In dieser Arbeit soll der Status der Juden im umayyadischen Kalifat in ebenjener Periode untersucht und beurteilt werden. Dazu wird zuerst ein kurzer historischer Überblick über al- Andalus gegeben und die Situation am muslimischen Hof in Cordoba im 10. Jahrhundert beleuchtet. Anschließend werde ich anhand der Person des Ḥasdāy ibn Shaprūṭ innerhalb eines Quellenkommentars über den Brief von seiner Korrespondenz mit dem Khazaren- König, die Beziehung zwischen der Position des Herrschers und diesem andersgläubigen Dienendem, aufzeigen. Außerdem gilt es zu erforschen, welche Aufgaben einem der „dhimmīs“ in einer so herausragenden Stellung zukamen und, ob man in diesem Abschnitt des Mittelalters von dem weitgefassten Begriff „Toleranz“ sprechen kann und was man unter Toleranz in al-Andalus gegenüber einem Juden verstehen kann.
Diese Arbeit stützt sich auf die geschichtswissenschaftlichen Publikationen von Ashtor, Borgolte, Fierro, Menocal, Safran u.v.m und einem Faksimile des Briefes, welches ich nach langer Suche auf der Webseite der Christ Church Oxford Library finden konnte. Eine Übersetzung des hebräischen Dokuments ins Englische findet man in Jacob Rader Marcus Quellenbuch, wobei dies nur ein Auszug des kompletten Briefes ist. Für meine inhaltliche Erschließung habe ich die englische Übersetzung des vollständigen Briefes aus „Miscellany of Hebrew Literature“ verwendet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Historischer Einschnitt
3. Status von Juden im Kalifat
4. Quellenkundlicher Kommentar
4.1. Ḥasdāy ibn Shaprūṭ
4.2. Korrespondenz mit dem Khazarenreich
4.3. Inhalt
4.4. Interpretation in Bezug auf Toleranz
4.5. Pluralismus
5. Fazit
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
6.1 Primärquellen
6.2 Sekundärliteratur
1. Einleitung
Das Judentum, das Christentum und der Islam gehören heutzutage zu den wichtigsten und anhängerreichsten Religionen der Welt, doch ein konfliktfreies Nebeneinander in der Weltgeschichte gab es kaum. Über die Jahrhunderte kam es zu vielen blutigen Auseinandersetzungen und teilweise sogar großen Kriegen zwischen den Anhängern dieser drei Religionen. Ein friedliches Zusammenleben zwischen den abrahamitischen Religionen spielte sich nur selten ab. Doch soll es unter der muslimischen Herrschaft auf der mittelalterlichen Iberischen Halbinsel einen Zeitabschnitt gegeben haben, in welchem Juden, Christen und Muslime nachbarschaftlich gelebt haben sollen, ohne sich zu bekriegen. Aufgrund der jüdischen Diaspora in der Antike und der christlich-westgotischen Eroberung im 6. Jahrhundert arrangierten Juden und Christen im Westgotischen Reich, welches einen Großteil der iberischen Halbinsel umfasste, ein Zusammenleben unter der Herrschaft des Kreuzes, oft zum Nachteil der jüdischen Bevölkerung.
Auf die arabische Invasion 711 ist zurückzuführen, dass das mittelalterliche, katholische Spanien unter muslimische Herrschaft geriet. Folglich musste ein Arrangement zwischen den drei religiösen Gruppen, welche sich sowohl ethnisch als auch sprachlich unterschieden, gefunden werden. Der Begriff „Convivencia“, auf Spanisch „das Zusammenleben“, bezeichnet die Koexistenz von Juden, Christen und Muslimen in al-Andalus. Unter der Regierungszeit des umayyadischen Kalifen ʿAbd al-Raḥmān III. kann man den Höhepunkt des Zeitalters der Toleranz sehen.
In dieser Arbeit soll der Status der Juden im umayyadischen Kalifat in ebenjener Periode untersucht und beurteilt werden. Dazu wird zuerst ein kurzer historischer Überblick über al- Andalus gegeben und die Situation am muslimischen Hof in Cordoba im 10. Jahrhundert beleuchtet. Anschließend werde ich anhand der Person des Ḥasdāy ibn Shaprūṭ innerhalb eines Quellenkommentars über den Brief von seiner Korrespondenz mit dem Khazaren- König, die Beziehung zwischen der Position des Herrschers und diesem andersgläubigen Dienendem, aufzeigen. Außerdem gilt es zu erforschen, welche Aufgaben einem der „dhimmīs“1 in einer so herausragenden Stellung zukamen und, ob man in diesem Abschnitt des Mittelalters von dem weitgefassten Begriff „Toleranz“2 sprechen kann und was man unter Toleranz in al-Andalus gegenüber einem Juden verstehen kann.
