Naturwissenschaften seine Verwendung findet

3.4.2. Typologie: Ist auch ein Ordnungssystem, welches durch Merkmale definiert werden, welche in realen Ausprägung nicht immer vorhanden sein müssen, bzw. welche nur teils ausgebildet sind. Man spricht vom Idealtypus.

3.4.3. Die erste wissenschaftlich - anthropologische Typologie wurde von dem berühmten

schwedischen Naturforscher Carl von Linné (1707 – 1778) in seiner Klassifikation in dem Werk Systema Naturae unternommen (10. Ausgabe aus dem Jahre 1758): Die Charakterisierung seiner vier geografischen Varietäten des Menschen erweiterte Linné um die Merkmale Temperament und Körperhaltung. Die Europäer unterschieden sich demnach von den anderen menschlichen Varietäten durch die Merkmale weiß, sanguinisch, muskulös („albus, sanguineus, torosus“), der Amerikaner durch die Merkmale rot, cholerisch, aufrecht („rufus, cholericus, rectus“), der Asiat durch die Merkmale gelb, melancholisch, steif („luridus, melancholicus, rigidus“) und der Afrikaner durch die Merkmale schwarz, phlegmatisch, schlaff („niger, phlegmaticus, laxus“). In: Eckhard Rohrmann: Mythen und Realitäten des Anders-Seins: Gesellschaftliche Konstruktionen seit der frühen Neuzeit. VS Verlag für Sozialwissen, Wiesbaden 2007, S. 83. Die damalige wissenschaftliche typologische Aussage, würde man heutzutage als Vorurteil einstufen.

3.4.3. Soziale Kategorisierung Personen werden aufgrund ihrer sozialen/ethnischen Zugehörigkeit/Merkmale bestimmten Kategorien zugeordnet.

3.4.4. Selbstkategorisierung Menschen ordnen sich selbst einer bestimmten sozialen Kategorie zu. Diese Selbstkategorisierung bildet die Grundlage der sozialen Identität.

3.4.5 . Stereotyp ist eine Alltags-Typologie der sozialen Beziehungen. In Bezug auf Personen handelt es sich um eine Art Alltags-Charakterisierung. Wenn ethnische Gruppen charakterisiert werden, handelt es sich um eine alltägliche Völkerpsychologie. Die verwendeten Merkmale sind oft zutreffend, teils halten sie der Überprüfung nicht stand bzw. sie sind überhaupt nicht überprüfbar. Die Alltags-Typologie ermöglicht dem Einzelnen eine Orientierung in einer (nicht nur komplexen) sozialen Umwelt. Sie entlastet unser Alltagsbewusstsein, indem Situationen und Personen nicht immer wieder neu bewertet und interpretiert werden müssen. (www. Bundeszentrale für politische Bildung bpb lexikon) Durch die Anwendung eines Stereotyps werden folglich häufig Fehler in der Beurteilung Einzelner gemacht. In: Walther Eva und Weil Rebecca: Sozialpsychologie. In: Psychologie. Eine Einführung in ihre Grundlagen und Anwendungsfächer. Hrsg. Schütz A., Brand M., Selg H., Lautenbacher S.,Stuttgart 2015: S. 240

3.4.5.1. Stereotypen haben eine lange Geschichte . Bekannt ist der Begriff der Barbaren (Barbaroi), mit dem die Alt-Griechen die fremdsprachigen Völker bezeichneten. Loiskandel Helmut: Edle Wilde, Heiden und Barbaren. Mödling b. Wien 1966.

3.5. Die Differenzierung der Sprachen Erklärung des Alten Testaments: „Der Turmbau zu Babel. (1) Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. (2) Als sie nun nach Osten zogen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst. (3) Und sie sprachen untereinander. Wohlauf, läßt uns Ziegel stechen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel (4) und sprachen: Wohlauf, laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir und einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder. (5) Da fuhr der Herr hernieder, daß er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. (6) Und der HERR sprach: siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und dies ist Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. (7) Wohlauf, laßt uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, daß keiner des andern Sprache verstehe! (8) So zerstreute sie der HERR von dort in alle Länder, daß sie aufhören mußten, die Stadt zu bauen. (9) Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Länder Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder. In: Die Bibel. Das erste Buch Mose. 11. Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart 1985, S. 12.

3.6. Biologisch: Unter Revierverhalten eines Tieres oder einer Gruppe von Tieren versteht man das Verhalten der Tiere, mit welchem das eigene Revier gegen andere Tiere der gleichen Art verteidigt und durch Markierung von den anderen Territorien abgegrenzt wird.

