Sind islamische Parteien und demokratische Systeme kompatibel? Die Ennahda-Partei im Demokratisierungsprozess Tunesiens


Tesis de Máster, 2018

148 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Untersuchungsgegenstand und -methode

3. Islamisch orientierte Parteien in demokratischen Systemen – potenzielle Konfliktfelder
3.1 Legitimität von Herrschaft
3.2 Einstellung zum Pluralismus
3.3 Einfluss von Interessensgruppen
3.4 Parteiziele

4. Fallstudie: Die Ennahda-Partei im demokratischen System Tunesiens
4.1 Legitimität von Herrschaft
4.2 Einstellung zum Pluralismus
4.3 Einfluss von Interessensgruppen
4.4 Parteiziele

5. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Analysebogen für die qualitative Inhaltsanalyse

Interviewtranskripte

Ausgefüllte Analysebögen

1. Einleitung

Als sich der Gemüsehändler Mohamed Bouazizi am 17. Dezember 2010 im tunesischen Sidi Bouzid nach einem Streit mit einer Polizistin selbst anzündete, war das nicht nur der Start der tunesischen Revolution – der sogenannten Revolution der Würde – sondern auch der Anfang einer Protestwelle, die den gesamten arabischen Raum erfasste und große politische Umstürze herbeiführte.1 Fast acht Jahre später sind die Systemtransformationen hin zur Demokratie in fast allen Ländern der Region gescheitert, Autokraten zurückgekehrt, Staaten zerfallen. Tunesien hingegen ragt heraus, als einziges Land, das den Übergang zur Demokratie zumindest fürs Erste geschafft hat, in dem das Volk die Regierung durch freie Wahlen bestimmt, in dem die Grundrechte der Bürger2 gesichert sind, auch wenn der Staat weiter vor großen ökonomischen und sozialen Problemen steht.3

Die politische Landschaft in Tunesien hat sich in den letzten knapp acht Jahren stark verändert: Seit der Revolution und der Absetzung des Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali im Januar 2011 sind in Tunesien zahlreiche neue politische Parteien gegründet worden und alte, bis dahin verbotene, zurückgekehrt. Darunter auch die Ennahda-Partei, die 1981 als Bewegung der islamischen Tendenz (MTI)4 gegründet wurde, und sowohl unter Präsident Ben Ali als auch unter seinem Vorgänger Habib Bourguiba verboten war. Seit dem 1. März 2011 ist die Ennahda in Tunesien wieder zugelassen, viele Mitglieder und Repräsentanten kehrten aus dem Exil oder dem Untergrund zur Partei und in die Öffentlichkeit zurück.5

Seitdem ist die Ennahda eine treibende Kraft im neuen demokratischen System Tunesiens. Bei den ersten freien Wahlen im Oktober 2011 gewann die Partei die meisten Stimmen. 89 Abgeordnete saßen für die Partei in der verfassungsgebenden Versammlung, die nach über zwei Jahren Arbeit die neue Verfassung des Landes verabschiedete. Die Ennahda führte als stärkste Kraft gemeinsam mit dem Kongress für die Republik (CPR) und der Partei Ettakatol die erste Regierung an, sie stellte auch den ersten Premierminister nach der Revolution. Bei der Parlamentswahl 2014 büßte die Partei zwar Stimmen ein, wurde aber hinter der säkular ausgerichteten Nidaa Tounes zweitstärkste Kraft.6 Zunächst führte die Ennahda die Opposition im Parlament an, wurde 2015 durch die Spaltung der Nidaa Tounes wieder zur größten Fraktion im Parlament7 und gewann auch bei den Kommunalwahlen 2018, den ersten nach der Revolution, hinter dem Block der unabhängigen Kandidaten die zweitmeisten Stimmen8.

Mit anderen Worten: Eine politische Partei, die Werte vertritt, die auf dem Islam beruhen, die sich selbst bis 2016 als islamistisch bezeichnete, ist seit der Absetzung des autoritären Herrschers einer der einflussreichsten politischen Akteure in Tunesien. Die Partei war nicht nur oppositionelle Kraft, sondern aktiv an der Gestaltung des politischen Systems beteiligt. Und dennoch – so würden diejenigen sagen, die dem Islam eine Kompatibilität mit der Demokratie grundsätzlich absprechen – wird das politische System Tunesien mit seinen demokratischen Strukturen und Prozessen als Beispiel einer weitestgehend gelungenen Transformation beschrieben, als Leuchtturm der Demokratie in der arabischen Welt. Aufgrund dieser politischen Entwicklung eignen sich die Ennahda und das tunesische System besonders gut als Fallstudie, die sich mit folgenden Forschungsfragen auseinandersetzt:

1. Ist die Ennahda eine islamische oder eine islamistische Partei?
2. Ist die Ennahda als politischer Akteur kompatibel mit dem demokratischen System Tunesiens?

Doch warum ist die Frage nach der Kompatibilität von Islam und Demokratie überhaupt relevant? Eine unvoreingenommene Betrachtung dieser Thematik ist aus mehreren Gründen wichtig. Zunächst muss festgehalten werden, dass es vor allem in der westlichen Welt nach wie vor eine Ignoranz der Vielfältigkeit des Islam gibt und dass aus schlechten Bewertungen der politischen Systeme in muslimischen Ländern fälschlicherweise auf eine generelle Inkompatibilität des Islams mit einem demokratischen System geschlossen wird.9 Die Verbindung von Islam und Demokratie theoretisch herzuleiten und praktisch zu überprüfen ist darüber hinaus wichtig, weil der Einfluss von Akteuren, die sich auf den Islam beziehen, nicht nur in Tunesien eine gesellschaftliche und politische Realität ist. Diese Akteure bei der Betrachtung der politischen Möglichkeiten einer Transformation und eines stabilen demokratischen Systems außer Acht zu lassen, wäre der tatsächlichen Situation in vielen Ländern Afrikas, des Nahen Ostens und Asiens nicht angemessen und im Sinne der Transformationsforschung auch nicht zielführend. Mostapha Benhenda bemerkt dazu richtigerweise:

„… since the stability of democracy requires the allegiance of the people to its ideals and, second, that since religion deeply influences many people living in Muslim countries, then the project of finding religious roots to democracy has a practical value.“10

Für die wissenschaftliche Betrachtung der Rolle, die eine dem Islam zugewandte Partei in einer Demokratie einnehmen kann, spricht außerdem, dass Parteien ganz generell eine Schlüsselrolle im politischen System einnehmen. Sie sind sowohl im Regierungssystem, als auch im intermediären System und in der politischen Bürgerschaft verankert und damit Bindeglied zwischen den einzelnen Sphären und einflussreicher Akteur auf allen Ebenen.11

Voraussetzung für die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Islam ist ein sorgfältiger Umgang mit Begriffsdefinitionen. Viele Vorurteile und Missverständnisse gegenüber Akteuren, die sich auf den Islam berufen, entstammen dem ungenauen Umgang mit unterschiedlichen Begriffen. Der vorliegenden Arbeit werden folgende Begriffsdefinitionen zugrunde gelegt: Als islamisch orientiert werden sämtliche Akteure bezeichnet, die den Bezug auf den Islam als Grundsatz oder einer der Grundsätze der Parteiideologie festgelegt haben. Inbegriffen sind sowohl progressive als auch fundamentalistische Ausrichtungen sowie die denkbaren Abstufungen zwischen diesen beiden Polen. Dieser Begriff wurde der Bezeichnung „religiös orientiert“ entliehen, den Luca Ozzano für seine Parteientypologie verwendet, um die Gesamtheit der in der Typologie beschriebenen Parteien zu bezeichnen.12 Als islamistische Akteure werden diejenigen beschrieben, die auf der Grundlage „einer spezifischen Vorstellung von Herrschaftslegitimität, die sich an einer eng gefassten, wörtlichen Auslegung des Korans und den Überlieferungen der Aussagen des Propheten“ orientieren, agieren – ob sie dies nun mit friedlichen oder gewaltsamen Mittel tun.13 Islamische Akteure schließlich sind solche, die als moderat oder progressiv bezeichnet werden können, die also einen eindeutigen Bezug zum Islam haben, der aber vereinbar ist mit modernen politischen und gesellschaftlichen Ansichten.

Diese Begriffe sorgfältig zu verwenden und auseinanderzuhalten ist auch deshalb besonders wichtig, da in dieser Arbeit auch die Selbstbezeichnung der Partei eine Rolle spielt. Bis 2016 bezeichnete sich die Ennahda selbst als islamistische Partei und Bewegung, erst danach wandte sie den Begriff „muslim democrats“ an.14 Die Unterscheidung zwischen Selbstbezeichnung und Fremdzuschreibung eines Attributs wie islamisch oder islamistisch muss stets deutlich gekennzeichnet sein.

Auf Grundlage der Ausführungen zur politischen Entwicklung in Tunesien und der Rolle der Ennahda in jener sowie der eben ausformulierten Begriffsdefinitionen werden für die vorliegende Arbeit folgende Hypothesen formuliert:

1. Die Ennahda ist – zumindest seit der Legalisierung der Partei im März 2011 – keine islamistische, sondern eine islamische Partei.
2. Die Ennahda als islamische Partei und politischer Akteur in Tunesien ist ein Beispiel dafür, dass zwar nicht der Islamismus, wohl aber der Islam mit der Demokratie kompatibel sein kann.

Trotz aller Vorurteile gegenüber islamisch orientierten Parteien ist über die Ennahda und ihre Rolle in der tunesischen Transformation bereits geforscht worden. Diese Untersuchungen beschränken sich aber entweder auf bestimmte Aspekte der Partei oder ihrer politischen Arbeit oder aber es fehlte ihnen die grundlegende Herleitung und Definition von potenziellen Konfliktfeldern zwischen einer islamisch orientierten Partei und dem demokratischen System. Diese Lücke soll die vorliegende Arbeit schließen.

