Corporate Shitstorm Management. Wie Unternehmen richtig reagieren und kommunizieren


Livre Spécialisé, 2019

112 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Ausgangslage
1.2 Zielsetzung der Arbeit
1.3 Aufbau und Methodik

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Überblick über Definition, Entstehung und Angebotsbreite von Social Media
2.2 Wortbedeutung, Definition, Merkmale und Ursachen von Shitstorms
2.3 Warum Literatur über Krisenmanagement für Shitstorms relevant ist
2.4 Warum Literatur über Beschwerdemanagement für Shitstorms relevant ist

3 Darstellung und Diskussion von Shitstorm-Fällen aus Unternehmen verschiedener Branchen
3.1 Beispiel Dell: Der erste Shitstorm aufgrund von Produktmängeln und mangelhaftem Kundenservice
3.2 Best Practice Beispiel McDonald’s und Adidas versus Worst Practice Beispiel Orange: Der unternehmensfremde Shitstorm
3.3 Beispiel Nestlé: Kein Umdenken nach Verletzung moralischer Grundsätze und umweltbedenklicher Zulieferer
3.4 Beispiel United Airlines: Achtloser Umgang mit Fluggastgepäck
3.5 Beispiel UPS: Fehltritt der Mitarbeiter und Worst Practice Reaktion des Unternehmens
3.6 Beispiel Domino’s Pizza: Fehltritt der Mitarbeiter und Best Practice Reaktion des Unternehmens
3.7 Best Practice Beispiel Otto versus Worst Practice Beispiel Henkel: Der Umgang mit unkalkulierbaren Ergebnissen von Crowdsourcing
3.8 Diskussion der Fallbeispiele

4 Die Rahmenbedingungen von Shitstorms
4.1 Shitstorms – ein neueres Phänomen
4.2 Darstellung der Motive der Verursacher eines Shitstorms
4.3 Gegenüberstellung zweier Erklärungsansätze zur Dynamik von Shitstorms
4.4 Der Ton und die Rolle der Medien

5 Die Angst vor Shitstorms und potentielle Folgen für das betroffene Unternehmen

6 Corporate Shitstorm Management
6.1 Vorbeugende Maßnahmen
6.2 Mögliche Reaktionsstrategien
6.3 Die ausgewählte Strategie kommunizieren
6.4 Überwachung der Konsequenzen

7 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abstract

Wenn sich eine Person oder ein Unternehmen aufgrund eines spezifischen Vorfalls der geballten Kritik vieler Menschen in den sozialen Medien gegenübersieht, spricht man von einem Shitstorm. In den vergangenen Jahren wurden Unternehmen vermehrt von solchen Shitstorms getroffen, was negative Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Unternehmen sowie die Unternehmensreputation hat. Daher ist es notwendig zu wissen, mit welchen Maßnahmen man einem Shitstorm vorbeugen kann und wie man als betroffenes Unternehmen am besten reagiert. Zu diesem Zweck sollte man sich mit den Ursachen und Rahmenbedingungen von Shitstorms vertraut machen. Hierfür soll die vorliegende Bachelorarbeit eine Hilfestellung bieten. Die möglichen Reaktionsstrategien werden vorgestellt und anschließend mit Hilfe von Studien bewertet. Anhand von Positiv- und Negativbeispielen aus der Unternehmenspraxis soll aufgezeigt werden, wie betroffene Unternehmen im konkreten Fall reagiert haben und was man aus ihrem Verhalten lernen kann. Da jeder Shitstorm ein individueller Fall ist, muss auch die Reaktion jeweils auf die besonderen Umstände abgestimmt werden. Grundsätzlich haben sich jedoch eine ausführliche Entschuldigung, sowie die Zusage, Wiedergutmachung für den Schaden zu leisten als besonders effektiv in der Wiederherstellung des Vertrauens und der Reputation des betroffenen Unternehmens erwiesen.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Global Social Media Prisma

Abbildung 2: Häufigkeitsverteilung der Ursachen von Shitstorms in den 50 untersuchten Fällen

Abbildung 3: Blutiger Orang-Utan Finger statt KitKat in der Kampagne von Greenpeace

Abbildung 4: Abgewandelte Version des Nestlé und des KitKat Logos

Abbildung 5: Zusammenhang Zulieferer Sinar Mas und Nestlé

Abbildung 6: Ranking der eingereichten Prilflaschen Designs

Abbildung 7: Die zu den Gewinnern gekürten Designs des Pril-Wettbewerbs

Abbildung 8: Fotobewerbung von „Brigitte“ alias Sascha Mörs aus Koblenz

Abbildung 9: Anzahl der Social Media Krisen pro Jahr von 2001-2011

Abbildung 10: Typischer Shitstorm-Verlauf im Fall eines Spillover

Abbildung 11: ironischer Fotokommentar auf Twitter zu United Airlines

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Shitstorm Skala

Tabelle 2: Definition und Messkriterien der Antezedenzien

Tabelle 3: Zusammenfassung möglicher Reaktionsstrategien


1 Einleitung

1.1 Ausgangslage

Ob Dell, Domino's Pizza, McDonald's oder Adidas. Alle diese Unternehmen wurden schon einmal Opfer eines Shitstorms. (Buchenauer und Fürtbauer 2015; Steinke 2014) Wenn sich in den sozialen Medien negative Kommentare oder Beiträge gegen eine Person oder ein Unternehmen aufgrund eines spezifischen Themas häufen, spricht man von einem Shitstorm. (Fiederer und Ternès 2017) Die Umstände eines jeden Shitstorms variieren jedoch stark von Fall zu Fall. Dell beispielsweise wurde bei seinem Kundenservice und den Qualitätsstandards der Produkte nachlässig, was ihnen den Zorn der Kunden einbrachte. Anfangs stieß diese Kritik bei Dell auf taube Ohren. Erst als sich die Negativkommentare im Anschluss an einen feurigen Beitrag von Blogger Jeff Jarvis vervielfachten und Dell sich einem der ersten Shitstorms überhaupt gegenübersah, reagierte das Unternehmen. (Steinke 2014) Domino's Pizza gilt hingegen als eines der Best Practice Beispiele in Sachen Shitstorms. (Buchenauer und Fürtbauer 2015) Nachdem zwei Mitarbeiter auf äußerst unpassende Weise Scherze mit dem zuzubereitenden Essen trieben und ein Video davon auf YouTube hochluden, erreichte Domino's Pizza eine Flut an Beschwerden und aufgebrachter Kundenkommentare. Anstatt sich davon aus der Ruhe bringen zu lassen, konterte Domino's Pizza mit einem Stellungnahme-Video, das alle Tipps einer vorbildlichen Shitstorm-Reaktion beinhaltet und nahm den Kritikern damit deutlich Wind aus den Segeln. Leider gibt es auch Unternehmen, die sich weniger vorbildlich verhalten. Nestlé beispielsweise steht immer wieder in der Kritik, sei es für umweltschädliche Nespresso-Kapseln, das gierige Geschäft mit Wasser oder verunreinigtes Babymilchpulver. (Grimm 2015) Der wohl bekannteste Shitstorm des Unternehmens ist aber der gegen seinen Schokoriegel KitKat. Das Video, welches einen Büroangestellten zeigt, wie er genüsslich in einen haarigen Orang-Utan Finger aus der KitKat Verpackung beißt, während ihm Blut aus dem Mund tropft, ging um die Welt. Während Nestlé nach außen hin versucht den Schein eines ethisch verantwortlichen Unternehmens zu wahren, sprechen die Unternehmenspraktiken eine andere Sprache. (Grimm 2015; Iseli 2016) Doch auch Unternehmen, die keine Schuld an der Ursache des Problems tragen, können Opfer eines Shitstorms werden. Dies haben Adidas und McDonald's als Sponsoren der Fußball Europameisterschaft gezeigt, als sie ungerechtfertigt ins Kreuzfeuer der Tierschützer gerieten, die gegen die Hundetötungen im Gastland Ukraine protestierten. (Meedia 2011)

All diese Shitstorms hatten ihren Ursprung in den Social Media im Social Web1. Wenn ein Unternehmen sich also dazu entschließt, sich der Netzgemeinde via Social Media zu öffnen, macht es sich automatisch angreifbar. (Fyda) Denn verglichen mit den offiziellen Kanälen des Unternehmens, auf denen Inhalte gezielt gesteuert werden können, entscheiden bei Social Media primär die Nutzer, über was gesprochen wird. (Cheung und Lee 2012; Chu und Kim 2011) So kann es gut sein, dass die Vorstellung eines neuen Duschgels von Nivea auf deren Facebook-Seite, umschlägt in eine hitzige Diskussion über umweltschädliche Inhaltsstoffe, angestoßen durch Kommentare einiger kritischer Konsumenten. Das traditionelle Marketing hat sich von einer einseitigen Kommunikation durch das Unternehmen gewandelt hin in Richtung eines direkten Dialoges mit den Kunden via Social Media. Dadurch entziehen sich die Inhalte auf den Kanälen der uneingeschränkten Kontrolle der Unternehmen. (Weinberg 2014)

