John Stuart Mills "On Liberty". Ist Hate Speech nach dem Begriff der Meinungsfreiheit von J. S. Mill legitim?


Trabajo Escrito, 2019

18 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsangabe

Einleitung

Was ist Hate Speech?

Mills Theorie der Meinungsfreiheit

Legitimation staatlicher Regulierung der Meinungsfreiheit nach J. S. Mill

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

„Sapere aude!“

Horaz

An Aktualitat ist die Diskussion um „Hate Speech" kaum zu ubertreffen: Donald Trumps’ Reden, die AfD im deutschen Bundestag Oder die Herausforderung durch (anonyme) Hetze und Diskriminierung im Internet seien hier nur beispielhaft genannt. Nicht erst seit dem zweiten Weltkrieg fordern Hassreden uns als Gesellschaft nicht nur heraus sondern auch immerwieder auf, unsere Umwelt reflektiert zu betrachten. Dennoch stellt die Freiheit der persbnlichen Meinungsaufterung eines der zentralen Menschenrechte dar und gilt als unabdingbar fur das Funktionieren eines demokrati- schen Rechtsstaates. Was passiert, wenn diese Freiheit beschnitten wird, zeigt ein Blick in die Geschichte schmerzlich. Aus diesem Grund ist in der Verfassung der Bun- desrepublik Deutschland, dem Grundgesetz, welches vom Parlamentarischen Rat am 8. Mai 1949 beschlossen wurde, das Recht der freien Meinungsaufterung festgehal- ten. Der Art. 5 (1) GG besagt: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu auftern und zu verbreiten und sich aus allgemein zuganglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. [...] Eine Zensurfindet nicht statt."1 Ebenso im Grundge- setzt verankert ist jedoch auch der Aspekt, dass „die Wurde des Menschen [...] unan- tastbar [ist], Sie zu achten und zu schutzen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt", soArt. 1 (1) GG.2

Werden diese beiden so grundlegenden Menschenrecht gegenubergestellt, erschei- nen sie in mancher Hinsicht antagonistisch. Wenn jede Meinung frei geauftert werden darf, somit auch eine, die das Gegenuber schadigt, kann unter Umstanden nicht langer fur den Schutz der Wurde des Einzelnen garantiert werden. Doch in wie weit das Ge­genuber zu schutzen ist, sei nicht Inhalt dieser Arbeit, denn wie Mill in seinem Werk angemerkt hat: „Viel liefte sich daruber sagen, wie unmbglich es ist zu fixieren, wo man diese Grenzen zu ziehen hatte."3 Vielmehr soil es Ziel und Inhalt dieser Arbeit sein, grundlegend darzulegen, dass Hate Speech auch nach Mills Freiheitsverstandnis illegitim ist. Denn in Zeiten, in denen in verschiedenen europaischen Landern erneut politisch rechte Positionen bezogen werden, ist es ein Interessantes die Frage zu stel- len: Was hatte Mill wohl zu Hate Speech gesagt? Denn so wie Mill Liberalist ist - so ist er auch Utilitarist. Dies bringt er in verschiedenen seiner Abhandlungen zum Aus- druck. Grundlage dieserAusarbeitung solljedoch lediglich sein Werk On Liberty sein.

Um eine hinreichende Antwort auf die gestellte Frage geben zu kbnnen, wird zunachst der aktuelle Rahmen der Begriffsdefinition und verschiedene Kategorisierungen von Hate Speech gegeben, sowie mit Beispielen veranschaulicht.

Fur wie wichtig Mill die freie Meinungsaufterung, auch Free Speech, erachtet, wird nachfolgend deutlich, denn eine Meinung zu unterdrucken ist fur ihn wie Raum am menschlichen Geschlecht. Daher wird im Weiteren beschrieben, auf welche Weise er sein Pladoyer fur freie Meinungsaufterung ausfuhrt und die Theorie dargelegt, nach der beurteilt werden soil, ob Hate Speech nach John Stuart Mill zulassig ist. Die Ant­wort folgt im nachsten Kapitel und spricht sich dafur aus, dass Hate Speech in mehre- ren Aspekten nicht dem Mill’schen Verstandnis von legitim geaufterter Meinung entspricht. Die Grunde, die eine staatliche Regulierung regulieren legitimieren werden ausgefuhrt, bevor der Diskurs mit einem Fazit schlieftt.

Was ist Hate Speech?

Um darstellen zu kbnnen ob Hate Speech, zu deutsch Hassrede, nach dem Freiheits- begriff von John Stuart Mill legitim ist, bedarf es im vor Vorfeld einer genauen Darle- gung dessen, was der Begriff in der bffentlichen Diskussion beschreibt und daruber hinaus welches Verstandnis Mill davon hat.