3.7. Anthropologisch: Die Entwicklung der verschiedenen Phänotypen (früher und im englischsprachigen Raum als Rassen bezeichnet) sind durch Isolation, Mutation, teils durch Kreuzung und Endogamie entstanden.

3.7.1. Endogamie: Heiratsordnung, die Personen verpflichtet, ihren Ehepartner innerhalb derselben Gruppe, der sie selbst angehören, zu heiraten.

4. Abgrenzung individuell, gruppenbezogen, kulturell

4.1. Ich und der Andere

4.1.1. Der Andere Jeder Person außer selbst ist ein(e) Andere(r). Wenn der Andere jeder sein kann, ein Verwandter, ein Bekannter, oder auch ein Fremder, ist doch ein Fremder der Unbekannte, dem man grundsätzlich nicht vertrauen kann. Deshalb also die Aufforderung an die Kinder „gehe nicht mit einem Fremden“. Es gibt verschiedene Abstufung des Fremden: schon ein Nachbar kann ein Fremder sein, bis zu Fremden einer anderen Kultur.

4.1.2. Die Bildung einer Identität (persönliche oder soziale) resultiert aus der Auseinandersetzung mit dem (den) Anderen und aus der Abgrenzung von den Anderen. /Wobei dies durch einen prägenden sozio-kulturellen Rahmen geschieht/ Der Bezugsrahmen ist eine Gruppe, hier eine ethnische Gruppe und ihre Kultur. Deshalb stellen mehrere Staatsbürgerschaften das Individuum vor ein Identitäts-Problem. Oder anders betrachtet, man kann sich beider zu eigenem Nutzen bedienen.

Identität

Der Begriff der Identität fand eine Renaissance in den 50 Jahren des letzten Jahrhunderts durch die Werke des amerikanischen Psychologen E.H. Erickson. (Identity and the life cycle. 1959)

In der Persönlichkeitspsychologie wird eher der Begriff des Selbstkonzepts und der Selbstbewertung bevorzugt. Deshalb ist (Identität)...l von Rolle und Persönlichkeit zu unterscheiden (In: Haußer Karl: Identitätspsychologie, Berlin, Heidelberg 1995, S.3).

Dagegen wird im sozialwissenschaftlichen Bereich Identität unter verschiedenen Gesichtspunkten verwendet. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen persönlicher und kollektiver Identität. Wobei jede kollektive Identität Bestandteil der persönlichen Identität ist.

Hier in diesem Zusammenhang wird unter Identität die Verortung eines Individuums und seine Zugehörigkeit verstanden.

Identität schöpft ihre Kraft aus sozialen, kulturellen und religiösen Gruppen (z.B. zu einer Ethnie -Bayer, Fulbe, Dinka, Toda usw., Nation - Deutsche, Franzosen, Japaner, Pakistani usw., Religion - u.a. Christen, Moslems, Hindu, Buddhisten), selten bezieht sie sich auf soziale Kategorien (Geschlecht, Alter).

Emotionell äußert sich der Identitäts-Ausdruck z.B. im Sport beim Sieg oder einer Niederlage einer Mannschaft in Freude oder Trauer. Eine besondere Form der Identität ist der Totemismus - eine mythisch-verwandtschaftliche Verbindung zwischen Mensch und Natur, welche durch Verwandtschaft, Verehrung bzw. Verbote bestimmt wurde.

4.2. Eigene Gruppe – Fremde Gruppe

4.2.1. Unter einer Gruppe wird allgemein verstanden: eine Anzahl von Mitgliedern, die ein Kommunikations- und Interaktionssystem haben, welches durch Normen- und Rollenstruktur geregelt wird. Die Gruppe ist ein objektives Gebilde mit einer Struktur und wird durch Reproduktion erhalten (durch Geburt und/oder durch Aufnahme neuer Mitglieder); es ist dauerhaft im Gegensatz zu sozialen Kategorien.

4.2.2. Unter Sozialen Kategorien versteht man Gruppierungen bestehend aus Personen, die ein oder mehrere Merkmale gemeinsam haben. Es sind begriffliche Einheiten wie z.B. Jugend, Alter, Geschlecht, Behinderte, Beruf usw.), die innerhalb des ganzen gesellschaftlichen bzw. staatlichen Gefüge vorhanden sind.