Diese Tatsache kann einem Unternehmen zum Verhängnis werden, wenn es mit Kritik konfrontiert wird. Mit den zunehmenden Nutzerzahlen im Bereich Social Media steigt auch die Masse an Kunden, denen sich das Unternehmen im Netz gegenüber sieht. Damit vergrößert sich das potentielle Risiko, mit unzufriedenen Kunden konfrontiert zu werden. Häufen sich solche Konfrontationen bezüglich eines bestimmten Themas, kann es zu einem echten Corporate Shitstorm, also einem Shitstorm gegen ein Unternehmen, kommen. (Beham 2015)

Möchte ein Unternehmen potentiell daraus resultierende Imageschäden begrenzen, muss es reagieren. Anbieter, die hierbei Unterstützung bieten, gibt es viele. Das Geschäft mit den Shitstorms floriert, mitunter auch, weil immer mehr Unternehmen von Shitstorms getroffen werden. (Owyang 2011) Die meisten Social Media Ratgeber widmen dem Thema Shitstorms mindestens ein Buchkapitel und auch viele Unternehmen, die Internetauftritte von Firmen gestalten oder betreuen, bieten extra Shitstorm-Beratung. So hat die PR Agentur Mashup Communications GmbH beispielsweise einen Eintrag auf ihrer Homepage verfasst: „Was tun bei akutem Shitstorm? 10 Tipps für Unternehmen“. (Holthaus 2016) Die Kommunikationsagentur talkabout communications GmbH bietet auf ihrer Homepage Shitstorm-Beratung von Spezialisten an, dies sogar über eine eigens dafür eingerichtete Hotline. (talkabout communications) Auch Unternehmensberatungen haben ihr Dienstleistungsportfolio in dieser Hinsicht erweitert. Bei ADVICEPARTNERS kann man beispielsweise Shitstorm-Workshops für die eigene Firma buchen oder Shitstorm-Controlling-Programme kaufen. Auch deren Auswertung übernimmt ADVICEPARTNERS bei Buchung dieser Dienstleistung gleich mit. (ADVICEPARTNERS 2017)

Shitstorms sind also nicht mehr nur Phänomene, die einfach passieren und denen ein Unternehmen wehrlos gegenübersteht. Es gibt Möglichkeiten, sich darauf vorzubereiten und zahlreiche Hilfestellungen, um im akuten Fall richtig zu reagieren.

1.2 Zielsetzung der Arbeit

Auch die Fachliteratur hat sich zunehmend mit dem Thema Shitstorms auseinandergesetzt. Doch was genau verstehen wir heutzutage eigentlich unter dem Thema Shitstorm Management? Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, Shitstorms aus der Unternehmensperspektive zu beleuchten. Welche Präventionsmaßnahmen werden aktuell empfohlen und diskutiert? Und wie geht man als Unternehmen am besten damit um, falls man betroffen ist? Außerdem stellt sich die Frage nach den Rahmenbedingungen eines Shitstorms. Was sind Themen, die im Zusammenhang mit Shitstorms immer wieder diskutiert werden? Mit diesen Fragen setzt sich die vorliegende Bachelorarbeit auseinander.

1.3 Aufbau und Methodik

Zu Beginn soll in den theoretischen Grundlagen erläutert werden, was Social Media und Shitstorms sind, welche Merkmale sie haben und wie sie zusammenhängen. Zudem wird aufgezeigt, warum sowohl die Krisenkommunikation als auch das Beschwerdemanagement relevant für die Recherche über Shitstorms sind. Anhand von Best und Worst Practice Fällen soll in Kapitel 3 eine Idee vermittelt werden, welche Form Shitstorms in der Unternehmenspraxis annehmen können und was man aus den gemachten Erfahrungen lernen kann. Des Weiteren wird in Kapitel 4 erklärt, warum Shitstorms eine solche Dynamik entwickeln und welche Faktoren hierbei eine Rolle spielen. Im weiteren Verlauf werden in Kapitel 5 die Angst vor Shitstorms und die potentiellen Konsequenzen von Shitstorms für Unternehmen beleuchtet. Kapitel 6 befasst sich mit dem richtigen Verhalten rund um Shitstorms. Zunächst werden Präventionsmaßnahmen aufgezeigt, die zur Vorbeugung ergriffen werden können. Anschließend wird ein Überblick über die zur Verfügung stehenden Reaktionsstrategien gegeben. Es folgen studiengestützte Empfehlungen, unter welchen Voraussetzungen welche Strategie am erfolgversprechendsten ist, um die verlorene Reputation und das Vertrauen der Stakeholder wiederherzustellen. Abschließend wird noch aufgeführt, welche Aspekte bei der Durchführung der ausgewählten Strategie zu beachten sind, untermauert durch weitere konkrete Fallbeispiele. Die Bachelorarbeit schließt mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick.

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Überblick über Definition, Entstehung und Angebotsbreite von Social Media

Laut einer Umfrage von Bitkom Research aus dem Jahr 2017 nutzen 68% aller Smartphone-Nutzer ihr Handy für soziale Netzwerke. (Ametsreiter 2017) Der Trend geht in Richtung sofort und von überall Zugang zu Infos und mobilem Internet zu haben, immer vernetzt zu sein, um persönliche Dinge mit allem und jedem zu teilen – vorzugsweise via Social Media. (Bühl 2013; Hoffmann 2016a; Lammenett 2017) Allein in Deutschland nutzten im Januar 2017 28 Millionen Menschen aktiv soziale Netzwerke, das sind 35% aller Deutschen. (2017 Digital Yearbook) Dieses Potential für einen großen Absatz- und Werbemarkt hat auch die Wirtschaft für sich entdeckt. (Geißler 2010) Die Hauptgründe für die Nutzung von Social Media im Unternehmen sind, neben engerem Kundenkontakt und Steigerung des Bekanntheitsgrades, vor allem Marketingzwecke. (Wenk-Fischer und Zirbes 2016) Ganze 60% der Marketingverantwortlichen aus Unternehmen gaben in einer Umfrage des Online-Portals statista an, Social Media häufig oder sehr häufig als Werbekanal zu nutzen. (statista 2016) Ganz vorne auf der Beliebtheitsskala der Social Media Kanäle bei Unternehmen stehen weltweit Facebook, LinkedIn (die amerikanische Version von Xing), YouTube, Instagram und Twitter. (Ganim Barnes und Griswold 2017; Stelzner 2017)

Social Media bereiten mit ihren Plattformen die grundlegende Basis für Shitstorms. Daher soll zuerst näher auf Social Media und deren Definitionen eingegangen werden. Der Begriff „Social Media“ stammt aus dem Englischen und kann im Allgemeinen mit „soziale Medien“ übersetzt werden, wobei social gesellig, gesellschaftlich oder sozial bedeuten kann. (dict.cc Wörterbuch :: social :: Deutsch-Englisch-Übersetzung)

Entstanden sind Social Media etwa Anfang des 21. Jahrhunderts, wobei sich verschiedene Ausrichtungen entwickelt haben. Die folgende Aufzählung enthält einige ausgewählte und bekanntere Plattformen, um einen Überblick über die Breite und Nutzungszwecke von Social Media zu geben. Es gibt:

- klassische Messenger-Dienste wie WhatApp zum Austausch von Nachrichten
- soziale Netzwerke wie Facebook und Google+, zur Vernetzung mit Freunden und Bekannten
- kollaborativ erstellte, informative Plattformen wie Wikipedia, ähnlich einem Lexikon oder einer Enzyklopädie
- Blogs wie Twitter und Tumblr, zum Veröffentlichen selbst verfasster Texte
- Portale zum Teilen von Fotos und Videos, wie YouTube, Pinterest oder Instagram

(Geißler 2010; Weinberg 2014)

Natürlich gibt es noch viele weitere Plattformen, die zu Social Media gehören. Wie breit gefächert das Angebot an Social Media mittlerweile ist, zeigt das folgende Social Media Prisma. Es ist eine Darstellung über die relevantesten Social Media Plattformen und Anbieter, jeweils gebündelt nach Ausrichtung des Dienstes. Entworfen hat es Sten Franke, Mitbegründer der Social Media Clubs HH und MUC und Initiator des Arbeitskreises Social Media Bundesverband Digital Wirtschaft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Global Social Media Prisma