Hate Speech wird als „5ffentliche Kommunikation bewusster und/oder intentionaler Botschaften mit diskriminierenden Inhalten verstanden."4 Es handelt sich somit weder um die Frage nach Hass, noch nach Sprache, vielmehr um eine Form der kommuni- kativen Herstellung menschlicher Minderwertigkeit. Sowohl bewusst, als auch unbe- wusst dafur intentional, werden Antinomien bedingt, die Menschen als ungleichwertig definieren und exklusive Gegensatze bestimmen.5

Ganz allgemein zielt Hassrede darauf ab, den Einzelnen Oder ein bestimmtes Kollektiv zu verunglimpfen,6 wobei es sich bei diesen „Gruppen“ meist um Minderheiten handelt. Gerade Migrantlnnen, Muslimlnnen und Homosexuelle geraten heute haufig in das Fadenkreuz, da sie sich in einer ungunstigen politischen sowie sozialen Position im gesellschaftlichen Machtgefuge befinden.7 Hate Speech kann somit auf Basis vieler Aspekte, wiez.B. Religion, Ethnologie, nationaler Herkunft, Geschlecht, sexueller Ori- entierung, Klasse Oder sozialer Herkunft, physischer Oder mentaler Behinderung, er- folgen.8 Die Folge ist, dass die unterschiedlichsten Formen rassistischer, fremdenfeindlicher, homophober Oder andere damit zusammenhangender Identitats- stbrungsdelikte unter dem Begriff Hassrede zusammengefasstwerden kbnnen.9 Dennoch gibt es einige immer wiederkehrende Elemente von Hate Speech: Gleichset- zung (z.B. Juden = Israel), Verschwbrungstheorien (z.B. ,,Um von der Kritik an der eigenen Auftenpolitik abzulenken hat Israel einen Anschlag auf die eigene Bevblke- rung inszeniert."), De-realisierung (z.B. gewollte Ausblendung von Tatsachen Oder Verbreitung von Fake-News), Gegenuberstellung von Wir- und Ihr-Gruppe und das Konstruieren eines Handlungszwanges (z.B. „Wenn wir uns das noch langer von de- nen gefallen lassen, werden wir alle verarmen.") und die Normalisierung von beste- henden Diskriminierungen (z.B. ,,lst doch kein Wunder, dass die Juden verfolgt werden.").10

Die Geschichtsbucher zeigen, dass das Phanomen bereits in fruheren Zeiten, wie bspw. wahrend des Nationalsozialismus, zu beobachten war. Dennoch ist der Begriff Hate Speech noch relativ neu. Trotz der nicht nachlassenden Brisanz des Themas, konnte sich die internationale Gemeinschaft bis heute weder auf eine wissenschaftlich noch rechtlich einheitliche Definition von Hate Speech festlegen.11

Der Begriff Hate Speech ist somit eine sehr breite Bezeichnung, welche Aussagen und Handlungen in vielen verschiedenen Arten beinhaltet, die wiederum mit etlichen Arten von Interessen zur Meinungsfreiheit korrelieren und zahlreiche Auspragungen von Schaden zur Folge haben.

Es gibt verschiedene Moglichkeiten Hate Speech zu kategorisieren. Ein ersterAnsatz soil hier beschrieben werden, der vierAuspragungen vorsieht:

(1) gezielte Herabwurdigung, (2) diffuse Herabwurdigung, (3) organisierte, politisch vertretene Ausgrenzung und/oder Vernichtungsstrategien und (4) andere Tatsachen- oder Wertbehauptungen, welche ein nachteiliges Urteil fur eine klar identifizierbare Menschengruppe darstellen.12

Die dominante Absicht der gezielten Herabwurdigung ist zu verletzen, beleidigen Oder dem Hbrerkreiszu drohen, motiviertdurch Feinseligkeit oderVerachtung aufgrund eth- nischer Oder religioser Identitat der Zielgruppe. Hierbei geht es nicht nur um Vorfalle bei persbnlichen Begegnungen, sondern auch um Vorkommnisse ohne unmittelbaren Kontakt. Beispielhaft kann hier der Umstand genannt werden, wenn eine rassistische Aussage an jemandes Eingangstur gesprayt wird Oder eine Schlinge Oder ein ahnlich konfliktgeladenes Symbol aufjemandes Arbeitsplatz vorzufinden ist.13

Diffuse Herabwurdigung unterscheidet sich von der Gezielten insofern, als dass sie nicht unmittelbaran spezifische Personen Gruppen gerichtet ist, sondern eherzu einer Zuhbrerschaft, haufig in Form von Symbolen, spricht. Beispiele schlieften den beab- sichtigten Nazi-Marsch durch das Dorf Skokie in Illinois Oder die nachgeahmte Skla- venauktion der Weiften Bruderschaft an der Universitat von Wisconsin ein.