Aus diesem Grund ist diese Untersuchung folgendermaßen aufgebaut: Im zweiten Kapitel wird zunächst die Methode der vorliegenden Untersuchung beschrieben. Für die Analyse der Primärquellen der Ennahda wurde die qualitative Inhaltsanalyse gewählt. Die Primärquellen wurden mithilfe des für diese Arbeit konzipierten Analysebogens untersucht und schließlich den Ergebnissen voriger Forschungen und Veröffentlichungen über die Partei gegenübergestellt. In Kapitel 2 werden die Auswahl des Untersuchungsgegenstandes, die Konzeptionierung des Analysebogens und die Durchführung der Untersuchung skizziert.

Im dritten Kapitel werden die theoretischen Grundlagen für diese Arbeit gelegt. Es werden die potenziellen Konfliktfelder zwischen islamisch orientierten Parteien und demokratischen Systemen destilliert. Dies geschieht durch die Zusammenführung der Demokratietheorie Wolfgang Merkels und den verschiedenen Auffassungen, die islamisch orientierte Parteien in Bezug auf relevante Aspekte der Demokratietheorie vertreten können – auf einem Spektrum, das von radikal bis progressiv reicht. Dabei wurden vier potenzielle Konfliktfelder zwischen Parteien und demokratischem System herausgearbeitet: Legitimität von Herrschaft, Einstellung zum Pluralismus, Einfluss von Interessensgruppen und Parteiziele. Anmerkungen zur Auswahl der Theorien und der Definitionen beziehungswiese weitere Begriffsklärungen befinden sich zu Beginn von Kapitel 3.

Im vierten Kapitel werden dann die Ergebnisse der Analyse der Primärquellen beschrieben und den Sekundärquellen – bereits vorhandene Forschung und Medienberichte – gegenübergestellt. Dies erfolgt wieder aufgeteilt nach den vier potenziellen Konfliktfeldern, die in Kapitel 3 herausgearbeitet wurden. Im fünften Kapitel werden schließlich die formulierten Hypothesen überprüft und ein abschließendes Fazit gezogen.

2. Untersuchungsgegenstand und -methode

Im Folgenden werden die methodischen Grundlagen und das konkrete Vorgehen der Analyse vorgestellt, die den Kern der vorliegenden Arbeit darstellt.

Untersuchungsgegenstand

Die Auswahl des Untersuchungsgegenstandes erfolgt wie in der qualitativen Forschung üblich und notwendig, bewusst und kriterienbasiert.15 Da der Gegenstand der vorliegenden Arbeit die tunesische Ennahda-Partei ist, wurden für die Analyse Texte ausgewählt, die entweder von Mitgliedern der Partei oder im Namen der Partei verfasst und veröffentlicht wurden. Außerdem wurden Interviews mit Mitgliedern der Partei mit einbezogen, die zwar nicht im Sinne von qualitativen Interviews von der Autorin geführt wurden, in denen aber die Überzeugungen und Positionen der Parteimitglieder diskutiert werden und die daher ebenfalls im Sinne von Primärquellen analysiert werden konnten.

Die Primärquellen, die analysiert wurden, sind alle nach dem 1. März 2011 entstanden, dem Tag, an dem die Ennahda als legale Partei in Tunesien zugelassen wurde. Dies war ein Kriterium für die Auswahl, da diese Arbeit die Kompatibilität der Ennahda als islamisch orientierte Partei mit dem demokratischen System Tunesiens behandelt. Der Untersuchungszeitraum wurde dementsprechend so gewählt, dass die Zeit betrachtet wurde, in der die Ennahda legal anerkannte Partei war und dadurch zum einen in der Lage, im politischen System Tunesiens zu wirken, und zum anderen an den eigenen politischen Aussagen und Entscheidungen gemessen werden kann. Darüber hinaus ist die Zeit vor der Revolution für die Fragestellung nicht relevant, da Tunesien erst seit 2011 ein demokratisches System hat, nachdem der Diktator Ben Ali im Januar gestürzt worden war und im Oktober die ersten freien Wahlen seit der Unabhängigkeit Tunesiens von Frankreich 1956 stattfanden.16

Bei der Auswahl der Texte wurde darauf geachtet, dass nicht ausschließlich Essays und Interviews ausgewählt wurden, die in westlichen Medien veröffentlicht wurden und sich damit potenziell hauptsächlich an ein westliches Publikum richten. Dieser Schritt ist wichtig, um auszuschließen, dass das Ergebnis der Inhaltsanalyse verzerrt ist, da die Ansprache der Partei an ein westliches Publikum eine gänzlich andere sein könnte beziehungsweise andere Schwerpunkte setzen könnte als die Ansprache an ein tunesisches Publikum.17

An dieser Stelle muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass es der Autorin aufgrund fehlender Sprachkenntnisse nicht möglich ist, Quellen in arabischer Sprache zu analysieren. Dies schränkt die Auswahl des Untersuchungsgegenstandes ein. Dennoch konnte die Analyse wie geplant durchgeführt werden, da genug Quellen, die sich auch primär an die tunesische Bevölkerung richten, in englischer oder französischer Sprache vorlagen. Des Weiteren wurde darauf geachtet, Quellen sowohl von weiblichen als auch von männlichen Autoren zu untersuchen, sowie möglichst das ganze Spektrum des Untersuchungszeitraums abzudecken, um eventuelle Entwicklungen über den Analysezeitraum hinweg feststellen zu können. Aus diesem Grund wurden Quellen aus den Jahren 2011, 2014, 2016, 2017 und 2018 gewählt.

Für die Analyse wurden schließlich zehn Texte ausgewählt: Das Wahlprogramm der Ennahda für die Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung 2011, das Wahlprogramm für die Parlamentswahlen 2014, eine Parteibroschüre, ein Parteimanifest, jeweils ein Interview mit den Parteimitgliedern Sayida Ounissi, Habib Ellouzi und Meherzia Maiza Labidi, eine Rede des Ennahda-Vorsitzenden Rached Ghannouchi sowie jeweils ein Essay von Ghannouchi und Ounissi. Jeder Text stellt gleichzeitig eine Auswahleinheit und eine Analyseeinheit dar.18

Qualitative Inhaltsanalyse

Als Untersuchungsmethode für diese Arbeit wurde die qualitative Inhaltsanalyse gewählt. Grundlegend kann sie wie folgt definiert werden: Inhaltsanalyse ist „die Analyse von Material, das aus irgendeiner Art von Kommunikation stammt“19. Darüber hinaus eignet sich die Inhaltsanalyse für die vorliegende Arbeit, da sie – in der Art, wie Philipp Mayring sie definiert – ein systematisches und regelgeleitetes Verfahren ist, in welchem Material unter einer theoretisch hergeleiteten Fragestellung untersucht wird, mit dem Ziel auch Schlussfolgerungen zu ziehen, die über ein reines Referieren des Materials hinausgehen.20 Dabei stellt vor allem der letzte Punkt dieser Aufzählung ein wichtiges Merkmal der qualitativen Inhaltsanalyse dar: „Die Inhaltsanalyse dient im qualitativen Paradigma der Auswertung bereits erhobenen Materials. Sie dient der Interpretation symbolisch-kommunikativ vermittelter Interaktion in einem wissenschaftlichen Diskurs.“21 Genau dies will die vorliegende Arbeit leisten: Die tiefgehende Interpretation der Parteikommunikation anhand der analysierten Quellen ist für die Beantwortung der Forschungsfragen unabdingbar. Ein quantitativer Ansatz wäre an dieser Stelle nicht zielführend. Reine Häufigkeiten etwa mit Bezug auf die Erwähnung der Demokratie in den Veröffentlichungen der Partei würde nicht ausreichen, um einzuschätzen, inwieweit die Partei der Demokratie tatsächlich verpflichtet ist.

Der qualitativen Inhaltsanalyse ist es eigen, dass sie „kein Standardinstrument [ist], das immer gleich aussieht; sie muss an den konkreten Gegenstand, das Material angepasst sein und auf die spezifische Fragestellung hin konstruiert werden“22. Die spezifische Art, die hier angewendet wird, ist die inhaltliche Strukturierung. Sie verläuft in folgenden Schritten: Auswahl der Analyseeinheiten, Bestimmung der Strukturierungsdimensionen und der Ausprägungen und darauf aufbauend Erstellung des Kategoriensystems, Formulierung von Definitionen und Codierregeln, Analyse des Material, Aufbereitung der Ergebnisse.23 Die Auswahl der Analyseeinheiten, sprich des Gegenstands der Untersuchung, wurde bereits dargelegt. Es folgen die Überlegungen zu den weiteren Schritten der Inhaltsanalyse.

Operationalisierung

Im Rahmen der Inhaltsanalyse nach Mayring ist es möglich Kategorien induktiv, das heißt während der Bearbeitung des Materials, als auch deduktiv, im Vorfeld durch theoretische Vorbereitung der Fragestellung, zu bilden.24 Für diese Arbeit wurde der Weg der deduktiven Kategorienbildung gewählt, da die zu analysierenden Texte sich nicht explizit derselben Fragestellung widmen und daher der Weg, durch Reduktion auf vergleichbare induktive Kategorien zu schließen, nicht praktikabel ist. Vielmehr handelt es sich bei dem Material um unterschiedliche Textarten (Interview, Parteiprogramm, Artikel etc.), die nicht alle unter der Leitfrage der Kompatibilität von Demokratie und Islam entstanden sind.

Um also eine Aussage über die in Kapitel 3 hergeleiteten potenziellen Konfliktfelder im Zusammenspiel von islamisch orientierten Parteien und demokratischen Systemen mit Blick auf die Ennahda-Partei treffen zu können, müssen diese Kategorien im Vorfeld der Analyse festgelegt werden, anhand dieser Kategorien kann dann die inhaltliche Strukturierung der Texte erfolgen.25 Als Kategorienart wurden thematische Kategorien gewählt. Thematische Kategorien bezeichnen „ein bestimmtes Thema, auch ein bestimmtes Argument, eine bestimmte Denkfigur etc.“.26 Die Kategorien haben hier die Funktion von Zeigern, wichtig ist, dass sie auf die richtige Stelle im Text zeigen, eine „exakte Bestimmung der Grenzen des Segments ist nicht vorrangig“.27 Daher ist auch eine detaillierte Definition inklusive Ankerbeispielen der einzelnen Ausprägungen vor Beginn der Analyse nicht nötig. Die Kategorien wurden aufgrund der theoretischen Herleitung der potenziellen Konfliktfelder zwischen islamisch orientierten Parteien und demokratischen Systemen, die in Kapitel 3 dieser Arbeit erfolgt, gebildet.

