Neue katalytische Transformationen ausgehend von natürlichen Fettsäuren


Tesis, 2008

103 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Problemstellung
1.1 Fettsäuren – Vorkommen und Bedeutung
1.2 Fettsäuren als Ausgangsmaterialien in der organischen Synthese
1.2.1 Historie
1.2.2 Reaktivität und wichtige Umsetzungen
1.2.3 Olefinmetathese ungesättigter Fettsäuren
1.2.4 Transformationen an der Carboxylgruppe
1.2.5 Doppelbindungsisomerisierungen
1.2.6 Lactone
1.3 Problemstellung und Ziele
1.3.1 Aufgabenstellung
1.3.2 Ziele dieser Arbeit

2 Ergebnisse und Diskussion
2.1 Direkte Derivatisierungen von Fettsäuren
2.1.1 Metathese ungesättigter Fettsäuren
2.1.2 Abfallfreie Veresterung und Amidierung
2.1.3 Ruthenium-katalysierte Decarboxylierung
2.2 Derivatisierungen unter Doppelbindungswanderung
2.2.1 Konzept
2.2.2 Fettsäureanalytik – eine Herausforderung
2.2.3 Suche nach Isomerisierungskatalysatoren
2.2.4 Ein neuer Weg zu langkettigen Lactonen
2.2.5 Ionische Flüssigkeiten – Lösemittel und Katalysatoren zugleich?
2.2.6 Addition von N -Nucleophilen unter Doppelbindungsisomerisierung

3 Zusammenfassung und Ausblick

4 Experimenteller Teil
4.1 Allgemeine Anmerkungen
4.1.1 Chemikalien und Lösungsmittel
4.1.2 Molekularsiebe: Aktivierung und Regenerierung
4.1.3 Analytische Methoden
4.1.4 Methodik der Parallelversuche
4.2 Synthesevorschriften
4.2.1 Synthese von Methyloleat (2)
4.2.2 Synthese von γ- Stearolacton (16)
4.2.3 Synthese von γ- Undecalacton (19)
4.2.4 Synthese von 10-Eicosendisäuredimethylester (20)
4.2.5 Allgemeine Vorschrift für Veresterungen mit Molekularsieben
4.2.6 Allgemeine Vorschrift für Amidierungen mit Molekularsieben
4.2.7 Synthese von Pyridin-2-ylmethyl-3-phenylpropionat (37)
4.2.8 Synthese von Brønsted-sauren ionischen Flüssigkeiten

5 Referenzen und Anmerkungen

Meinen Eltern

Die vorliegende Arbeit wurde in der Zeit von Dezember 2007 bis Juni 2008 in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. L. J. Gooßen am Fachbereich Chemie der Technischen Universität Kaiserslautern angefertigt.

Zuallererst gebührt mein Dank Herrn Prof. Dr. Lukas J. Gooßen für seine stetige Unterstützung, viele anregende Diskussionen und dafür, dass er mir die weitgehend selbstständige Bearbeitung der Themenstellung ermöglichte.

Für die großartige Arbeitsatmosphäre, viele wertvolle Tipps bei der täglichen Laborarbeit und ständige Hilfsbereitschaft möchte ich meinen Kollegen der Arbeitsgruppe danken, insbesondere Matthias Arndt, Mathieu Blanchot, Filipe Costa, Andreas Fromm, Dr. Nuria Rodríguez Garrido, Thomas Knauber, Paul Lange, Christophe Linder, Patrizia Mamone, Christoph Oppel, Felix Rudolphi, Kifah Salih und Bettina Zimmermann.

Ein herzliches Dankeschön möchte ich auch den Analytikabteilungen des Instituts für die Messung von NMR-Spektren und für die Anfertigung von Elementaranalysen aussprechen.

Meiner Familie, meinen Eltern, meinem Bruder und meiner Freundin Mareike danke ich an dieser Stelle von ganzem Herzen für ihre stete Unterstützung, Ermunterung und ihren Rückhalt besonders in der Endphase meines Studiums.

Dieses Projekt wurde freundlicherweise von Cognis AG finanziell und von Umicore AG durch Chemikalienspenden unterstützt, auch hierfür bin ich zu Dank verpflichtet.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung und Problemstellung

1.1 Fettsäuren – Vorkommen und Bedeutung

Fettsäuren stellen eine in der Natur weit verbreitete Verbindungsklasse dar, die sich der Mensch seit langer Zeit zunutze macht und die heute interessantere Perspektiven denn je bietet. Im engeren Sinne versteht man darunter langkettige, gesättigte oder ungesättigte aliphatische Monocarbonsäuren, wobei letztere im Fokus dieser Arbeit stehen. Die am häufigsten vorkommende monoungesättigte, natürliche ω- 9-Fettsäure ist die (9Z)- ungesättigte Octadecensäure (1), Ölsäure genannt, die sich in tierischen Fetten und vor allem in höheren Pflanzen findet. Die wichtigsten Ölpflanzen sind die Sojabohne (Glycine max), die Ölpalme (Elaeis guineeis), der Raps (Brassica napus), die Erdnuss (Arachis hypogaea) und die Sonnenblume (Helianthus annus).1 Zusammengenommen machten diese fünf Pflanzen im Jahre 2007 etwa 90 % der weltweiten Pflanzenölproduktion mit einem Volumen von mehr als 390 Mio. Tonnen aus – eine Steigerung um das Vierfache gegenüber 1997.2 Neben den natürlichen Pflanzenarten gewinnen heute gentechnisch modifizierte Sorten an Bedeutung, die für bestimmte Varianten Fettsäuregehalte von über 90 Gew.-% aufweisen (Tabelle 1). Im Vergleich dazu enthält Gänseschmalz als wichtige tierische Fettsäurequelle lediglich bis zu 57 Gew.-% an 1.3

Tabelle 1. Ölsäuregehalte natürlicher und gentechnisch veränderter Ölsaaten. 3,4,5

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aus den genannten Pflanzenölen sind durch einfache Umsetzungen die Fettsäuren im industriellen Maßstab in hoher Reinheit verfügbar und damit zur weiteren Veredelung zu Wertstoffen geeignet. 1 beispielsweise wird heute großtechnisch vornehmlich durch enzymatische Hydrolyse der Pflanzenöle gewonnen – ein Verfahren, das effizient und mit nur geringem Energieaufwand verbunden ist.6