4.2.3 . Eigene Gruppe (Ingroup) – sind Gruppen, in welchen die Personen in einem Beziehungsgeflecht stehen und dem sie sich auch als zugehörig empfinden. Das Beziehungsgeflecht basiert einerseits aufgrund der Geburt (Familie, Ethnie), andererseits aufgrund des Interesses (Beitritts) bzw. der Notwendigkeit/Schutz. Man hat Vertrauen zu den Mitgliedern. Trotz der individuellen Unterschiede, kann man das Verhalten dieser Mitglieder antizipieren (Erwartungshaltung). Es gibt auch Mitglieder, die der Gruppe kritisch gegenüber stehen. Überwiegend identifizieren sich die Mitglieder mit der Gruppe und stehen ihr positiv gegenüber. Schließlich trägt die Gruppe zur Bestätigung des Selbstwertgefühls des Einzelnen bei. Dadurch grenzen sie sich von einer

4.2.4. Fremden Gruppe (Outgroup) ab. Das sind die anderen Gruppen, mit welchen man sich nicht identifiziert und von denen man sich abgrenzen kann.

4.2.4.1. Als Mitglied der „Eigengruppen“ werden die Fremdgruppen eher mit Misstrauen, Unbehagen betrachtet. Aber auch soziale Distanz, Sachbeziehung (soziale Entpersönlichung), Entmenschlichung/Dehumanisation sind bezeichnend für das Verhältnis.

Sachverhältnis (verschiedene Facetten)

Alfred Vierkandt hat in seiner Gesellschaftslehre aus dem Jahre 1928 über den Fremden allgemein geschrieben:

Der Fremde, sei es ein Einzelner, sei es eine Gruppe, wird von Haus aus als gleichgültig empfunden und behandelt. Nur wo er sich eindrängt in einer bedrohlichen Weise, da erregt er Haß. Auch hier kann man sagen: schwere dauernde Bedrohung der vitalen oder sozialen oder geistigen Existenz vermag Haß zu erwecken. Natürlich kommt es dabei darauf an, daß die Situation wirklich in dieser Art aufgefaßt wird: außer den objektiven sprechen auch subjektive Faktoren mit. (S. 91)

Ferner unterscheidet A.V. in seiner Beziehungslehre drei Sozialmoralen: die Gruppenmoral, die Gesellschaftsmoral und die Sachmoral, welche sich in den Beziehungen niederschlagen. Der Sachmoral entspricht das Sachverhältniss: Nur dieses Verhältnis ist das Bereich, in dem diese Moral gedeihen kann. Nur gegen eine Sache gibt es keine Pflichten, sondern höchst bezüglich ihrer. Als Sache können dabei natürlich auch Menschen oder sonstige lebende Wesen behandelt werden,..

Sie kommt zur Anwendung nur gegenüber Wesen, die nicht zur Sozialwelt gerechnet werden. Dazu können natürlich auch Menschen gehören, wofern sie als völlig fremde erscheinen. Hierher gehört die Sklaverei, . Ferner gehören sonstige reine Gewaltverhältnisse hierher. (S. 400) Daß der völlig fremde Mensch nicht als Person sondern als Sache behandelt wird, d.h. keine moralische Verpflichtungen gegen ihn empfunden werden, das ist von Haus aus wo nicht ausnahmslos doch überwiegend der Fall. (S. 401-402)

Vierkandt beschreibt hier ein Verhältnis, das in der gegenwärtigen Sozialpsychologie unter der Überschrift asoziales Verhalten und Aggression behandelt wird und dadurch das Zwischen-Verhaltensfeld zum prosozialen Verhalten unberücksichtigt bleibt.

Als Endstufe des Sachverhältnisses im Sinne von Vierkandt ist die Entmenschlichung/ Infrahumanisierung/Dehumanisation, wie es im Jahre 2012 von den Sozialpsychologen beschrieben wurde: (In: Turner Rhiannon N. und Hewston Miles: Die Sozialpsychologie des Vorurteils. In: Pelinka Anton (Hrsg.): Vorurteile. Ursprünge, Formen, Bedeutung. Berlin/Boston 2012)

Der Prozess der Entmenschlichung, bei dem man Mitbürgerinnen und – bürger nicht mehr als einzigartige menschliche Wesen erkennen kann, mag dazu beitragen, solche Ergebnisse zu erklären. (Beispiele: Mord, Völkermord in Ruanda)...

Demgegenüber ermöglicht es die Entmenschlichung einer Person oder einer Gruppe einem Täter, sein Handeln zu legitimieren und etwaige Scham- oder Schuldgefühle zu beschwichtigen. Mitgliedern entmenschlichter Gruppen gegenüber kommen auch die moralischen Normen nicht zum Tragen, die unser Verhalten üblicherweise lenken, deren Anwendung aber freilich nur jenen vorbehalten bleibt, die wir als menschliche Wesen einstufen. Die Entmenschlichung einer bestimmten Zielgruppe geht mit zunehmenden Aggression ihr gegenüber einher. (S. 342)...

In einigen neueren Untersuchungen konnte belegt werden, dass wir eine Tendenz zur Infrahumanisierung von Fremdgruppen an den Tag legen. Wir sprechen Fremdgruppen einige jener Merkmale ab, die unser Mensch-Sein grundlegend ausmachen. (S. 343) ...

Bemerkenswert ist dabei auch, dass diese Tendenz zur Infrahumanisierung nicht allen Fremdgruppen gegenüber zum Ausdruck kommt, sondern sich nur gegen Gruppen richtet, die eine in irgendeiner Weise bedeutsame Vergleichsbasis für die Eigengruppe abgeben. (S.343)

4.2.4.2. Fremde Ethnien und Kulturen können auch Neugier und Sympathie entwickeln.

4.2.4.3. Individuell gibt es das Gastrecht und Freundschaft.

4.2.4.4. Man kann mehreren Gruppen angehören.

4.2.5. Gruppen- Konflikt, Gruppen- Identität

4.2.5.1 . Gruppen-Sozialpsychologie: Zwei wegweisende sozialpsychologische Experimente (unter anderen) weisen auf die intergruppen Beziehungen hin: die Theorie des realistischen Gruppenkonflikts und die Theorie der sozialen Identität.

4.2.5.2. Aus dem ersten Versuch entstand die Theorie des realistischen Gruppenkonflikts . Ein Kollektiv um den amerikanischen Sozialpsychologen M. Sherif (1906-1978) bildete im Jahre 1960 in einem Sommerferienlager zwei Gruppen aus elfjährigen Schülern. Während der ersten Phase der Untersuchung wurde bei der jeweiligen Gruppen die Kohäsion der Gruppe durch Symbole (Name, T-Shirt) und durch Bewältigung gemeinsamer Aufgaben entwickelt. In der zweiten Phase traten die so gebildeten Gruppen zum Wettbewerb an, wobei die Siegergruppe belohnt wurde. Dieses Konkurrenzverhalten führte zu einer Erhöhung der Gruppenkohäsion und dazu, dass sich unter den Gruppen ein Diskriminierungsverhalten in solchem Ausmaß entwickelte (Beschimpfungen, Drohungen), dass diese Phase nach zwei Wochen unterbrochen werden musste. In der dritten Phase wurde versucht, durch Intergruppenkooperation diese Feindseligkeiten zu reduzieren. Die Notwendigkeit (z.B. Wasserversorgung für beide Gruppen), übergeordnete Ziele gemeinsam zu bewältigen, führte zu einem Abbau des Intergruppenkonflikts und zur Herausbildung einer besseren Intergruppenakzeptanz, die mit wohlwollenderen Einstellungen gegenüber den Angehörigen der jeweils anderen Gruppe einherging. Nach: Kessler Thomas und Mummendey Amelie: Vorurteile und Beziehungen zwischen sozialen Gruppen. In: Sozialpsychologie. Eine Einführung. Hrsg. K. Jonas, W. Stroebe, M. Hewstone, 5. Auflage, Stuttgart 2007, S. 497.

4.2.5.3. Das zweite Experiment wurde von der Gruppe um den polnisch-englischen Sozialpsychologen H. Tajfel (1919-1978) in England ab 1971 durchgeführt. Diesmal wurden nur fiktive Gruppen gebildet (auf Grund von gemeinsamen Eigenschaften) - sog. Minimale Gruppen . Bereits die Identifikation mit der eigenen Gruppe und die Kategorisierung der anderen sollte ausgereicht haben, um die andere Gruppe zu benachteiligen. Auf Grund dieser und weiteren Ergebnisse entstand die Theorie der sozialen Identität nach Tajfel und Turner. Die Theorie besteht aus vier Komponenten: Über verfügbare soziale Merkmale segmentieren Individuen ihre Umwelt. Dieser Prozess wird soziale Kategorisierung (social categorisation) genannt. Aus der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wird das Selbst-Konzept, die Identität der Person, bestimmt. ..Über den sozialen Vergleich (Festinger, 1954) wird diese Identität immer wieder neu bestimmt und bewertet. Der vierte Aspekt wird als soziale Distinktheit bezeichnet. Die Identität kann positiv bewertet werden, wenn eine positive soziale Distinktheit der eigenen Gruppe zur Fremdgruppe erreicht wird. Das Streben nach sozialer Distinktheit kann zur Diskriminierung der Außengruppe führen. In: Walther Eva und Weil Rebecca: Sozialpsychologie in: Psychologie. Eine Einführung in ihre Grundlagen und Anwendungsfächer. Hrsg. Schütz A., Brand M., Selg H., Lautenbacher S., Stuttgart 2015, 5. Aufl., S. 245