Den vier Hauptkategorien – Legitimität von Herrschaft, Einstellung zum Pluralismus, Einfluss von Interessensgruppen, Parteiziele – wurden auf der Grundlage der theoretischen Erarbeitungen folgende weitere Unterkategorien beziehungsweise konkrete Ausprägungen zugeordnet, um eine differenzierte Analyse möglich zu machen:

I. Legitimität von Herrschaft

- Bezug auf Gott als Souverän
- Bezug auf das Volk als Souverän
- Darstellung des Menschen als souveränes Individuum
- Darstellung des Menschen als Vertreter Gottes auf Erden
- Bezug auf Wahlen als Instrument der Repräsentantenauswahl
- Bezug auf demokratische Verfahren der Regierung/Gesetzgebung
- Bezug auf die Sharia
- Bezug auf rechtsphilosophische Mechanismen wie Ijma, Itjihad, Shura
- Bezug auf bestimmte Form der Regierung/Staatsorganisation

II. Einstellung zum Pluralismus

- Genereller Bezug auf Grundrechte für alle Menschen
- Bezug auf konkrete bürgerliche Freiheitsrechte
- Bezug auf konkrete politische Partizipationsrechte
- Bezug auf konkrete Gruppen/Minderheiten und ihre Rechte
- Bezug auf Wohl des einzelnen Menschen
- Bezug auf Wohl der Gemeinschaft
- Bezug auf Einschränkung der Rechte durch islamische Gesetze o.ä.
- Bezug auf toleranten Charakter des Islams/islamische Grundwerte

III. Einfluss von Interessensgruppen

- Bezug auf Einfluss religiöser Organisationen außerhalb der Partei
- Bezug auf Einfluss durch Milizen o.ä.
- Bezug auf Einsatz von Gewalt im Konfliktfall
- Bezug auf Agendakonflikte religiös/politisch
- Bezug auf Trennung politischer und religiöser Aktivitäten28

IV. Parteiziele

- Bezug auf Änderung des politischen Systems
- Bezug auf Änderungen der Repräsentantenwahl
- Bezug auf Änderungen von Grundrechten
- Bezug auf Stärkung der Rolle des Islam
- Bezug auf Einführung islamischer Werte/Gesetze
- Bezug auf konkrete Ziele im sozialen oder ökonomischen Bereich29

Analyseinstrument

Um das systematische Verfahren zu garantieren, wurde auf Grundlage des Theorieteils dieser Arbeit ein Analysebogen mit den zuvor festgelegten Kategorien entwickelt und für die Analyse jedes einzelnen Textes angewendet. Dies stellt die Vergleichbarkeit der Analyse sicher. Der Analysebogen sowie die ausgefüllten Bögen für die einzelnen Texte, die analysiert wurden, sind dem Anhang dieser Arbeit beigefügt. Um die Analyse noch besser zu strukturieren, ist der Analysebogen für jede der einzelnen Unterkategorien tabellarisch aufgeteilt. Die bei der Inhaltsanalyse extrahierten Aussagen werden schon bei der Vermerkung im Analysebogen den Begriffen zustimmend, ablehnend oder neutral/anderes zugeordnet. Dies macht das Zusammenführen der Ergebnisse leichter.

Teil des Analysebogens sind zusätzlich zu den thematischen Kategorien wenige formale Kategorien, Angaben zu den Umständen der Entstehung des vorliegenden Materials. Es wird – soweit bekannt – vermerkt, wer der Autor des Textes ist, wo und wann der Text publiziert wurde, in welchem Kontext er publiziert wurde, sprich an wen er sich richtet. Auf diese Angaben wird in der Bearbeitung der Ergebnisse noch einmal ein besonderes Augenmerk gerichtet, denn zum einen ist die Betrachtung des Kontextes beziehungsweise die Einbettung des Materials in den Kommunikationszusammenhangs in der qualitativen Inhaltsanalyse allgemein ein wichtiger Analyseschritt.30 Zum anderen ist dieser Punkt in der vorliegenden Arbeit besonders relevant, da für die Bewertung der Kompatibilität der Ennahda mit dem demokratischen System entscheidend ist, ob sich die Themen oder die Ansprache je nach Kontext ändern, ob sich also Unterschiede in der Kommunikation feststellen lassen, je nachdem, ob die Adressaten im internationalen Bereich, im eigenen Land oder in der eigenen Partei zu finden sind.

Untersuchungsprozess

Der Untersuchungsprozess umfasst die Vorbereitung der zu analysierenden Quellen, die Probekodierung und die Durchführung der Analyse anhand des Analysebogens. Der Großteil der zu analysierenden Quellen – die Wahlprogramme, die Parteibroschüre, das Manifest, die Essays und die Rede – lag bereits in Schriftform vor. Die drei Interviews, die ausgewählt wurden, lagen allerdings nur in Videoform vor und wurden daher für die Analyse transkribiert. Die Transkripte sind Teil des Anhangs dieser Arbeit.

Bei der deduktiven Kategorienbildung kann es vorkommen, dass Kategorien nicht trennscharf sind oder dass nicht alle Ausprägungen vorab bedacht werden, so dass während der Analyse das Kategoriensystem überarbeitet werden muss.31 Dass Kategorien nicht ganz trennscharf sind, ist im vorliegenden Fall, durch die Verwendung thematischer Kategorien nicht problematisch. Um dennoch sicherzugehen, dass der Analysebogen alle relevanten Kategorien erfasst, wurden in einem ersten Schritt drei Primärtexte codiert – das Essay „From Political Islam to Muslim Democracy“ von Rached Ghannouchi aus dem Jahr 2016, das Wahlprogramm der Ennahda für die Wahl 2011 sowie eine Broschüre der Partei von 2014.

Nach der Probecodierung wurden folgende Veränderungen am Kategoriensystem vorgenommen: In der Kategorie „Einfluss von Interessensgruppen“ wurde die Unterkategorie „Bezug auf Trennung politischer und religiöser Aktivitäten“ ergänzt. In der Kategorie „Parteiziele“ wurde die Unterkategorie „Bezug auf konkrete Ziele im sozialen oder ökonomischen Bereich“ ergänzt. Darüber hinaus wurde abschließend die Kategorie „Sonstiges“ eingeführt, da bei der Probecodierung der drei Texte deutlich wurde, dass einzelne Aussagen, die für die Fragestellung dieser Arbeit relevant sind, nicht in die vier Hauptkategorien einzuordnen waren.32 Um die Erfassung dieser Aussagen zu garantieren, ohne das Kategoriensystem jedes Mal um sehr spezifische Unterkategorien, die für andere Quellen nicht relevant sind, oder gar um neue Hauptkategorien erweitern zu müssen, entschied sich die Autorin für die Kategorie „Sonstiges“.

Die Codierung der Primärquellen lief wie folgt ab: Im Analysebogen wurden Textstellen, die in die entsprechenden Unterkategorien einzuordnen sind, paraphrasiert vermerkt. Außerdem wurde dort wo möglich die Seitenzahl oder Stelle im transkribierten Interview vermerkt, um die Textstelle bei der späteren Aufbereitung der Ergebnisse oder aber einer etwaigen Überprüfung der Analysebögen wiederfinden zu können. Für die Aufbereitung der Ergebnisse wurden längere Zitate aus den Texten und nicht nur die paraphrasierten Stellen verwendet. Dies entspricht dem Zweischritt der Methode der inhaltlichen Strukturierung an dieser Stelle der Analyse: Erst erfolgt die Fundstellenbezeichnung, in einem zweiten Schritt die Bearbeitung und Extraktion der Fundstellen.33

Aufbereitung der Ergebnisse

Anhand der Analysebögen und der markierten Fundstellen in den Analyseeinheiten wurden die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse – gegliedert nach den vier Hauptkategorien – in Kapitel 4 festgehalten. Ergänzt wurden die Ergebnisse dieser Selbstdarstellung der Partei durch Sekundärliteratur, die die Perspektive der Fremdwahrnehmung durch andere politische Akteure, Forschungseinrichtungen oder Medien mit einbringt. Auf Grundlage dieser Gegenüberstellung von Eigendarstellung und Fremdwahrnehmung wurden die Forschungsfragen, die in der Einleitung formuliert wurden, im abschließenden Fazit beantwortet.

3. Islamisch orientierte Parteien in demokratischen Systemen – potenzielle Konfliktfelder

Um die theoretische Grundlage zur späteren Analyse zu legen, sind die potenziellen Konfliktfelder zu definieren, die sich ergeben, wenn islamisch orientierte Parteien in demokratischen Systemen agieren. Hierbei spielen zwei theoretische Bereiche eine Rolle: zum einen die Merkmale beziehungsweise möglichen Einstellungen einer islamisch orientierten Partei, zum anderen die Voraussetzungen für eine stabile Demokratie. Diese beiden Bereiche werden in den folgenden Unterkapiteln betrachtet, aufgeschlüsselt nach den potenziellen Konfliktfeldern. Zunächst folgen allerdings einige Anmerkungen zur Literatur- beziehungsweise Theorieauswahl.