1.2 Fettsäuren als Ausgangsmaterialien in der organischen Synthese

1.2.1 Historie

Natürliche Fettsäuren zählen zu den nachwachsenden Rohstoffen und spielten immer schon eine große Rolle als Rohstoffquelle für die chemische Industrie – zunächst beschränkt auf die Tensid- und Schmiermittelproduktion. Ihre Bedeutung und Wertschätzung für den Einsatz in der Synthese von organischen Zwischenprodukten und Feinchemikalien war dagegen Schwankungen unterworfen: In einem Übersichtsartikel hierzu aus dem Jahre 1966, als die Chemie auf Basis fossiler Rohstoffe stark auf dem Vormarsch war, bedurften Öle und Fette der besonderen Erwähnung als „ebenfalls technisch interessante“ Rohstoffe neben Kohle und Öl, wurden jedoch nicht als echte Alternative eingeschätzt.7 Zwei Jahrzehnte später konstatierte eine Zusammenfassung der Nutzung natürlicher Öle und Fette in der Chemie ein „Potential für eine wesentliche Erweiterung der Palette feinchemischer Verbindungen“ und richtete damit den Blick auf eine nachhaltigere Zukunft der Chemie.8 Einen Zwischenstand dieser Entwicklung dokumentierten Jie et al. 1995, als sie in einem Übersichtsartikel das bis dahin bereits sehr breit gefächerte Feld der Fettstoffe anschneiden:9 Ungewöhnliche Strukturen, neu entdeckte natürliche Fettsäuren, moderne, filigrane Analysemethoden und eine große Fülle von Funktionalisierungsmöglichkeiten sind nur einige der Punkte, die die zunehmende Bedeutung dieser Verbindungsklasse unterstreichen.

Zum Jahrtausendwechsel betonten Metzger et al. noch einmal die Attraktivität von Ölen und Fetten als wichtigste nachwachsende Rohstoffe für die Synthese, wobei neuen Züchtungsmethoden und dem Einsatz der Gentechnologie wichtige Rollen zukommen.5 Aktuelle Zahlen belegen diese Entwicklung: In Deutschland werden auf mehr als einem Zehntel der Ackerfläche nachwachsende Rohstoffe angebaut, vor allem pflanzliche Öle (30 %) und Stärke (23 %). Die so jährlich produzierte Masse von gut zwei Millionen Tonnen an nachwachsenden Rohstoffen deckt heute bereits mehr als elf Prozent des Rohstoffbedarfs der chemischen Industrie in Deutschland.10

Neben dieser einfachen Verfügbarkeit der Rohstoffe bieten auch die Materialeigenschaften der zugänglichen Produkte mitunter große Vorteile gegenüber den petrochemisch erzeugten: Schmierstoffe auf Pflanzenölbasis etwa sind weniger toxisch, besser abbaubar und entflammen erst bei höheren Temperaturen – dies erlaubt den Einsatz für Anwendungen in der Natur, beispielsweise in der Forstwirtschaft.10 Natürliche ungesättigte Fettsäuren bieten der organischen Synthese also heutzutage eine zukunftsträchtige, vom Erdöl unabhängige, nachhaltige und umweltfreundliche Ressource für langkettige Aliphaten – und haben sich in vielen großtechnischen Prozessen bereits als unentbehrliche Rohstoffe mit bedeutendem Wertschöpfungspotential und interessanter Reaktivität etabliert.

1.2.2 Reaktivität und wichtige Umsetzungen

Die Z- konfigurierte Doppelbindung natürlicher, ungesättigter Fettsäuren spielt als Strukturelement eine zentrale Rolle bei den meisten realisierten Umsetzungen zur Erzeugung von Wertstoffen. Die Doppelbindung in ihrer ursprünglichen Position kann durch eine Vielzahl von Reaktionen funktionalisiert werden, jedoch sind wenige Beispiele für ihre gezielte Verschiebung bekannt. Als weiteres Reaktionszentrum für direkte Derivatisierungen ungesättigter Fettsäuren kommt die Carboxylgruppe mit der typischen Reaktivität einer Carbonsäure in Frage.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 1. Wichtige Umsetzungen ungesättigter Fettstoffe.

Eine Auswahl wichtiger Reaktionen zeigt anhand eines breiten Produktspektrums (Schema 1), wie vielfältig die Umsetzungsmöglichkeiten von Fettstoffen, also Fettsäuren und ihren Estern, sind. Man kann erahnen, dass sie denen der Petrochemie kaum nachstehen – teilweise erhält man sogar Produkte, die auf Basis von Kohle und Öl nicht verfügbar sind.11 Durch Homometathese ungesättigter Fettstoffe sind wertvolle langkettige Dicarbonsäuren, interne Olefine und Polyester auch direkt aus den natürlichen Fetten zugänglich (A).12,13,14 Setzt man mit substituierten terminalen Olefinen um, so können mittels Heterokreuzmetathese terminal funktionalisierte, langkettige Aliphaten und Fettsäurederivate erzeugt werden (B).15,16

Selektive Hydroxylierungen in allylischer Position (C)17 sind ebenso möglich wie die enzymatische Epoxidierung (D)18 und die industriell bedeutsame oxidative Spaltung der C=C-Doppelbindung durch Ozonolyse (E).8

Langkettige Aldehyde erhält man, indem man ungesättigte Fettsäureester einer Sequenz aus Isomerisierung und terminaler Hydroformylierung unterwirft (F).19 Hierfür wird ein Rhodiumkatalysator in Gegenwart von Synthesegas unter hohem Druck eingesetzt. Eine Abwandlung dieser Reaktion ist die Hydroaminomethylierung, bei der in einem dreistufigen Prozess durch Einführung von stickstoffhaltigen Gruppen eine ganze Reihe von oleochemischen Aminoverbindungen zugänglich wird (G).20

Auf zwei der gezeigten Funktionalisierungsmethoden (A und B) wird in dieser Arbeit näher eingegangen. Darüber hinaus existiert eine Fülle von Reaktionen, die die Bedeutung der ungesättigten Fettsäuren und ihrer Ester als nützliche Ausgangsverbindungen deutlich machen.8,21

1.2.3 Olefinmetathese ungesättigter Fettsäuren

Die durch Metall-Carbenkomplexe katalysierte inter- oder intramolekulare Übertragung von Alkylidengruppen (=CR2) hat als Olefinmetathese Eingang in die chemische Literatur gefunden. Bereits 1992 entwickelten Warwel et al. ein Katalysatorsystem auf Rhenium-Basis, das die Kreuzmetathese von Ölsäuremethylester (2) mit Ethylen – die so genannte Ethenolyse – möglich machte.14 Die bei dieser Reaktion gewonnene 9-Decensäure ist wie das ebenfalls entstehende 1-Decen (3) ein wertvolles Co-Monomer für Polyolefine. Die terminal ungesättigte Säure lässt sich weiter funktionalisieren und macht so Monomere für Polyamide, Polyether und spezielle Polyester zugänglich.10 Den erzeugten terminalen Olefinen kommt außerdem eine wichtige Rolle bei der Produktion von Epoxidharzen zu.22

Der mittlerweile allgemein akzeptierte Mechanismus der Alkenmetathese wurde bereits 1971 von Chauvin für Wolframverbindungen und kurzkettige Olefine aufgestellt (Schema 2).23 An die katalytisch aktive Carbenspezies I koordiniert zunächst das Olefin und es entsteht der π-Komplex II. Aus diesem bildet sich ein Metallacyclobutan III, dessen Existenz anfangs umstritten war,24 und es folgt ein zweifacher Bindungsbruch des Vierringes zum η 2-Olefinkomplex IV. Der Austausch des Alkenliganden durch den Metathesepartner, hier Ethylen, führt zum Intermediat V, das dann erneut ein Metallacyclobutan VI ausbildet. Der finale Schritt des Cyclus liefert das Metatheseprodukt und das katalytisch aktive Alkyliden I wird regeneriert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 2. Mechanismus der Alkenmetathese nach Chauvin am Beispiel der Ethenolyse.

