Extraversion. Eine Frage guter Führung?


Trabajo Escrito, 2019

81 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Einleitung

Theoretische Betrachtungen
Persönlichkeitsdimensionen
Motivationsstruktur
Forschungsleitfragen

Methodik
Datenerhebung
Datenauswertung
Datenaufbereitung

Ergebnisse
Hypothese 1
Hypothese 2
Hypothese 3
Hypothese 4

Diskussion

Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang
Appendix I – Befragung Studienmotivation Wintersemester 2018
Appendix II – Kodierplan zum Fragebogen

Anmerkungen

Abstract

Was macht gute Führung aus? Wer eignet sich als Führungskraft und warum? Und welche Motive stehen dahinter? All dies könnten Fragen sein, mit denen Personalreferenten und Diagnostiker regelmäßig konfrontiert werden. Obwohl der Großteil der kleinen Unternehmen immer noch auf „die Bauchentscheidung“ bei der Personalauswahl setzt, ist bei einigen Großkonzernen die Notwendigkeit des Einsatzes valider Testverfahren mit einiger Verzögerung angekommen. Die nachfolgende Studie untersucht mögliche Einflussfaktoren der Persönlichkeit und deren Wirkung auf verschiedene Motivstrukturen und welche Auswirkung diese auf berufliches Verhalten haben können. Die daraus abgeleiteten Ergebnisse werden mit bestehenden theoretischen Betrachtungen in Verbindung gebracht und Handlungsempfehlungen für die Leistungsdiagnostik gegeben. Die Resultate zeigen insbesondere Zusammenhänge zwischen Offenheit und Gewissenhaftigkeit auf die intrinsische Motivation. Zudem werden Verbindungen zwischen Extraversion, Gewissenhaftigkeit und deren Einfluss auf das Machtmotiv festgestellt, welches gleichsam eine mögliche Vorhersage für den Willen darstellt, berufliche und akademische Herausforderungen anzunehmen.

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1. Differenzierung der Extraversion.

Tabelle 2. Differenzierung der Offenheit.

Tabelle 3. Differenzierung der Gewissenhaftigkeit.

Tabelle 4. Differenzierung der Verträglichkeit.

Tabelle 5. Differenzierung von Neurotizismus.

Tabelle 6. Analyse der Big Five.

Tabelle 7. Analyse der untersuchten Motive.

Tabelle 8. Analyse der Leistungskonstrukte.

Tabelle 9. Veränderungen in Konstrukten nach Eliminierung fehlender Einträge.

Tabelle 10. Ergebnisse Hypothese 1

Tabelle 11. Ergebnisse Hypothese 2

Tabelle 12. Ergebnisse Hypothese 3

Tabelle 13. Ergebnisse Hypothese 4

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1. Kumulativer Anstieg fehlender Werte (na).

Abbildung 2. Verteilungshäufigkeiten der Stichprobe.

Abbildung 3. Merkmalsausprägungen Persönlichkeitsdimensionen.

Abbildung 4. Merkmalsausprägungen Motiv-Konstrukte.

Abbildung 5. Merkmalsausprägungen Leistungs-Konstrukte.

Abbildung 6. Zusammenhang Extraversion/Machtmotiv.

Abbildung 7. Zusammenhang Gewissenhaftigkeit/Machtmotiv.

Abbildung 8. Zusammenhang Extraversion/intrinsische Motivation.

Abbildung 9. Zusammenhang Offenheit/intrinsische Motivation.

Abbildung 10. Zusammenhang Gewissenhaftigkeit/intrinsische Motivation.

Abbildung 11. Zusammenhang Machtmotiv/Aufgabenleichtigkeit.

Abbildung 12. Zusammenhänge Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Machtmotiv und Aufgabenleichtigkeit.

Einleitung

„Der Vogel, der den Schnabel am weitesten aufreißt, bekommt den dicksten Wurm“ besagt eine Bauernweisheit. Dass diese ornithologische Metapher nur teilweise ihre Berechtigung hat, behandeln ausführlich die Biologen Caro, Griffin, Hinde & West (2016) und kommen schließlich zu der Annahme, dass die Präferenzen der Brutpflege maßgeblich von Umweltbedingungen und Nahrungsangebot abhängen