Im Gegensatz zu Parteien, die sich in ihrem Namen und ihrem Programm klar zu christlichen Grundsätzen bekennen, wird Parteien, deren Ideologie wenigstens zum Teil auf islamischen Werten gründet, in der westlichen Welt grundsätzlich ein großes Misstrauen entgegengebracht.34 Nancy Rosenblum bemerkt dazu:

„We associate political mobilization with extremism in the name of faith, and with parties led by clerics who overtly challenge secular regimes, sometimes modernization tout court, and whose participation in electoral politics is often an opportunistic means to install a theocratic government and not a commitment to democratic processes.“35

Aus dieser extrem kritischen Grundhaltung – und aus einem ungenauen Umgang mit Begriffen wie Islam, Islamismus und politischem Islam36 – folgt auch, dass eine unvoreingenommene Betrachtung solcher Parteien und ihrer Rolle in demokratischen Systemen in der politischen Theorie lange Zeit keinen hohen Stellenwert hatte.37 So spielen religiös orientierte Parteien in Typologien politischer Parteien nur in Ausnahmen eine Rolle.38 Und auch in den Typologien, in denen sie auftauchen, gehen die Definitionen nicht allzu sehr in die Tiefe.

In der Typologie von Richard Gunther und Larry Diamond beispielsweise sind religiös orientierte Parteien unter den „mass-based parties“ zu finden, unterschieden wird weitergehend zwischen „denominational“, definiert als pluralistisch, demokratisch und tolerant, und „fundamentalist“, mit dem klaren Ziel, Staat und Gesellschaft nach den religiösen Prinzipien neu zu ordnen.39 Weitere Spielarten religiös orientierter Parteien zwischen diesen beiden Extremen werden nicht bedacht.

Ausgehend von diesem Defizit hat Luca Ozzano eine Typologie religiös orientierter Parteien40 entwickelt und fünf verschiedene Idealtypen identifiziert.41 Eine ausführliche Beschreibung der Merkmale dieser Typen42 ist an dieser Stelle nicht relevant, allerdings stützt sich die theoretische Herleitung dieser Arbeit auf wesentliche Aspekte Ozzanos‘ Typologie. Ozzanos Arbeit bietet sich dafür an, da sie nicht nur Einzelfälle religiös orientierter Parteien betrachtet, sondern einen ersten Versuch einer übergeordneten Klassifizierung vornimmt. Weiterhin werden vor allem Aufsätze aus der jüngeren Vergangenheit herangezogen, die sich mit dem Verhältnis von (politischem) Islam und Demokratie beschäftigen, da sich die Literatur vor der Jahrtausendwende nur selten beziehungsweise in vielen Fällen voreingenommen diesem Thema widmete.

Weiterhin ist noch darauf hinzuweisen, dass der Islam eine extrem vielschichtige und regional unterschiedlich interpretierte und gelebte Religion ist: „On all levels Islam, in its capacity as a faith, a local culture and a cross-cultural civilisation, is characterised by diversity and change.”43 Die Lesarten des Islam und dementsprechend auch die Interpretationen vonseiten politischer Parteien und Akteure sind so vielfältig44, dass es in dieser Arbeit nicht zu leisten ist, einen vollständigen Überblick über jede denkbare Strömung zu geben.45 Es werden aber die für die Untersuchung wichtigen grundlegenden Positionen entlang des Spektrums fundamentalistisch, moderat, progressiv skizziert – immer mit dem Fokus auf die mögliche Kompatibilität mit einem demokratischen System.

Die Definition von Demokratie, die dieser Arbeit zugrunde liegt, stammt von Wolfgang Merkel. Er hat das Modell der eingebetteten Demokratie entwickelt, welches fünf Teilregime beinhaltet:

„ein demokratisches Wahlregime (A), das Regime politischer Partizipationsrechte (B), das Teilregime bürgerlicher Freiheitsrechte (C), die institutionelle Sicherung der Gewaltenkontrolle (D) sowie die Garantie, dass die ‚effektive Regierungsgewalt‘ der demokratisch gewählten Repräsentanten de jure und de facto gesichert ist (E).“46

Alle diese Teilregime müssten gewährleistet sein, damit von einer stabilen und rechtsstaatlichen Demokratie gesprochen werden könne. Hinzu kommt noch die zweifache Einbettung der Demokratie: Interne Einbettung bedeutet, dass sich die fünf Teilregime gegenseitig bedingen und stützen, externe Einbettung bedeutet die Interaktion des demokratischen Systems mit der Umgebung in Form der sozioökonomischen Umstände, der Zivilgesellschaft und auch internationalen politischen, wirtschaftlichen und zivilen Akteuren.47

Merkels Modell der eingebetteten Demokratie hat in Bezug auf diese Fragestellung mehrere Vorteile gegenüber anderen der vielzähligen Definitionen. Zum einen hat das Modell eine klare Ausrichtung auf die empirische Überprüfung demokratischer Qualität, durch die Abgrenzung der verschiedenen Teilregime sind Defekte im demokratischen System beziehungsweise in diesem Fall konkrete Konfliktfelder gut zu verorten und zu analysieren. Der plastische Aufbau des Modells bringt Vorteile auch gegenüber anderen angesehenen Modellen der zeitgenössischen Demokratietheorie wie etwa der Polyarchie von Robert Dahl. Die Eigenschaften der idealen Demokratie, die Dahl erarbeitet hat, beinhalten zwar vieles, was sich auch in Merkels Modell wiederfindet – gleiche, freie, faire Wahlen, politische Partizipationsrechte etc.48 –, sie sind aber für die Analyse weniger schnell und klar erfassbar und einzelnen Bausteinen des politischen Systems beziehungsweise potenziellen Konfliktfeldern zuzuordnen.

Zum anderen ist Merkels Modell gleichzeitig ausreichend konkret und ausreichend abstrakt. Ausreichend konkret ist es, da es ein in sich geschlossenes Modell von Demokratie darstellt und sich nicht etwa nur auf prozedurale Gesichtspunkte konzentriert und damit potenzielle Konfliktfelder im Bereich liberaler Grundrechte ausklammert.49 Ausreichend abstrakt ist es, da im Modell nicht etwa einzelne politische Entscheidungen (etwa die Ausgestaltung des Sozialsystems) oder der konkrete Aufbau des politischen Systems (zum Beispiel Präsidialsystem oder parlamentarisches System) in die Entscheidung über eine in seiner Struktur gefestigten Demokratie miteinbezogen werden müssen. Diese Flexibilität macht Merkels Modell für die vorliegende Arbeit sehr geeignet.

Im Folgenden werden nun die einzelnen potenziellen Konfliktfelder näher beschrieben. Zu Beginn der einzelnen Unterkapitel wird jeweils das relevante Teilregime des Modells von Wolfgang Merkel skizziert. Danach werden mögliche Sichtweisen islamisch orientierter Parteien auf die Grundsätze dieser Teilregime beschrieben. Um die gesamte Bandbreite der möglichen Einstellungen islamisch orientierter Parteien deutlich zu machen, werden jeweils die Einstellungen islamistischer Parteien, die Einstellungen gemäßigter Parteien und die Einstellungen progressiver Parteien dargestellt.50 Diese einzelnen Abschnitte werden durch Zwischenüberschriften getrennt.

3.1 Legitimität von Herrschaft

In einer Demokratie geht – wie im Namen schon enthalten – die Herrschaft vom Volk aus.51 Diese an erster Stelle konstituierende Eigenschaft eines demokratischen Systems findet sich auch in Merkels Modell der eingebetteten Demokratie an zentraler Stelle wieder. Das Wahlregime setzt voraus, dass der Zugang zu Herrschaftspositionen über offenen politischen Wettbewerb und freie Wahlen geregelt ist.52 Dem Volk beziehungsweise dem einzelnen Bürger ermöglichen die Wahlen, diejenigen, die im politischen System über Macht verfügen, im ersten Schritt zu bestimmen und im zweiten Schritt (bei einer weiteren Wahl) auch zu sanktionieren, falls die konkrete Ausübung dieser Macht nicht den Erwartungen des Bürgers entspricht.53 Da der Willen des Volkes hier direkten Einfluss auf die Herrschaftsverhältnisse im politischen System hat und die Wahl ein Ausdruck der Gleichheit aller Bürger ist – da jeder Bürger die gleiche Anzahl an Stimmen hat54 – ist das Wahlregime der sichtbarste Ausdruck der Souveränität des Volkes ist.55 Für ein funktionierendes demokratisches System sind freie und faire Wahlen eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung – dennoch sind sie das Herzstück in den Überlegungen zu legitimer Herrschaft im politischen System.

Islamistische Parteien

Im Gegensatz zum Status des Einzelnen als souveräne Person, die durch das demokratische System die Möglichkeit zur Selbstregierung hat, ist der Einzelne in der islamistischen politischen Theorie ein „vice-regent of God“[56]. Damit sind zwar all diejenigen, die als Gläubige diesen Status haben untereinander gleichgestellt, sie haben dadurch aber keine politische Autorität oder Souveränität: „The sole sovereign on Earth is God“57. Nach dieser Sichtweise geht nicht nur die moralische, auch die politische und rechtliche Autorität allein von Gott aus.58 Dementsprechend stellen demokratische und rechtsstaatliche Prozesse eine widerrechtliche Aneignung des Rechts Gottes zur Gesetzgebung dar und sind damit die größte Bedrohung für den islamischen Glauben.59

Aus islamistischer Sicht ist die Demokratie keine Befreiung des Einzelnen oder eine Möglichkeit seine Rechte als souveränes Individuum wahrzunehmen, vielmehr stellt der Islam die Befreiung des Einzelnen von falscher Autorität dar. Sayyid Qutb, einer der wichtigsten Denker des islamistischen Spektrums im 20. Jahrhundert, schreibt dazu:

„This religion is really a universal declaration of the freedom of man from servitude to other men and from servitude to his own desires, which is also a form of human servitude; […]. Any system in which the final decisions are referred to human beings, and in which the sources of all authority are human, defies human beings by designating others than God as lords over men.”60

Die Gesetze Gottes finden hier mit der Einführung der Sharia, der „Divine Law“, als einzig gültigem Gesetz ihre Verwirklichung.61 62 Neben dem demokratischen und rechtstaatlichen System stellen Islamisten außerdem die Legitimität nationalstaatlicher Grenzen infrage. Aus ihrer Sicht trennen Grenzen die Umma, die Gesamtheit der muslimischen Gemeinschaft auf der Welt, und sind dementsprechend nicht mit der Herrschaft Gottes zu vereinbaren.63

Dass eine Partei, die von einer solchen Rolle des Individuums, der Sharia und des Nationalstaats überzeugt ist, nicht mit einem demokratischen System kompatibel ist, ist offensichtlich. Dennoch haben islamistische Parteien in der Vergangenheit in zahlreichen Fällen eine demokratische Wahl genutzt, um an die Macht zu kommen beziehungsweise Teil eines Parlaments oder einer Regierung zu werden. Dies spiegelt allerdings keinesfalls Respekt vor dem demokratischen System als Ganzem wieder, sondern stellt vielmehr einen pragmatischen Ansatz dar, vergleichsweise einfach an die Macht zu kommen und damit einen „bottom-up process of islamisation“.64

Die Partizipation dieser Vertreter der „Islamist pseudo-integration“ an demokratischen Wahlen und Prozessen macht es vielfach schwer zwischen Islamisten, die das System nur aus opportunistischen Gründen nutzen, und Muslimen, die ehrlich an der Teilhabe im demokratischen Prozess interessiert sind, zu unterscheiden.65 So zeigt sich hier, dass ebenso wenig wie freie Wahlen eine hinreichende Bedingung für ein demokratisches System sind, die Anerkennung demokratischer Wahlen eine hinreichende Bedingung für die Kompatibilität islamisch orientierter Partien mit dem demokratischen System ist.

