Leseprobe
Gliederung der Arbeit
1 Einleitung: Relevanz und Fragestellung
2 Theorie und Hypothesen H1 und H
3 Hypothese H
4 Methode und Auswertung zu H1 und H
5 Methode und Auswertung zu H
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung: Relevanz und Fragestellung
Die Frage, die hinter dieser Hausarbeit steckt, ist die nach der Diskriminierung offensichtlich gepiercter Personen bei der Bewerbung für eine Arbeitsstelle als Beamter. Diskriminierung bedeutet in diesem Fall, dass sie geringere Chancen auf eine Anstellung haben als nicht-gepiercte Bewerber. Genauer gefragt wird also, ob sie diskriminiert werden und wenn ja, welche Form der Diskriminierung dem zugrundeliegt. Dieses Thema hat eine höhere gesellschaftliche Relevanz als eine wissenschaftliche, da Piercings in der modernen deutschen und europäischen Gesellschaft immer leichter anerkannt werden und häufig nur noch aus gesundheitlichen Gründen bei der Jobsuche ein Problem darstellen, etwa in der Gastronomie. Nur im Beamtentum ist auffällig, dass dort selten jemand arbeitet, der gepierct ist. Werden gepiercte Personen absichtlich in der Personalauswahl nicht berücksichtigt? Wenn ja, aus rationalen oder irrationalen Gründen? Um die Überprüfung dessen zu ermöglichen, wird im Folgenden eine Theorie dazu entwickelt und begründet, ob gepiercte Bewerber im Beamtentum seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden als ungepiercte und wenn ja, auf welcher Art von Diskriminierung dies beruht. Dazu werden passende Hypothesen abgeleitet sowie eine geeignete Methode und Auswertung entwickelt. Letztendlich soll ein Forschungsdesign entstehen, anhand dessen sich überprüfen ließe, ob die aufgestellten Hypothesen wahr sein könnten.
2 Theorie und Hypothesen H1 und H2
Der deutsche Staat als Träger des Beamtentums gilt in Deutschland als einer der größten, attraktivsten und sichersten Arbeitgeber. Ein Beamter ist praktisch unkündbar, hat ein stetiges Festgehalt und im Jahr 2016 arbeiteten über 1,5 Millionen Beamte für den Bund (Statista 2017). Gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Unsicherheit ist daher anzunehmen, dass viele Menschen als Beamte arbeiten möchten. Piercings als ehemals außergewöhnliche Darstellung der Körperkunst sollten dabei heutzutage keine Hürde mehr darstellen, soweit sie nicht aus jobspezifischen Gründen, wie etwa strengen Hygienevorschriften, nicht getragen werden dürfen. Dennoch sind im Beamtentum kaum Beamte mit sichtbaren Piercings anzutreffen – aus welchem Grund? Aus diesem Gedankengang entstand eine Annahme auf Basis der Theorie der wortwörtlich unmittelbaren Diskriminierung (Gomolla 2010: 62), die lautet: „Offensichtlich gepiercte Bewerber werden bei der Personalauswahl im Beamtentum benachteiligt“, was an der Anzahl der Einladungen zu Vorstellungsgesprächen überprüft werden soll.