Diese Arbeit stützt sich auf die geschichtswissenschaftlichen Publikationen von Ashtor, Borgolte, Fierro, Menocal, Safran u.v.m und einem Faksimile des Briefes, welches ich nach langer Suche auf der Webseite der Christ Church Oxford Library finden konnte. Eine Übersetzung des hebräischen Dokuments ins Englische findet man in Jacob Rader Marcus Quellenbuch3, wobei dies nur ein Auszug des kompletten Briefes ist. Für meine inhaltliche Erschließung habe ich die englische Übersetzung des vollständigen Briefes aus „Miscellany of Hebrew Literature“ verwendet.
2. Historischer Einschnitt
Nach der Invasion der arabischen und berberischen Truppen 711 auf der Iberischen Halbinsel unterlag nach einigen Jahren das Westgotische Reich und al-Andalus trat als Provinz von Ifriqua4 unter die muslimische Herrschaft des umayyadischen Kalifats von Damaskus. Viele der einmarschierten Berber und Muslime ließen sich auf der Halbinsel nieder. Anfangs wurden zur Administration Statthalter aus dem Damaszener Kalifat eingesetzt. Um den Unruhen entgegenzuwirken, leitete der erste muslimische Statthalter einen vertraglichen Befriedungsprozess mit der Bevölkerung ein, um ein friedliches Zusammenleben zwischen Christen, Juden und Muslimen zu gewährleisten.5
Im Jahr 750 kam es zu einem Machtwechsel im Kalifat und die Abbasiden löschten die umayyadische Familie beinahe vollständig aus. Nur ʿAbd al-Raḥmān I. konnte sich auf die Iberische Halbinsel flüchten. Dort angekommen, errichtete dieser im Jahr 756 das Emirat von al-Andalus, welches unabhängig vom abbasidischen Kalifat von Bagdad6 war, woraufhin viele Umayyaden-Ergebene in das neu gegründete Reich immigrierten. ʿAbd al-Raḥmān I. hatte mit einigen Widerständen und Unruhen zu kämpfen, aber errichtete dennoch im Emirat eine souveräne Regierung und Verwaltung.7
Die nachfolgenden Herrscher aus seiner Linie hatten es sowohl mit vielen Spannungen innerhalb des Reiches, meist aus Reihen der Berber, zu tun, als auch mit dem sich im Norden formierenden christlichen Widerstand, welcher sich in mehreren kleinen Reichen bemerkbar machte.
In der frühen Mitte des 9. Jahrhunderts unterhielt ʿAbd al-Raḥmān II. die ersten diplomatischen Außenbeziehungen unter anderem mit Byzanz. Während seiner Herrschaft kam es zu Problemen mit einigen christlichen Märtyrern, die sogenannten „Märtyrer von Cordoba“.8 In der Phase nach dem Tod von ʿAbd al-Raḥmān II., bis Anfang des zehnten Jahrhunderts, kam es zu einigen Intrigen innerhalb der Herrscherfamilie. So entstanden im Reich mehrere kleine annähernd autonome Provinzen und die Unruhen im Emirat nahmen überhand.9
912 gelangte ʿAbd al-Raḥmān III. an die Herrschaft des Emirats, welcher eine Erziehung genossen hatte, die genau auf den Zweck abgezielt hatte, dieses Reich erfolgreich zu regieren. ʿAbd al-Raḥmān III. war der achte Emir aus der Familie der Umayyaden auf der Iberischen Halbinsel. Er beendete zu Beginn seiner Herrschaft die inneren, meist politischen oder ethnischen Konflikte und stabilisierte die Grenzen zu den christlichen Reichen im Norden.10 Als er das Land großteils befriedet hatte, ließ er 929 das Kalifat von Cordoba ausrufen und machte sich damit religiös unabhängig vom abbasidischen Kalifat in Bagdad. Somit galt ʿAbd al-Raḥmān III. als Führer der Gläubigen und Stellvertreter des Gesandten Gottes.11 Nun konnte er selbständig Diplomatie führen und war in der Lage eigene Goldmünzen prägen zu lassen.12
Schon zuvor sagten sich die Fatimiden im Jahr 910 von Bagdad los und riefen das Kalifat von Nordafrika aus. Es kam in der Geschichte des Mittelalters aber nur zu einigen wenigen Reibereien aufgrund der unterschiedlichen Glaubenslehre zwischen den zwei Reichen der Kalifen.