Ausgrenzende Richtlinien sind solche, welche bestimmte ethnische Oder religiose Gruppen von voll- Oder gleichwertiger Staatsburgerschaft ausschlieften. Dies ge- schieht, indem ihnen ihre burgerlichen und politischen Rechte aberkannt werden und sie unter systematischer, staatlich sanktionierter Benachteiligung leiden mussen. Bei­spielhaft kann hier der Judenstern als Zwangskennzeichen genannt werden, der von Personen zu tragen war, die nach den Nurnberger Gesetzen von 1935 rechtlich als Juden galten. Vernichtungsstrategien beschreiben hingegen ein planmaftiges Vorge- hen mit dem Ziel, bestimmte ethnische Oder religiose Gruppen aus der Bevblkerung zu entfernen, durch Zwangsruckfuhrung Oder gewaltsame ethnische Sauberung.14 An das oben genannte Beispiel kann angeknupft werden. Der Judenstern, welcher die Ausgrenzung, Diskriminierung und Demutigung der Juden in Europa weiter fortsetzte, war als Kennzeichen somit Hilfsmittel, um die planmaftigen Judendeportationen um- zusetzen. Der Judenstern kann somit als offentlich sichtbare Maftnahme zur Durch- fuhrung des Holocausts gesehen werden.

Benachteiligende Tatsachen- und Wertbehauptungen hingegen fuhren nicht zwangs- laufig zu signifikanten Schaden. Ebenso beinhalten sie kognitive Inhalte, denen geant- wortet werden kann, welches bei blower Herabwurdigung von Minoritaten nicht mbglich ist. Dies lasst diese Form der Hate Speech als „geschutzt“ gelten. Beispielsweise kann verunglimpfende Rede, die eine bestimmte ethnische Oder religiose Gruppe z.B. mit Kriminalitat Oder Krankheit in Zusammenhang bringt, mit Gegenargumenten begegnet werden.15 Zur Veranschaulichung kann hier an die Aussagen der AfD und Pegida ge- dacht werden, welche behaupten, dass aufgrund dervielen Asylbewerber die Krimina­litat in Deutschland rasant steigen wurde - welches sich bei genauerer Analyse der Studien, als nichtwahr herausstellt.16

Wenden wir unseren Blick von der aktuellen Diskussion auf den ethisch-philosophi- schen Ansatz von John Stuart Mill. Dieser bezeichnet Hate Speech in seinem Werk als ..intemperate discussions",17 und definiert diese im Weiteren als „Grobheiten, Sar- kasmen, persbnliche Angriffe und Dergleichen."18 Daruber hinaus erwahnt er Um- stande bei denen die Verfahrensweisen Einzelner einen „Mangel an Aufrichtigkeit, Oder Bosheit, Frbmmelei und Unduldsamkeit offenbaren."19 Auch wenn Mill zu seiner Zeit einen noch verschwommener Begriffsbestimmung vermittelt, wird deutlich, dass ein analoges Grundverstandnis des Phanomens besteht.

Nachdem nun, auch ohne exakte Begriffsdefinition, ein grundlegender Eindruck von Hate Speech vermittelt wurde, ist es Inhalt des folgenden Kapitels die Theorie der freien Meinungsau^erung von Mill darzulegen.

[...]


1 Deutscher Bundestag; 2017

2 Deutscher Bundestag; 2017

3 Mill, Grafrath; 2009; S. 153

4 Sponholz; 2018;S.48

5 Sponholz; 2018;S.48

6 Bacovska, Mihajlova & Shekerdjiev; 2013; S. 24

7 Sponholz; 2018;S.48

8 Bacovska, Mihajlova & Shekerdjiev; 2013; S. 25

9 Bacovska, Mihajlova & Shekerdjiev; 2013; S. 24

10 Baldauf, Banaszczuk, Koreng, Schramm & Stefanowitsch; o.J.

11 Sponholz; 2018; S. 49

12 Yong; 2011; S. 385

13 Yong; 2011; S. 394

14 Yong; 2011; S. 398

15 Yong; 2011; S. 401

16 Soltau; 2016

17 Mill, Grafrath; 2009; S. 152

18 Mill, Grafrath; 2009; S. 153

19 Mill, Grafrath; 2009; S. 157

Final del extracto de 18 páginas

Detalles

Título
John Stuart Mills "On Liberty". Ist Hate Speech nach dem Begriff der Meinungsfreiheit von J. S. Mill legitim?
Universidad
LMU Munich  (Philosophie)
Curso
Praktische Philosophie
Calificación
1,7
Autor
Año
2019
Páginas
18
No. de catálogo
V467907
ISBN (Ebook)
9783668941915
ISBN (Libro)
9783668941922
Idioma
Alemán
Palabras clave
Mill; