Migration und Integration. Aktuelle Entwicklungen in Deutschland im historischen Vergleich mit dem Mittelalter


Trabajo Escrito, 2016

25 Páginas, Calificación: 1,5


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Begrifflichkeit und Einordnung
2.1. Der mittelalterliche Stadtbegriff
2.2. Die historische Entwicklung der Migration

3.Migration und Integration in der mittelalterlichen Stadt
3.1. Wanderungsbewegungen im Mittelalter
3.2. Bürgerrecht und Integration von Neubürgern
3.3. Fremde in der mittelalterlichen Stadt am Beispiel der Juden

4.Migration und Integration – aktuelle Situation in Deutschland
4.1. Daten und Fakten zur Migration in Deutschland
4.2. Staatsbürgerschaft und Integration von Migranten

5.Historischer Vergleich am Beispiel der Migration und Integration
5.1. Historischer Vergleich nach Kaelble
5.2. Vergleiche Migration und Integration früher und heute

6.Fazit

7.Didaktischer Kommentar

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wir leben heutzutage in einer globalisierten Welt mit steigender Anzahl an Megastädten. Immer mehr Menschen ziehen in die Städte – auch über nationale und internationale Grenzen hinaus. In diesem Zusammenhang spricht man von Migrationen. Aktuell ist Migration, vor allem Flucht, sowohl in Deutschland als auch in ganz Europa sehr präsent. Einige sprechen von einer neuen Zeit der Völkerwanderung. Doch sind die heutigen Wanderungsbewegungen und Migrationsströme mit denen zur Zeit des Mittelalters zu vergleichen? Liegen ihnen ähnliche oder gleiche Gründe und Ziele zugrunde? In Verbindung mit der Migration steht immer auch die Integration. Diese ist in der heutigen Zeit ein großer Streitpunkt in vielen Gesellschaften sowie in der Politik. Durch die Multikulturalität und das Miteinander vieler unterschiedlicher Religionen kommt es immer häufiger zu Unstimmigkeiten und Auseinandersetzungen. Den Menschen wird bewusst, dass Migration ohne Integration beinahe unmöglich ist. Doch die Grenzen der Integration sind für Jeden verschieden und schwer zu bestimmen. Zudem gibt es sehr viele Arten von Migration. Sie unterscheiden sich vor allem im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer, die Entfernung und die Ursachen. In der heutigen Zeit gehören Migrationen zum Leben dazu: Ob für ein paar Jahre in eine andere Stadt bedingt durch Studium oder Arbeitsplatz oder einige Jahre in ein anderes Land. Zudem leben in Deutschland viele Migranten und Migrantinnen in zweiter oder dritter Generation. Viele von ihnen mussten in früheren Jahren fvor Krieg oder Armut flüchten. Sie haben ihr Land somit nicht freiwillig verlassen. Bei der aktuellen Wanderungsbewegung handelt es sich ebenfalls vor allem um Flucht vor Bürgerkrieg. Die Anzahl der Flüchtlinge stellt die Länder und Städte vor große Herausforderungen. Es herrscht eine gewisse Spannung in der Bevölkerung. Viele Menschen sind der Auffassung, dass es sich nicht nur um Kriegsflüchtlinge, sondern auch um sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ handelt. Diese schließen sich dem Flüchtlingsstrom an, um in ein wirtschaftlich besser gestelltes Land zu immigrieren mit der Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben. Das Thema Migration und Integration ist heutzutage aktueller denn je, doch auch im Mittelalter war es schon von sehr großer Bedeutung. Ob die Menschen damals aus ähnlichen Gründen ihre Heimat verlassen haben und wie die Integration im Mittelalter von statten ging, damit wird sich in dieser Arbeit genauer beschäftigt. Lassen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede entdecken? Ist Migration ein immer gleich bleibendes Phänomen, welches die Welt historisch geprägt hat und auch in Zukunft weiter verändern wird? Diesen Fragen gilt es, nachzugehen und im Anschluss dahingehend einige didaktische Überlegungen zu tätigen.