Die eingesetzten Katalysatorsysteme basieren auf Übergangsmetallen wie Wolfram, Rhenium, Molybdän und vor allem Ruthenium. Letzteres ist bei industriell genutzten Ethenolyseverfahren das Metall der Wahl für moderne Katalysatoren (Schema 3). Neben den Grubbs -artigen Systemen25 4 und 5 finden sich alkoxystabilisierte Hoveyda -Katalysatoren22,26 wie Komplex 6, wasserlösliche Systeme vom Grubbs -Typ27 wie 7 oder NHC-stabilisierte Varianten wie Katalysator 8.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 3. Neuere Katalysatorsysteme für die Olefinmetathese ungesättigter Fettstoffe.

Die relativ geringe Belastbarkeit dieser mitunter teuren Ruthenium-basierten Katalysatoren schränkt die technische Nutzung der oleochemisch interessanten Reaktionen ein.8 Jedoch sind seit einigen Jahren stabilere oxidische Mischmetallsysteme verfügbar, die eine deutlich höhere Aktivität aufweisen, etwa die Kombination von Re2O7•B2O3/Al2O3•SiO2 mit Tetrabutylzinn.5,28

Die Metathese einfacher Olefine mit einer Vielzahl funktionalisierter Substrate ermöglicht die Synthese zunehmend komplexer Zielmoleküle, zum Teil unter Kombination der Metathese mit Isomerisierungsreaktionen.29 Elektronenarme Alkene wie Acrylnitrile, α,β -ungesättigte Amide und Vinylsulfone sind ebenso einsetzbar wie Nucleotide, Homoallylalkohole, Vinylsilane oder Allene.30 Für oleochemische Substrate jedoch, wie ungesättigte Fettsäuren oder Fettsäureester, sind bei Metathesen überwiegend die bereits erwähnte Ethenolyse und die Homometathese literaturbekannt. Letzere kann mit Methyl-10-undecenoat (9) oder Methyloleat (2) zum Beispiel durch Wolfram,31 Iridium,32 Rhenium33 oder Ruthenium25a,26,34 katalysiert werden. Die besten Ergebnisse erzielten Forman et al. mit dem Katalysator 8: Bei fast ausschließlicher Selektivität für das Homometatheseprodukt konnte ein Umsatz von 51 % erreicht werden.25a

Von großem Interesse für die Einführung neuer funktioneller Gruppen in langkettige Substrate ist deren Hetero- oder Kreuzmetathese (CM). Dabei wird die C=C-Doppelbindung des ungesättigten Fettstoffs gespalten und je ein Äquivalent des CM-Partners auf die beiden Fragmente übertragen (Schema 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 4. Kreuzmetathese zur Funktionalisierung ungesättigter Fettstoffe.

Für diese Art der Umsetzung gibt es erst wenige Beispiele in der Literatur, und dementsprechend eine geringe strukturelle Variabilität der eingesetzten Kreuzmetathesepartner (Tabelle 2).

Tabelle 2. Beispiele für literaturbekannte Kreuzmetathesen oleochemischer Substrate.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

a) Es wird jeweils Ethylen frei; b) Gesamtausbeute an CM-Produkten (GC).

Methyloleat (2) kann mit Methylacrylat zu den entsprechenden carboxylfunktionalisierten Olefinen umgesetzt werden, wobei das NHC-stabilisierte Katalysatorsystem 8 nahezu quantitative Ausbeuten liefert (Eintrag 1). Mit dem gleichen Katalysator kann auch der kürzerkettige, terminal ungesättigte Ester 9 mit Methylacrylat kreuzmetathetisiert werden, wobei nur ein Produkt entsteht (Eintrag 2). Ebenfalls nur ein Produkt wird bei der Reaktion von 9 mit Vinyldioxolan und dem Grubbs -Katalysator der 1. Generation 5 gebildet (Eintrag 3).

Da Metathesen nahezu thermoneutrale Gleichgewichtsreaktionen sind, ist die gezielte Verschiebung des Gleichgewichtes mit hoher Selektivität für ein bestimmtes Produkt von Interesse. Für die profitable Durchführung von Kreuzmetathesen bedeutet dies, dass die Homometathese zum symmetrischen Produkt unterdrückt werden muss. Grubbs et al. haben ein Selektivitätsmodell vorgestellt, mit Hilfe dessen sich die Reaktivität bestimmter olefinischer Substratklassen in Abhängigkeit vom Katalysator und damit die zu erwartende Selektivität der geplanten Reaktion abschätzen lässt.35 So neigen z.B. terminale Olefine, Allylalkohole und Ester zur Homometathese bei Verwendung der Katalysatoren 5 und 8 – ein Befund, der die Erweiterung des Substratspektrums an Kreuzmetathesepartnern für Fettsäureester zur Herausforderung werden lässt. Gesteigerte Selektivitäten erfordern größeren Aufwand bei der Katalysatorentwicklung und sind lediglich für einfache Olefine mittels geträgerter Systeme, N -heterocyclischer Carbene oder chelatisierender Alkoxyliganden realisiert worden.30 Es besteht hier ein klarer Bedarf an einem einfachen Katalysatorsystem, das mit hoher Selektivität ein breites Spektrum an funktionalisierten Kreuzmetatheseprodukten aus einfachen oleochemischen Substraten zugänglich macht.

Der patentfreie Rutheniumkatalysator 4 könnte sich hierfür eignen. Das System wurde 1999 von Harlow et al. erstmals beschrieben und ist auf einfachem Wege zugänglich. In zwei Stufen werden erst 1,1-Diphenyl-2-propin-1-ol mit RuCl2(PPh3)3 umgesetzt und dann die aromatischen Phosphinliganden gegen PCy3 (Cy = Cyclohexyl) ausgetauscht (Schema 5).36

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 5. Zweistufige Synthese des Katalysators 4. 36c

Der unter dem Handelsnamen NEOLYST M1® (Umicore AG) verfügbare Katalysator zeichnet sich durch hohe Luft- und Wasserstabilität aus und wurde bisher hauptsächlich für Ringschlussmetathesen eingesetzt.37 Des Weiteren kann 4 als Edukt für andere Metathesekatalysatoren dienen38 und für Schlüsselschritte in Totalsynthesen – beispielsweise von Pheromonen39 – von Nutzen sein.40 Der Komplex erwies sich darüber hinaus in Vorarbeiten im Arbeitskreis Gooßen als geeignet für die Homometathese terminal ungesättigter Fettsäureester. Von Interesse ist es nun, die Eignung des Katalysators 4 für die Homo- und Kreuzmetathese terminal oder intern ungesättigter Fettsäurederivate zu überprüfen.