(Franke 2017)

Zwei mögliche Definitionen zu Social Media lauten folgendermaßen:

„Social Media [...] findet Verwendung als Überbegriff für Medien, in denen Internetnutzer Erfahrungen, Meinungen, Eindrücke oder Informationen austauschen und Wissen sammeln [...].“ (Mattscheck, S. 1)

„Der Begriff Social Media [...] steht für den Austausch von Informationen, Erfahrungen und Meinungen mithilfe von Community-Websites.“ (Weinberg 2014)

Was beide Definitionen gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass Kommunikation und Interaktivität im Mittelpunkt stehen. Bei Social Media geht es also um den Austausch mit einem Gegenüber. Geographische Grenzen zwischen den Nutzern werden durch die Vernetzung via Internet aufgelöst und somit eine internationale Kommunikation ermöglicht. (Geißler 2010) Es spielt keine Rolle mehr, in welcher Zeitzone man sich gerade auf der Welt befindet. Man kann prinzipiell immer und von überall ein Video kommentieren oder sich an einer Facebook-Diskussion beteiligen. Das erleichtert den Austausch und erhöht auch die Geschwindigkeit, mit der Informationen von A nach B gelangen. (Fiederer und Ternès 2017)

Zudem gibt es einige wichtige Begriffe, die im Zusammenhang mit Social Media von Bedeutung sind. Diese sollen im Folgenden kurz aufgeführt werden. Die „User“ sind die Nutzer einer Plattform. Die Ergebnisse, die durch Social Media von den Usern auf den Plattformen generiert werden, nennt man „User Generated Content“. (Geißler 2010; Weinberg 2014) Die Veröffentlichung eines Blogbeitrags oder Eintrags auf beispielsweise Facebook wird auch als „Post“ bezeichnet und stammt aus dem Englischen „to post“, zu Deutsch, „einen Beitrag verfassen“. (dict.cc Wörterbuch :: to post :: Deutsch-Englisch-Übersetzung; Weinberg 2014) Die Seiten eines Unternehmens oder einer Person auf Facebook werden auch „Fan Pages“ genannt. Wer der Fan Page einer anderen Person oder Seite folgt, ist ein „Follower“ oder „Fan“. Follower und Fans erhalten alle Benachrichtigungen über die Aktivitäten der Person oder Seite und können deren Posts „liken“ und kommentieren. Indem man einen Beitrag mit einem Like markiert, drückt man Gefallen oder seine Zustimmung aus, deshalb nennt sich dieser Button im deutschsprachigen Facebook auch „Gefällt mir“-Button. Like-Buttons gibt es auf Facebook, Twitter, Instagram und vielen weiteren Social Media Plattformen, auch wenn diese teilweise anders heißen oder anders aussehen. (Socialmedia Institute 2016)

2.2 Wortbedeutung, Definition, Merkmale und Ursachen von Shitstorms

Da nun mit Social Media die Grundlage für Shitstorms bereitet ist, soll im Folgenden auf die Definition von Shitstorms und dessen charakterisierende Merkmale eingegangen werden.

In Deutschland wurde der Begriff Shitstorm vor allem durch den Blogger Sascha Lobo geprägt, der 2010 einen einschneidenden Vortrag namens „How to survive a Shitstorm“ auf der Internetkonferenz re:publica in Berlin hielt. (Haarkötter 2016) Dadurch erhielt der Begriff Shitstorm erste Aufmerksamkeit. Zwei Jahre später wurde er in den Duden aufgenommen, wo er als „Sturm der Entrüstung“ (Duden 2017c) umschrieben wird. Eine wirklich adäquate Übersetzung gibt es im Deutschen nicht. Die Gesellschaft für deutsche Sprache hielt das Wort „Netzhetze“ für das passende deutsche Pendant und wählte es angesichts des vermehrten Gebrauchs des Wortes auf Platz sechs des deutschen Wortes des Jahres 2012. (Gesellschaft für deutsche Sprache e. V.)

Im Englischen ist der Begriff Shitstorm jedoch viel allgemeiner gehalten. Das English Oxford Dictionary beschreibt Shitstorm als “A situation marked by violent controversy” (Oxford Dictionaries), also eine Situation die durch einen heftigen Streit oder eine Auseinandersetzung charakterisiert wird. Es besteht kein direkter Bezug zu Social Media und es geht auch nicht um die Kritik der Masse an einer Person oder einem Unternehmen, wie es im Deutschen der Fall ist. In englischsprachiger Literatur haben sich für Shitstorms bevorzugt die Bezeichnungen „Negative Word-of-Mouth“ (negative Mundpropaganda) oder „(online) firestorm“ durchgesetzt. (Pfeffer et al. 2014) Trotzdem hat sich bei uns der Anglizismus Shitstorm als der geläufigste Begriff in diesem Zusammenhang gehalten und wurde 2011 zum Anglizismus des Jahres gewählt. (Anglizismus des Jahres 2011 2011; Haarkötter 2016; Stefanowitsch 2012)

Susanne Fiederer und Anabel Ternès nennen in ihrem Buch „Effiziente Krisenkommunikation – transparent und authentisch“ folgende Faktoren als charakterisierende Merkmale eines Shitstorms:

- „Schnelle Verbreitung in kürzester Zeit
- Viele kritische Kommentare
- Zum Teil beleidigend
- Deutlich höhere Zahl von Kommentaren oder Posts als der Tagesdurchschnitt
- Mitläufer und Kommentatoren ohne direkten Bezug zum eigentlichen Problem.“ (Fiederer und Ternès 2017, S. 18)

Wikipedias einleitender Satz zum Thema Shitstorms greift einige dieser Merkmale auf und lautet folgendermaßen:

„Shitstorm [...] (zusammengesetzt aus englisch shit „Scheiße“ und storm „Sturm“) bezeichnet im Deutschen das lawinenartige Auftreten negativer Kritik gegen eine Person oder ein Unternehmen im Rahmen von sozialen Netzwerken, Blogs oder Kommentarfunktionen von Internetseiten bis hin zur Schmähkritik.“ (Wikipedia 2017a)

Hier wird deutlich, dass ein Shitstorm allgemein gesehen sowohl eine Privatperson als auch ein Unternehmen als Ganzes treffen kann. Wie die Wikipedia-Definition bereits andeutet, gilt die Beschreibung aber vor allem für den deutschen Raum. Da die im Verlauf der Bachelorarbeit aufgeführten Fallbeispiele sowohl von deutschen als auch internationalen Unternehmen stammen, soll zudem betrachtet werden, wie die englischsprachige Literatur das Pendant zum deutschen Shitstorm definiert. In dem 2014 erschienenen, englischen Aufsatz „Understanding online firestorms: Negative word-of-mouth dynamics in social media networks“ der Forscher Pfeffer, Zorbach und Carley wird ein online firestorm wie folgt definiert: „We define an online firestorm as the sudden discharge of large quantities of messages containing negative WOM [Word of Mouth] and complaint behavior against a person, company, or group in social media networks. In these messages, intense indignation is often expressed, without pointing to an actual specific criticism.“ (Pfeffer et al. 2014, S. 118) Auch hier werden, wie im Deutschen, Merkmale wie das plötzliche Auftreten, die massenhafte, negative Kritik gegen eine Person oder ein Unternehmen und der Zusammenhang mit Social Media genannt. So wird zwar im Deutschen unter Shitstorm nicht exakt das Selbe verstanden wie im Englischen, allerdings gibt es auch hier mit online firestorm eine Entsprechung, die das gleiche Phänomen beschreibt.

Dass auch ein Unternehmen Opfer eines Shitstorms werden kann haben in der Vergangenheit Firmen wie Nestlé oder Dell gezeigt. (Buchenauer und Fürtbauer 2015) Für einen Corporate Shitstorm gibt Diplomkaufmann Frank Beham in seinem Springer-Essential „Corporate Shitstorm Management“ eine explizit auf Unternehmen bezogene Definition: „Ein Shitstorm bezeichnet die öffentliche Kommuni­kation über einen unternehmensinternen Missstand – vorrangig im Social Web –, die durch ein überdurchschnittlich großes Beitragsvolumen mit überwiegend kritischem und teils unsachlichem Ton innerhalb kurzer Zeit charakterisiert ist. Diese bezweckt die Durchsetzung von Stakeholder-Interessen und kann potenziell eine krisenhafte Wirkung haben.“ (Beham 2015, S. 2)

Diese Definition nennt, neben den bereits erwähnten Merkmalen, den unternehmensinternen Missstand als Auslöser. Zudem werden als Zweck des Shitstorms die Durchsetzung persönlicher Interessen und die potentiell krisenhafte Wirkung als Ergebnis genannt. Damit gibt Behams Definition eine prägnante Komprimierung der Themenbereiche eines Shitstorms: Ursache, Merkmale, Zweck und potentielle Folge.