2. Begrifflichkeit und Einordnung

Bevor sich mit der Thematik intensiv auseinander gesetzt wird, gilt es zunächst zwei Begrifflichkeiten zu klären. Spricht man von Migration, dann handelt es sich hierbei um einen Wanderungsvorgang von permanenter Dauer, bei dem der Lebensmittelpunkt räumlich verlegt wird.1 Im Gegensatz dazu haben sich viele Männer und Frauen einzeln oder als Familien prozesshaft bewegt. Sie sind vielfach zirkulär hin und her gewandert, meist in Etappen. Ob aus ländlichen Regionen in eine nahe Stadt, von mittleren Städten in eine Großstadt oder Industrieregion oder ins Ausland. Bei diesen Bewegungen spricht man von Wanderungen.2 Während man aktuell häufig von Migration spricht, waren es im Mittelalter Wanderungen, welche die Entwicklungen beeinflusst haben.

2.1. Der mittelalterliche Stadtbegriff

Im Hinblick auf Migration und Integration ist die Stadt ein sehr wichtiger Faktor. Heute so wie früher ist die Wanderung vom Umland in die Stadt eine der am häufigsten vorkommenden Migrationen. Städte sind die pulsierenden Motoren der globalen Gesellschaft. Sie sind in komplexen Netzwerken miteinander verbunden und bilden in vielerlei Hinsicht die politischen, ökonomischen und kulturellen Zentren der Globalisierung. Sie polarisieren die räumlichen Muster von Zentren und Peripherien und wachsen gleichzeitig an vielen Orten zu polyzentrischen ineinanderfließenden Megastädten zusammen. Sie werden zu Zielen einer weltweiten Land-Stadt-Wanderung, deren Ende nicht in Sicht ist.3 Doch über den Beginn der Wanderungen und die Entwicklung von Städten lassen sich viele Aussagen treffen. Um die deutsche Stadt im Mittelalter charakterisieren zu können und sich mit den Wanderungsbewegungen zu beschäftigen, ist es zunächst nötig, ihre Entwicklungsgeschichte zu betrachten. Die deutsche Stadt hat sich auf so mannigfaltigen Wegen entwickelt, dass es in diesem beschränkten Rahmen unmöglich ist, allen Entwicklungsgängen im Einzelnen gerecht zu werden. Es wird sich darauf beschränkt, gewisse gemeinsame Hauptzüge und charakteristische Merkmale aus der Fülle des Materials herauszuarbeiten, um einen Überblick über die Entwicklung des mittelalterlichen Stadtbegriffs zu bieten.

Zwar hat jeder eine ungefähre Vorstellung davon, was unter einer Stadt zu verstehen ist, jedoch erweist sich eine Definition bis heute für die Stadtgeschichtsschreibung als schwierig. Der Begriff „Stadt“ ist in allen Kulturräumen dieser Erde bekannt und wird trotzdem unterschiedlich verstanden. Heute nutzt man mehrere Möglichkeiten der Stadtdefinition. Man differenziert zwischen historischem, statistischem und geographisch aktuellem Stadtbegriff und klassifiziert Städte außerdem noch aufgrund ihrer Funktion.4 Bei dieser Arbeit wird der historische Stadtbegriff fokussiert.

Ausgehend von der mittelalterlichen Stadt entstand der historische Stadtbegriff. Die Stadt des Mittelalters umfasst folgenden Merkmale: Zunächst ist die Stadt topographisch genommen ein Siedlungsgebilde, das sich durch seine Geschlossenheit und durch die Befestigung von der Landgemeinde unterscheidet. Im wirtschaftlichen Sinne ist die Stadt ein Markt, eine Stätte des Handels und Verkehrs. Rechtlich ist sie ein in sich geschlossener Gerichtsbezirk mit einem besonderen Stadtgericht. Verwaltungsmäßig hat sie eine erhebliche Selbstständigkeit und einen Gemeindeausschuss, den Rat.5 Dazu kommen Kriterien wie: verdichtete Bebauung, eine überwiegend nicht-agrarisch tätige Einwohnerschaft, eine differenzierte Gewerbe- und Sozialstruktur, eine Funktion als politischer, administrativer und/oder kirchlicher Mittelpunkt und zentralörtliche Funktionen als Handels- und/oder Produktionszentrum. In der Stauferzeit kamen dann die deutlich sichtbaren, steinernen Mauern als nicht nur optische Abgrenzung vom umgebenen Land sowie das Stadtrecht hinzu.6 Zu den scheinbar äußeren Merkmalen eines mittelalterlichen Stadtbegriffs zählen neben der Mauer noch ein Straßenkreuz und ein Markplatz als Schnittpunkt von Handel und Kultur, sowie als Orientierung der Stadt um einen Mittelpunkt und die Vierteilung der Stadt.