1.2.4 Transformationen an der Carboxylgruppe

Amidierung von Fettsäuren

Die Synthese von Amiden aus freien Carbonsäuren und Aminen kann mit einer Vielzahl von Methoden bewerkstelligt werden und erfordert in den meisten Fällen die Verwendung von Kupplungsreagentien wie DCC41 oder N,N‘ -Carbodiimidazol.42 Daneben ist eine Vielzahl von Verbindungen bekannt, welche die Eintopfreaktion von freier Carbonsäure und primärem oder sekundärem Amin vermitteln.43 ArB(OH)2,44 Sn[ N -(SiMe3)2]2,45 TiCl4,46 AlMe3,47 Lawessons Reagens,48 (MeO)2POCl,49 Tetrazole,50 Benzoxazole51 und Oxalate52 stellen eine Auswahl derartiger Reagentien dar – wobei die meisten entweder eigens synthetisiert werden müssen, instabil, teuer oder toxisch sind oder unerwünschte Nebenreaktionen nach sich ziehen.

Direkte Methoden zur Amidierung freier Carbonsäuren ohne in situ Aktivierung durch Vermittlungs- oder Kupplungsreagentien sind nur wenige bekannt: Zum einen ist die Pyrolyse unsubstituierter Ammoniumsalze kurzkettiger aliphatischer Säuren beschrieben, wobei gasförmiges Ammoniak zum Einsatz kommt und Temperaturen um 180 °C erforderlich sind.53 Noch mehr thermische Energie ist notwendig, um primäre Amine mit Ölsäure (1) umzusetzen: Erst bei einer Temperatur von mehr als 230 °C reagieren die freie Carbonsäure und überwiegend langkettige Alkylamine ohne weitere funktionelle Gruppen zu Ölsäureamiden.54 Die Synthese des aromatischen Benzanilids (10) ist laut Literatur aus der freien Benzoesäure und Anilin möglich. Allerdings erfordert die beschriebene Methodik Temperaturen von mehr als 220 °C und mehrmaliges Destillieren über mehrere Stunden, wobei Rohproduktausbeuten von ca. 80 % erreicht werden.55 Shepard et al. konnten einige Phenylacetamide durch einfaches Erhitzen von ß- Phenylethylaminen mit Phenylessigsäure (11) auf über 180 °C erhalten.56 Bei einer anderen direkten Strategie setzten Cossy et al. Molekularsiebe für die Kondensation von Aminen und Carbonsäuren zu sekundären Amiden ein.57 Das Substratspektrum in dieser Mitteilung beschränkt sich jedoch auf kurzkettige aliphatische Säuren und primäre Amine.

Der Mechanismus dieser lösemittelfreien Kondensationsreaktion ist nicht vollständig aufgeklärt. Man nimmt an, dass bei diesen Umsetzungen ein Gleichgewicht von freier Carbonsäure, Amin und Ammoniumsalz vorliegt und die Produktbildung unter Umkehrung der Amidhydrolyse abläuft (Schema 6).58 Dabei spaltet ein primär gebildetes sp3 -Intermediat A ein Hydroxidion ab und liefert unter Freisetzung von Wasser das gewünschte Amid B.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 6. Mechanismus der direkten Amidierung freier Carbonsäuren.

Statt der direkten Umsetzung der freien Carboxylgruppe werden für die Amidierung von Fettsäuren normalerweise zwei-Stufen-Synthesen eingesetzt. Im ersten Schritt wird die freie Carbonsäure meist als Säurechlorid aktiviert, um dann in einem zweiten Schritt das Amin zuzusetzen und die C-N-Bindung zu knüpfen.54,59 Es ist daher wünschenswert, eine einfache, abfallfreie Methode zur direkten und einstufigen Amidierung freier Fettsäuren zu finden, ohne dass sehr hohe Temperaturen oder teure und empfindliche Kupplungsreagentien vonnöten sind. Dies würde einen unkomplizierten Zugang zu den als nichtionische Tenside begehrten langkettigen Amiden ermöglichen und die etablierten Methoden hinsichtlich Aufwand und Nachhaltigkeit deutlich verbessern.

Decarboxylierung von Fettsäuren

Die Abspaltung der Carboxylgruppe aus ungesättigten Fettsäuren liefert langkettige interne Olefine, die im Gegensatz zu petrochemischen Destillat-Schnitten eine definierte Position der Doppelbindung aufweisen (Schema 7). Als Voraussetzung hierfür muss das Katalysatorsystem inaktiv für die Isomerisierung der Doppelbindung sein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 7. Decarboxylierung von Fettsäuren zu langkettigen Kohlenwasserstoffen.

Die so zugänglichen langkettigen Kohlenwasserstoffe gewinnen unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit mehr und mehr als Kraftstoffe an Bedeutung. Ihre hohe Cetanzahl macht sie angesichts eines steigenden Weltenergiebedarfs attraktiv für die Produktion von Biodiesel.60

Dennoch wurde nachwachsenden oleochemischen Rohstoffen zur Synthese eben dieser Kohlenwasserstoffe bisher wenig Beachtung geschenkt – nach heutigem Stand gibt es für ungesättigte freie Fettsäuren keine literaturbekannte Methode zur direkten Decarboxylierung. Lediglich ihre gesättigten Analoga lassen sich in der gewünschten Weise umsetzen, zum Beispiel in der Gasphase mit Nickel- oder Palladiumkatalysatoren,61 photochemisch mit Phenanthryl-Radikalen62 oder in einer Decarboxylierungs-Dehydrierungssequenz unter Rutheniumkatalyse.63 Letzteres Verfahren liefert zwar ein Isomerengemisch von n- Heptadecen, erfordert jedoch hohe Temperaturen und ist auf Stearinsäure limitiert.

Die klassische Abbaumethode von Carbonsäuren zu Aminen nach Schmidt eignet sich nur für gesättigte Fettsäuren wie Palmitin- und Stearinsäure.64 Unter den Reaktionsbedingungen – in Gegenwart von Schwefelsäure und Natriumazid – neigen olefinische Substrate zur Iminbildung und es entstehen vornehmlich Nebenprodukte. Ähnliche Probleme sind für eine Pd-katalysierte Decarboxylierung65 beschrieben: Während für Stearinsäure nahezu quantitative Ausbeuten an C17-Alkan erreicht werden, liefert die ungesättigte Ölsäure (1) dieses Produkt nur in Spuren, da überwiegend eine Hydrierung der Doppelbindung stattfindet. Zudem erfordert die Reaktionsführung eine aufwändige Präformierung des geträgerten Katalysators und Temperaturen von mehr als 300 °C, so dass die Synthese von C17-Olefinen auf diesem Weg uninteressant erscheint.