Aus Sichtweise beruflicher Eignungsdiagnostik jedoch wird ein „sich gut verkaufen können“ – im übertragenen Sinne also eine ausgeprägte Tendenz zu Extraversion – vermehrt mit dem Kriterium Führungserfolg in Verbindung gebracht, obwohl bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts bekannt ist, dass selektive Persönlichkeitsdispositionen nicht als primärer Prädiktor für diesen angesehen werden können (Bass & Bass, 2009; Stogdill, 1948). Und ungeachtet solcher Erkenntnisse – die vielmehr die Interdependenz zwischen Persönlichkeit, Kontext, Umwelt und Situation betonen – wird in der betrieblichen Praxis weiterhin vielfach auf Modelle der Personalauswahl gesetzt, die im Hinblick auf ihre Gütekriterien als zumindest kritisch zu bewerten sind. So änderte der Arbeitskreis Assessment Center e. V. seine Qualitätskriterien für kognitive Tests erst im Jahr 2004 (Böhme, Diesner, Glodek, Höft, & Lammerskitten, 2004), was der gesamten Trägheit psychologischer Entwicklung im wirtschaftlichen Kontext Rechnung trägt, wie Hossiep et al. (2015) in einer Erhebung unter den 580 größten deutschen Unternehmen belegen1. Gemäß einer Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (2016) sind die häufigsten Kündigungsgründe auf schlechtes Führungsverhalten zurückzuführen2. So versprechen sich im Schnitt nahezu drei Viertel der unzufriedenen Beschäftigten durch einen Wechsel bessere Vorgesetzte und faire Behandlung. Die entstehenden Fluktuationskosten, die Unternehmen durch solche Fehlbesetzungen in der Führungsetage zu kompensieren haben, können sich je Mitarbeiter bis auf mehrere hunderttausend Euro belaufen3 – den Verlust von Kunden, die gemeinsam mit dem Mitarbeiter abwandern, noch nicht miteingerechnet. Eine erfolgreiche Besetzung der Führungspositionen kann unter diesen Gesichtspunkten durchaus angezweifelt werden. Offensichtlich schwächeln die gängigen Anforderungen zum Führungserfolg4 im Hinblick auf ihre erwartete prognostische Validität oder die angewandten personaldiagnostischen Auswahlinstrumente sind stark fehleranfällig. So nutzen nach Schröder et al. (2012) 85% der kleinen Unternehmen lediglich unstrukturierte Interviews, wohingegen Instrumente mit zuverlässiger Vorhersagekraft (vgl. Schmidt & Hunter, 1998) noch immer ein Nischendasein fristen. Nicht ungewöhnlich ist es daher auch, dass in Managementpositionen überzufällig oft Persönlichkeiten der dunklen Triade 5 zu finden sind (Jonason, Slomski, & Partyka, 2012). Diese werden anfänglich für bessere Führungskräfte gehalten, da rücksichtsloses Verhalten mit Durchsetzungsstärke fehlinterpretiert wird. Die Effizienz solcher Charaktere im Hinblick auf Kohäsion, Mitarbeitermotivation und ökonomischem Erfolg sind umstritten (vgl. Furtner, 2017).

In Anlehnung an Judge, Bono, Ilies, & Gerhardt (2002) untersucht die vorliegende Studie Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften und Motiven und deren Wirkung auf Leistungskonstrukte. Anhand der Datenlage wird versucht zu beantworten, inwieweit Persönlichkeitsdimensionen über Motive als Moderator für berufliche Leistung gesehen werden und diese Vorhersagen können. Daraus werden Handlungsempfehlungen für Unternehmen in Bezug auf den Fokus ihrer psychologischen Eignungsdiagnostik abgeleitet. Ob sich die „Vögel mit dem größten Schnabel“ auch wirklich als Alphatier eignen – oder sich nur mit „fremden Federn“ schmücken?

Theoretische Betrachtungen

Persönlichkeitsdimensionen

Die in vorliegender Studie untersuchten Persönlichkeitsdimensionen richten sich nach den Erkenntnissen gemäß Allport & Odbert (1936). Diese wurden mittels Faktorenanalyse (Spearman, 1927) qua eines lexikalischen Ansatzes6 (Galton, 1884) ermittelt und gelten weithin als Standardwerkzeug der Persönlichkeitsforschung. Das Instrument umfasst fünf stabile und unabhängige Dimensionen mit kulturübergreifender (vgl. Ekman, 2005) Validität. Bekannt ist das Modell als Fünf-Faktoren-Modell – im englischsprachigen Raum auch als OCEAN7 -Modell – und nachfolgend bezeichnet als die Big Five mit den Dimensionen (1) Extraversion, (2) Offenheit, (3) Gewissenhaftigkeit, (4) Verträglichkeit und (5) Neurotizismus in Anlehnung an Borkenau & Ostendorf (2008). Die prädiktive Validität der Big Five bei der Vorhersage von Verhalten gilt unter Anwendung verschiedener Erhebungsinstrumente und Einsatzgebiete als erwiesen (Paunonen, 2003).