Neben den Bischofssitzen, die antike Wurzeln in sich trugen, entstanden vor allem seit dem Hochmittelalter immer mehr Städte aus Siedlungen im Umfeld einer Burg, einer Königspfalz, einer bedeutenden Grundherrschaft, eines Klosters oder eines Marktes. Bei der Fülle von Stadtgründungen ab dem 11. Jahrhundert waren es Könige, Herzöge und Bischöfe, die sich als Stadtgründer hervortaten und planvoll mitunter ganz neue Stadtanlagen schufen.7 Die Städte erlangten immer mehr Eigenständigkeit. Ihr Reichtum, die dortige Bevölkerungskonzentration und ihre starke Befestigung machten sie zum unverzichtbaren Element spätmittelalterlicher Politik und Wirtschaft. Ähnlich wie heute waren die Städte im Mittelalter höchst unterschiedlich. Es gab Reichsstädte, deren Stadtherr der König selbst war, wie beispielsweise Freiburg. Andere unterstanden der Herrschaft eines Bischofs, die sogenannten Bischofsstädte wie Regensburg. Oder es handelte sich um eine Herzogsstadt wie München, die der Befehlsgewalt eines weltlichen Adeligen unterstand. Die meisten Städte hatten kaum mehr als 2000 bis 5000 Einwohner und es gab auch im Spätmittelalter nur wenige Großstädte mit mehr als 10.000 Bewohnern. Köln war mit 40.000 Einwohnern im Spätmittelalter die größte Stadt im römisch-deutschen Reich.8 Die etwas weniger als 4000 Städte des spätmittelalterlichen Reiches weisen ein breites Spektrum an vielfältigen Erscheinungsformen auf. Angefangen bei der Kleinstadt mit ackerbürgerlichem Charakter bis hin zur Großstadt nach mittelalterlichen Maßstäben mit hoch entwickeltem Exportgewerbe und Fernhandel. Migration ist ein grundlegender Faktor von Stadtentwicklung. Die Städte hatten schon im Mittelalter – ähnlich wie heute – eine große Anziehungskraft. Hierbei waren Schutz und Arbeit zwei der wichtigsten Gründe für Migrationen vom Umland in die Stadt. Mit weiteren Gründen und Ursachen wird sich im Verlauf der Arbeit noch beschäftigt. Zunächst gilt es die, historische Entwicklung der Migration darzustellen, um darauffolgend dann einige Wanderungsbewegungen im Mittelalter zu erläutern.

2.2. Die historische Entwicklung der Migration

Immer wieder gab es in der Weltgeschichte Epochen, in denen die Tektonik der Völker ins Rutschen geriet. Am bekanntesten ist die Völkerwanderung, die dem Weströmischen Reich vor 1500 Jahren schrittweise ein Ende setzte. Auch wir leben in einer Zeit der Migration. Um den Fragen nachzugehen, ob die heutige Gesellschaft im Umgang mit der Migration besonders sensibel ist und ob es sich um ein historisch gleichbleibendes Phänomen handelt, ist ein Blick in die historische Entwicklung der Migration notwendig.

