Lernen in einer jahrgangsübergreifenden Klasse

Zur Nutzung von Heterogenität als Lernressource


Hausarbeit, 2017

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhalt

1. Einleitung

2. Heterogenität und dessen Dimensionen

3. Das jahrgangsübergreifende Lernen
3.1 Entwicklung
3.2. Ausgewählte Konzepte des Jahrgangsübergreifenden Lernens

4. Argumentation
4.1. Argumente für einen jahrgangsübergreifenden Unterricht
4.2. Kritik am jahrgangsübergreifendem Lernen

5. Wie kann man die Heterogenität als Lernressource nutzen?

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Lisa ist zu groß, Anna zu klein, Emil zu dünn, Fritz zu verschlossen, Flota ist zu offen, Emilie ist zu schön, Erwin ist zu hässlich, Paul ist zu dumm, Sabine ist zu clever, Traudel ist zu alt, Theo ist zu jung.

Jeder ist irgendetwas zu viel. Jeder ist irgendetwas zu wenig. Jeder ist irgendwie nicht normal.

Ist hier jemand, der ganz normal ist? Nein, hier ist niemand, der ganz normal ist. Das ist normal.“

-Zitat von Hermann-Josef Kuckartz-

Dieses Zitat von Hermann-Josef Kuckartz beschreibt den Alltag an Schulen sehr gut. Es stellt die Herausforderung dar, mit dem jeder Lehrer heutzutage umgehen muss. Die Schulklassen sind genauso wie unsere Gesellschaft durch eine große Vielfalt geprägt.

Doch nun soll mit Hilfe von jahrgangsübergreifenden Klassen diese Vielfalt durch sehr prägnante Unterschiede erweitert werden – dem Alter und der Jahrgangsstufe. Vor allem in der Grundschule wird die Jahrgangsmischung seit einigen Jahren eingesetzt. Hier findet man sie am häufigsten in der Schuleingangsphase (Kuhl u.a.2013, 299).

Als angehende Lehrkraft ist es in unserem Interesse zu wissen, wie man mit der Herausforderung, in jahrgangsübergreifenden Klassen zu unterrichten, umgeht. Denn für viele Lehrer*innen ist genau das die große Herausforderung, welche für viele eine oftmals unüberwindbare Schwierigkeit zu sein scheint (vgl. Hörmann 2012, 1).

Daher beschäftigt sich diese Arbeit im Folgendem mit dem jahrgangsübergreifenden Unterricht und wie in diesem, mit der sogenannten Heterogenität, umgegangen bzw. wie die bestehende Vielfalt als Lernressource genutzt werden kann.

Um dieses Ziel der Arbeit zu erreichen, wird zunächst auf den Begriff der Heterogenität und auf dessen möglichen Dimensionen eingegangen. Es folgt eine kurze Begriffserklärung des jahrgangsübergreifenden Lernens und einen kurzen historischen Abriss über dessen Entwicklung. Danach folgt ein Überblick über zwei mögliche Modelle, die „flexible Schulanfangsphase“ und das „Jahrgangsübergreifende Lernen“, zu diesem modernen Unterrichtskonzept. Darauf aufbauend folgen sowohl negative als auch positive Aspekte des jahrgangsübergreifenden Lernens, um schlussendlich die Frage zu beantworten, wie man diese Vielfalt als Lernressource nutzbar machen könnte.

2. Heterogenität und dessen Dimensionen

Die Definition für Heterogenität im Duden lautet: „Ungleichartigkeit“ oder „Uneinheitlichkeit im Aufbau [bzw. der] Zusammensetzung“. Heterogenität in der Schule bezieht sich somit auf die Ungleichheit der Kinder. Doch man darf nicht den Fehler begehen, diese Unterschiede nur auf das Alter in einer jahrgangsübergreifen Klasse zu beziehen. Hinter dieser Heterogenität verbirgt sich ein ungeheurer Facettenreichtum (vgl. Hörmann 2013, 2).

Mit Hilfe der fünf Heterogenitätsdimensionen (vgl. Heinzel/Prengel 2002) lässt sich dieser gut darlegen.

Die erste wichtige Dimension ist der sozioökonomische Status. Hier geht es um das Einkommen und die beruflichen Positionen der Familien der Kinder. Denn auch der der ökonomische Status hat große Auswirkungen auf die Bildungschancen der Kinder, denn je niedriger dieser ist, desto eingeschränkter ist ihr Schulerfolg (vgl. Heinzel 2008, 133).

Des Weiteren spielt die Ethnizität und die Kultur eine wichtige Rolle. Denn obwohl Deutschland ein multikulturelles Land ist, sind die Bildungsnachteile bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern oft dramatisch.

Auch das zurzeit stark diskutierte Thema Gender gehört zu den Heterogenitätsdimensionen. Die Geschlechterdifferenz bei Grundschulschülern zeigt sich meist anhand von unterschiedlichen Interessen, Lernmotiven oder Schulleistungen.