Im Folgenden sollen einige potentiell denkbare Ursachen eines Shitstorms aufgezeigt werden. Allgemein ist der Ursprung eines Shitstorms meist ein vom Stakeholder subjektiv wahrgenommener Missstand. (Beham 2015) Dieser entsteht dadurch, dass entweder das Handeln oder die Kommunikation des betroffenen Unternehmens in einer bestimmten Situation als enttäuschend empfunden wird. (Beham 2015; Buchenauer und Fürtbauer 2015; Reuter 2015) Beispiele hierfür sind Fehltritte des Unternehmens oder der Mitarbeiter, Produktmängel mit Auswirkungen auf Leben oder Umwelt, mangelhafter Kundenservice beziehungsweise Beschwerdemanagement und die Verletzung ethischer oder moralischer Grundsätze. (Brock 2009; Fiederer und Ternès 2017; Folger und Röttger 2015)

Jeremiah Owyang ist Web-Strategy-Analytiker zum Thema Nutzung von Internettechnologien für den Kundenkontakt. Er untersuchte in einer Studie in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung Altimeter Group 50 Social Media Krisen im Zeitraum von 2001 bis 2011. Sie beschäftigten sich unter anderem mit der Untersuchung des Ursprungs von Shitstorms. Abbildung 2 zeigt die Häufigkeitsverteilung der Ursachen, wobei ein Shitstorm mit mehreren Ursachen in die Statistik eingehen durfte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Häufigkeitsverteilung der Ursachen von Shitstorms in den 50 untersuchten Fällen

(Owyang 2011)

Die Top drei Ursachen sind dabei mit einigem Abstand die Offenlegung schlechter Erfahrungen mit dem Unternehmen durch den Kunden (in 30% der Fälle die Ursache), schlechte Beziehungen des Unternehmens zu einflussnehmenden Stakeholdern (28%), wie beispielsweise den Medien, sowie die Missachtung ethischer Richtlinien und Vorgaben (24%). Weitere Ursachen in seiner Aufstellung sind:

- fehlgeleitete Mitarbeiter, die sich unpassend verhalten (16%)
- unangebrachter Inhalt der Posts (14%)
- Astroturfing, also „politische Public-Relations- und kommerzielle Werbeprojekte, die darauf abzielen, den Eindruck einer spontanen Graswurzelbewegung vorzutäuschen“ (Wikipedia 2017e) (12%)
- Missachtung rechtlicher Grundsätze (12%)
- Community Censorship, also das Verändern oder Bearbeiten von User Generated Content auf den eigenen Online-Kanälen (10%)
- Attacken durch Nichtregierungsorganisationen (10%)
- Schlechte oder fehlerhafte Faktenüberprüfung (8%)
- Zu langsame Reaktionszeiten (8%)
- Unangebrachte Reaktion auf Posts von Usern (4%)

Christian Faller, Geschäftsführer der Onlinemarketing Agentur deepr, untersuchte, inspiriert durch Owyangs Studienaufbau, 30 Social Media Krisen aus dem Jahr 2011 und stieß dabei auf ähnliche Häufigkeitsverteilungen bei Shitstorm-Ursachen. Auch hier sind Produktbeschwerden von Kunden der häufigste Grund (28,6%), dicht gefolgt von der Verletzung ethischer Grundsätze (25%). Schlechte Beziehungen des Unternehmens zu einflussnehmenden Stakeholdern nimmt Faller nicht als Ursache in seine Auflistung mit auf. An dritter Stelle stehen in Fallers Untersuchungen unangebrachte Inhalte der Posts (10,7%) und fehlgeleitete Mitarbeiter, die sich unpassend verhalten (10,7%), gefolgt von einer zu langsamen Reaktionszeit (7,1%). Alle anderen Ursachen hatten die gleiche Häufigkeit (3,6%):

- Missachtung rechtlicher Grundsätze
- Security Breaches
- Unangebrachte Reaktion auf Posts von Usern
- Community Censorship, also das Verändern oder Bearbeiten von User Generated Content auf den eigenen Online-Kanälen
- Schlechte oder fehlerhafte Faktenüberprüfung (Faller 2012)

Alles in allem sind die Ergebnisse der Untersuchungen von Owyang und Faller relativ ähnlich. Daraus könnte man schlussfolgern, dass Produktbeschwerden von Kunden und die Verletzung ethischer Grundsätze die häufigsten Gründe für Shitstorms darstellen. Allerdings ist auch denkbar, dass beide teilweise die gleichen Shitstorms untersuchten, und sie daher zu ähnlichen Ergebnissen kommen.

Zudem ordnete Faller in seinen Untersuchungen noch die Ursachen dem Verursacher zu. Hierbei unterschied er zwischen dem Unternehmen selbst, den Kunden oder anderen Interessensgruppen (Medien, Konkurrenten etc.) als Verursacher. Es zeigte sich, dass mehr als die Hälfte der Shitstorms (54%) durch Kunden des Unternehmens ausgelöst wurden, also durch direkte Kundenkritik. Für 33% war das Unternehmen selbst verantwortlich, wobei hier vor allem das Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter oder schlechte Marketinginitiativen ins Gewicht fielen. Lediglich 13% wurden durch andere Interessensgruppen verursacht, wie beispielsweise im Fall Nestlé durch Greenpeace, worauf in Kapitel 3.3 noch genauer eingegangen wird. (Faller 2012)

Tim Ebner untersuchte in seiner Diplomarbeit ebenfalls die Ursachen von Shitstorms und stieß auf zwei weiteren potentielle Auslöser. Sowohl das Überschwappen des Shitstorms eines anderen Unternehmens als auch die Markenstärke des betroffenen Unternehmens können Gründe dafür sein, von einem Shitstorm getroffen zu werden. (Ebner 2012) Den Grund für die Markenstärke als mögliche Ursache erklären Fiederer und Ternès folgendermaßen: „Je mehr Menschen [ein] Unternehmen kennen, desto eher [ist es] auch für die digitale Welt und die klassischen Massenmedien interessant, desto schneller kann man Meinung machen und die veröffentlichte Meinung takten. Als Faustformel gilt: je bekannter, desto krisenanfälliger.“ (Fiederer und Ternès 2017, S. 14)

Es gibt also eine ganze Reihe unterschiedlicher Ursachen, die einen Shitstorm auslösen können. Sie zu kennen und zu vermeiden, ist ein erster Schritt, um das eigene Unternehmen vor Shitstorms zu schützen.

2.3 Warum Literatur über Krisenmanagement für Shitstorms relevant ist

Im Folgenden soll dargelegt werden, warum Literatur zum Thema Krisenmanagement für Shitstorms relevant ist. Die Definition von Krisenmanagement im Gabler Wirtschaftslexikon lautet folgendermaßen: „Krisenmanagement ist eine besondere Form der Führung von höchster Priorität, deren Aufgabe es in einem weiteren Sinne ist, alle jene Prozesse in der Unternehmung zu vermeiden (Krisenvermeidung) oder zu bewältigen (Krisenbewältigung), die ansonsten in der Lage wären, den Fortbestand der Unternehmung substanziell zu gefährden oder sogar unmöglich zu machen. Krisenmanagement im engeren Sinne beschränkt sich auf die Bewältigung von Unternehmungskrisen.“ (Gabler Wirtschaftslexikon 2017c) Aufgrund der Merkmale eines Shitstorms und seiner potentiell krisenhaften Wirkung, kann ein Shitstorm als Form der Unternehmenskrise bezeichnet werden. Fieder und Ternès bezeichnen den Shitstorm beispielsweise auch als „Krise im digitalen Zeitalter“ (Fiederer und Ternès 2017, S. 12).

Als Auslöser von Unternehmenskrisen nennt Homuth in seinem Buch „Wirksame Krisenkommunikation: Theorie und Praxis der Public Relations in Imagekrisen“ unter anderem Produktfehler und -nebenwirkungen, Skandale um Arbeitsbedingungen, Umweltunfälle, sowie weitere Kritik relevanter Interessensgruppen als Auslöser einer Unternehmenskrise. (Homuth 2000) Dies erinnert stark an die Auslöser eines Shitstorms. Aufgrund der Ähnlichkeiten zwischen Krise und Shitstorm, kann man die Empfehlungen zur Begegnung einer Unternehmenskrise auch auf einen Shitstorm anwenden.