4.3. Ethnie/ethnische Gruppe/Ethnizität

4.3.1. Ethnische Gruppen sind die Träger der Kultur(en).

4.3.2. Merkmale einer ethnischen Gruppe (objektive und subjektive)

4.3.2.1. Anthropologie: Phänotypus

4.3.2.2. Diachron: Abstammung, Genealogie, Geschichte, Ethnogenese – Das Problem der Geschichte im 20. Jh. bekommt in der BRD eine besondere Bedeutung. Die Gräueltaten „Deutschlands“ während des II. Weltkrieges werden auf die autochthone Bevölkerung der BRD bezogen. Die, durch Einbürgerung neugewordene Staatsbürger anderer ethnischen Herkunft, können sich von dieser Geschichte distanzieren und sich dadurch zu den besseren Staatsbürgern gegenüber den autochthonen Deutschen deklarieren.

Hollocaust Erziehung

Im Jahre 2011 erschien das Buch von Ulrich Schmidt-Denter „Die Deutschen und ihre Migranten. Ergebnisse der europäischen Identitätsstudie“. Dort wurden die Ergebnisse der 10 Jahre dauernden Untersuchung dargestellt, als auch die Literaturbefunde referiert. In diesem Zusammenhang wurden auch die Ergebnisse zur Holocaust Education und ihre Auswirkung auf deutsche Schüler und Schüler mit Migrationshintergrund dargestellt. Diese Erziehung sollte zur Forderung von individueller Autonomie einen Beitrag leisten. Diese soll sich darin äußern, nicht automatisch der Mehrheit zu folgen und Kritikfähigkeit zu bewahren (Abram, 1998). Die Holocaust Education scheint sich den vorliegenden Studien zufolge aber nicht als Übungsfeld für die demokratischen Tugenden zu begreifen. Vielmehr wird häufig eine sakrale Atmosphäre angestrebt, in der kollektive Meinungskonformität herrschen soll und individuelle Abweichungen sanktioniert werden (Brockhaus 2008, S.30). (S. 316)

In Bezug auf die Identität besagt dies für die autochthonen Schüler: Es bedeutet existenziell, ohne eigenes Zutun, mit Scham- und Schuldgefühlen belastet zu werden und die nationale Identität als Feindbild zu begreifen. (S. 318); für die Schüler mit Migrationshintergrund scheint es dann problematisch, sich mit Deutschland zu identifizieren. Da sich die Migranten als nicht in die Verbrechen involviert begreifen können, entsteht die Konstellation, dass sie auf die deutschen Mitschüler herabblicken und eine arrogante Überheblichkeitshaltung einnehmen können.(S. 320). Oder wie sich eine Schülerin, nachdem sie eine Film über Holocaust gesehen hatte, äußerte: „Da war ich froh, dass ich nicht dazugehöre, dass ich Türkin bin“ (S. 320) Fazit: Man kann schlussfolgern, dass ein erheblicher Forschungsbedarf über die Effekte der Holocaust Education besteht. (S.322)

4.3.2.3 Kommunikativ: Sprache, Ausdruck

4.3.2.4. Kultur (siehe 4.5.)

4.3.2.5. die Mitglieder der ethnischen Gruppe tragen den Namen der Gruppe und sie werden auch von den anderen so benannt (Eigen- und Fremdbezeichnung).

4.3.2.6. Die Mitglieder der ethnischen Gruppen haben ein Wir-Gefühl der Zugehörigkeit – die Ethnizität. Sie grenzen sich von den anderen Ethnien ab. Sie sind endogen (sie heiraten untereinander).

4.3.2.7. Die Gruppe besitzt bzw. bewohnt ein Territorium

4.3.2.8. Die erwähnten Merkmale müssen nicht immer alle vorhanden und gleich ausgeprägt sein - manche stärker, manche schwächer; die Gewichtigkeit der Merkmale kann variieren.

4.3.2.9. Ethnische Gruppen sind durchaus nicht starre Gebilde. Sie sind dem Kulturwandel und der Dynamik der interethnischen Beziehungen (Krieg, Wanderungen) unterworfen.