Gemäßigte Parteien

Neben den islamistischen Parteien, die eine radikale Auslegung des Islam vertreten und sich höchstens zum Schein in den demokratischen Prozess einfügen, gibt es Parteien, die sich auf islamische Prozesse berufen, die Prozessen in einem demokratischen System zumindest nahe kommen. Sie sind Beispiele für Akteure mit gemäßigten religiösen Ansichten und beziehen sich auf rechtsphilosophische Mechanismen im Islam, wie zum Beispiel Shura, Ijma und Itjihad.66

Shura ist das Prinzip der Beratung und kann im Sinne der gemäßigten Parteien so ausgelegt werden, dass Autorität vom Individuum beziehungsweise vom ganzen Volk auf einen oder mehrere Führer übertragen werden kann: „since all Muslims are adults, wise, pious and caliph of God, they temporarily delegate their authority to a ruler that manages and monitors society“67.

Ijma bedeutet Konsens und ist in manchen Auslegungen auf den Konsens der führenden Gelehrten des Islam begrenzt68, in manchen Auslegungen aber deutlich weiter gefasst: „Ijmae or consensus […] is meant to be Muslim’s collective judgement on the issues raised, and it is consistent with the principle of referendum and public participation”69. Itjihad schließlich ist „the exercise of independent judgment and interpretation regarding legal matters”70. Diese islamischen rechtsphilosophischen Prozesse kommen demokratischen Entscheidungsfindungsprozessen so nahe, dass von einer möglichen Kompatibilität eines demokratischen Systems mit einer Lehre des Islams, die sich auf solche Prozesse beruft, ausgegangen wird.

Progressive Parteien

Noch progressivere Denkrichtungen im Islam sehen in verschiedenen Formen der Regierung und des politischen Systems gar keinen Widerspruch zum islamischen Denken. So schreibt der Prediger, Schriftsteller und Politiker Fethullah Gülen: „Islam establishes fundamental principles that orient a government’s general character, leaving it to the people to choose the type and form of government according to time and circumstances.“71 Solange diese fundamentalen Prinzipien, wie etwa Gerechtigkeit, die Herrschaft des Rechts und auch gewisse Grundrechte gewährleistet seien, spiele die spezielle Ausgestaltung des politischen Systems keine Rolle mehr. Der Auffassung, Menschen sollten nicht durch Menschen regiert werden, tritt Gülen entschieden entgegen. Aus seiner Sicht sind Menschen und ganze Gesellschaften im Islam selbst für ihr Schicksal verantwortlich und müssen dementsprechend für ihre Regierung verantwortlich sein.72 Der Prediger verweist in seiner Argumentation auf die Überlieferungen aus der Zeit der ersten vier Kalife nach dem Tod des Propheten Mohammed: „Especially during the rule of the first four caliphs (632-661) the fundamental principles of government mentioned above – including free elections – were fully observed.“73

Auf die Historie verweisen auch andere Autoren. Salwa Ismail stellt fest, dass die historischen Aufzeichnungen beweisen, dass Typen und Formen der Regierung, die in muslimischen Staaten und Gemeinschaften im Laufe der Geschichte Anwendung fanden, sehr divers waren – „ranging from delegation in a manner equivalent to today’s electoral college, to nomination by a select group, to dynastic succession or mere usurpation“74 – und dass außerdem der Koran keine bestimmte Form der Regierung vorschreiben würde75. Robert Hefner argumentiert, dass muslimische Gesellschaften in der Vergangenheit gerade deshalb florierten, weil die politischen Führer flexible und durchaus unterschiedliche Ansätze der Regierungsbildung und der Ordnung der Gesellschaften verfolgten.76 Zudem sei es historisch fraglich, inwieweit Religion, Herrschaft und Recht auch schon zu Zeiten des Propheten und der folgenden Kalifen fest miteinander verwoben waren: „Religion und Herrschaft waren in islamisch geprägten Gesellschaften bis ins 19. Jahrhundert nicht enger miteinander verbunden als in europäischen.“77

Neben den Parteien, die ihre Haltung zur Legitimität von Herrschaft mit den verschiedenen Interpretationen des Islam begründen, gibt es noch die politischen Akteure und Parteien, die sich des Islams lediglich als Instrument von Herrschaft bedienen, ohne tatsächlich an die Grundsätze der Religion zu glauben.78 Sie verknüpfen „die Furcht vor Gott mit der Furcht vor den Machthabern“ und inszenieren sich als „Vollstrecker des göttlichen Wissens“, um ihre Stellung und ihre politischen Handlungen dem Diskurs zu entziehen.79 Diese Parteien fallen nicht unter die islamisch orientierten Parteien, um die es in dieser Arbeit gehen soll. Dennoch ist es wichtig, sie zu erwähnen, da sie vordergründig genau wie Parteien auftreten, deren Ideologie tatsächlich auf den Islam gründet, und in einer Analyse daher die Möglichkeit der Verwechslung besteht.

3.2 Einstellung zum Pluralismus

Um den Pluralismus im demokratischen System in Form einer Vielfalt von politischen Meinungen, Werten und Ideen, die im öffentlichen Wettbewerb miteinander stehen, zu garantieren, braucht es im Modell der eingebetteten Demokratie von Wolfgang Merkel die beiden Teilregime der politischen Partizipationsrechte und der bürgerlichen Freiheitsrechte.

Politische Partizipationsrechte machen die Öffentlichkeit zur politischen Arena:

„Here, collective formulation of opinions and demands determines and supports competition over positions of power. Political rights have the function both of enabling organized democratic elections and of furthering the unorganized pluralistic interests of complex societies.”80

Zu diesen Rechten gehören beispielsweise die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit für einzelne Bürger, aber auch das Recht zur Organisation und freien Meinungsäußerung für politische Parteien und andere Zusammenschlüsse von Bürgern.81 Die politischen Partizipationsrechte werden ergänzt durch bürgerliche Freiheitsrechte, diese beschützen „the individual against the state executive and against acts of the elected legislator that infringe on an individual’s freedom”82. Explizit ist an dieser Stelle auch vorgesehen, dass Einzelne, Gruppen oder die politische Opposition vor Unterdrückung durch die (demokratisch gewählte) Mehrheit geschützt sind, beispielsweise durch die garantierte Unabhängigkeit der Gerichte.83

Islamistische Parteien

Diesem Verständnis von nicht verhandelbaren Grundrechten, die jedem Menschen in einem demokratischen System zuteilwerden, und dem Schutz vor Eingriffen in diese Rechte durch die Herrschenden, steht in islamistischen Auslegungen des Islam die Überzeugung gegenüber, dass das Wohl des Einzelnen immer dem Wohl der Gemeinschaft unterzuordnen ist.84 Hinzu kommen Überzeugungen, die in der Tradition oder in der Auslegung der Schriften begründet sind, dass nicht alle Menschen der Gemeinschaft per se die gleichen Rechte haben, dass beispielsweise Frauen oder auch religiöse Minderheiten bestimmte Rechte nicht haben dürfen.

Dass religiösen Minderheiten beziehungsweise Andersdenkenden im Allgemeinen weniger oder keine Rechte eingeräumt werden, überrascht mit Blick auf radikale Auslegungen des Islams nicht. Sayyid Qutb beschreibt in seinen Ausführungen drei Arten von Nicht-Muslimen, mit denen es der Prophet zu seiner Zeit zu tun hatte85: Menschen, die sich im Krieg mit den Muslimen befinden, Menschen, mit denen es eine Art Abkommen gibt und die letztendlich alle selbst zu Muslimen werden, und Menschen, die unter dem Schutz der muslimischen Regierung stehen – allerdings mit eingeschränkten Rechten.86 Eine friedliche Koexistenz mit gleichen Rechten und Pflichten in einer Gesellschaft zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen ist in diesen Überlegungen nicht vorgesehen. Vielmehr gilt allein der Glaube beziehungsweise die Einstellung zum Islam als Kriterium für die Einteilung der Menschen und die Gewährung von Rechten.

Auch in der jüngeren Geschichte stellen Islamisten diese Fragen der Identität und Zugehörigkeit in den Mittelpunkt. Menschen, die zu bestimmten Gruppen (beispielsweise zu religiösen Minderheiten) gehören, werden nicht nur Rechte verweigert, ihnen wird auch die Zugehörigkeit zur Gesellschaft aberkannt: „Classical categories of exclusion such as jahid (someone who denies the truth about God) and kafir (infidel) are deployed against transgressors.“87 Toleranz gegenüber verschiedenen Meinungen und Einstellungen, vor allem religiös aber auch politisch, ist hier ausgeschlossen – der Ungläubige ist im Weltbild der Islamisten der Feind eines guten Muslims.