In der deutschsprachigen Literatur wird Krisenmanagement oft auch als Krisen-PR bezeichnet und in Zusammenhang mit Onlinekommunikation gebracht. (Köhler 2006) Es geht um Public Relations, also das Management der öffentlichen Meinung über das Unternehmen, um die Reputation desselben zu verbessern. (Gabler Wirtschaftslexikon 2017d) Das Issue-Management ist ein Instrument und somit Teil des Krisenmanagements. (Köhler 2006) Auf dieses Thema wird in Kapitel 6.1.5 „Eigene Kritikpunkte kennen“ noch einmal detaillierter eingegangen.

Bei Krisen wird unterschieden in vermeidbare Krisen (ausgelöst durch vorsätzliches Handeln), Unfallkrisen (hervorgerufen durch einen unbeabsichtigten Vorfall im Unternehmen) und Opferkrisen (ausgelöst durch externe Umstände). (Coombs 2007b) Der Unterschied zwischen Shitstorm und Krise liegt darin, dass Krisen etwas weiter gefasst sind. Während bei Shitstorms ein Missstand, an dem das Unternehmen meist zumindest eine Teilschuld hat, offen angeprangert wird, können Krisen auch völlig unverschuldet sein. Ein Beispiel hierfür wären Naturkatastrophen oder ein Stromausfall, der alle Server lahm gelegt hat. Normalerweise haben Stakeholder in solchen Situationen ein gewisses Maß an Verständnis, solange sich das Unternehmen in der Krise richtig verhält und Informationen offen kommuniziert, sodass alle Stakeholder wissen, woran sie sind. (Coombs 2007b; Fischer 2015) In diesen Fällen kommt es selten zu Shitstorms. Aus diesem Grund wurden Empfehlungen zur Bewältigung nicht selbst verschuldeter Krisen bei der Recherche zum richtigen Umgang mit einem Shitstorm außer Acht gelassen.

Wenn ein Unternehmen von einer Krise getroffen wird, muss mit ihr nicht nur umgegangen werden, auch die Stakeholder müssen über den weiteren Verlauf und das Vorgehen im Unternehmen informiert werden. So entwickelte sich der Begriff Krisenkommunikation aus der praktischen Auseinandersetzung mit Unternehmenskrisen. Krisenkommunikation hat die Vermeidung von Reputationsschäden zum Ziel. Sie soll entweder dem Eintreten einer Krise vorbeugen oder die negativen Effekte einer bereits eingetretenen Krise eindämmen. Daher ist Krisenkommunikation ebenfalls eine wesentliche Grundlage zur Recherche im Umgang mit Shitstorms. (Fediuk et al. 2010; Holladay und Coombs 2010)

2.4 Warum Literatur über Beschwerdemanagement für Shitstorms relevant ist

Shitstorms entstehen, wie bereits erwähnt, oft durch die enttäuschende Reaktion eines Unternehmens auf das Vorliegen eines Missstandes. Auf diesen Missstand machen Stakeholder häufig in Form einer Beschwerde aufmerksam. Solche Beschwerden müssen, genauso wie Krisen, konkret gemanaged werden. Ziel des Beschwerdemanagements ist es immer, Beschwerdezufriedenheit bei den Stakeholdern zu erreichen. (Stauss 2013) Diese wird definiert als „die Zufriedenheit des Kunden mit der unternehmerischen Antwort auf seine Beschwerde“ (Stauss 2013, S. 406). „Beschwerdezufriedenheit bzw. -unzufriedenheit basiert auf dem Vergleich der Erwartungen an den Umgang des Unternehmens mit der Beschwerde und an das Beschwerdeergebnis sowie dem vom Kunden wahrgenommenen Umgang bzw. Ergebnis“ (Stauss 2013; Wiencierz et al. 2015, S. 134). Gerade diese Erwartungen werden im Fall eines Shitstorms durch das Unternehmen häufig nicht erfüllt. Dieser Zusammenhang impliziert, dass die Erreichung von Beschwerdezufriedenheit einen Shitstorm vorbeugen kann. Aus diesem Grund wurde das Beschwerdemanagement ebenfalls als Grundlage zur Suche nach Handlungsempfehlungen im Falle eines Shitstorms mit einbezogen.

3 Darstellung und Diskussion von Shitstorm-Fällen aus Unternehmen verschiedener Branchen

3.1 Beispiel Dell: Der erste Shitstorm aufgrund von Produktmängeln und mangelhaftem Kundenservice

Die „Dell Hell“ 2005 gilt als einer der ersten Shitstorms überhaupt. Ausgelöst wurde er von Journalismus-Dozent Jeff Jarvis von buzzmachine.com gegen den Computerhersteller Dell, indem er einen wütenden Blog-Eintrag verfasste, worin er sich über die Produktqualität und den schlechten Service bei Dell beschwerte. Dell reagierte zuerst gar nicht auf diese Kritik und ignorierte den Blog-Eintrag schlichtweg. Andere Blogger, denen es offenbar genau so ging, verfassten daraufhin ähnliche Beiträge. Bald häuften sich die wütenden und kritischen Kundenstimmen und Dell wurde Opfer des ersten Shitstorms. (Buchenauer und Fürtbauer 2015; Haarkötter 2016; Steinke 2014)

Eine Hintergrundrecherche zum Unternehmen Dell zeigt, dass diese Kritik nicht ganz unbegründet war. Dells technische Support-Infrastruktur konnte aufgrund des schnellen Wachstums des Unternehmens nicht mithalten und entwickelte sich zu langsam. Zudem war Dell gezwungen aufgrund fallender PC-Preise Kosten einzusparen, um mit dem Preiskampf der Konkurrenz mithalten zu können. Durch Offshoring der Customer Service Center ins Ausland hatte die Qualität der Kundenbetreuung massiv gelitten. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass Dells exzellenter Kundenservice eines der Differenzierungsmerkmale des Computerherstellers war. Diese Tatsache war eventuell auch einer der Gründe, warum der Shitstorm so massiv ausfiel. (Steinke 2014; Wikipedia 2017c)

Die Reputation des Premium-Herstellers hatte aufgrund des Shitstorms extrem Schaden genommen, woraufhin Dell 150 Millionen US-Dollar in die Verbesserung des Kundenservice und die Entwicklung einer Social-Media-Strategie investierte. Diese sah sowohl die Einführung von DellConnect vor, einem Remote Hilfe Programm zur schnelleren Beantwortung von Kundenanfragen, als auch den Aufbau eines Blogs namens Direct2Dell. Leser kritisierten allerdings, der Blog sei ihnen zu werbelastig. Auch auf diese Kritik reagierte Dell nun schnell und ergänzte sein Angebot um eine Feedback-Plattform namens IdeaStorm.com. Hier können Kunden ihre Meinung und Verbesserungsvorschläge zu Dells neuen Produkten mitteilen und selbst Innovationsideen einbringen. Diese Maßnahmen führten dazu, dass der Anteil negativer Blog Posts am gesamten Postaufkommen gegenüber Dell von 49% auf 22% sank. (Dell blogs: Home; DellConnect | Dell DEUTSCHLAND; Idea Storm; Wikipedia 2017c)

Aufgrund der umfassend durchgeführten Reformen kann man sagen, dass Dell nach anfänglicher Uneinsichtigkeit als eines der ersten Unternehmen aus seinem Shitstorm gelernt hat. Kundenwünsche sollten nicht einfach ignoriert werden, da sie eine wichtige Informationsquelle über betriebliches Verbesserungspotential darstellen. Zudem hat Dell erkannt, dass es besser ist, eine eigene Plattform für Kritik zur Verfügung zu stellen als zuzulassen, dass die Kritik in alle Weiten der sozialen Medien gestreut wird. Mit eigenen zentralen Kanälen lässt sich ein besserer Überblick behalten und die direkte Kundenkommunikation wird erleichtert. Gleichzeitig kann durch diese Maßnahmen zukünftigen Eskalationen vorgebeugt werden. (Steinke 2014)