4.3.3. Formen der Gruppen (Identitätsstiftend)

4.3.3.1. Ethnische Gruppen werden hier nach Organisationsart verstanden:

4.3.3.1.1. Verwandtschaftliche: Familie, Lineages, lokale Gruppen, Clans

4.3.3.1.2. Kulturelle teils auch politische: Stämme

4.3.3.1.3. Politische: Staaten, Nationen

4.3.3.1.4. Religiöse Gemeinschaften

4.3.4. Ethnozentrismus ist die Einstellung einer Ethnie: zuerst: W.G. Sumner (1840-1910): Folkways. N.Y. 1906 Als Ethnozentrismus bezeichnet man die Tendenz, die eigen-kulturellen Lebensformen, Normen, Wertorientierungen und religiösen Überzeugungen als die einzig wahren anzusehen. Ihre grundsätzliche Überlegenheit gegenüber denen aller anderen Kulturen steht außer Frage, ja sie machen eigentlich erst das „Menschsein“ aus. Die Selbstbezeichnungen vieler Ethnien sind daher identisch mit ihrem Wort für “menschliche Wesen“. (S. 31) .. Denn im Grunde genommen gelangt in der ethnozentrischen Einstellung nur das Selbstwertgefühl zum Ausdruck, ohne das kaum eine Gesellschaft auskommt. In: Kohl Karl-Heinz: Ethnologie- die Wissenschaft vom kulturell Fremden. Eine Einführung. München 1993, S.32 Das alles (hier vor allem die Schöpfungsordnung in Bezug auf traditionelle Gesellschaften) zeichnet sie nicht nur vor anderen aus, es begründet und legitimiert auch ihr Identitätsbewußtsein. Die Weltanschauung weithin intakter traditioneller Gesellschaften entspricht so immer gleichzeitig auch der Ideologie ihrer Identität. In: Müller Klaus E.: „Prähistorisches“ Geschichtsbewußtsein. Versuch einer ethnologischen Strukturbestimmung. In: Die Vielfalt der Kulturen. Hrsg. Rüsen Jörn, Gottlob Michael, Mittag Achim. Frankfurt a.M. 1998, S. 271.

4.4. Bewertung

4.4.1. Bewertung dient dazu, seine eigene Wertstellung innerhalb des sozialen Gefüges zu erfahren. Die Unterscheidung zwischen individueller und sozialer Identität erklärt, warum es zu Vergleichen zwischen Gruppen kommt und warum sich diese auf die eigene Zufriedenheit auswirken können 1.Individuelle Identität → Vergleiche auf individueller Ebene 2. Soziale Identität → Vergleiche auf Gruppenebene. In: Frey Dieter und Bierhoff Hans-Werner: Sozialpsychologie – Interaktion und Gruppe. Göttingen u.a. 2011, S.33

4.4.2. Viele Untersuchungen unter den Jugendlichen Europas zeigen, dass es eine

Rangordnung /Hierarchie auf der Beliebtheitsskala der Nationen gibt.

4.5. Kultur

4.5.1. Unter Kultur wird hier eine, aus der Auseinandersetzung mit der Umwelt zur Befriedigung der Bedürfnisse der jeweiligen Gruppe, geschichtlich geschaffene, also dem Wandel unterworfene, Lebensweise einer ethnischen Gruppe verstanden. Die Kultur wird von Generation zur Generation weitergegeben, also sie bewahrt ihre Tradition. In der Kultur spiegelt sich die psychische Beschaffenheit einer Gruppe.

4.5.1.1. Individuell: In die Kultur wird man hineingeboren und sozialisiert.

4.5.1.2. Es besteht die Möglichkeit des Kultur-Wechsels (z. B die Konversion im Bereich der Religion).

4.5.2. Die tripartite classification of culture unterscheidet drei Bereiche der Kultur: A.L. Kroeber and Kluckhohn: Culture: a critical review of concepts and definitions. Cambridge, 1952, S.187; A. Vierkandt: Gesellschafts- und Geschichtsphilosophie (Kulturlehre). In: Lehrbuch der Philosophie. Hrsg. Dessoir N., Berlin 1925, Teil 2, S.883

a) die wirtschaftliche, technische Kultur

b) die gesellschaftliche Organisation

c) die geistige Kultur, die man weiter als Wissenschaft, Religion und Kunst untergliedern kann.

Sprache, Schrift und Verkehrswesen sind Bestandteile der Kommunikation (Austausch, Übertragung), welche die sozialen Interaktionen ermöglichen.

4.5.3. Einige Aspekte der Kultur , welche die Abgrenzung sichtbar machen:

4.5.3.1. Sprache: sie dient zwar der Verständigung, beim Nichtverstehen ist sie für die Anderen ein Geheimnis. Dennoch - Sprachen kann jeder lernen.

4.5.3.2. Religion, Ideologie: Die Komponenten der Weltanschauungen liefern den Orientierungs- und Handlungsrahmen einer Kultur. Sie sind überwiegend antagonistisch.

4.5.3.3. Wertesysteme sind subjektive und objektive, teils tradierte, teils festgeschriebene Verpflichtungen, bestehend aus sittlichen, religiösen, rechtlichen und arbeitsethischen Grundsätzen, welche für die jeweilige Kultur als wertvoll und für sie bestimmend gelten.