Dass Themen, die stark in den persönlichen Bereich der Menschen reichen, die die Sexualität oder Beziehungen, Treue und Ehe betreffen, bei Islamisten eine explizite Rolle spielen und hier besonders die Rechte der Frauen stark eingeschränkt sind, liegt daran, dass „many of the issues that have emerged as subjects of concern in the shari’a regulations revolve around ethics and morality“88. Die Verpflichtung der Regierung und auch der Gesellschaft als Ganzes, die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der moralischen Ordnung zu garantieren, ist zentraler Bestandteil der islamistischen politischen Lehre.89 Viele Regeln, die in der Sharia bezüglich der moralischen Ordnung festgehalten sind, widersprechen klar den bürgerlichen Freiheitsrechten, die in einer Demokratie allen Menschen zustehen. Aus Sicht der Islamisten sind diese Rechte das größte Übel in einer Demokratie: „The concept of public liberties, it is claimed, is the worst thing the democratic system has come up with; it transforms the human community into herds of animals.“90

Gemäßigte Parteien

Parteien, die als gemäßigt betrachtet werden, betonen in vielen Fällen ihre Verpflichtung zum Pluralismus, zu transparenten Wahlen, politischen und bürgerlichen Freiheiten für alle Menschen etc. – allerdings mit einer entscheidenden Einschränkung:

„In discussing their political views, Islamists invariably profess to share the same values as liberals on everything, from women’s participation to diplomatic relations with Israel, as long as everything is handled ‘within the framework of Islamic principles’ and ‘in accordance with the true interests of the community’.”91

Die Prozesse der Demokratie als solche werden in dieser Diskussion über Minderheitenrechte nicht in Frage gestellt, es wird aber gefordert, dass „the very procedures of democracy should in no case ‚offend‘ religious precepts by permitting the passing of legislation believed to be contrary to God’s law“92. Bei solchen Hinweisen muss in der Analyse einer gemäßigten Partei genau hingeschaut werden, denn unter Umständen steht hinter solchen Einschränkungen eben nicht die Akzeptanz eines politischen Pluralismus, sondern die Unterordnung der Rechte des Einzelnen oder der Prozesse des demokratischen Systems unter die starren Ansichten der Partei.

Ein Beispiel für ein solches Bekenntnis zu Grundrechten mit gleichzeitiger Einschränkung durch islamische Tradition ist die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam. Dort heißt es in Artikel 1:

“All human beings form one family whose members are united by their subordination to Allah and descent from Adam. All men are equal in terms of basic human dignity and basic obligations and responsibilities, without any discrimination on the basis of race, colour, language, belief, sex, religion, political affiliation, social status or other considerations.”93

Was sich auf den ersten Blick liest wie ein Bekenntnis zu liberalen Grundrechten wie in einem westlichen demokratischen System (Gleichheit aller Menschen, keine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder Religion etc.), wird in den folgenden Artikeln immer wieder so oder so ähnlich eingeschränkt: „All the rights and freedoms stipulated in this Declaration are subject to the Islamic Shari'ah.“94 Die Rechte für das Individuum stehen also nicht für sich und an erster Stelle, nach wie vor ist es die Sharia, die die Regeln des Zusammenlebens und die Rechte der Menschen vorgibt.

So wird zum Beispiel der Artikel 3d der Kairoer Erklärung, der den Schutz der körperlichen Unversehrtheit garantieren soll – „Safety from bodily harm is a guaranteed right. It is the duty of the state to safeguard it, and it is prohibited to breach it without a Shari'ah-prescribed reason.“95 – mit dem Verweis auf die Regelungen der Sharia direkt wieder ad absurdum geführt, denn laut Sharia sind Strafen wie die Amputation von Gliedmaßen für Diebe oder Steinigung für Ehebrecher vorgesehen.96

Ein viel beachtetes Konfliktfeld im Zusammenspiel von Islam und liberaler Demokratie ist auch die Kontroverse zwischen Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit auf der einen Seite und dem Respekt vor der Religion, zum Ausdruck gebracht durch Muslime und Nicht-Muslime gleichermaßen97, auf der anderen Seite. Der Streit um Mohammed-Karikaturen skandinavischer Künstler, die Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh oder die Kontroverse um und die Fatwa gegen den Autoren Salman Rushdie zeigen eine extreme Sensibilität nicht nur islamistischer Hardliner, was die Kritik am oder auch nur die Darstellung des Islam angeht.98 Diese prominenten Fälle, die die Öffentlichkeit in der westlichen Welt stark beschäftigt haben, haben nicht nur zur Verurteilung radikaler Ansichten, sondern zur undifferenzierten Einordnung des Islam als „flawed ideology“ beigetragen.99

Dazu ist festzuhalten, dass die Androhung oder der Einsatz von Gewalt gegen Islam-Kritiker und solche, die sich satirisch mit dem Islam befassen, nicht mit demokratischen Grundrechten vereinbar ist. Allerdings zeigen einige dieser Fälle aber auch, dass es möglich ist, derartige Differenzen bezüglich des Respekts gegenüber der Religion durch den Einsatz demokratischer Mittel zu verhandeln: So sind einige Islam-Kritiker auch in Europa vor Gericht gestellt worden, „for ‘vilification of any religion admitted by the state’, for ‘incitement to violence’ or for ‘hate speech’“100. Grundrechte wie Meinungs- und Kunstfreiheit werden hier vom Rechtsstaat gegen Gesetze beispielsweise gegen die Verunglimpfung der Religion abgewogen. Die Akzeptanz der pluralistischen Grundwerte zeigt sich dann in der Anerkennung der gerichtlichen Entscheidungen in diesen Fällen.

Progressive Parteien

In diesem Sinne und im starken Gegensatz zur fundamentalistischen Ablehnung von Pluralismus und Grundrechten für alle Mitglieder der Gesellschaft steht die Überzeugung einiger islamischer Denker wie Fetullah Gülen. Aus ihrer Sicht sind Gleichheit und Toleranz, beispielsweise das Recht auf Privatsphäre oder Glaubensfreiheit fundamentale Prinzipien des Islam – und das ohne einschränkenden Hinweis etwa auf die Sharia: „Islam does not discriminate based on race, color, age, nationality, or physical traits.“101 Für eine Kompatibilität mit einem demokratischen System braucht es progressive Parteien, die diese Sichtweise teilen.

Mit Blick auf Ozzanos Typologie religiös orientierter Parteien hat vor allem der konservative Parteityp eine solche Einstellung zum Pluralismus, die mit einem demokratischen System kompatibel sein kann. Dies liegt daran, dass in der Regel nur ein Teil ihrer Ideologie auf religiösen Grundsätzen fußt und sie außerdem aus rein pragmatischen Gründen eine breite Wählerschaft ansprechen und sich die Möglichkeit erhalten wollen, mit politischen Kräften verschiedener Ideologien zu kooperieren.102 Außerdem findet sich laut Ozzano innerhalb dieses Parteityps häufig schon ein relativ breites Spektrum an Meinungen und Einstellungen,

„ranging from the nationalist right to moderate progressive factions, with a prevelance, however of the socially conservatice right. What holds them together is a vision of society where religious values are given a prominent role, although not a dominant and imposing one.”103

Ebenfalls eine mit Demokratie vereinbare Einstellung zum Pluralismus hat Ozzanos progressiver Parteityp. Ihn zeichnet „a strong orientation for social justice, civil rights, and peace, framed in a pluralistic worldview” aus104. Parteien dieses Typs kommen allerdings nur selten vor, da eine Politik dieser Art in der Regel eher in liberalen und vor allem säkularen Kreisen zu finden ist.105

In beiden Fällen wird aber deutlich, dass eine Einstellung zum Pluralismus, die problemlos mit einer demokratischen Sichtweise vereinbar ist, nur bei den Parteien zu finden ist, die in ihrer Ideologie nicht rein auf religiöse (dogmatische) Grundsätze beschränkt sind. Eine Fixierung auf eine bestimmte Auslegung des Islam mit nicht verhandelbaren Regeln, schlimmer noch der Glaube an die Überlegenheit des eigenen Glaubens und damit auch der Gemeinschaft der Gläubigen gegenüber Nicht-Muslimen, ist nicht mit liberalen Grundwerten eines demokratischen Systems vereinbar.

3.3 Einfluss von Interessensgruppen

Der potenzielle Einfluss von Interessensgruppen auf politische Parteien und gewählte Repräsentanten berührt Wolfgang Merkels Teilregime der effektiven Regierungsgewalt. Für eine funktionierende Demokratie ist es grundlegend, dass Entscheidungen in den politischen Institutionen und durch die gewählten Vertreter getroffen werden und dass es keinen übermäßigen Einfluss etwa durch Lobbygruppen, durch das Militär oder die Polizei gibt.106 In vielen jungen Demokratien sind es laut Merkel vor allem die Sicherheitskräfte, die zum Teil noch völlig autonom von der gewählten Regierung über Bereiche wie äußere und innere Sicherheitspolitik verfügen.107

Islamistische Parteien

Mit Blick auf islamisch orientierte Parteien werden Lobbygruppen, Militär und Polizei nicht außer Acht gelassen – der Einfluss religiöser Akteure, die nicht zu den gewählten Vertretern der Partei gehören, rückt hier aber besonders in den Fokus. Luca Ozzano hat in seine Typologie der religiös orientierten Parteien die Beziehung zu Interessensgruppen als Kriterium für die Unterscheidung zwischen den einzelnen Idealtypen aufgenommen. In aus demokratietheoretischer Sicht problematischen Fällen können religiöse Bewegungen so einflussreich sein, dass eine mögliche Entwicklung der Partei hin zu gemäßigten Grundsätzen verhindert wird.108

Dies gilt insbesondere für den Parteityp, den Ozzano als „religious nationalist“ beschreibt.109 In diesen Parteien können neben einflussreichen religiösen Bewegungen auch Bürgerwehren oder Milizen eine einflussreiche Rolle spielen, da die Parteien in vielen Fällen aus diesen Milizen hervorgegangen sind und die Milizen neben der Partei weiterexistieren.110 Diese paramilitärischen Organisationen werden zum einen von radikalen Parteien genutzt, um politische Gegner einzuschüchtern111, ein Vorgehen, das nichts mit demokratischem politischem Wettbewerb zu tun hat. Zum anderen stellen diese Gruppierungen als quasi inoffizieller Sicherheitsapparat die effektive Regierungsgewalt der gewählten Parteien in Bezug auf Polizei und Militär infrage.