Extraversion. Die Persönlichkeitsdimension Extraversion bezieht sich grundsätzlich auf das Interagieren mit anderen Menschen und der Umwelt. Diametral dazu stellt Introversion eine Tendenz dar, die Aufmerksamkeit auf das Innenleben zu fokussieren. Wohingegen extravertierte Charaktere ihre Kraft und Energie aus der Verbindung mit anderen Individuen gewinnen, regenerieren sich Introvertierte vornehmlich durch Rückzug. Albert Mehrabian (1978) stellte unter umweltpsychologischen Gesichtspunkten zwischen Intro- und Extraversion eine Verbindung zum Erregungs-Niveau8 her, wonach extravertierte Persönlichkeiten eine größere Erregungsschwelle besitzen, als introvertierte – letztere also schneller gesellschaftlicher Erschöpfung durch niedrigere Toleranzgrenzen (vgl. Ego-Depletion nach Baumeister, Bratslavsky, Muraven, & Tice, 1998) erliegen. Quid pro quo kann jedoch auch angenommen werden, dass introvertierte Individuen eine umfassendere und selektivere Vigilanz als extravertierte besitzen (Mehrabian, 1978). Psycho-physiologisch ist auch von einer Relevanz der Aktivierung des zentralen Nervensystems (Level-of-Arousal) auszugehen, wobei durch afferent sensorische Impulse über die Formatio reticularis Aufmerksamkeit, Wachheit und Reaktionsbereitschaft gesteigert bzw. aktiviert werden (Zimmer, Vossel, & Fröhlich, 1987). Auch Eysenck (1965) folgt der Annahme, dass extra- und introvertierte Persönlichkeitsausprägungen auf die Verbindung von Reizen auf unterschiedliche Erregbarkeit des Gehirns zurückzuführen sind. Dabei geht er jedoch nicht von gegensätzlichen Dispositionen, sondern von einem eher ganzheitlichen Ansatz aus. Aus eignungsdiagnostischer Perspektive wird eine eher extravertierte Persönlichkeit oft als Merkmal für Führungskräfte und insbesondere für Vertriebs- und Verkaufspositionen (Vinchur, Schippmann, Switzer III, & Roth, 1998, r = .22/.18) vorausgesetzt. Nach Zeidner & Matthews (2000) weisen diese zwar eine höhere Ablenkungsresistenz und bessere Kurzzeitleistungen auf, fallen jedoch in Aspekten wie Aufmerksamkeit und reflektierter Problemlösung hinter Introvertierten zurück. Ein positiver Zusammenhang zwischen Extraversion und Intelligenz konnte im Laufe der Jahre nicht mehr eindeutig nachgewiesen werden (z. B. Metastudie von Wolf & Ackerman, 2005, p < .05, N = 24,688, CI = [.04, .06], r = -.32). Tabelle 1 differenziert die Ausprägung der Persönlichkeitsdimension Extraversion mit geläufigen Attributen (nach Bipp, 2006).

Offenheit. Das Persönlichkeitsmerkmal Offenheit für Erfahrungen wird von McCrae (1996) als intrapsychische Dimension betrachtet, deren Ausprägung je nach individueller Erfahrung in unterschiedlichen Werten mit entsprechenden Auswirkungen auf die soziale Interaktion resultiert. Hoch ausgeprägte Offenheit deutet im Allgemeinen auf starkes Interesse an neuen Dingen und Kreativität hin, wohingegen niedrig ausgeprägte Offenheit einem eher konservativen Charakter entspricht. Unter der Prämisse, dass Offenheit synonym zu Vorstellungskraft, Kreativität und Intellekt (vgl. Tabelle 2) gesetzt wird, zeigt sich im Gegensatz zur Extraversion eine theoretische Korrelation mit Intelligenz (z. B. Ackerman & Heggestad, 1997, p < .05, CI = [.26 - .41], r = .33). Berufsbezogene Zusammenhänge der Dimension ergeben sich nach Tett, Jackson & Roth-

Tabelle 1. Differenzierung der Extraversion.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung. Nach Bipp (2006).

stein (1991), in deren Meta-Analyse (N = 13,521) neben Offenheit auch Verträglichkeit als stärkste Prädiktoren für beruflichen Erfolg ermittelt wurden.