4.5.3.3. Symbole wie Tätowierungsarten, Fahne, Wappen, und religiöse Attribute wie Kreuz, Kopftuch

4.5.3.4. Bekleidung, Tracht, Haartracht

4.5.3.5. Ausdruck: Mimik und Gestik (außer den allgemein verbreiteten 6 Grund- Ausdrucksformen)

4.5.3.6. verschiedene Reaktionen in gleichen Situationen.

4.5.3.7. Musik-Empfinden, Verständnis von Humor.

4.5.3.8. Empfinden von Ekel (z.B. Essen von Schweinefleisch, Insekten)

4.6. Jedes Land ist stolz auf die Einzigartigkeit seiner Kultur, die es für den Tourismus präsentieren möchte.

4.6.1. Verschiedene Kulturen

Die Verschiedenheit der Kulturen kommt auch zum Ausdruck in der interkulturellen Kommunikation, die oft durch Missverständnisse gekennzeichnet ist, was sich in einem erhöhten Bedarf nach einer kulturellen Kompetenz äußert. Z. B. Trotz der Benutzung der gleichen Sprache (oft englisch), kommt es zu Missverständnissen, weil die Gesprächspartner gleiche Wendungen kulturbedingt anders verstehen.

4.7. Größere kulturelle Einheiten

4.7.1. Trotz der verschiedenen schichtungsspezifischen und regionalen Unterschiede in der Lebensweise innerhalb eines Staates, kann man auch von der übergreifenden Kultur einer höheren Einheit - des Staates und seiner Nation sprechen.

4.7.2. Noch größere kulturelle Einheiten nennt und nannte man Kulturkreise. Der Begriff Kulturkreis wurde 1898 von Leo Frobenius in der deutschen Völkerkunde eingeführt; zuletzt Samuel Huntington: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21.Jahrhundert. Europa-Verlag, München, Wien 1996. Die Kulturkreise umfassen räumlich, aufgrund ähnlicher Kultur/Kulturgüter, teils auch gemeinsamer Geschichte, mehrere Ethnien bzw. Nationen. (z.B. Westeuropa, westafrikanischer Kulturkreis). Die Identitätsstiftung dieser Gebilde ist ambivalent.

4.7.3. In diesem Zusammenhang kann als eine übergreifende kulturelle Einheit, trotz der verschiedenen Ethnien, Staaten und Schismas, der religiöse Bezug betrachtet werden, denn es ist die Religion, (z.B. Christentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus) welche die Lebensweise, bei einigen auch das Rechtssystem, der Mitglieder bestimmt und Identität stiftet. Oft begünstigen die strengen Heiratsregeln innerhalb der Religionen die Abgrenzung (z.B. Islam, Judentum).

5. Staat

5.1. Staat (neuzeitlich) ist eine politische Organisationsform/ Einheit einer Gesellschaft, welche in einem

5.1.1. Territorium Souveränität beansprucht. D.h. der Staat hat für seine Bürger für Schutz nach außen und nach innen zu sorgen.

5.1.2. Ein Staat ist eine Solidargemeinschaft , deren Funktionieren d.h. vor allem die notwendige Unterhaltung der Infrastruktur (u.a. Bildung, Sozialwesen), durch die Abgaben der Einwohner getragen und finanziert wird.

5.1.3. Für alle Bürger gelten die Gesetzgebung und die Verfassung des Staates.

Diese hat Priorität gegenüber z.B. der Religionsfreiheit oder der Meinungsfreiheit, wenn die Inhalte der Religion/Ideologie bzw. der Meinungen mit der Verfassung nicht vereinbar sind.

5.1.4. Eine Amtssprache ist angezeigt. Meistens wird die Sprache der Mehrheit benutzt.

5.1.5. Anerkannte autochthone Minderheiten haben auf ihrem Gebiet Anrecht auf Zweisprachigkeit. In den ehemaligen Kolonialstaaten, bedient man sich oft der Sprache der ehemaligen Kolonialmächte als Lingua Franca.

5.1.6. Um den Zusammenhalt des Staates zu unterstützen, wird von den

Bevölkerungsgruppen eine Loyalität gegenüber dem Staat erwartet und eine Staats-Identität erwünscht.

5.1.7. Die Mehrheit der Bevölkerung eines Staates in Europa basiert auf einer mehr oder weniger homogenen ethnischen Gruppe und den verschiedenen Ausprägungen der christlichen Religion, welche Träger in einer historisch entstandenen Kultur ist, und der die core cultur/Kulturstandards eigen ist.