Die Existenz von Milizen berührt neben dem Punkt der effektiven Regierungsgewalt auch einen weiteren Bereich, der von Nathan Brown, Amir Hamzawy und Marina Ottaway als Grauzone islamistischer Bewegungen im demokratischen Prozess112 identifiziert wurde – der Einsatz physischer und psychischer Gewalt beziehungsweise die Ablehnung dieses Einsatzes.113 Zwar weisen die Autoren in ihrem Aufsatz darauf hin, dass diese Bewegungen in der Vergangenheit in vielen Fällen selbst Opfer staatlicher Gewalt und Unterdrückung durch autoritäre Regime geworden sind, dennoch gebe es nach wie vor viele Beispiele islamistischer Parteien oder Bewegungen, die zum einen bewaffnete Flügel unterhielten und zum anderen Gewalt gegen politische Gegner nicht grundsätzlich ablehnten, stattdessen in ihrer Argumentation immer wieder Ausnahmen machten.114 Diese Vorgehensweise stellt aus Sicht der Autoren die Selbstverpflichtung der Parteien zur Arbeit allein durch politische Mittel infrage – von demokratischen Mitteln gar nicht erst zu sprechen.

Gemäßigte Parteien

Aber auch wenn eine islamisch orientierte Partei gemäßigt ist und keinen bewaffneten Flügel unterhält, sind Konflikte innerhalb der Partei denkbar, solange sie sowohl politische als auch missionarische Ziele verfolgt und damit der Einfluss religiöser Institutionen groß ist.115 Da die Arbeit mit politischen Partnern Kompromisse und pragmatische Entscheidungen erfordert, die Verfolgung religiöser Ziele hingegen eine klare Linie und das Beharren auf den religiösen Grundsätzen voraussetzt, entsteht hier die Gefahr „of pursuing two conflicting agendas simultaneously“.116 Als Reaktion darauf haben beispielsweise Parteien in Marokko und in Jordanien die Partei zu einer rein politischen Organisation gemacht und die religiösen Aktivitäten in eine andere Organisation ausgelagert.117 Trotz einer solchen Trennung kann der Einfluss religiöser Institutionen weiterhin groß sein. So besteht in vielen Ländern des arabischen Raums (zum Beispiel Ägypten oder Saudi-Arabien) ein Komplex islamischer Organisationen, Kleriker und Institutionen, der enge Verbindungen zur Regierung hat.118

Progressive Parteien

In der Analyse religiös orientierter Parteien muss zwingend betrachtet werden, inwieweit religiöse Bewegungen beziehungsweise kirchliche Einrichtungen oder Prediger Einfluss auf die Parteilinie haben, dennoch muss nicht von vorneherein davon ausgegangen werden, dass ein solcher Einfluss bei einer religiös orientierten Partei unvermeidbar ist. Nancy Rosenblum weist darauf hin, dass religiös orientierte Parteien mehr sein können als nur ein verlängerter Arm der Kirche:

„Parties do not simply reflect, adopt, or exploit an already existing religious political identity. Rather, religious-based political identity is formed by religious parties, which create partisans.“119

Es sei durchaus möglich, dass sich progressive Parteien und religiöse Institutionen in einen Wettbewerb „for the right to direct the political activity of religious followers, and […] for the time, energy, and money of members” begeben und die religiöse Partei zu einem legitimen Akteur im demokratischen System werde.120

Darüber hinaus lohnt sich in der Analyse einer Partei auch der genaue Blick auf die religiöse Institution, mit der die Partei verbunden ist oder von der sich die Partei distanziert, denn natürlich sind auch in diesen Institutionen die Lesarten des Islam und die politischen Überzeugungen, die daraus erwachsen, verschieden. Das liegt vor allem daran, dass es im Gegensatz etwa zur katholischen Kirche keine offizielle Kirchenstruktur gibt, keinen Papst als höchste religiöse Autorität121 und dass der Islam sich vor allem in der jüngeren Geschichte zu einer extrem ausdifferenzierten und fragmentierten Religion, was Institutionen und Autoritäten angeht, entwickelt hat.122 Im aus demokratietheoretischer Sicht unproblematischsten Fall interagieren Parteien mit religiösen Institutionen genauso wie etwa mit Gewerkschaften, sind aber in ihrem eigenen politischen Netzwerk ausreichend autonom, um einen übermäßigen Einfluss zu verhindern.123

Der Einfluss außerparteilicher Gruppen hat mit Blick auf religiöse Grundsätze viel mit der Einstellung zu Herrschaftslegitimität zu tun, die schon ausführlich in Kapitel 3.1 besprochen wurde. Hier sei nur noch einmal darauf verwiesen, dass ein übermäßiger Einfluss von religiösen Führern und Predigern besonders bei den radikalen Parteien zu erwarten ist, die die Legitimität von Herrschaft einzig bei Gott sehen und das Recht zur Auslegung seines Wortes bei wenigen Gelehrten und nicht bei den gewählten politischen Vertretern.124

3.4 Parteiziele

Politische Parteien geben sich nicht allein mit der Artikulation ihrer Interessen und Anliegen zufrieden, sie arbeiten für die Gestaltung des politischen Systems und der Zivilgesellschaft anhand ihrer Werte und Interessen, beziehungsweise der Werte und Interessen der von ihnen repräsentierten Wählergruppen.125 Dort, wo islamisch orientierte Parteien in Konflikt mit demokratischen Grundsätzen und Prozessen stehen (wie in den Kapitel 3.1 bis 3.3 skizziert) und sie auch daraufhin arbeiten, das System dementsprechend umzugestalten, bürgerliche Rechte, politische Partizipationsrechte oder die Wahlen der Repräsentanten abzuschaffen, berühren sie im Grunde alle Teilregime des Demokratie-Modells von Wolfgang Merkel. Das liegt vor allem daran, dass durch die interne Einbettung diese Teilregime eng miteinander verbunden sind, das eine Regime das andere bedingt und stützt, im Sinne einer oft fragilen Balance.126

Islamistische Parteien

Da Parteiziele auch bei religiös orientierten Parteien eine Rolle spielen, hat Luca Ozzano die Ziele zu einem Kriterium seiner Typologie gemacht. Aus demokratietheoretischer Sicht problematisch sind vor allem die Ziele des nationalistischen und des fundamentalistischen Parteityps. Eine nationalistisch ausgerichtete Partei, die sich durch den Glauben an die Überlegenheit der eigenen religiösen oder ethnischen Gruppe auszeichnet, wird sich erstens dafür einsetzen, dass Kontrolle über öffentliche Institutionen zu erhalten und die Rolle ihrer Religion beziehungsweise religiösen Auslegung in der Öffentlichkeit zu stärken. Zweitens hat die extrem kompetitive Ausrichtung gegenüber anderen ethno-religiösen Gruppierungen oft eine Destabilisierung des politischen Systems und der Zivilgesellschaft zur Folge.127 Der fundamentalistische Parteityp hat nach Ozzano nicht anderes im Sinn, als eine „total transformation of the political and legal systems according to a religious ideology“.128 Parteien mit einer solchen Zielsetzung können nicht als mit einem demokratischen System kompatibel betrachtet werden – wie auch, wenn sie es explizit zu ihrem Ziel machen, das demokratische System radikal umzubauen und Elemente wie freie Wahlen und Grundrechte für alle Bürger abzuschaffen.129

[...]


1 vgl. Ayari 2015: 136 f.

2 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit das generische Maskulinum verwendet. Damit sind aber stets sowohl die männliche als auch die weibliche Form gemeint.

3 Der Regionalbericht Naher Osten und Nordafrika des Bertelsmann Transformation Indexes nennt Tunesien als einzige positive Ausnahme der Region, auch wenn im Länderbericht Tunesien auf Schwächen des Landes vor allem bezüglich der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung und der andauernden Korruption hingewiesen wird. Vgl. Bertelsmann Transformation Index 2018a; Bertelsmann Transformation Index 2018b. Der Freedom House Report zu Tunesien kommt zu folgender Einschätzung: “Tunisia has transitioned to a functioning, if precarious, democracy in which citizens enjoy unprecedented political rights and civil liberties. Corruption, economic challenges, and security threats remain obstacles to full democratic consolidation.”(Freedom House 2017)

4 Abkürzung nach dem französischen „Mouvement de la tendance islamique“, vgl. McCarthy 2018: 371

5 vgl. McCarthy 2018: 372 f.

6 vgl. Ayari 2015: 137 ff.; Quamar 2015: 280 ff.

7 vgl. Middle East Monitor 2015

8 vgl. Amara 2018

9 vgl. Schuck 2007: 91

10 Benhenda 2011: 90

11 vgl. Decker 2016: 59 ff.

12 Ozzano (2013: 810) fasst darunter alle “political parties focusing significant sections of their manifestos on “religious values”, explicitly appealing to religious constituencies, and/or including significant religious factions”.

13 Schuck 2007: 81; Zu den verschiedenen Ausprägungen und Handlungsweisen islamistischer Gruppierungen siehe Schuck 2013.

14 vgl. Ghannouchi 2016: 58; 64

15 vgl. Kelle/Kluge 2010: 42 f.

16 vgl. Stepan 2012: 90

17 Mayring (2015: 50) weist daraufhin, dass bei einer Interpretation der Quellen immer auch der Kontext beziehungsweise Kommunikationszusammenhang miteinbezogen werden muss.

18 vgl. Kuckartz 2016: 30

19 Mayring 2015: 11

20 vgl. Mayring 2015: 11 f.

21 Lamnek/Krell 2016: 448

22 Mayring 2015: 51

23 Mayring 2015: 98

24 vgl. Mayring 2015: 68; Ramsenthaler 2013: 29

25 vgl. Mayring 2015: 97 ff.