Ganz am Anfang der Menschheitsgeschichte waren Wanderungen häufig zu finden. Als Nomaden zogen die Menschen von der Natur regiert von einem Gebiet ins nächste. Auf längere Zeit sesshaft zu werden – sogar über mehrere Generationen – war aufgrund der Versorgungssituation nicht möglich. Es fehlte an Wissen und Mitteln und Wanderung war der einzige Weg, um das Überleben zu sichern. Sie wurde erst zum Problem, seitdem es längerfristige Besitzansprüche auf ein Gebiet gibt. Die Menschen wurden dadurch fast automatisch in zwei Klassen geteilt: die Sesshaften und die Eindringlinge.9 Der Besitzer sah den fremden Eindringling als potentielle Gefahr, weswegen dieser meistens auf der unteren Ebenen der Gesellschaft stand. Sesshaft wurden die ersten Menschen erst im Zuge der Neolithischen Revolution im 10. Jahrtausend v. Chr. Das erstmalige Aufkommen von produzierenden Wirtschaftsweisen wie der Ackerbau und die Viehzucht lösten die Lebensweise der Menschen als reine Jäger und Sammler ab. Man begann mit der Natur zu arbeiten und sie immer mehr zu beherrschen. Aus diesem Grund war es den Menschen möglich, über mehrere Generationen hinaus an einem Ort zu bleiben, sofern es gute Böden gab und das Klima vorteilhaft war. Ein wichtiger Punkt der kulturellen Evolution war erreicht. Regionen begannen sich unterschiedlich zu entwickeln und die ersten Handelswege zwischen verschiedenen Siedlungsbereichen entstanden.10

Einige Jahrhunderte später hatte diese Entwicklung größere Dimensionen angenommen und das Römische Reich entstand. Wanderung war zu dieser Zeit kein großes Problem. Viele verschiedene Volksgruppen, Ethnien und Religionen lebten im Römischen Reich nebeneinander ohne große Konflikte. Doch nur wenige Jahre später, um 350 bis 400 wird eine Wanderungswelle in Gang gesetzt. Es beginnt die Zeit der Völkerwanderung, die zum Ende des Römischen Reiches beigetragen hat.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1. Völkerwanderungen seit dem Hunneneinfall um 375 n. Chr. (Quelle: Ebener, Manfred (2013))

Die Hunnen kamen ins Weströmische Reich, besiegten die Ostgoten und bewegten die Westgoten dazu, auf die andere Seite der Donau, in römischen Schutz zu flüchten. Doch wie man in Abbildung 1 sieht, waren nicht nur die Goten auf der Flucht vor den Hunnen. Auch die Vandalen, Langobarden und Angeln sahen sich gezwungen zu flüchten. Ganz Europa war ein Flickenteppich verschiedener Wanderungsströme. Es entstanden Parallelreiche und die römische Herrschaft zerbrach langsam.11 Das Christentum verdrängte die heidnischen Stammesreligionen und formte in Europa eine religiöse Einheit.

In der Zeit des Hochmittelalters begann dann eine weitere Wanderungsbewegung, die Umsiedlung vom Land in die Stadt. Die minder- oder unfreien Bauern des Mittelalters lebten zumeist noch auf dem Land, doch die Stadt wurde trotz der unhygienischen Bedingungen immer beliebter. Um in die Stadt zu ziehen, musste man jedoch Bürgereide leisten und unterschiedliche Nachweise erbringen. Es wurden nicht alle Menschen gleich behandelt. Ärzte und Schreiber wurden privilegiert, Juden hatten es meist schwer, denn ihnen wurde häufig das Bürgerrecht aberkannt. In Bezug auf die interkulturelle Wanderung, welche jedoch im Mittelalter eher auf Einzelfälle beschränkt war, war es die Religion, die zu Migrationsproblematiken führte.12 Größere Wanderungswellen gab es vor allem durch kriegerische Auseinandersetzungen innerhalb der einzelnen Kultur- und Religionsräume. Zum Ende des Mittelalters um ca. 1500 lässt sich sagen, dass schon einige Formen von Wanderungen auftraten. Fremde wurden je nach eigener Kultur unterschiedlich behandelt. Das Fremdsein an sich wurde häufig über die Religion und die dadurch entstehende Weltanschauung definiert. Diese Problematik wird im Verlaufe der Arbeit noch genauer thematisiert.