Eine der wichtigsten Dimensionen ist die des Leistungsvermögens. Hier spielen die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen eine zentrale Rolle. Dazu gehören Fähigkeiten, Behinderungen und Begabungen der Kinder. Ursachen für die teils sehr großen Unterschiede zwischen den Kindern liegen zum einen an der Arbeit im den Kindergärten bzw. ob dieser überhaupt besucht wurde. Und zum anderen an den individuellen Lern- und Denkstrategien, den Lernbiografien und an dem Anregungspotenzial der Kinder (vgl. Heinzel 2008, 134).

Die letzte, und auch am häufigsten mit dem Thema assoziierte Dimension, ist die der Generation. Hier wird unterschieden zwischen der vermittelnden und aneignenden Generation und nimmt somit Bezug auf die Lehrer und Schüler. Hier spricht man auch noch von „normalen“, homogenen Klassen, in welcher das Aufsteigen in die nächst höhere Klasse und das Erwachsenwerden als Ziele gelten.

Die nun aktuellen Tendenzen zu jahrgangsgemischten Klassen und somit Altersunterschieden innerhalb einer Klasse gehören ebenfalls zu der zuletzt genannten Dimension.

Der Begriff Heterogenität in der Schule umfasst also ebenso die unterschiedlichen Geschlechter, die individuellen (ökonomischen) Lebensvoraussetzungen, die sprachliche und kulturelle Vielfalt und die daraus resultierenden Motivationen und Lern- und Leistungsvoraussetzungen der Kinder. Und so individuell, wie Kinder sind, so differenziert sollte man den Unterricht auch gestalten.

Ein Modell, um die Heterogenität besser zu nutzen, ist das des jahrgangsübergreifenden Lernens, welches nachstehend näher erläutert wird.

3. Das jahrgangsübergreifende Lernen

Jahrgangsübergreifendes Lernen - kurz JüL genannt – hat sich in den vergangenen Jahren als Erfolgsmodell schulischer Heterogenität bewiesen. Wie der Name bereits verrät, handelt es sich hierbei um Klassen, in denen mindestens zwei unterschiedliche Jahrgangstufen vertreten sind. Zu den Hauptzielen des jahrgangsübergreifenden Lernens gehören sowohl die Förderung, als auch die Forderung von leistungsstarken und leistungsschwächeren Schüler*innen durch individuelle Differenzierung. Des Weiteren sollen die Stärken der Schüler*innen in einer integrativen und heterogenen Arbeitsgruppe gestärkt werden (vgl. Wagener 2014, 26ff).

3.1 Entwicklung

Pädagogische Gründe für das Einrichten von jahrgangsgemischten Klassen anstelle von Jahrgangsklassen bildeten schon reformpädagogische Konzepte von Maria Montessori und Peter Petersen Anfang des 19. Jahrhunderts. Der Kern ihrer Argumentation bestand darin, dass die noch größere Heterogenität in der Klasse, sowohl aus kognitiver als auch sozial-emotionaler Sicht, gezielt für die Lern- und Entwicklungsprozesse der Schüler*innen genutzt werden könnten (vgl. Veenman 1995 zit. nach Kuhl 2013, 302). Demnach ergibt sich aus unterschiedlichen Niveaus innerhalb einer Klasse eine starke Differenzierung und Individualisierung zu Gunsten der Schüler.

Weitere Grundgedanken dieser Reformpädagogen zielten schon damals auf eine Unterrichtsgestaltung zur Förderung des selbstständigen Arbeitens, aber auch des gemeinschaftlichen Zusammenlebens. (vgl. Werner 2005, 19).

Zu Beginn der 1990er Jahre begann die Einführung des jahrgangsübergreifenden Lernens in Berlin, um einheitliche Schulanfangsphasen einzurichten. Unter Vorbild der Montessori-Pädagogik und dem Jenaplan-Schulmodell (Untergruppe: Klasse 1-3, Mittelgruppe: Klasse 4-6) gewann das Konzept JüL zunehmend an Teilnehmern. In Berlin wurde im Schuljahr 2008/2009 für alle Grundschulen die Jahrgangsmischung der Klasse Eins und Zwei zunächst sogar verpflichtend eingeführt. Im Schuljahr 2011/2012 wurde dieses Vorhaben jedoch aus bildungspolitischen- und administrativen Gründen wiedereingestellt (Kuhl u.a. 2013, 307f).

Folglich kann daher festgehalten werden, dass jahrgangsübergreifendes Lernen zu weiten Teilen auf reformpädagogische Traditionen zurückgreift und im Laufe der Zeit stetig an Beliebtheit gewann. Demnach lassen sich in ganz Deutschland unterschiedliche Konzepte und Vorgehensweisen auf der Grundlage jahrgangsübergreifenden Lernens erkennen.

3.2. Ausgewählte Konzepte des Jahrgangsübergreifenden Lernens

Die meisten Konzepte sind in der Schuleingangsphase zu finden. Grund für die Auflösung der klassischen Konzepte in den neuen Bundesländern sind die schlechten Ergebnisse der PISA-Studie. Das am weitesten verbreitete Modell ist das der „flexiblen Schulanfangsphase“, kurz geschrieben SaPh. In einer SaPh-Klasse findet der Unterricht mit Schüler*innen der Jahrgangsstufe Eins und Zwei statt. Bei diesem Konzept werden alle Kinder im schulfähigen Alter, unabhängig davon, ob sie die Schulfähigkeit erreicht haben, eingeschult.