5.1.7.1. Die Mehrheiten beanspruchen die Bewahrung ihrer Kultur innerhalb des Staatswesens.

5.1.7.2. Im politisch-demokratischen System bestimmen die Mehrheiten die Machtverhältnisse und die Gesetzgebung.

5.1.7.3. Die politischen Mehrheiten spiegeln gewöhnlich die kulturelle Mehrheit wider.

5.1.7.4. Es wird angestrebt, die Beteiligung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen am öffentlichen Leben dem prozentuellen Anteil an der Gesamtheit zu entsprechen.

6. Ethnische Minderheiten allgemein

Mehrheiten-Minderheiten UNO Deklarationen

Laut der UNO-Deklarationen aus den Jahren 1966 (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte) und 2007 (Resolution 61/295 Erklärung der Vereinigten Nationen über die Rechte der indigenen Völker) heißt es, dass (1966, I.(1)) „alle Völker das Recht auf Selbstbestimmung (haben). Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung. In der Erklärung aus dem Jahre 2007 wird besonders das indigene, (also autochthone Völker), hervorgehoben. Nun können autochthone Völkergruppen innerhalb eines Staates die Mehrheit oder eine Minderheit bilden, doch haben beide gleiche Rechte in Bezug auf die Erhaltung der eigenen Kultur. Hier handelt es sich um Kollektiv-Rechte.

Für andere Minderheiten (also auch religiöse bzw. eingewanderte) gelten die individuellen Rechte der 217 A (III). Allgemeine(n) Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahre 1948.

6.1. Minderheiten und Mehrheiten sind Teile einer Gesamtheit. Es handelt sich um

Relations- und Mengenbegriffe , wobei die Minderheiten zahlenmäßig kleiner sind – innerhalb einer staatlichen Einheit, und sich durch einige Merkmale von der Mehrheit unterscheiden und abgrenzen. Es handelt sich hierbei nicht um soziale Kategorien, (statistische Einheiten wie z.B. Jugend, Alter, Geschlecht, Behinderte usw.), die innerhalb des ganzen gesellschaftlichen bzw. staatlichen Gefüge vorhanden sind, sondern um soziale Gruppen, welche auf ethnischen und kulturellen Grundlagen basieren und eine Identität (Wir-Zugehörigkeit) aufweisen, also ein objektives Gruppen-Gebilde darstellen.

6.2 . Individuell gelten für alle Staatsbürger die Menschenrechtskonvention und die Gesetzgebung des Staates. So haben sie alle die gleichen Rechte und Pflichten.

6.3. Minderheiten entstanden im Zuge der Staatenbildung.

6.3.1. Es sind ethnische Gruppen, welche auf dem Gebiet des neugebildeten Staates bereits seit früheren Zeit ansässig sind oder durch eine neue Grenzziehung einem Staat zugeschlagen bzw. zwischen zwei Staaten verteilt wurden – in dem Sinne sind sie

autochthone (nationale) Minderheiten.

6.3.2. Durch die Kolonisierung vor allem Afrikas entstanden polyethnische Staaten , in welchen man, trotz der Größe und der Vielfalt der ethnischen Gruppen, auch von Minderheiten spricht. Nach 1960 entstanden oft neue Staaten durch militärisches Eingreifen.

6.3.2.1. Unter „Nation Building“ versteht man ein Prozess der sozio-politischer Entwicklung, der zur Bildung eines Staates führt. „Nation Building“ im engeren Sinne bezog sich ursprünglich auf die Bestrebungen vor allem der jungen afrikanischen Nationalstaaten nach dem Ende des Kolonialismus, die von den Kolonialmächten ohne

[...]

Fin de l'extrait de 62 pages

Résumé des informations

Titre
Interethnische Beziehungen (IEB). Eine thesenartige anthropologisch–historische Zusammenfassung
Sous-titre
Beitrag zum Verständnis der Xenophobie aus der Sicht der interethnischen Beziehungen. Von der Wahrnehmung bis zur Migration.
Auteur
Année
2019
Pages
62
N° de catalogue
V460641
ISBN (ebook)
9783668939561
ISBN (Livre)
9783668939578
Langue
allemand
Annotations
Da das Thema sehr aktuell ist, werden hier stichwortartig aus einer anthropologisch-historischen Sicht in einer reduzierten Form die relevanten Forschungsergebnisse zusammengefasst, wobei die Abgrenzung als konstitutives Phänomen des Daseins der Leitgedanke ist.
Mots clés
Interethnische Beziehungen, Ethnizität, Kultur, Minderheiten und Mehrheiten, Vorurteil, Migration
Citation du texte
Dr. Karl Heinz Ciz (Auteur), 2019, Interethnische Beziehungen (IEB). Eine thesenartige anthropologisch–historische Zusammenfassung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/460641

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