26 Kuckartz 2016: 34

27 ebd.

28 Diese Unterkategorie wurde erst nach der Probekodierung aufgenommen.

29 Diese Unterkategorie wurde erst nach der Probekodierung aufgenommen.

30 vgl. Mayring 2015: 50

31 vgl. Kuckartz 2016: 71 f.

32 So wurde bei der ersten Kodierung des Textes „From Political Islam to Muslim Democracy“ von Rached Ghannouchi Aussagen über die Selbstbezeichnung der Partei und das Konzept Islamismus gefunden, die mit Blick auf die verschiedenen Ausrichtungen und das Selbstverständnis islamisch orientierter Parteien von Interesse sind. Diese Aussagen konnten keiner der vier Hauptkategorien zugeordnet werden und wurden daher einer Kategorie „Sonstiges“ zugeordnet.

33 vgl. Mayring 2015: 98

34 vgl. Ozzano/Cavatorta 2013: 800. Und dass, obwohl nicht die Religion an sich, sondern das religiöse Dogma das Problem ist. Auch das Christentum und das Judentum sind in einer dogmatischen Ausrichtung als illiberal und undemokratisch zu betrachten (vgl. Lee 2013: 15).

35 Rosenblum 2003: 24 f.

36 vgl. Tibi 2009: 154

37 vgl. Rosenblum 2003: 24 f.

38 vgl. Ozzano 2013: 809

39 vgl. Gunther/Diamond 2003: 182 f.

40 Ozzano wählt den Begriff „religiös orientierte Partei“, beziehungsweise im englischen Original „religiously oriented party“, bewusst. Den Begriff „religious party“ begreift er als zum Teil irreführend, „as there are only a few examples of parties that could unequivocally be identified as ‘religious’, and even they sometimes refuse to be labelled as such (sometimes out of strategic considerations to mark their independence from the religious institutions […] and sometimes, because of legal reasons due to the ban on explicitly religious parties).“ (2013: 810)

41 vgl. Ozzano 2013: 810 ff.

42 Ozzano unterscheidet fünf Idealtypen religiös orientierter Parteien: konservativ, progressiv, nationalistisch, fundamentalistisch und Camp (vgl. Ozzano 2013: 810 ff.).

43 Tibi 2009: 154

44 vgl. Ismail 2004: 147; 161 f.

45 Für einen sehr detaillierten Überblick über die verschiedenen islamischen Strömungen und ihre Auffassungen zu konkreten Fragestellungen siehe Benard 2003.

46 Merkel 2004: 7

47 Merkel 2004: 40 ff.

48 vgl. Dahl 2006: 9 ff.

49 Es ist durchaus möglich, für eine Analyse sehr grundlegende Modelle wie den Majoritarismus heranzuziehen (siehe Benhenda 2011: 91 ff.), aber daraus Schlüsse für ein zeitgenössisches demokratisches System zu ziehen, ist schwierig.

50 Diese Unterscheidung wurde für den Zweck der vorliegenden Arbeit vorgenommen. Sie deckt sich nicht zwangsläufig mit bereits bestehenden und in dieser Arbeit auch verwendeten Theorien, wie etwa der Typologie von Luca Ozzano. Dies liegt daran, dass es bislang noch keine Typologie gibt, die sich explizit nur mit islamisch orientierten Parteien beschäftigt.

51 vgl. Celikates/Gosepath 2013: 193 f.

52 vgl. Merkel 2007: 35 f.

53 vgl. ebd.

54 Dass jeder Bürger dieselbe Anzahl an Stimmen hat, setzt natürlich voraus, dass jeder Bürger Mitglied der politischen Gemeinschaft ist, in der die jeweiligen Wahlen abgehalten werden. Auf regionaler und lokaler Ebene kann diese politische Gemeinschaft anders definiert werden (beispielsweise abhängig vom Wohnsitz), dennoch bleibt der Grundsatz, dass jedes Mitglied der jeweiligen politischen Gemeinschaft bei einer Wahl in derselben dieselbe Anzahl an Stimmen hat.

55 vgl. Merkel 2007: 35 f.

56 Benhenda 2011: 99; Hervorhebung im Original

57 ebd.

58 vgl. Akbarzadeh 2011: 3

59 vgl. Sardarnie/Bahrampour 2017: 7 f.

60 Qutb 1964: 57 f.

61 vgl. ebd.; Brown et al. 2006: 8 f.

62 Der Begriff der Sharia wird meist nur im Sinne des Familien- und Erbrechts, des drakonischen Strafrechts und des Staatenrechts verwendet. Dabei umfasst der Begriff eigentlich das gesamte System der islamischen Normenlehre einschließlich der Methoden für deren Auffindung und Interpretation. Da die Methoden und die Überlieferungen zu dieser Normenlehre unterschiedlich sind, ist eine Interpretation durch den Menschen unumgänglich, dies relativiert die Auffassung, bei der Sharia handele es sich um gottgebenes unverhandelbares Recht. (vgl. Rohe 2013: 9 f.) Wenn in dieser Arbeit von der Sharia die Rede ist, ist – soweit nicht anders spezifiziert – der Begriff im Sinne eines drakonischen Rechte- und Strafenkatalogs, der Gottes Recht darstellen soll, gemeint.

63 vgl. Akbarzadeh 2011: 2

64 Tibi 2009: 155

65 vgl. Schuck 2013: 502

66 vgl. Sardarnia/Bahrampour 2017: 2 ff.; Ismail 2004: 153 f.

67 Sardarnia/Bahrampour 2017: 4

68 vgl. Mandaville 2014: 35

69 Sardarnia/Bahrampour 2017: 4

70 vgl. Mandaville 2014: 35

71 Gülen 2001: 134

72 vgl. Gülen 2001: 135

73 Gülen 2001: 136

74 Ismail 2004: 135

75 vgl. Ismail 2004: 149

76 vgl. Hefner 2005: 23

77 Krämer 2011: 133

78 vgl. Barakat 2001: 115 f.

79 ebd.

80 Merkel 2007: 36

81 vgl. ebd.

82 Merkel 2007: 37

83 vgl. ebd.

84 vgl. Brown et al 2006: 14; Röhrich 2015: 4

85 Vgl. Qutb 1964: 53 ff.

86 So mussten diese Menschen, Dhimmies genannt, Kleidung tragen, die sie eindeutig als Zugehörige zur Gruppe der Schutzbefohlenen identifizierte und ihren untergeordneten Status manifestierte. Der Schutz der Gemeinschaft hielt außerdem in Zeiten sozialer Unruhe nur begrenzt, denn dann wurden sie gern zu Sündenböcken gemacht (vgl. van der Kogt 2013: 30 f.).

87 Ismail 2004: 160

88 Ismail 2004: 158; vgl. auch Brown et al. 2006: 15 f.

89 vgl. Ismail 2004: 159

90 Tamimi 2007: 52

91 Brown et al. 2006: 13

92 Ozzano/Cavatorta 2013: 801

93 Unniversity of Minnesota 1993

94 Unniversity of Minnesota 1993

95 ebd.

96 vgl. Benard 2003: 17 f.

97 Schon die Dhimmies, die Schutzbefohlenen in einer muslimischen Gemeinschaft, von denen bereits zu Beginn dieses Kapitels die Rede war, verwirkten ihre wenigen Rechte und ihren Schutzstatus, sobald sie sich etwa gegen die Gültigkeit und Wertigkeit des Islam aussprachen (vgl. van der Kogt 2013: 31).

98 vgl. Kolig 2013: 63 f.

99 vgl. Kolig 2013: 69

100 Kolig 2013: 70

101 Gülen 2001: 134

102 vgl. Ozzano 2013: 811 ff.

103 Ozzano 2013: 813

104 Ozzano 2013: 815

105 vgl. Ozzano 2013: 814

106 vgl. Merkel 2007: 39

107 vgl. ebd.

108 vgl. Ozzano 2013: 816

109 vgl. Ozzano 2013: 815

110 vgl. ebd.

111 vgl. Tibi 2009: 139

112 Die Autoren verpassen es in ihrem Aufsatz zwar, deutlich zu machen, dass eine Kompatibilität von islamistischen Gruppierungen und demokratischen Systemen aufgrund nicht verhandelbarer Vorstellung von Herrschaftslegitimität grundsätzlich nicht denkbar ist. Dennoch sind die angesprochenen Grauzonen für diese Arbeit interessante Ansatzpunkte, wenn sie nicht allein auf islamistische, sondern auf alle islamisch orientierten Parteien bezogen werden.

113 vgl. Brown et al. 2006: 10

114 vgl. Brown et al. 2006: 10 ff.

115 vgl. Brown et al. 2006: 7

116 ebd.

117 vgl. ebd.

118 vgl. Brown et al. 2006: 5

119 Rosenblum 2003: 36

120 Rosenblum 2003: 32; 37

121 vgl. Mandaville 2014: 305; van der Krogt 2014: 26

122 vgl. Hashemi 2009: 61

123 vgl. Ozzano 2013: 813

124 vgl. Brown et al. 2006: 9

125 vgl. Decker 2018: 3 f.

126 vgl. Merkel 2007: 40

127 vgl. Ozzano 2013: 816 f.

128 Ozzano 2013: 812

129 vgl. Tibi 2009: 137

Final del extracto de 148 páginas

Detalles

Título
Sind islamische Parteien und demokratische Systeme kompatibel? Die Ennahda-Partei im Demokratisierungsprozess Tunesiens
Universidad
University of Dortmund  (Institut für Philosophie und Politikwissenschaft)
Calificación
1,0
Autor
Año
2018
Páginas
148
No. de catálogo
V460906
ISBN (Ebook)
9783668899520
ISBN (Libro)
9783668899537
Idioma
Alemán
Palabras clave
Islam, Ennahda, Tunesien, Demokratie, Kompatibilität, Islamismus, Demokratietheorie
Citar trabajo
Lisa Klems (Autor), 2018, Sind islamische Parteien und demokratische Systeme kompatibel? Die Ennahda-Partei im Demokratisierungsprozess Tunesiens, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/460906

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