3. Migration und Integration in der mittelalterlichen Stadt

3.1. Wanderungsbewegungen im Mittelalter

Wanderungen waren meist gesellschaftliche Antworten und Reaktionen größerer Menschengruppen auf Problemsituationen und kollektive Herausforderungen: Landsuche, gewaltsame Verdrängung durch andere Völker, Kriegszüge mit Neuansiedlungen, Verfolgungen oder mangelnde Ernährungsgrundlagen. Um Migrationen, die gegenwärtig Deutschland berühren, objektiv beurteilen und die Diskussion darüber von sogenannten Überfremdungsängsten befreien zu können, sollten Erfahrungen über einen längeren historischen Zeitraum berücksichtigt werden.

Wir finden größere und kleine Wanderungsbewegungen schon in frühen Phasen der Menschheitsgeschichte. Das Mittelalter, oft als Periode der Sesshaftigkeit verstanden, war eine Zeit vielfältiger Mobilität im deutschsprachigen Zentraleuropa mit seinen bi- oder mehrkulturellen Regionen. Es gab zum einen „alltägliche“ Wanderungen von Händlern und Soldaten, von einfachen Menschen in Land und Stadt und von speziellen Gruppen wie Studenten und Pilgern. Zum anderen sind die Aus-, Ein- und Fernwanderungen von Juden, Normannen und Kreuzzüglern zu erwähnen. Nicht zu vergessen sind die Zäsuren durch Pest und Dreißigjährigen Krieg, sowie die Zwangswanderungen durch Religionskriege.13 Diese drei Arten von Wanderungen im Mittelalter werden im Folgenden genauer erläutert. Zudem wird der Wanderungsstrom der Neubürger im späten Mittelalter thematisiert.

Wanderungen gehörten zur Alltagserfahrung fast aller Bevölkerungsschichten im Mittelalter. Hierbei ist zunächst noch eine Unterscheidung zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Mobilität zu tätigen. Bei freiwilliger Mobilität handelt es sich um berufliche Wanderungen oder Wanderungen zur Durchsetzung der Herrschaftsansprüche. Die unfreiwillige Wanderung führt hingegen meist zur Heimatlosigkeit und war dagegen selten die Folge eines freien Entschlusses.14 Heimatlos zu sein, ging einher mit einer fehlende Einbettung in gesellschaftliche Strukturen und einer gewissen Schutzlosigkeit. Ursachen solch einer unfreiwilligen Wanderung waren meist Kriege oder das aufkommende Bevölkerungswachstum, welches Hungersnot mit sich brachte.

Wie bereits erwähnt, betraf die Wanderung sowohl die Elite, als auch die Mittel- und Unterschicht im Mittelalter. Es gab somit eine allgegenwärtige Mobilität, die sowohl politisch, beruflich und wirtschaftlich als auch durch den Lebenszyklus, wie Geburt, Heirat oder Tod bedingt sein konnte. Einige Wanderungen waren spezifisch für das Mittelalter, andere zeigen Kontinuität bis ins 19. Jahrhundert.15 Bei der allgegenwärtigen Wanderung handelt es sich meist um Bewegungen im ländlichen Raum. Hierbei spielt das Verhältnis von Demografie zu Ökonomie eine große Rolle. Häufig konnten Familien mit einer hohen Kinderzahl nur eine begrenzte Anzahl dieser Kinder ernähren. Somit mussten die anderen als Tagelöhner und Mägde abwandern. Nur wenige Familien sind über mehr als drei Generationen an einem Ort nachzuweisen. Dies widerspricht dem Feudalsystem, welches Familien durch Leibeigenschaft an Feudalherren band. Jedoch schwankte der feudalwirtschaftliche Arbeitskräftebedarf stark, sodass es sowohl Zuwanderungen als auch Abwanderungen der Leibeigenen gab. Im Gegensatz zur lokal sozialisierten Unterschicht, bewegte sich die Elite transeuropäisch. Adelsfamilien heirateten über große Entfernungen sodass durch Erbfolge und Heiratsverträge die Territorien und Staaten geteilt wurden.16 Auch im Bereich der christlichen Kirchen gab es Wanderungsbewegungen. Meist wanderten hohe Kleriker, aber auch der niedere Klerus zwischen Bischofssitzen, Klöstern und Pfarren. Zuerst orientierten sich die Wanderungsmuster an den Grenzlinien der kirchlichen Normen. Diese lagen im Osten gegen die orthodoxen christlichen Kirchen, im Mittelmeerraum gegen den Islam und innerhalb der Regionen gegen die Juden. Die Muster änderten sich jedoch mit der Aufspaltung in Katholiken, Protestanten, Anabaptisten, Anglikaner und Andere. Der Großraum der Westkirche zerfiel in kleinere Regionen mit häufig geänderten Grenzen.17