3.2 Best Practice Beispiel McDonald’s und Adidas versus Worst Practice Beispiel Orange: Der unternehmensfremde Shitstorm

Zwei Unternehmen, die aufgrund ihrer Markenstärke und somit Machtposition Opfer eines Shitstorms wurden, sind Adidas und McDonald's. Im Vorfeld der Europameisterschaft 2012 gerieten sie als Sponsoren des Sport-Events massiv in die Kritik von Tierschützern. Die Ukraine hatte, als Gastland der Fußball Europameisterschaft, eine Vielzahl an Straßenhunden töten lassen, angeblich um die Straßen sicherer zu machen. Auf den Facebook-Seiten der beiden Unternehmen häuften sich daraufhin wütende Kommentare und Boykott-Aufrufe. (FOCUS Online 2011) Adidas wurde sogar mit einem Flashmob vor dem Adidas-Flaghship-Store auf der Zeil in Frankfurt am Main gedroht. (Meedia 2011) Ein Beispiel-Kommentar auf der McDonald's Facebook-Seite lautete folgendermaßen: „Nie wieder McDonalds – wenn ich daran denke, was dieses Unternehmen sponsort: das Abschlachten von Hunden“. (Thomas 2011)

In etwa diesem Stil waren die meisten Posts gehalten, einige verbal noch deutlich aggressiver und ausfallender. Der genannte Beispiel-Post suggeriert, dass die wütenden Kunden dem Unternehmen vorwarfen, durch ihre Sponsor-Tätigkeit indirekt die Tötung der Hunde zu finanzieren. Die Machtposition, die Adidas und McDonald's durch ihre Markenstärke und Sponsor-Tätigkeit erlangen, befähigen sie in den Augen der Kritiker auch, etwas gegen die Hundetötungen zu unternehmen oder zumindest ein Machtwort gegenüber den Verantwortlichen in der Ukraine zu sprechen. Sollte die Tötung der Hunde nicht aufhören, forderten die Kritiker von den Unternehmen, sich als Sponsoren zurückzuziehen. Zu diesem Zweck setzten sie die Unternehmen mit ihren Drohungen unter Druck – und das mit Erfolg. (Handelsblatt 2011) Adidas reagierte sofort nach den ersten kritischen Postings: „Die Adidas Gruppe ist strikt gegen jegliche Form von Tierquälerei und erwartet von der ukrainischen Regierung, diesen Vorwürfen gewissenhaft nachzugehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Wir beobachten dieses Thema ganz genau und werden das auch weiterhin tun.“ (Adidas Facebook Seite 2011) Auch McDonald's antwortete auf die Kritik: „Wir verfolgen die Berichterstattung über die Vorgehensweise in der Ukraine selbstverständlich mit großer Besorgnis und haben dies auch der UEFA gegenüber zum Ausdruck gebracht. Wir haben unsere Ansprechpartner mit Nachdruck gebeten, hier auf die Regierung der Ukraine Einfluss zu nehmen. Ich versichere Ihnen, dass wir in dieser Sache weiterhin mit Nachdruck Lösungen einfordern werden.“ (Welt.de 2011)

Weder Adidas noch McDonald's waren für die Tiertötungen in der Ukraine verantwortlich. Dennoch wurde ihnen von den Tierschützern aufgrund ihrer Machtposition die moralische und ethische Verantwortung zugeschrieben, etwas gegen das ukrainische Vorgehen zu unternehmen. Adidas und McDonald's haben in dieser Situation erkannt, dass die Tierschützer die Unternehmensmacht zur Durchsetzung ihrer Interessen einsetzen. Wenn sie einen Image-Schaden abwenden wollen, ist es also nicht mit einem „Das geht uns nichts an“-Statement getan, denn die Kritiker fordern, dass konkret etwas unternommen wird. (Handelsblatt 2011)

Die massiven Proteste zeigten schlussendlich auch bei der ukrainischen Regierung Wirkung und sie versprach, die Tötungen zu stoppen. Sowohl Adidas, als auch McDonald's veröffentlichten daraufhin den Facebook-Beitrag der UEFA, der das sofortige Verbot der Streuner-Tötungen in der Ukraine verlauten ließ und begrüßten diese Entwicklung. McDonald's teilte zudem mit: „Wir sind […] direkt mit dem Deutschen Tierschutzbund in Kontakt, der mit einem eigenen Team vor Ort ist, die Situation beobachtet und uns auf dem Laufenden hält.“ (McDonald's Facebook Seite 2011) Den Kritikern wurde also das Gefühl gegeben, dass das Unternehmen sich auch weiterhin um die Umsetzung des Versprechens der Ukraine kümmert.

Während Adidas und McDonald's sich in dieser Situation sehr vorbildlich verhielten, indem sie sich aktiv für eine schnelle Reaktion der Ukraine engagierten und somit die Kritiker beschwichtigten, beging der Telekommunikationsanbieter Orange, ebenfalls Sponsor der EM, einen entscheidenden Fehler. Er teilte auf seiner Facebook-Seite mit, Nutzerbeiträge über die Tiertötungen in der Ukraine von seiner Pinnwand zu löschen. Dies sei nötig, „um die Qualität des Austauschs auf der Facebook-Seite für alle Nutzer zu gewährleisten“. (Meedia 2011) Da Orange nicht die Schuld an der Tierquälerei in der Ukraine trug, war das Unternehmen offenbar überzeugt, sich nicht mit dem Thema und der damit einhergehenden Kritik auseinandersetzen zu müssen. Dieses Verhalten verärgerte viele Orange-Kunden. So schreibt ein User repräsentativ für die meisten Kommentare: „Sie machen sich zu Mittätern und finanzieren dieses Massenschlachten auch noch! Gut zu wissen WO man sicher auf Ewigkeiten keinen Vertrag mehr abschließen wird. Ich schäme mich für das Unternehmen!!!!!!!“ (Meedia 2011)

Das Beispiel der Tiertötungen in der Ukraine und der damit einhergehende Shitstorm gegen die Sponsoren zeigt, dass das Argument, nicht für ein Problem verantwortlich zu sein, keineswegs vor Shitstorms schützt. Allein die Tatsache, als großes Unternehmen etwas bewegen zu können, veranlasst Kritiker dazu, diese Macht zu nutzen, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Das Bewusstsein der Konsumenten über die Macht der Masse hat in den letzten Jahren stark zugenommen. (Buchenauer und Fürtbauer 2015) Dieses Bewusstsein sollte von Unternehmen keineswegs unterschätzt werden, wie beispielsweise Orange es getan hat. Möchte ein Unternehmen Reputationsschäden abwenden, ist es gezwungen zu reagieren, auch wenn es sich eigentlich nicht in der direkten Verantwortung für die Ursache eines Shitstorms sieht. Adidas und McDonald's haben dies erfolgreich getan und liefern ein vorbildliches Beispiel für Unternehmen, die sich in Zukunft mit einer ähnlichen Situation konfrontiert sehen könnten.

3.3 Beispiel Nestlé: Kein Umdenken nach Verletzung moralischer Grundsätze und umweltbedenklicher Zulieferer

Im Fall Nestlé war der Auslöser des Shitstorms dessen Schokoriegel KitKat. Greenpeace warf Nestlé 2010 vor, in seinem Schokoriegel Palmöl als Inhaltsstoff einzusetzen. Dieses wird aus der Ölpalme gewonnen und um diese anzubauen, werden in Südostasien, Lateinamerika und Afrika große Regenwaldflächen gerodet und abgebrannt. Das führt dazu, dass der Lebensraum für viele Tierarten wie beispielsweise Orang-Utan, Borneo-Zwergelefant und Sumatra-Tiger schwindet. (Rettet den Regenwald e.V.)

Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, parodierte Greenpeace Nestlés KitKat Werbespot auf makabere Weise. Ein Büromitarbeiter reißt in seiner Pause sein KitKat auf und beißt genüsslich hinein. Allerdings kann man erkennen, dass es sich dabei nicht um einen Schokoriegel, sondern einen haarigen Orang-Utan Finger handelt. Dem Mitarbeiter läuft sogar Blut aus dem Mundwinkel, doch er zuckt nur mit den Schultern und kaut genüsslich weiter. Greenpeace blendet daraufhin den Slogan „Stop Nestlé buying palm oil from companies that destroy the rainforest” ein, zu Deutsch: Hindert Nestlé daran Palmöl von Firmen zu beziehen, die den Regenwald zerstören. (Buchenauer und Fürtbauer 2015; Greenpeace UK Youtube 2010)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Blutiger Orang-Utan Finger statt KitKat in der Kampagne von Greenpeace

(Pipoqueiro 2010)

Was im Fall Nestlé erschwerend hinzu kommt, ist die Tatsache, dass es sich bei den Kritikern nicht um Privatpersonen handelt, sondern mit Greenpeace um eine große und bekannte Organisation, die mit tausenden Anhängern dem Shitstorm zusätzlich Gewicht verleiht. (Owyang 2011) Die Kampagne war aus Greenpeace Sicht ein voller Erfolg: Über 250.000 Menschen (überwiegend Facebook-Nutzer) beschwerten sich nach der Veröffentlichung des Videos bei Nestlé und drohten mit Boykott. (Bomholt 2012; Fritz 2013) Aus Protest entwarfen einige User sogar abgewandelte Versionen der Nestlé und KitKat Logos, die auf die tödlichen Folgen der Regenwaldabholzung abzielten. Abbildung 4 zeigt links Nestlés klassisches Logo, das allerdings von blutigen Hand- und Fußabdrücken übersät ist. Das rechte Bild hat den Text des KitKat Logos von „Nestlé KitKat“ zu „Nestlé Killer“ abgeändert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Abgewandelte Version des Nestlé und des KitKat Logos

(Hutter 2010)

Nestlé wurde dadurch extrem unter Druck gesetzt und ließ das Video zunächst löschen, was eine noch viel größere Empörungswelle zur Folge hatte. Außerdem bat Nestlé darum, die Abänderungen der Logos zu unterlassen. (Hutter 2010) Auf der Facebook-Seite häuften sich die negativen Kommentare, woraufhin Nestlé die Fan Page einfach abschalten ließ. Das Video tauchte allerdings auf diversen anderen Kanälen wieder auf, Nestlés Versuch, den Shitstorm einfach verschwinden zu lassen, schlug fehl. Das Unternehmen lenkte letztendlich ein und beendete die Zusammenarbeit mit Sinar Mas. Zudem setzte es sich offiziell zum Ziel, bis 2015 nur noch Palmöl aus nachhaltiger Produktion einzusetzen, dies sogar unter der Aufsicht von Greenpeace. (Bomholt 2012; Fritz 2013)

Jedoch gibt es immer wieder Kritik an der Einhaltung dieser Versprechen. Beispielsweise kündigte Nestlé nur die direkten Verträge zwischen Sinar Mas und Nestlé Indonesien. Das Palmöl von Sinar Mas wurde allerdings weiterhin in Europa über Zwischenhändler wie Cargill bezogen. Abbildung 5 stellt diesen Zusammenhang grafisch dar. Greenpeace forderte auch die Kündigung dieser indirekten Verträge. (Totz 2010)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Zusammenhang Zulieferer Sinar Mas und Nestlé

(Totz 2010)

Zwar behauptet Nestlé auf seiner offiziellen Homepage sogar strengere Auflagen als die des Round Table on Sustainable Palm Oil (RSPO) des WWF zu verfolgen und seit 2010 „zahlreiche Audits mit Lieferanten entlang der gesamten Lieferkette durchgeführt und entsprechende Maßnahmen umgesetzt [zu haben], um die Einhaltung der Vorgaben sicherzustellen“ (Nestlé 2017), dass das Palmöl aber tatsächlich nachhaltig produziert wird, wird jedoch bezweifelt. NGOs, wie „Robin Wood“ oder „Watch Indonesia“, sind der Meinung, dass das Label „nachhaltig produziertes Palmöl“ lediglich geschickt als Greenwashing verwendet wird. „Die Verletzung von Menschenrechten und die Zerstörung der Umwelt seien immer noch untrennbar mit jedwedem Gebrauch des Öls verbunden“ (Fritz 2013). Greenpeace, deren Aufgabe es ist, die Einhaltung der Vorgaben prüfen, kritisieren, dass kein Unternehmen die vollständige Liste seiner Zulieferer veröffentlicht oder zumindest angibt, mit welchen Handelspartnern nicht zusammengearbeitet wird. (Krux 2016) Auch gibt es keine unabhängige Prüfung, ob Zulieferer ihre Vorgaben überhaupt einhalten. Zwar ging Nestlé schlussendlich auf die Forderung von Greenpeace ein, auch die indirekten Verträge mit Sinar Mas zu kündigen, allerdings ohne nachhaltigen Erfolg. 2016 veröffentlichte Greenpeace einen Bericht über den neuen Partner von Nestlé, den zweitgrößten malaysischen Palmölproduzenten IOI. (Greenpeace 2015; Iseli 2016) Dieser halte sich nicht an die RSPO-Richtlinien und verfolge die illegale Abholzung weiter. Daraufhin kündigte Nestlé teilweise auch diese Zusammenarbeit. (Bomholt 2012; Buchenauer und Fürtbauer 2015; Entwicklungspolitik online 2013; Iseli 2016)

Genau genommen ist Nestlé nicht für die Art und Weise des Anbaus der Ölpalme verantwortlich, sondern der damalige Zulieferer Sinar Mas. Dieser ist dafür bekannt, besonders rücksichtslos und teilweise sogar illegal bei der Abholzung des Regenwaldes vorzugehen. Da Sinar Mas der breiten Masse aber eher unbekannt ist, war es ein durchaus kluger Schachzug von Greenpeace, sich mit der Kritik direkt an Nestlé zu wenden, der als Global Player eine viel größere Bekanntheit besitzt. Somit kann man sagen, dass Nestlé, ähnlich wie Adidas und McDonald’s, aufgrund seiner Markenstärke und der damit verbundenen Macht, Standards bei der Rohstoffbeschaffung zu setzen, anstatt des Zulieferers vom Shitstorm getroffen wurde. Zwar hat Nestlé im Gegensatz zum Telekommunikationsanbieter Orange erkannt, dass ein „Das geht uns nichts an!“ den Shitstorm nur verschlimmert und auf jeden Fall eine Reaktion erfolgen muss, die Ernsthaftigkeit der Bemühungen stellt man als Beobachter allerdings in Frage. Bei Nestlés Reaktion auf Kritik scheint es ein Muster zu geben: Greenpeace kritisiert und stellt Forderungen an Nestlé, diese geben scheinbar nach, suchen sich aber ein neues Schlupfloch. Man gewinnt den Eindruck, dass Nestlé nicht wirklich aus dem Shitstorm gelernt hat. Obwohl nach außen hin suggeriert werden soll, dass man viel für „nachhaltig produziertes Palmöl“ tue, kommt man nicht umhin, sich dem Eindruck der NGO’s, dass es sich mehrheitlich um Greenwashing handelt, anzuschließen. Auch die Tatsache, dass der neue Zulieferer IOI wieder in der Kritik steht, verstärkt diesen Eindruck. Aufgrund der wiederkehrenden Kritik und seinen allgemein fraglichen Unternehmenspraktiken, ist Nestlé ein eher unbeliebtes Unternehmen und bietet weiterhin eine Angriffsfläche für Shitstorms. (Grimm 2015) Solange kein Wechsel von oberflächlichem Reputationsmanagement hin zu echtem Umdenken in der Unternehmensphilosophie und Unternehmenspraxis stattfindet, wird dieses erhöhte Risiko für Shitstorms vermutlich weiterhin bestehen bleiben.

3.4 Beispiel United Airlines: Achtloser Umgang mit Fluggastgepäck

Unternehmen werden auch Opfer eines Shitstorms, der sich aufgrund eines besonders wütenden Stakeholders, Fehlinformationen oder unglücklicher Verkettungen von Ereignissen nach oben schaukelt. (Hintzen 2013) Zum Teil war dies auch der Grund für das übertriebene Ausmaß des Shitstorms im Fall United Airlines und dem Song „United Breaks Guitars“.

In seinem Song schildert Musiker David Carroll den Vorfall, wie seine Gitarre auf einem United Airlines Flug zu Bruch ging. Er sei durch einen Mit-Passagier darauf aufmerksam geworden, dass das Bodenpersonal, welches draußen vor dem Flug­zeug die Koffer verlud, nicht besonders achtsam mit einer Gitarre umging und sie einfach von Mann zu Mann warf. Er informierte daraufhin drei Mitglieder des Bordpersonals, welche sich desinteressiert zeigten und nur mit den Schultern zuckten. Als er landete und sein Gepäck am Band wieder entgegennahm, stellte er fest, dass seine 3.500 Dollar teure Taylor Gitarre schwer beschädigt worden war. Carroll stellte daraufhin einen Antrag auf Schadensersatz, welchen United Airlines allerdings ablehnte, da er ihn nicht innerhalb des vorgeschriebenen 24-Stunden Zeitfensters und außerdem bei der falschen Kundenservice-Stelle beantragt hatte. Neun Monate lang rief er Firmen-Hotlines an und schrieb mehrere wütende E-Mails. Vergeblich, United Airlines verweigerte ihm eine Entschädigung. Aus Wut über dieses Nicht-Entgegenkommen kündigte er an, drei Schmäh-Lieder über United Airlines zu veröffentlichen. Gleich der Erste wurde ein sofortiger iTunes Hit und erhielt bereits am Tag der Veröffentlichung 150.000 Klicks auf YouTube. Bis heute ist diese Zahl auf 17 Millionen gestiegen. Zeilen wie: „You broke it you should should fix it, you're liable just admit it, I should have flown with someone else (Ihr habt sie kaputt gemacht, deshalb solltet ihr sie reparieren, ihr seid verantwortlich, gebt es doch zu, ich hätte eine andere Fluglinie nehmen sollen)“ (Spiegel Online 2009) waren deutliche Kritik an der Airline. Natürlich wurden auch die Medien schnell auf das viral2 gegangene Video aufmerksam und in vielen Zeitschriften der USA erschien ein Bericht dazu, was zu einer rufschädigenden Peinlichkeit für United Airlines führte. (Carroll 2009; Spiegel Online 2009; Wikipedia 2017b)