Gewissenhaftigkeit. Die Dimension Gewissenhaftigkeit umfasst eine weite Spannbreite angefangen bei Organisation bis hin zu Perfektionismus (Bonelli, 2014) und Pedanterie, wird im Allgemeinen jedoch hauptsächlich als der Grad der Selbstkontrolle und des Pflichtbewusstseins eines Individuums interpretiert. Gewissenhafte Charaktere werden somit als besonders verantwortungsbewusst, diszipliniert und zuverlässig wahrgenommen, wohingegen Individuen mit niedriger Ausprägung als nachlässig, unordentlich bis hin zu chaotisch angesehen werden. Jackson, Paunonen, Fraboni, & Goffin (1996) belegten konfirmatorisch weitere Subkriterien unterhalb der Dimension wie Leistungsstreben, Ordnungsliebe, Vorsicht, Pflichtbewusstsein und Verlässlichkeit9. Auf

Tabelle 2. Differenzierung der Offenheit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung. Nach Bipp (2006).

die Personalauswahl bezogen konnten signifikante Kriteriumsvaliditäten bei der Messung der Gewissenhaftigkeit nachgewiesen werden (N = 576,460, r = .41), um kontraproduktives bzw. destruktives Verhalten wie Diebstahl, Undiszipliniertheit und Abwesenheit zu antizipieren oder bereits vorab eignungsdiagnostisch auszuschließen (Ones, Viswesvaran, & Schmidt, 1993). Nach Asendorpf & Neyer (2012, S. 142) ist Gewissenhaftigkeit mittels Selbsteinschätzung ein Prädiktor (r = .23) für beruflichen Erfolg (Barrick & Mount, 1991). Gewissenhaftigkeit kann mit Begriffen wie in Tabelle 3 nach Bipp (2006) umschrieben werden.

Verträglichkeit. Wie bereits Extraversion ist auch die Verträglichkeit eine Komponente, welche die Interaktion mit anderen Menschen beschreibt. Zusammen mit Offenheit gilt diese auch als Indikator für berufliche Leistung (Tett et al., 1991). Verträgliche Charaktere neigen mitunter eher zu Hilfsbereitschaft ande-

Tabelle 3. Differenzierung der Gewissenhaftigkeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung. Nach Bipp (2006).

ren gegenüber. Dabei ist jedoch nicht auszuschließen, dass auch altruistisches Verhalten auf die Erfüllung psychologischer sowie materieller Bedürfnisbefriedigung bzw. eigennütziger Zielerreichung ausgerichtet sein kann (vgl. Reziproker Altruismus: Trivers, 1971). Es ist von einem hohen Zusammenhang zwischen Verträglichkeit und Empathie auszugehen (Barrio, Aluja, & García, 2004, β = [.30, .38], p < .01]; Song & Shi, 2017, β = .477, p < .01), sowie höherer Kooperationsbereitschaft aber auch Nachgiebigkeit. Trotz der allgemein angenommenen sozialen Erwünschtheit hoher Verträglichkeit ist diese unter berufsbezogener Sichtweise – insbesondere unter dem Aspekt des Führungsverhaltens – mit Vorsicht zu bewerten. Es ist davon auszugehen, dass eine hohe Ausprägung negativ mit Durchsetzungsfähigkeit korreliert, was bisweilen

Tabelle 4. Differenzierung der Verträglichkeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung. Nach Bipp (2006).

jedoch statistisch unklar ist (Kirst, 2011, r (81) = -.14, r2 = .02, p = .22).

Neurotizismus. Eysenck’s Persönlichkeitsdimensionen zufolge (Parish et al., 1965) bewegt sich Neurotizismus in einem Kontinuum zwischen Stabilität und Labilität10. Der entsprechende Gegenpol dazu kann ergo als emotionale Stabilität interpretiert werden. Ähnlich wie bei Extraversion folgert Eysenck, dass die Ausprägung neurotischer Charakterzüge auf das physiologische Erregungsniveau zurückzuführen sei und zwar insofern, dass Stress und Angst stärkere emotionale Reaktion auslösen und die Betroffenen eine längere Regenerationszeit benötigen als stabilere Individuen (S. B. G. Eysenck & Eysenck, 1968). Als Ursache nennt Eysenck das limbische System11, durch welches externe Reize stärker emotional interpretiert und konditioniert werden (H. J. Eysenck, 1950). Emotional instabilere Individuen sind somit leichter aus der Ruhe zu bringen, neigen zu psychologischen (z. B. Phobien, Insomnien, Anorexia Nervosa12, etc.) und damit zusammenhängend somatischen (z. B. Kopfschmerzen, Magenbeschwerden, Schwindelanfälle, etc.) Beschwerden (vgl. Bruce, 2011, r = .532, p < .001). Insbesondere im militärischen Umfeld sind niedrige Neurotizismus-Werte ausschlaggebend für beruflichen Erfolg (Salgado, 1998). Auch bezogen auf Führungs- und Managementverantwortung sind neurotische Charaktere mit Vorsicht zu beurteilen, da diese tendenziell ein geringeres Selbstwertgefühl und emotionale Widerstandskraft (Bipp, 2006) aufweisen, sowie stärkeren Einflüssen von Belastung und Beanspruchung – insbesondere in Zielsetzungssituationen (Hinsz & Jundt, 2005) – unterliegen. Tabelle 5 differenziert die Ausprägung der Persönlichkeitsdimension Neurotizismus mit Attributen des gewöhnlichen Sprachgebrauchs (nach Bipp, 2006).

Tabelle 5. Differenzierung von Neurotizismus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung. Nach Bipp (2006).

Motivationsstruktur

Grundmotive. Auf Basis der Persönlichkeitstheorie von Murray (1938) gliedern sich die Grundmotive, die besonders starken Einfluss auf menschliches Verhalten haben, in (1) Leistung (2) Macht und (3) Zugehörigkeit (McClelland, 1967, 1987). Andere Ansichten gehen von nur einem einzigen Grundmotiv – dem universellen Hedonismus (Batson, 1990) – oder gar von pluralistischen Motiv-Theorien (z. B. Reiss, 2000) aus. Die vorliegende Studie orientiert sich sowohl an der Definition von McClelland (Machtmotiv) sowie an den 16 Lebensmotiven nach Steven Reiss (Anerkennung).

Macht. McClelland beschreibt die Quintessenz des Machtmotivs als Empfindung der eigenen Stärke und die Ausübung von Kontrolle über Dritte. Zu bemerken ist, dass allein die Gewissheit, Macht zu besitzen, als noch bedeutender wahrgenommen wird, als die effektive Ausübung dieser (McClelland, 1975). McDougall (1933) nennt zudem das Streben nach Selbstbehauptung als existenzielles Kriterium des Machtmotivs. Im Allgemeinen besitzen durch Macht motivierte Persönlichkeiten verstärkte Tendenz zu Aggression und Dominanz und zeigen risikoreicheres Verhalten (Furtner, 2012). Sie sind angewiesen auf die Bewunderung und Anerkennung ihrer Umwelt, zeigen in extremen Ausprägungen Zusammenhänge mit narzisstischen (Carroll, 1987; Elliot & Thrash, 2001), sowie machiavellistischen (Walter, Anderson, & Martin, 2005, r = .43, p < .0113 ) Persönlichkeitsdispositionen und setzen häufig Charme, als auch Kommunikationsgeschick ein, um ihre Ziele durchzusetzen (Winter, 2002, 2005). Beruflich tendieren machtmotivierte Charaktere mehrheitlich zu Positionen, in welchen sie Kontrolle und Einfluss ausüben können. Insofern finden sich machtorientierte Individuen zunehmend in Management- und Führungsebenen wieder.

Anerkennung. Nach Reiss14 beinhaltet das Motiv der Anerkennung15 die soziale Akzeptanz, Zugehörigkeit und die Erreichung bzw. Aufrechterhaltung eines positiven Selbstwerts. Letzteres hängt maßgeblich von der positiven Bestätigung durch Dritte ab. Dadurch sind Menschen mit stark ausgeprägtem Anerkennungsmotiv im Allgemeinen weniger kritikfähig, fürchten Zurückweisung, tendieren zu Versagensängsten und fühlen sich in sozialen Situationen meist unsicher. Es ist davon auszugehen, dass eine hohe Ausprägung auch zu psychologischen und sozialen Beeinträchtigungen führen kann (Zelick, 2007, S. 141, r = -.46, p < .01). Niedrige Ausprägung des Bedürfnisses hingegen lässt auf größeres Selbstbewusstsein, konstruktive Kritikfähigkeit sowie ein positiveres Weltbild (Zelick, 2007, S. 141, r = -.29, p < .01) schließen.

Intrinsische Motivation. Das hauptsächliche Unterscheidungsmerkmal zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation ist die Herkunft bzw. Ursache des Motivtriebes. So wird menschliches (sowie auch tierisches) Verhalten bei vorliegender intrinsischer Motivation von innen heraus, bei extrinsischer Motivation jedoch durch äußere Reize, also von außen her bestimmt. Unter Annahme der Theorie der Behaviour-Primacy 16 nach Woodworth (1918) wird Motivation durch Triebe wie Neugier oder den Selbstbehauptungstrieb bestimmt – es steht also die Auffassung eines rein instrumentellen und hedonistisch geprägten Verhaltens im Raum. Mit seinem Prinzip der funktionellen Autonomie hat Allport (1937) diesen Denkansatz um die Prämisse erweitert, dass die ursprünglich instrumentell begründeten Handlungen auch eigenständige Anreize entwickeln können. Unterstützt werden seine Annahmen durch die Theorien des Explorations- (Montgomery, 1954), sowie des Manipulationstriebes (Harlow, Harlow, & Meyer, 1950). Herzberg, Mausner, & Snyderman (1959) unterscheiden in ihrer Studie The Motivation to Work (n = 228) darüber hinaus nach Hygienefaktoren und Motivatoren, wobei erstere erfüllt sein müssen, bevor letztere zu ihrer effizienten Entfaltung kommen (vgl. auch Herzberg, 1968). Im Rahmen dieser Studie fließt die Testung intrinsischer Motivation der Versuchsteilnehmer mit in die Untersuchung ein. Diese hat insofern berufliche Kriteriumsvalidität, als dass Mitarbeiter einen höheren Fokus auf interessante Aufgaben legen, die ihnen Spaß machen und in welchen sie sich weiterentwickeln können, als das Einkommensniveau, Status oder Machtausübung, was zu einer Reduktion der Fluktuation, einer Steigerung des Engagements und damit einhergehend auch zu wirtschaftlichen Vorteilen – gleichermaßen für Unternehmen und Mitarbeiter – führen kann.

Forschungsleitfragen

Auf Grundlage der Fragestellung des Zusammenhangs zwischen Persönlichkeit und Motiv und deren Wirkung auf berufliche Leistung, haben sich vier Forschungskomplexe mit jeweils mehreren Unterhypothesen ergeben, welche die Verbindung zwischen den Persönlichkeitsdimensionen Extraversion, Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Neurotizismus, sowie den Motiven Macht, intrinsische Motivation und Anerkennung untersuchen. Im Hinblick auf berufliche Eignung werden die Leistungskonstrukte Aufgabenleichtigkeit (diametral zu Herausforderungen), sowie indifferente Notengebung als Kriterium für berufliches und auch akademisches Leistungsstreben untersucht:

Hypothese 1 Die Persönlichkeitsdimensionen haben Einfluss auf das Machtmotiv.

Hypothese 2 Die Persönlichkeitsdimensionen haben Einfluss auf die intrinsische Motivation.

Hypothese 3 Die Persönlichkeitsdimensionen haben Einfluss auf das Anerkennungsmotiv.

Hypothese 4 Die Motivstruktur hat Einfluss auf berufliche Leistung.

Methodik

Datenerhebung

Bei vorliegender Studie handelt es sich um eine Querschnittsuntersuchung. Dabei lassen sich Zusammenhänge zwischen Variablen und Konstrukten erkennen – eine Aussage über die zeitliche Entwicklung der Faktoren kann jedoch nicht getroffen werden. Die Erhebung der Daten erfolgte anonym auf Basis einer schriftlichen (Pencil - Paper) Befragung mittels standardisiertem Fragebogen. Der Fragebogen ist in elf Kapitel gegliedert mit einer Testlänge von 131 Items, die anhand sieben verschiedener Antwortformate erfasst werden. Die effektive Testzeit betrug etwa 15 Minuten, zuzüglich einer nicht-standardisierten Instruktionszeit von ungefähr fünf Minuten ergibt sich eine Durchführungszeit von ca. 20 Minuten. Die Testlänge ist als kritischer Faktor zu bewerten, da das Risiko einer proportional steigenden Abbrecherquote besteht, die auf Ermüdungserscheinungen, Desinteresse und Unkonzentriertheit zurückzuführen ist (Gräf, 1999). Stangl (1998) empfiehlt hierzu eine Beantwortungsdauer von maximal 10 Minuten mit 15 bis 20 geschlossenen und wenig offenen Fragen. Um jedoch ausreichend innere Konsistenz der Konstrukte zu gewährleisten, war eine entsprechende Anzahl Einheiten Voraussetzung, die mit zunehmender Testlänge das Ergebnis präzisieren: Der Messfehler wird reduziert und der Mittelwert entspricht eher dem wahren Wert der Merkmalsausprägungen (vgl. Moosbrugger, 2011). Der vollständige Fragebogen ist dem Anhang (Appendix I – Befragung Studienmotivation Wintersemester 2018) zu entnehmen.