Städte waren angesichts der schlechten sanitären Verhältnisse und entsprechend hoher Mortalität durch Kindersterblichkeit und Seuchen von kontinuierlichen Zuwanderungen abhängig. Zudem gab es eine niederige Geburtenrate aufgrund der strengen Heiratsbeschränkungen. Des Weiteren benötigte man in der Zeit der Städtegründungen zwischen 1240 und 1330 und dem Anwachsen der Städte im 14. und 16. Jahrhundert viele Arbeitskräfte. In diesen Jahren wuchs die Zuwanderung stark und wurde zum bedeutendsten Wanderungsstrom des Spätmittelalters.18 Zwar waren die Städte im Mittelalter häufig abhängig von Zuwanderungen, jedoch gab es auch viele freiwillige Wanderungen. Die Städte gaben den Menschen Schutz und Sicherheit. Außerdem besaßen sie eine ausgeprägte Infrastruktur, welche bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen zuließ. Zudem gewährte die Stadt im Gegensatz zum Landrecht die allgemeine Gleichheit vor Gericht. Die Städte im Mittelalter hatten es sich zur Aufgabe gemacht, Fremde und einheimische Einwohner ins Bürgerrecht aufzunehmen und diese in der Stadt zu integrieren. Jedoch wurde nicht jeder in der Stadt aufgenommen, denn die Stadtmauer verhinderte den unbefugten und unerwünschten Zutritt von Unterschichten, Minderheiten und Randgruppen.19

[...]


1 Vgl. Gebhardt/ Glaser/ Radtke/ Reuber (2011) S.733

2 Vgl. Hoerder (2010) S.11

3 Vgl. Gebhardt/ Glaser/ Radtke/ Reuber (2011) S.857

4 Vgl.Gebhardt/ Glaser/ Radtke/ Reuber (2011) S.858

5 Vgl Bamm (1935) S.3

6 Vgl. Fuhrmann (2006) S.9

7 Vlg. Buttinger (2006) S.112f

8 Vgl. Buttinger (2006) S.113

9 Vgl. Hoerder (2010) S.23

10 Vgl. Ebener 2013

11 Vgl. Ebener 2013

12 Vgl. ebd.

13 Vgl. Hoerder (2010) S.20

14 Vgl. Meier (2007) S.135

15 Vgl. Hoerder (2010) S.20

16 Vgl. Gestrich/Kleinschmidt/ Sonnabend (1991) S.79

17 Vgl. Bade (1992) S. 278

18 Vgl. Meier (2007) S.144

19 Vgl. Meier (2007) S.145

Final del extracto de 25 páginas

Detalles

Título
Migration und Integration. Aktuelle Entwicklungen in Deutschland im historischen Vergleich mit dem Mittelalter
Universidad
Karlsruhe University of Education
Calificación
1,5
Autor
Año
2016
Páginas
25
No. de catálogo
V463437
ISBN (Ebook)
9783668923041
ISBN (Libro)
9783668923058
Idioma
Alemán
Palabras clave
migration, integration, aktuelle, entwicklungen, deutschland, vergleich, mittelalter
Citar trabajo
Isabelle Geiger (Autor), 2016, Migration und Integration. Aktuelle Entwicklungen in Deutschland im historischen Vergleich mit dem Mittelalter, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/463437

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