Auf der Iberischen Halbinsel festigte ʿAbd al-Raḥmān III. in seiner Regierungszeit das Kalifat politisch und administrativ durch das Einsetzen von berberischen und arabischen Klienten in hohe Ämter, aber auch in der Glaubenslehre ließ er im muslimischen Glauben nicht nur die malikitische Lehre, sondern auch andere Lehren der Rechtsschulen zu.13 Dies zeigt, dass er einen gewissen Pluralismus nutzte, um eine Machtpolarisierung einer Partei vorzubeugen, was der Bevölkerung zusätzlich ein Gefühl der Freiheit und Selbstständigkeit verschaffte.14. Diplomatische Kontakte wurden nicht nur mit den zwei anderen Kalifaten gepflegt, sondern auch mit den kleinen christlichen Königreichen im Norden und ebenfalls mit dem Byzantinischen, dem Ottonischen sowie mit dem Reich in Italien geknüpft. Sowohl politischer als auch intellektueller Austausch fand auf diesem Wege zwischen den Reichen statt, wodurch das wichtigste medizinische Dokument des Dioscorides von Byzanz nach al- Andalus gelangte, welches durch eine Gruppe von Gelehrten übersetzt wurde, in der unter anderem ebenfalls ein Jude mit agierte.15
Auch nach einer schmähhaften Botschaft des Ottonischen Hofes als Antwort auf ein Missverständnis, war es diesem Juden zu verdanken, dass es nicht zu einer Eskalation gekommen ist.16 Bei ebenjenem Juden, welcher nicht nur versuchte, diplomatischen Kontakt auf eigene Faust mit dem Khazarenreich zu knüpfen, sondern auch noch viele andere herausragende Dinge vollbracht hatte, handelt es sich um Ḥasdāy ibn Shaprūṭ.17
Um speziell auf diese Person eingehen zu können, wird nun vorerst die allgemeine Situation der Juden im Kalifat beleuchtet.
3. Status von Juden im Kalifat
Bereits vor der islamischen Invasion existierte neben der gotischen und der ursprünglichen Bevölkerungsgruppe18 eine jüdische Minderheit auf der iberischen Halbinsel. Diese ist vermutlich in der Zeit nach der Eroberung von Judäa und der Vertreibung der Juden durch den römischen Feldherrn Titus um das Jahr 70 nach Christus auf die Iberische Halbinsel gelangt. Da Juden in der Zeit des katholisch-westgotischen Reich in Folge der Konzile von Toledo stark unterdrückt und oft zur Konversion gezwungen wurden, unterstützten die jüdischen Gemeinden den Einmarsch der berberisch-arabischen Truppen.19 Im Gegensatz zur gotischen Zeit konnten die Juden unter der muslimischen Herrschaft beinahe frei ihre Religion ausüben, gebunden an die vertraglichen Regelungen und die Kopfsteuer, wie beispielsweise im „Vertrag von Tudmīr“20 festgehalten wurde, was eine deutliche Verbesserung für die Juden gewesen ist.21 So zog es viele Juden aus den Ländern um den Mittelmeerraum und aus Europa nach Spanien und es bildeten sich um die Synagogen in den Städten „juderías“, abgegrenzte jüdische Wohnviertel.22 Wie viele jüdische Gemeinden es gab und wie groß der Bevölkerungsanteil der Juden tatsächlich war, ist aufgrund der fehlenden Quellenlage schlecht nachvollziehbar. Fest steht, dass es in manchen Städten ein nicht unbeachtlicher Anteil gewesen sein muss, so gibt es heute noch in Sevilla, Cordoba, Toledo, Segovia und vielen anderen alten spanischen Städten „juderías“, die teilweise einen großen Bereich meist in der Nähe der Stadtmauer der Altstadt ausmachen.23 Die jüdischen Gemeinden wählten ihre Administration selbständig aus ihren eigenen Reihen und dieser religiöse Führer und Verantwortliche war auch die Kontaktstelle zwischen den Juden und der umayyadischen Regierung. Durch die Immigration aus dem Mittelmeerraum auf die „einladende“ Iberische Halbinsel und das bestehende Netzwerk zwischen den jüdischen Gemeinden waren viele Juden nicht nur im lateinischen Dialekt und dem Arabischen, welche beide in al-Andalus gesprochen wurden, sondern ebenfalls in ihrer Muttersprache Hebräisch und anderen Sprachen bewandert.24 Dadurch waren Juden eher in intellektuellen, finanziellen und teilweise auch in handwerklichen Berufsfeldern aktiv, wie zum Beispiel als Gold- und Silberschmiede.25 Zum finanziellen Bereich gehört auf der einen Seite das Handeln mit Wertgegenständen, auf der anderen Seite waren jüdische Sklavenhändler ebenfalls keine Seltenheit.26
[...]
1 „dhimmīs“ sind die Schutzbefohlenen (Christen und Juden), „people of the book“, siehe hierzu Menocal, Maria Rosa: The Ornament of the World. How Muslim, Jews, and Christians created a culture of tolerance in medieval Spain, Boston; London; New York: Little, Brown and Company, 2002, S.29f.
2 vgl. o. A.: „Toleranz“, in: Brockhaus Enzyklopädie 27 (200621), S. 528.
3 "THE LETTER OF RABBI HASDAI, SON OF ISAAC IBN SHAPRUT, TO THE KING OF THE KHAZARS, about 960", in: Marcus: Jacob R. (Hrsg.): The Jew in the Medieval World. A Source Book. 315- 1791, Westport: Greenwood Press: 1975, S. 227-228.
4 "Ifriqiya" oder "al-Maghrib" wird von arabischen Geschichtsschreibern das Gebiet des Islams im Norden von Afrika genannt, vgl. hierzu Borgolte, Michael: Christen, Juden, Muselmanen. Die Erben der Antike und der Aufstieg des Abendlandes 300 bis 1400 n. Chr., München: Siedler Verlag, 2006, S. 255.
5 Unter anderem die „dhimma“ und der Vertrag von Tudmīr, vgl. hierzu Vones, L.: „Tudmīr“, in: Lexikon des Mittelalters 8 (2003), Sp. 1083. und Borgolte: Christen, Juden, Muselmanen, S. 257.
6 Die Hauptstadt und der Sitz des Kalifen wurden im Zuge des Machtwechsels von Damaskus nach Bagdad verlegt.
7 Safran, Janina M.: Defining Boundaries in Al-Andalus. Muslims, Christians, and Jews in Islamic Iberia, Ithaca; London: Cornell University Press, 2013, S. 40-43.
8 Vgl. Díaz y Díaz, Manuel Cecilio: „Córdoba, Märtyrer v.“, in: Lexikon des Mittelalters 3 (2003), Sp. 235. und Borgolte, Michael: Christen, Juden, Muselmanen, S. 263f.
9 Vgl. Fierro, Maribel: Abd al-Rahman III. The First Cordoban Caliph, Oxford: Oneworld Publications, 2005, S. 30-37.
10 Vgl. ebd., S. 43-52.
11 Vgl. ebd., S. 53.
12 Zuvor, im Emirat, war es dem Emir nur möglich Silbermünzen prägen lassen, vgl. ebd., S. 59.
13 Vgl. ebd., S. 128-131. und Safran: Defining Boundaries in Al-Andalus, S. 70f.
14 Vgl. Fierro: Abd al-Rahman III, S. 130.
15 Vgl. Fierro: Abd al-Rahman III, S. 71-73.
16 Vgl. Walther, Helmut G.: Der gescheiterte Dialog: Das Ottonische Reich und der Islam, in: Zimmermann, Albert (Hrsg.): Miscellanea Mediaevalia. Orientalische Kultur und Europäisches Mittelalter, Berlin; New York: Walter de Gruyter, 1985, S. 42.
17 Vgl. Fierro: Abd al-Rahman III, S. 102f.
18 Die Iberische Halbinsel war mehrere Jahrhunderte nach den großen Kriegen mit den Karthagern eine römische Provinz, außerdem gab es in der frühen Antike ebenfalls einige griechische Poleis im Norden des heutigen Spaniens und auch das Händler- und Seefahrervolk der Phönizier hatten sich in der Antike an den Küsten niedergelassen. Darum ist anzunehmen, dass sicherlich ein Teil der Bevölkerung ihre Wurzeln in den Ländern rund um das Mittelmeer hat.
19 Vgl. Fierro: Abd al-Rahman III, S. 12. und Ashtor, Eliyahu: The Jews of Moslem Spain. Volume 1, Philadelphia; Jerusalem: The Jewish Publication Society of Amerika, 1992, S. 14-25.
20 Vgl. Fierro: Abd al-Rahman III, S. 12, 98.
21 Vgl. Menocal, S. 85-87.
22 Teilweise wurden auch Bereiche schon während der islamischen Invasion von den Eroberern anglegt, vgl. Ashtor: The Jews of Moslem Spain, S. 23f, S. 60f.
23 Vgl. ebd., S. 295.
24 Vgl. ebd., S. 119.
25 Vgl. ebd., S. 274.
26 Vgl. ebd., S. 285-290.
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