Die Grundgesamtheit N setzt sich aus insgesamt etwa 5.023 Studenten der FOM Hochschule für Oekonomie & Management am Standort Nürnberg (alle Studierenden am Studienzentrum Nürnberg) aus acht Semestern in 18 Studiengängen zusammen. Da anzunehmen ist, dass sich – wie häufig in psychologischen Studien – die Grundgesamtheit hauptsächlich aus WEIRD 17 -Probanden (Henrich, Heine, & Norenzayan, 2010) zusammensetzt, ist die Aussagekraft im Hinblick auf die Gesamtbevölkerung zu vernachlässigen und nur unter starken Verzerrungen zu übertragen. Die Teilerhebung wurde von insgesamt 30 Studierenden aus zwei Veranstaltungen in 19 Gruppen von je ein bis drei Kommilitonen durchgeführt und selbstständig anhand eines standardisierten Kodierplans (vgl. Appendix II – Kodierplan zum Fragebogen) erfasst. Die Erfassung erfolgte jeweils in Gruppen, um die Fehlerquote durch ein Vier-Augen-Prinzip zu verringern. Die Auswertungszeit betrug in Abhängigkeit von Gruppengröße und Anzahl der erhobenen Daten je Fragebogen ca. fünf Minuten. Abschließend erfolgte die Konsolidierung der Daten durch den Versuchsleiter, dem die erfassten Fragebögen zur Archivierung überlassen wurden.

Datenauswertung

Die Operationalisierung der Konstrukte wurde seitens des Versuchsleiters vorgenommen, den Studierenden präsentiert und erklärt. Vorläufig wurden nach erfolgter Fehlersuche und Plausibilitätsprüfung gemäß Kodierplan 322 gültige Datensätze mit 131 Variablen extrahiert. Unbeantwortet blieben von insgesamt 42.182 erfassten Daten 689 Einträge (ca. 1,63%), was einerseits auf die überdurchschnittlich lange Testzeit zurückzuführen ist, da fehlende Einträge einen Deckeneffekt aufweisen (vgl. Abbildung 1) und andererseits geringe Motivation der Versuchspersonen angenommen werden kann, weil die Befragung vor Vorlesungsbeginn, jedoch innerhalb der Vorlesungszeit stattfand. Darüber hinaus fanden viele Evaluationsrunden erst abends statt, wodurch impliziert werden kann, dass dies – durch die nebenberufliche Zusatzbelastung bei den Studierenden – einen Einfluss auf deren Motivation und Leistungsfähigkeit hatte. Bosnjak & Batinic (1999) betonen zudem die Sinnhaftigkeit und Bedeutsamkeit von Untersuchungen. Aufgrund der Frequenz, in der Studierende zur Teilnahme an akademischen Studien eingeladen werden, kann antizipiert werden, dass die Bewertung einzelner Befragungen – insbesondere, wenn dadurch kein immanenter Nutzen für die Teilnehmenden entsteht – tendenziell rückläufig ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1. Kumulativer Anstieg fehlender Werte (na).

Die Versuchspersonen gliedern sich in 142 männliche und 171 weibliche Probanden zwischen 19 und 53 Jahren (M = 27.03, SD = 5.15, Mdn = 25). Der Großteil (n = 193) ist in fester Partnerschaft lebend oder alleinstehend (n = 93). Unter den Studierenden befanden sich 237 Bachelor- und 75 Masterstudiengänge, worunter betriebswirtschaftliche (n = 105) und wirtschaftspsychologische (n = 91) Fächer am häufigsten belegt wurden (vgl. Abbildung 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2. Verteilungshäufigkeiten der Stichprobe.

Datenaufbereitung

Im Anschluss an die Datenprüfung wurden gemeinsam Konstrukte anhand von Faktoranalysen und entsprechende Summenscores gebildet. Die standardisierten Persönlichkeitsdimensionen – die Kurzversion des Big Five Inventory (BFI-K) nach Rammstedt & John (2005) mit 21 Items – sowie die Messung der Resilienz mit 13 Items (RS-13) nach Leppert et al. (2008) wurden wie vorgesehen recodiert und ermittelt (vgl. BF1 - BF21 bzw. R1 - R13 in Appendix I – Befragung Studienmotivation Wintersemester 2018). Da die Messung der Resilienz in vorliegender Untersuchung nicht zum Tragen kommt, werden hierbei verstärkt die Persönlichkeitsdimensionen berücksichtigt: Extraversion (α = .78, n = 310), Offenheit (α = .67, n = 307), Verträglichkeit (α = .58, n = 311), Gewissenhaftigkeit (α = .64, n = 313) und Neurotizismus (α = .72, n = 307) wie in Tabelle 6 dargestellt.