Vielversprechend hingegen wäre die Anwendung einer Methode zur reduktiven Decarbonylierung von Carbonsäureestern auf ungesättigte Fettsäuren. Murai et al. beschreiben die Trirutheniumdodecacarbonyl-katalysierte Umsetzung von Aminoestern zu den entsprechenden Arylen oder Arylalkylen, wobei Ammoniumformiat als Reduktionsmittel wirkt (Schema 8).66

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 8. Reduktive Decarbonylierung von Pyridinmethylestern nach Murai.

Könnte man diesen Ansatz auf solche Fettsäureester übertragen, die eine C=C-Doppelbindung enthalten, wäre ein alternativer Zugang zu langkettigen Olefinen aus oleochemischen Rohstoffen möglich. Die Decarbonylierungsprodukte würden im Gegensatz zu den petrochemisch gewonnenen Destillationsfraktionen nicht als Gemisch von Olefinisomeren unterschiedlicher Kettenlänge vorliegen und besäßen zudem eine definierte Doppelbindungsposition.

1.2.5 Doppelbindungsisomerisierungen

Allgemeines

Die gezielte Migration olefinischer Doppelbindungen ist von großem synthetischem Wert, da bestimmte – auf anderen Wegen nicht zugängliche – Isomere oft in hohen Ausbeuten verfügbar werden.67 Die übergangsmetallkatalysierte Variante dieser Isomerisierung wird bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts im Hinblick auf Mechanismus und synthetische Anwendbarkeit untersucht. Cramer und Lindsey Jr. beschreiben mechanistische Grundlagen am Beispiel einfacher Substrate wie Buten oder Hexen. Bestimmte Verbindungen von Rhodium, Platin, Palladium, Nickel und Eisen kommen im Zusammenspiel mit Aktivatoren als Isomerisierungskatalysatoren zum Einsatz. Der Zusatz von Brønsted-Säuren, z.B. Trifluoressigsäure, führt unabhängig vom Katalysatorsystem zur Beschleunigung der Reaktion.68

Die dargelegten Mechanismen differieren dabei mitunter je nach Metallspezies, wobei sich für Metallkomplex-katalysierte Isomerisierungen zwei Grundtypen67 herauskristallisieren, die durch Deuterierungsexperimente unterscheidbar sind. Bei einigen Katalysatoren findet die Isomerisierung unter 1,2- H -Shift statt (Schema 9).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 9. ÜM-katalysierte Isomerisierung eines terminalen Olefins via 1,2-H-Shift.

Auf die Koordination des Olefins an das Metallhydrid I zum π -Komplex II folgt die Addition zum Metallalkyl III. Eine anschließende ß- Hydrideliminierung liefert erneut einen Olefinkomplex IV, aus dem das isomerisierte Produkt freigesetzt wird. Das Metallhydrid kann hierbei entweder direkt als solches eingesetzt oder unter Einwirkung von Säuren oder H2 in situ generiert werden – in jedem Fall ist eine zusätzliche Protonenquelle nötig.69 Der zweite mögliche Mechanismus beinhaltet einen 1,3- H -Shift (Schema 10).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 10. ÜM-katalysierte Isomerisierung eines terminalen Olefins via 1,3-H-Shift.

Durch Koordination des Olefins an das Metall I entsteht der π -Komplex II, und nach Hydridübertragung auf das Metall liegt eine π- Allylspezies III vor. Aus dieser geht ein zweiter π -Komplex IV hervor und liefert schließlich das Olefin mit verschobener Doppelbindung. Da es sich hierbei um eine Redoxreaktion handelt, muss das Übergangsmetall zwei stabile Oxidationsstufen n und n + 2 aufweisen. Im Gegensatz zum erstgenannten Mechanismus ist kein zusätzlicher Wasserstoff erforderlich, wie zum Beispiel bei der Isomerisierung von Penten mit Fe(CO)5, 70 oder von Hexen mit Ru(CO)3(PPh3)2.71

Eine der ersten bedeutenden industriellen Anwendungen von Isomerisierungsreaktionen war die Cobalt-katalysierte Hydroformylierung interner Alkene zu linearen Aldehyden.72 Heute spielt zum Beispiel im Takasago-Prozess zur industriellen Mentholsynthese die Ruthenium- katalysierte enantioselektive Isomerisierung eines olefinischen Intermediates im Tonnenmaßstab eine wichtige Rolle.73 Weitere moderne Entwicklungen auf diesem Gebiet, wie der Rutheniumkomplex 12 von Grotjahn et al., machen die Wanderung von Doppelbindungen über bis zu 30 C-Atome entlang einer Kette möglich (Schema 11).74

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 11. Extensive Doppelbindungswanderung über 30 Atome.

Eine weitere Möglichkeit, eine olefinische Doppelbindung zu verschieben, ist der Einsatz von Brønsted- oder Lewis-Säuren. Im ersteren Falle lagert sich zuerst ein Proton an die Doppelbindung an, wodurch ein Carbokation (I, Schema 12) entsteht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 12. Protonen oder Lewis-Säure-katalysierte Doppelbindungsisomerisierung.

Dieses spaltet an anderer Stelle ein Proton ab, und es bildet sich ein Olefin mit verschobener Doppelbindung.75 Die synthetische Anwendung der protonenkatalysierten Doppelbindungsmigration stellt jedoch eine Herausforderung dar, weil die beteiligten Carbokationen zu Nebenreaktionen neigen. Für den Fall der reinen Lewis-Säuren sind nur wenige Beispiele bekannt. So ist BCl3 in der Lage, die Gasphasenisomerisierung kleiner Olefine zu katalysieren. Hierbei wird ein polarer Übergangszustand (II, Schema 12) durchlaufen, um den internen 1,3- H -Shift zu bewerkstelligen.76 Eine Mischform aus beiden Katalyseformen tritt bei den Halogenwasserstoffen HCl und HBr auf, die in der Gasphase ebenfalls die Doppelbindungsverschiebung von kleinen Olefinen vermitteln.77

Anwendung auf ungesättigte Fettsäuren

Die gezielte Isomerisierung ungesättigter Fettsäuren und Fettsäureester mit Hilfe von Übergangsmetallen beschäftigt die Forschung bereits seit mehr als 60 Jahren.78 Mehrere mögliche Positionen der C=C-Doppelbindung sind interessante Ziele dieser Isomerisierungen: Zum einen der Alkylterminus der Kette, zum anderen in Konjugation mit der Carboxylgruppe oder einer weiteren olefinischen Doppelbindung. Mit dem Ziel der Doppelbindungskonjugation standen demnach mehrfach ungesättigte Fettsäuren, wie Linol- oder Linolensäure, als Isomerisierungssubstrate im Fokus der Forschung. Die Konjugation kann mit einer Vielzahl von Reagentien erzielt werden, darunter Nickelcarbonyle,78 Rhodiumtrichlorid,79 Chromcarbonyle80 und Rhodium-Phosphinkomplexe.81 Letztere liefern unter Zusatz von Zinnverbindungen sowohl für die freie Linolsäure als auch für deren Ester die konjugierten Isomere in guten Ausbeuten. Konjugierte Fettsäureester werden heute industriell mit Hilfe von Alkoxidkatalysatoren aus mehrach ungesättigten Fettsäuren hergestellt.82