Daraufhin kontaktierte United Airlines sofort Carroll, um eine Wiedergutmachung anzubieten. Dieses Angebot beinhaltete die Reparaturkosten für seine Gitarre sowie einen Fluggutschein im Wert von 1.200 Dollar. Nach dem Erfolg des Videos schlug Carroll vor, die Entschädigungssumme des Fluggutscheines lieber zu spenden, was United Airlines Tat. Des Weiteren bat United Airlines um die Nutzungserlaubnis des Videos zu internen Schulungszwecken. Sie gaben an, aus der Botschaft des Videos lernen zu wollen und versprachen, die Kundenservicerichtlinien nach diesem Vorfall anzupassen. (Jamieson 2009; Wikipedia 2017b)

Trotzdem veröffentlichte Carroll das zweite und dritte Video. Das Zweite Video parodiert den schlechten Customer Service und den Kontakt mit Ms. Irlweg, einer Angestellten, die seiner Meinung nach, die „flawed policies“, also falschen Richtlinien, der Firma aufrecht erhalten musste, obwohl nach Carrolls Meinung selbst für sie offensichtlich war, dass diese nicht gerechtfertigt waren. Das letzte Video zeigt etwas versöhnlichere Töne. Nicht alle Angestellten seien „bad apples“ also „faule Früchte“. Es schließt mit einer hoffnungsvollen Warnung Carrolls: „They say that you're changing and I hope you do, 'Cause if you don't then who would fly with you?” (Carroll 2010) Carroll hofft also darauf, dass United Airlines sein Besserungsversprechen einhalten wird, denn wer würde sonst auch mit ihnen fliegen wollen.

Aufgrund der Tatsache, dass Carroll seinen Antrag nicht innerhalb des Zeitrahmens und auch zuerst an falscher Stelle einreichte, haben die Kundenservice-Mitarbeiter den Antrag gemäß der ihnen vorliegenden Vorschriften abgelehnt. Den Mitarbeitern des Customer Service von United Airlines ist daher eigentlich kein Vorwurf zu machen, denn sie haben gemäß ihren Vorgaben gehandelt und sich strikt an diese gehalten. Lediglich dem Bodenpersonal kann vorgehalten werden, dass es aufgrund der erkennbaren Tatsache, dass es sich bei dem Gepäckstück um eine Gitarre handelte, etwas vorsichtiger damit hätte umgehen können. Allerdings gehören die Mitarbeiter, die für das Verladen der Gepäckstücke verantwortlich sind nicht zwingend zu einer Fluggesellschaft, sondern sind meist Angestellte des Flughafens. (Gigajob Deutschland 2017) Wäre David Carroll mit einer anderen Fluggesellschaft geflogen, bei der dasselbe Bodenpersonal seine Gitarre verladen hätte, wäre sie eventuell auch beschädigt worden. Somit kann man United Airlines nicht per se für das zu Bruch gehen der Gitarre verantwortlich machen. Trotzdem ist es gängige Praxis, sich bei einer Reklamation an die geflogene Airline zu wenden und United Airlines somit für den Reklamationsprozess zuständig.

Grundsätzlich hat United Airlines nach Eintreten des Shitstorms schnell und angemessen reagiert. Sie entschuldigten sich, gaben zu, dass sie ihre Richtlinien zu engstirnig umgesetzt hätten und diese einer Überarbeitung bedürften. Zudem boten sie eine Ersatzleistung an. Zumindest die zwei auf das erste folgenden Lieder hätten nach der einlenkenden Reaktion von United Airlines nicht sein müssen. David Carroll hätte das Thema nach der Wiedergutmachung durch United Airlines auf sich beruhen lassen können. Seine Wut über die Airline (und vielleicht auch die Aussicht auf einen weiteren lukrativen Song-Erfolg) führte aber dazu, dass er die beiden weiteren Songs veröffentlichte. Dies hinderte den Shitstorm daran, abzuebben und ließ United Airlines für längere Zeit nicht zur Ruhe kommen.

3.5 Beispiel UPS: Fehltritt der Mitarbeiter und Worst Practice Reaktion des Unternehmens

Auch die Digitalisierung ist ein Treiber für Shitstorms. Die Tatsache, dass beinahe jeder ein internetfähiges Smartphone besitzt und an vielen Orten Videoüberwachung installiert ist, führt dazu, dass Verstöße von Firmen dokumentiert und überhaupt erst entdeckt werden. (Conway et al. 2007; Fiederer und Ternès 2017; Goodman et al. 2010; Steinke 2014)

So zum Beispiel auch im Fall UPS. Immer wieder wurden UPS Fahrer dabei gefilmt, wie sie nicht gerade sanft mit ihrer Fracht umgingen. Kurz vor Weihnachten 2015 wurde ein Fahrer, der gerade das Shopping Center „Luxury Row“ (mit Marken wie Chanel, Coach und Gucci) belieferte, von einer Passantin gefilmt, wie er die Pakete einfach aus seinem Lieferwagen wirft und anschließend nach ihnen tritt. Augenzeugen berichteten, er wäre scheinbar frustriert gewesen, da er vorher Schwierigkeiten hatte, seinen Lieferwagen zu parken. (Herreria 2015)

UPS gab die Identität des Fahrers nicht heraus und machte auch keine Angaben dazu, ob er seinen Job behalten durfte oder nicht. Sie teilten dem örtlichen Nachrichtendienst KITV4 lediglich mit, sie hätten „korrigierende Maßnahmen“ ergriffen und der Vorfall täte ihnen Leid. Zudem versicherten sie: “This is not how we train our drivers [...]. UPS emphasizes delivery care and safety for placement of packages in vehicles and handling, despite a busy day and increased volume at this time of year.” (Herreria 2015) UPS betonte also, besonderen Wert auf achtsamen Umgang mit der Fracht zu legen. Ein Problem sei, dass sich die Zahl der ausgelieferten Pakete während der Feiertage verdopple. „[This] can sometimes lead to rare human and machine errors” (Herreria 2015). Der Paketdienstleister versicherte dennoch, dass es sich bei dem Verhalten des Fahrers in dem Video um eine absolute Rarität handle. Eine weitere Negativschlagzeile über UPS während der Weihnachtszeit betraf verspätete Lieferungen. UPS hatte eine äußerst große Menge an Paketaufträgen durch Online-Händler während der Feiertage erhalten und war ihr trotz der 95.000 extra eingestellten Saisonarbeiter nicht Herr geworden. Als Grund hierfür gaben sie an, mit einer solchen Menge an Aufträgen nicht gerechnet zu haben. Diese Aussage ließ UPS als Großanbieter äußerst unvorbereitet wirken und stellte für die meisten Kunden absolut keine zufriedenstellende Erklärung dar. (Herreria 2015; Stanton 2015)

[...]


1 Der Begriff Social Web umfasst webbasierte Anwendungen, die für Menschen den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und die Kommunikation in einem sozialen Kontext unterstützen. (Ryte Wiki 2017)

2 besonders durch Kontakte in den Social Media schnell weite Verbreitung im Internet findend (Duden 2017b)

Fin de l'extrait de 112 pages

Résumé des informations

Titre
Corporate Shitstorm Management. Wie Unternehmen richtig reagieren und kommunizieren
Auteur
Année
2019
Pages
112
N° de catalogue
V464297
ISBN (ebook)
9783960955047
ISBN (Livre)
9783960955054
Langue
allemand
Mots clés
Krisenmanagement, Beschwerdemanagement, Best Practice, Worst Practice, Nestlé, United Airlines
Citation du texte
Jessica Gügel (Auteur), 2019, Corporate Shitstorm Management. Wie Unternehmen richtig reagieren und kommunizieren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/464297

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