Im Hinblick auf die Verteilung der Merkmalsausprägungen kann festgestellt werden, dass die Normalverteilungsannahme für die fünf Konstrukte aufrechterhalten werden kann, da Schiefe und Kurtosis im Bereich kleiner als |1.65| liegen und die Inaugenscheinnahme diese Einschätzung unterstützt (vgl. Abbildung 3). Ermittelt wird außerdem eine leichte Tendenz zu Linksschiefe bei Extraversion (W > .97, p < .001) und Gewissenhaftigkeit (W > .96, p < .001), wohingegen der Neurotizismus (W > .98, p = .004) leichte Rechtsschiefe aufweist (Prüfung auf Normalverteilung nach Royston, 2006).

Weiterhin wurden die Variablen A3, A4, A6, A15 und A16 per Faktoranalyse in das Konstrukt Machtmotiv (α = .88, n = 316) überführt, die Items A9, A10, A12 und A13 als das Konstrukt für intrinsische Motivation (α = .75, n = 317) und die Variablen A7, A11 und A14 als Anerkennungsmotiv (α = .71, n = 319) deklariert (vgl. Tabelle 7).

[...]


[1] Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI; Bents & Blank, 2003) auf Platz 1 der am häufigsten angewandten Verfahren persönlichkeitsorientierter Fragebögen.

[2] n = 62, Die Prozentzahl bezieht sich auf Personen, die auf die Frage "Welche beruflichen Verbesserungen oder Veränderungen haben Sie sich von einem Wechsel versprochen?" mit 'trifft voll und ganz zu' bzw. 'trifft überwiegend zu' geantwortet haben.

[3] Manchester Consulting Study (1998); KPMG gibt bis zu 100.000 US$ je Mitarbeiter, Agilent Technologies bis zu 250.000 US$ für einen Softwareentwickler als Fluktuationskosten an.

[4] Sehr allgemein gehalten: Geringer Neurotizismus, Hohe Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Offenheit für Erfahrungen und Anforderungen, z. B. VUCA, Agilität, etc.

[5] Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie.

[6] > 18.000 Begriffe.

[7] Openness, Conscientiousness, Extraversion, Agreeableness, Neuroticism.

[8] Drei Dimensionen der emotionalen Reaktion: Erregung-Nichterregung, Lust-Unlust (zurückzuführen auf Aristippos von Kyrene [ca. 435-355 v. Chr.]), Dominanz-Unterwerfung.

[9] Achievement, Order, Cautiousness, Duty, Dependability.

[10] Nach Eysenck (1950): Fehlen von Persönlichkeitsintegration.

[11] Beteiligt an der Verarbeitung von Emotionen.

[12] Bruce (2011).

[13] Gemessen mit „Kontrolle“ (Control).

[14] Reiss Motivation Profile (2017, N = 79,888).

[15] Nach Reiss (2004): Acceptance.

[16] Jegliches Verhalten ist primär auf die direkte Interaktion mit der Umwelt ausgerich- tet.

[17] WEIRD: Akronym für Western (Westlich), Educated (Gebildet), Industrialized (In- dustrialisiert), Rich (Reich) und Democratic (Demokratisch).

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Detalles

Título
Extraversion. Eine Frage guter Führung?
Universidad
University of applied sciences, Nürnberg  (Institut für Wirtschaftspsychologie)
Curso
Empirisches Projekt
Calificación
1,0
Autor
Año
2019
Páginas
81
No. de catálogo
V465491
ISBN (Ebook)
9783668942165
ISBN (Libro)
9783668942172
Idioma
Alemán
Notas
Der Anhang beinhaltet den vollständigen Fragebogen sowie den Kodierplan zum Fragebogen. Die erhobenen Rohdaten werden nicht veröffentlicht.
Palabras clave
Persönlichkeitspsychologie, Führung, Extraversion, Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus, Verträglichkeit, Motive, Machtmotiv, Anerkennungsmotiv, Intrinsische Motivation, Sozialpsychologie, Fragebogen, Korrelationsstudie, Führungserfolg, Mitarbeitermotivation, Persönlichkeitsdimensionen, Big Five, Diagnostik, Leistungsdiagnostik, Personalauswahl, Fluktuation
Citar trabajo
Frank Dutine (Autor), 2019, Extraversion. Eine Frage guter Führung?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/465491

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