Den ersten erfolgreichen Beispielen für die Konjugation von Doppelbindungen durch Isomerisierung folgten mechanistische Untersuchungen an einfach ungesättigten, kurzkettigen Carbonsäureestern, bei denen die thermodynamische Begünstigung der α,ß- ungesättigten Isomere erstmals deutlich wurde: Der terminal ungesättigte Pentensäureester 13 liefert Rhodium-katalysiert ein Isomerengleichgewicht mit einem Gehalt von 45 % an (E) -konfiguriertem α,ß -ungesättigtem Isomer 14 (Schema 13).83

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 13. Rh-katalysiertes Isomerisierungsgleichgewicht des Pentensäureesters 13.

Die gezielte Erzeugung bestimmter Doppelbindungsisomere längerkettiger Substrater ist eine größere Herausforderung als bei kurzkettigen, da die Anzahl der möglichen Regio- und Stereoisomere (E / Z) ansteigt. Daher wurden zum Beispiel α,ß- ungesättigte Ester von einfach ungesättigten Fettsäuren mit katalytischen Methoden bisher nur im Isomerengleichgewicht84 erzeugt – isolierte Ausbeuten sind lediglich für eine photolytische Methode mit stöchiometrischer Menge an Eisenpentacarbonyl beschrieben.85 In einer zweistufigen Reaktionssequenz wird dabei die stabilisierende Wirkung der Fe(CO)3-Einheit für Oxadien- Systeme wie α,ß- ungesättigte Ester genutzt, die zu einer η 4–Koordination führt und bereits in Steroidsynthesen genutzt wurde.86 Durch Zugabe von Pyridin oder Kohlenmonoxid wird der Komplex zersetzt und es entsteht das gewünschte Produkt 15 (Schema 14).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 14. Ultraviolett-Photolyse von Methyloleat (2) mit Eisenpentacarbonyl. 85

Terminale Doppelbindungsisomere ungesättigter Fettsäuren stellen eine weitere Verbindungsklasse von synthetischem Interesse dar, da sie eine vielfältige Folgechemie aufweisen. Zum Beispiel werden langkettige Aldehyde, die als Polymeradditive auf Grundlage nachwachsender Rohstoffe zum Einsatz kommen, mit Synthesegas aus 2 dargestellt. Ein Ruthenium-Phosphin-Komplex katalysiert die Umsetzung bei 20 bar, wobei die interne Doppelbindung des Ölsäureesters zum Alkyl-Terminus der Kette wandert und dort selektiv CO und H2 addiert werden.19 Ein anderes System auf Iridiumbasis kann zur selektiven Isomerisierung von 2 mit anschließender Hydroborierung mit Pinakolboran eingesetzt werden. Obwohl die Entstehung eines Produktgemisches von hydroborierter und gesättigter Spezies beschrieben ist, findet sich nur ein einziges borhaltiges Produkt – Beleg für die hohe Selektivität der verwendeten Abfangreaktion an der terminalen Doppelbindungsposition.84

Darüber hinaus ist die Doppelbindungsisomerisierung auch mit starken Basen, in Form nucleophiler allylischer Umlagerungen, im Zuge electrocyclischer und sigmatroper Umlagerungen und auch photochemisch realisiert worden – Methoden, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll.75

Mit Hilfe bestimmter Übergangsmetallverbindungen lassen sich also thermodynamisch nicht begünstigte Isomere – wie die internen Olefine und α,ß- ungesättigte Systeme – gezielt darstellen, was normalerweise nur in Ausnahmefällen möglich ist.87,88 Die Nutzung dieses Potentials zur selektiven Derivatisierung ungesättigter Fettsäuren erscheint damit möglich, herausfordernd und lohnenswert zugleich.

1.2.6 Lactone

Vorkommen und Verwendung

Das Strukturmotiv der cyclischen Carbonsäureester, auch Lactone genannt, ist in der Natur weit verbreitet. Sie sind Bestandteil vieler komplexer Naturstoffe89 und gewinnen als Synthons in der organischen Synthese an Bedeutung.90,91 Lactone finden sich in polycyclischen Sesquiterpenen wie Helenalin und Artabsin, in den biologisch wirksamen Steroiden Digitoxigenin und Strophantidin und auch als Makrocyclus in Exaltolid®, dem Duftstoff des Angelikawurzelöls (Schema 15).92

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 15. Ausgewählte Naturstoffe mit einer Lactoneinheit.

Gesättigte γ- Lactone kommen in vielen Gemüse- und Obstsorten vor, darunter Pfirsich, Mango, Aprikose, Maracuja und Erdbeere;93 außerdem in Wein und Milchprodukten.94 Als Zusatzstoffe in Margarine und anderen Lebensmitteln sorgen sie dafür, dass Geschmack und Aroma dem der natürlichen Butter ähneln. Das aliphatische γ- Octalacton beispielsweise wird bereits zur Verbesserung von Geschmack und Cremigkeit bestimmter Milchprodukte eingesetzt.95 Langkettige Lactone sind zudem aufgrund ihrer lipophilen Eigenschaften als Zwischenprodukte für die Kosmetikindustrie von Interesse, wo sie in Wachsen, Crèmes und Emulsionen Verwendung finden könnten. Die Folgechemie der Fettsäurelactone bietet vielversprechende Möglichkeiten zur Produktion von biologisch abbaubaren, tensidartigen Materialien und nichtionischen Detergentien.96

Die Reaktivität dieser Verbindungen wird vornehmlich für Ringöffnungsreaktionen genutzt (Schema 16). Hierbei entstehen durch alkalische Hydrolyse γ- Hydroxycarbonsäuren (A)97 und durch Umsetzung mit Alkoholen langkettige Carbonsäureester und -amide mit γ- Hydroxygruppen (B, C).98 Des Weiteren kann man langkettige γ- Lactone mit Zinkchlorid und Natriumborhydrid zu gesättigten 1,4-Diolen reduzieren (D)99 und auch so Wertstoffe mit interessanten Eigenschaften erhalten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 16. Folgechemie langkettiger γ-Lactone.