Als ein Teilbereich der Theorie der ökonomischen Diskriminierung ist die statistische Diskriminierung (Granato 2003: 35) als Ursprung der Stereotypisierung zu sehen (Werth, Mayer 2007: 378): Eine Erklärung für die Diskriminierung gepiercter Bewerber wäre, dass die Personalarbeiter, die einer älteren Generation angehören, noch nicht mit der offenen Piercingkultur heutzutage vertraut sind und daher Piercings mit einer niederen Gesellschaftsschicht, der Zugehörigkeit zu bestimmten Subkulturen und in Zusammenhang damit mit bestimmten Eigenschaften assoziieren. Daraus könnten sie schlussfolgern, dass der Betroffene sich aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer kleineren Gruppe von der Gemeinschaft der Arbeitskollegen separiert und es daher im Team Probleme geben könnte. Die Person würde dann nicht in das Unternehmen und in den Job passen, was ebenso zum Schaden des Unternehmens wäre, wenn auch die Kaufkraft nicht negativ beeinflusst werden würde. Die Vorurteile sind hier die Basis der statistischen Diskriminierung, die sich mit der verallgemeinernden Stereotypisierung überschneidet. Diese beiden Komponenten führen zu der Schlussfolgerung des Arbeitgebers des Schadens der Einrichtung, was im Gesamten ökonomische Züge aufweist. Entscheiden muss der Personalarbeiter jedoch aufgrund der Fähigkeiten des Bewerbers, die auf die Passung zwischen Person und Job hinweisen (Edwards et al. 1998: 234 ff.). Passt diese Komponente, jedoch die anderen nicht, wie der Personalarbeiter aufgrund der Piercings vermutet, wird der Bewerber von vornherein aussortiert, um ein Risiko auszuschließen. Diese Art der Diskriminierung ist also auf ein reines Informationsdefizit zurückzuführen, das der Personalarbeiter aufgrund der gedachten Gruppenzugehörigkeit mit fehlerhaften Informationen zu füllen versucht. Er stellt also lieber ungepiercte Personen ein als gepiercte, was sich als ebenfalls ökonomisch basierte Arbeitgeberpräferenz bezeichnen lässt, da er eine Gruppe der anderen vorzieht (Becker 1971: 14). Aus den Annahmen der verschiedenen ökonomischen Diskriminierungsursachen entsteht die erste Hypothese H1: „Offensichtlich gepiercte Bewerber werden bei der Bewerbung im Beamtentum häufiger abgelehnt als ungepiercte Bewerber.“
Wenn ein gepiercter Bewerber jedoch nachweisen kann, dass er sich in der Arbeit nicht von etwaigen Subkulturen, persönlichen Einstellungen oder Verhaltensweisen beeinflussen lässt, etwa anhand von Arbeitszeugnissen oder Referenzschreiben, ist dieses Informationsdefizit des Personalarbeiters beseitigt. Demzufolge würde er gepiercte und ungepiercte Bewerber, sofern er keine weiteren Vorurteile oder Abneigungen hegt, gleich behandeln und je nach Qualifikation auch gleich häufig zum Gespräch einladen. Daraus entsteht die zweite Hypothese H2: „Wenn gepiercte Bewerber ihrer Bewerbung Referenzen beilegen, unterscheidet sich die Ablehnungshäufigkeit nicht mehr zwischen gepiercten und ungepiercten Bewerbern.“ Sollte diese sich bewahrheiten, wäre damit automatisch der Beweis für eine vorherige ökonomische Diskriminierung (Arrow 1971) gefunden, da sie sich nur durch diesen Gegenbeweis aufheben ließe.
3 Hypothese H3
Liegt eine andere Art der Diskriminierung vor, würde dies vernachlässigt werden und ein falsches Ergebnis ergeben, wenn es nicht geprüft würde. Daher wird eine dritte Hypothese aufgestellt, die die Art der institutionellen Diskriminierung berücksichtigt (Gomolla 2010). Diese basiert auf offiziellen oder auch inoffiziellen institutionellen Regelungen, die vom Personalarbeiter angewiesen werden und nichts mit seinen persönlichen Einstellungen oder Vermutungen zu tun haben, die H1 und H2 zugrundeliegen: Eine weitere Möglichkeit der Begründung für Diskriminierung ist, dass in den Strukturen des Beamtentums ein gewisses äußerliches Erscheinungsbild gewünscht und sogar gefordert ist, aufgrund dessen Bewerber eingestellt werden. Diese ungeschriebenen Gesetze wären ein Hinweis auf institutionelle Diskriminierung (Feagin, Feagin 1986: 30). Dies ließe sich auf alle Personalarbeiter probabilistisch übertragen, da die Diskriminierung dann nicht mehr auf der Wissenslücke eines Einzelnen beruhen kann, sondern allgemeingültig ist in dem Unternehmen und auch im gesamten Beamtentum und allen damit verbundenen Institutionen. Daraus lässt sich die Hypothese 3 ableiten, H3, die den ersten beiden Hypothesen widerspricht: „Arbeitgeber greifen bei der Bewertung gepierter Bewerber auf ungeschriebene Gesetze betreffend des äußeren Erscheinungsbildes zurück.“
Das bedeutet, wenn H1 und H2 bestätigt würden, ließe sich daraus auf eine statistische Diskriminierung schließen, und wenn H3 anstelle der beiden ersten Hypothesen bestätigt wird, deutete dies auf eine institutionelle Diskriminierung hin. So sind mehrere Ansätze vertreten und werden in Betracht gezogen, sodass die Theorie bei einer Bestätigung komplett unter dem Ausschluss von Störfaktoren erklärt werden kann.
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