Im Regelfall durchlaufen die Schüler*innen die ersten zwei Jahrgangsstufen auch in zwei Jahren. Für die schneller und langsamer lernenden Kinder sowie für Kinder mit drohenden oder bestehenden Förderbedarf, gibt es jedoch die Möglichkeit, die Schulanfangsphase in einem oder drei Jahren zu durchlaufen (vgl. Liebers 2008, 168). Erreichen die Schüler*innen die sozialen und fachlichen Kompetenzen des regulären zweiten Schuljahres, so gehen diese im anschließenden Schuljahr in die dritte Jahrgangsklasse und verlassen somit die Schulanfangsphase.

Die Plätze, die durch die aufrückenden Kinder innerhalb der Klasse geschaffen werden, werden nun von neuen Schulanfängern besetzt. Die SaPh-Klassen sind somit vom ständigen Auf- und Nachrücken von Schüler*innen geprägt und es entsteht eine sich jährlich ändernde Klassenkonstellation.

Außerdem ist zu erwähnen, dass der Unterricht durch individuelle Arbeitszeit geprägt ist und es somit für (fast) alle Kinder eine Differenzierung gibt. Freiarbeit und Wochenpläne sind wichtige Grundideen des Unterrichts in einer SaPh-Klasse.

Das Konzept einer JüL-Klasse stimmt in den wesentlichen Merkmalen mit der einer flexiblen Schuleingangsphase überein.

Der Begriff JüL, also jahrgangsübergreifendes Lernen, ist allgemeiner gehalten. Hier spricht man nicht nur von Klassen der Schuleingangsphasen, auch höhere Jahrgangsstufen werden hier zu einer Klasse zusammengefasst. Wichtig ist auch zu sagen, dass in diesem Konzept der jahrgangsgemischte Unterricht unter Einbezug weiterer Jahrgangsstufen stattfinden kann. Hinter einer JüL-Klasse verbirgt sich also oft eine Klasse mit Schülern aus drei unterschiedlichen Schuljahren. Die Klasse kann somit aus den Klassenstufen eins bis drei oder auch vier bis sechs bestehen. Die Schüler*innen treten auch hier nach Erreichen der benötigten Kompetenzen der nächst höheren JüL-Klasse bei oder wechseln gegebenenfalls auf eine Oberschule. Die beiden Konzepte des jahrgangsübergreifenden Lernens unterscheiden sich somit lediglich in der Dauer und der jeweiligen Stärke der Heterogenität innerhalb der Klassen.

4. Argumentation

4.1. Argumente für einen jahrgangsübergreifenden Unterricht

Ziel des jahrgangsübergreifenden Unterrichts ist es, Kindern ein selbstbestimmtes Lernen zu ermöglichen. Dabei soll auf das subjektive Leistungsvermögen und ihre individuellen Interessen eingegangen werden. Wichtig ist es hierbei, die Schwächen und Stärken der Kinder individuell zu betrachten.

Seitens der einzelnen Schüler*innen bedingt es das selbstständige Arbeiten. Jedoch ist anzumerken, dass in diesem Konzept nicht der Erwerb von wissenschaftlichen Kompetenzen im Vordergrund steht, sondern der Erwerb sozialer Kompetenzen und sozialer Lernprozesse.

Betrachtet man die Vorteile für den jahrgangsübergreifenden Unterricht in der Literatur, so fällt auf, dass man diese oft in zwei Kategorien einteilen kann. Zum einen die überfachlichen Kompetenzen und zum anderen die fachlich-inhaltlichen Kompetenzen. Einige Argumente können jedoch beiden Kategorien zugeordnet werden bzw. bedingen sich.

Zu den Argumenten, die einen positiven Einfluss auf den Erwerb von überfachlichen Kompetenzen nehmen, gehören beispielsweise die bestehenden Werte, Normen und Rituale der Klassengemeinschaften. Diese haben eine hohe Verbindlichkeit, vor allem wenn sie von älteren Schülern eingefordert und vorgelebt werden (vgl. Sengelhoff 2005, 28). Außerdem ermöglicht es Schüler*innen im ersten Schuljahr, den Übergang von der vorschulischen Betreuung in die Schule zu erleichtern (vgl. Kuhl u.a. 2013, 302).

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Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Lernen in einer jahrgangsübergreifenden Klasse
Untertitel
Zur Nutzung von Heterogenität als Lernressource
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
13
Katalognummer
V461698
ISBN (eBook)
9783668913165
ISBN (Buch)
9783668913172
Sprache
Deutsch
Schlagworte
lernen, klasse, nutzung, heterogenität, lernressource
Arbeit zitieren
Pauline Neumann (Autor:in), 2017, Lernen in einer jahrgangsübergreifenden Klasse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/461698

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