Synthese aus ungesättigten Carbonsäuren

Die Cyclisierung ungesättigter aliphatischer Carbonsäuren zu fünf- oder sechsgliedrigen Lactonen ist lange bekannt. Befindet sich die Doppelbindung in Position 3 oder 4, so ist zum Ringschluss keine Isomerisierung erforderlich. Bereits 1883 beobachtete Fittig, dass diese Säuren unter Einwirkung von wässriger Schwefelsäure in γ- Lactone übergehen.100 Linstead zeigte, dass α,β -ungesättigte Säuren unter diesen Bedingungen ebenfalls lactonisieren,101 wenn auch langsamer – dies wurde einige Jahre später von Ansell und Palmer bestätigt. Durch Umsetzung mit Schwefelsäure oder Trifluoressigsäure ließen sich C5- bis C8-Carbonsäuren mit Doppelbindung in einer der Positionen 2 bis 6 in die gesättigten γ- oder δ- Lactone überführen. Die höchsten Ausbeuten von bis zu 65 % ergaben sich hierbei für Substrate, bei denen keine Isomerisierung der Doppelbindung notwendig ist (Tabelle 3, Eintrag 1).102 In einer neueren Arbeit beschreiben Coulombel und Duñach eine katalytische Lactonisierungs- methode für ß,γ- oder γ,δ -ungesättigte Carbonsäuren (Schema 17). Mit Trifluormethan- sulfonsäure (0.5 bis 5 mol-%) in Nitromethan konnten für einige Substrate Ausbeuten von bis zu 84 % an γ- oder δ- Lacton erzielt werden (Eintrag 2).103

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 17. Direkte katalytische Lactonisierung nach Coulombel und Duñach.

Langkettige Carbonsäuren sind schwieriger in Lactone zu überführen, wenn die Doppelbindung mehr als sechs Positionen von der Carboxylgruppe entfernt ist. Ölsäure (1) als 9-Alkencarbonsäure lieferte beim Versetzen mit konzentrierter Schwefelsäure oder beim Erhitzen mit Zinkchlorid deshalb nur Spuren von γ- Stearolacton (16), wie Geitel 104 und Benedikt 105 berichten. Eine verbesserte Prozedur mit einer Ausbeute von 30 % fand Clutterbuck im Jahre 1924.97 Ein wirklicher Fortschritt im Hinblick auf Ausbeuten gelang Showell et al. mit dem Einsatz von Perchlorsäure zur Lactonisierung der Fettsäure 1.106 Mit einem Äquivalent Perchlorsäure ließ sich bei 100 °C eine Ausbeute von 60 bis 75 % an γ- Lacton 16 erzielen (Eintrag 3), wobei an dieser Stelle auf die schwierige Aufreinigung des Produktes und die anspruchsvolle Handhabung des verwendeten Mediators hingewiesen werden sollte.107

Tabelle 3. Auswahl einiger Lactonisierungsmethoden für ungesättigte Carbonsäuren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

a) Es wurden 92 mg pro mmol Substrat verwendet. b) GC-Ausbeute.

1987 erschien ein Patent zur Herstellung von 16 aus 1 unter Einwirkung von drei Äquivalenten Methansulfonsäure, wobei eine Ausbeute von 59 % an Lactonen verzeichnet wird. Es entsteht ein Gemisch aus γ- (16) und δ- Stearolacton (17) im Verhältnis 20:1 (Eintrag 4).108 Eine umgekehrte Selektivität ergibt sich laut Cermak und Isbell bei niedrigeren Temperaturen: Sie konnten die beiden Lactone 16 und 17 im Verhältnis 1:15 und in einer Ausbeute von 85 % per GC registrieren, als sie 1 mit zwei Äquivalenten Schwefelsäure bei Raumtemperatur umsetzten (Eintrag 5).109

Für ungesättigte Fettsäuren mit der Doppelbindung in einer Entfernung von acht oder neun Positionen vom Carboxylterminus sind dagegen nach heutigem Stand nur zwei katalytische bzw. substöchiometrisch vermittelte Lactonisierungsmethoden beschrieben. Kanetkar et al. verwendeten para- Toluolsulfonsäure oder Orthophosphorsäure, um 10-Undecensäure (18) in das gesättigte γ- Undecalacton (19) zu überführen. Sie erzielten bei einer Katalysatorbeladung von 49 mol-% in einer lösemittelfreien Reaktion bei 135 °C eine Ausbeute von 60 % an 19 (Eintrag 6).93 Angelici et al. nutzten für diese Umsetzung heterogene Katalysatoren wie das sulfonierte Polystyrolharz Amberlyst-15 und das perfluorierte Sulfonsäureharz Nafion, die wiederverwendet werden können. Gute Ausbeuten von bis zu 82 % beschreiben diese Autoren für die Lactonisierung aliphatischer Alkencarbonsäuren mit bis zu sieben C-Atomen, wobei überwiegend die γ- Isomere gebildet werden (Eintrag 7). Für Substrate mit längeren Ketten wie 18 und 1 brachen die Ausbeuten jedoch auf 48 % und 30 % ein (Einträge 8 und 9).110

Die Synthese langkettiger Lactone aus ungesättigten Fettsäuren ist also überwiegend durch intramolekulare Addition der Carboxylgruppe an die Doppelbindung ohne vorherige Isomerisierung realisiert worden. Da natürliche Fettsäuren wie 1 die Doppelbindung jedoch in einer weit von der Carboxylgruppe entfernten Position tragen, ist die isomerisierende Cyclisierung zu γ- und δ- Lactonen von größerem synthetischem Interesse. Die bisher beschriebenen Methoden erfordern stöchiometrische oder substöchiometrische Mengen an Reagentien, die mitunter schwierig handzuhaben sind,106 oder es treten Selektivitäts- und Isolierungsprobleme auf.109 An dieser Stelle bietet sich demnach Raum für die Entwicklung einer neuen, einfachen katalytischen Methode zur Synthese langkettiger Lactone aus freien ungesättigten Fettsäuren.

1.3 Problemstellung und Ziele

1.3.1 Aufgabenstellung

Ausgehend von natürlichen ungesättigten Fettsäuren sollen neue katalytische Transformationen gefunden werden, um Wertstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen zu erzeugen. Im Vordergrund steht dabei die Vergrößerung des Methoden- und Produktspektrums, das aus natürlichen Fettsäuren auf möglichst einfachem Wege zugänglich ist. Angestrebt werden sollen einstufige Synthesen, die günstig und effektiv – also unkompliziert und mit möglichst geringem Aufwand – zur nachhaltigen Wertschöpfung aus gut zugänglichen Startmaterialien und Reagentien beitragen. Wichtige Leitlinien könnten hierzu die Prinzipien der „Grünen Chemie“ sein, die als Ziel den Einsatz innovativer Verfahren aus der Forschung in konkreten, umweltfreundlichen Anwendungen verfolgen.111 Zu diesen Prinzipien zählen Abfallvermeidung und Einsatz nachwachsender Rohstoffe ebenso wie höchstmögliche Atomökonomie und der Einsatz katalytischer Verfahren. Es sollen darüber hinaus literaturbekannte Derivatisierungsmethoden auf ihre Eignung zur Umsetzung natürlicher Fettsäuren zu wertvollen Zwischenprodukten untersucht und erweitert werden.

1.3.2 Ziele dieser Arbeit

Anhand der oben betrachteten Aufgabenstellung ergeben sich Möglichkeiten der Funktionalisierung ungesättigter Fettstoffe, wie zum Beispiel mittels Metathese, Amidierung, Decarboxylierung und Doppelbindungsisomerisierung. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass die erwähnten Grundprinzipien zum Zuge kommen, vor allem die übergeordnete Leitlinie „einfache Substrate – einfache Katalysatoren – einfache Reaktionsführung“. Als konkrete Ziele wurden hier gesetzt:

I. Die Überprüfung des patentfreien Katalysators 4 auf seine Eignung zur Homo- und Kreuzmetathese ungesättigter Fettstoffe.

Geklärt werden soll hierbei, ob es durch geschickte Wahl der Substrate möglich ist, mit einem einfachen Katalysatorsystem wertschöpfende Homo- und Kreuzmetathesen mit nachwachsenden Rohstoffen durchzuführen, ohne neue Katalysatoren zu entwickeln.

II. Die direkte Derivatisierung von Fettsäuren an der Carboxylgruppe durch Amidierung und Decarboxylierung.

Für die Synthese langkettiger Amide soll eine umweltfreundliche, einfache Methode gefunden werden, die ohne toxische Kupplungsreagentien auskommt und möglichst keine vorgeschaltete Aktivierung der Carbonsäure erfordert. Im Vordergrund stehen zunächst Umsetzungen freier Fettsäuren, die eventuell in die Entwicklung einer generell anwendbaren Methode münden. Die bisher nicht realisierte katalytische Decarboxylierung ungesättigter Fettsäuren soll auf Basis einer vielversprechenden Ruthenium-katalysierten Methode66 auf Durchführbarkeit untersucht werden.

III. Die Doppelbindungsisomerisierung einfach ungesättigter Fettsäuren mit dem Ziel der selektiven Derivatisierung zu Wertstoffen.

Es sollen neue katalytische Transformationen gefunden werden, die ein thermodynamisches Gleichgewicht von Carbokationen oder Doppelbindungsisomeren erzeugen und gezielt eine Spezies zur Reaktion bringen – diese würde dann im Gleichgewicht nachgeliefert, bis ein einheitliches Produkt in möglichst hoher Gesamtausbeute gebildet wird. Ein derartiger Reaktionstyp könnte zum Beispiel das Potential zur Entwicklung einer neuen katalytischen Lactonisierungsmethode ungesättigter Fettsäuren haben. Zum Abfangen bestimmter Zielisomere, wie in situ generierte Michael -Systeme, könnten außerdem N -Nucleophile eingesetzt werden. Die angestrebte Transformation sollte möglichst atomökonomisch sein und im Sinne der Nachhaltigkeit wertvolle Zwischenprodukte als Alternative zur Petrochemie liefern.

2 Ergebnisse und Diskussion

2.1 Direkte Derivatisierungen von Fettsäuren

2.1.1 Metathese ungesättigter Fettsäuren

Homometathese

Die Verschiebung des Metathesegleichgewichts (siehe Abschnitt 1.2.3) auf die Produktseite kann durch gezieltes Abtrennen eines Produktes aus der Reaktionsmischung geschehen. Im Rahmen eines Forschungspraktikums war es bereits gelungen, aus Methyl-10-undecenoat (9) durch Homometathese mit dem Katalysator 4 den ungesättigten 10-Eicosendisäuredimethylester (20) zu synthetisieren.112 Hierbei war lediglich eine Katalysatorbeladung von 0.01 mol-% nötig, um 20 in 87 % isolierter Ausbeute zu erhalten. Die Zielverbindung ist bisher nur über die WCl6/SnMe4-katalysierte Homometathese von 9 zugänglich, wobei mit 5 mol-% Katalysatorbeladung ein Umsatz von 35 % zu einem Gemisch von 20 mit chlorierten Nebenprodukten beschrieben ist.31b

Um diese vielversprechenden Ergebnisse nachzuvollziehen, wurden eigene Reaktionen zur Homometathese von 9 unter vermindertem Druck und unter den optimierten Bedingungen durchgeführt (50 °C, 10 mbar, kein LM), jedoch konnte erst ab einer Katalysatorbeladung von 5 mol-% Umsatz verzeichnet werden (Schema 18). Es kam für diese Experimente eine andere Katalysator-Charge zum Einsatz als bei den Vorarbeiten, so dass hierin ein Grund für den großen Reaktivitätsunterschied liegen könnte. Das Material wurde direkt nach Erhalt visuell geprüft und wies die erwartete rotbraune Farbe auf, und mittels Elementaranalyse konnte eine Zersetzung nahezu ausgeschlossen werden. Dennoch blieb die Aktivität hinter den Erwartungen zurück und der ungesättigte Diester 20 konnte in einer isolierten Ausbeute von 35 % erhalten werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 18. Homometathese von Methyl-10-undecenoat (9) mit Katalysator 4.

Von größerem Interesse als terminal ungesättigte Substrate sind solche mit interner Doppelbindung, wie sie die meisten natürlichen Fettsäuren aufweisen. Diese besitzen allerdings eine geringere Reaktivität für Metathesen und es können mehr Nebenprodukte gebildet werden. Zudem unterliegen die beiden gewünschten Produkte – das α,ω- funktionalisierte Olefin und der intern ungesättigte, symmetrische Kohlenwasserstoff – im Reaktionsgleichgewicht einer möglichen Kreuzmetathese, die wieder das Edukt liefert. Als Alternative zur Reaktionsführung unter vermindertem Druck wurden nun solche Bedingungen untersucht, unter denen für 4 hohe Katalysatoraktivitäten beschrieben sind.36b,37a,40b

[...]

Final del extracto de 103 páginas

Detalles

Título
Neue katalytische Transformationen ausgehend von natürlichen Fettsäuren
Universidad
University of Kaiserslautern  (Organische Chemie und Katalyse)
Calificación
1,0
Autor
Año
2008
Páginas
103
No. de catálogo
V463483
ISBN (Ebook)
9783668946361
ISBN (Libro)
9783668946378
Idioma
Alemán
Palabras clave
Organische Chemie, Fettsäuren, Methodenentwicklung, Nachhaltigkeit, Katalyse
Citar trabajo
Dominik Ohlmann (Autor), 2008, Neue katalytische Transformationen ausgehend von natürlichen Fettsäuren, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/463483

Comentarios

  • No hay comentarios todavía.
Leer eBook
Título: Neue katalytische Transformationen ausgehend von natürlichen Fettsäuren



Cargar textos

Sus trabajos académicos / tesis:

- Publicación como eBook y libro impreso
- Honorarios altos para las ventas
- Totalmente gratuito y con ISBN
- Le llevará solo 5 minutos
- Cada trabajo encuentra lectores

Así es como funciona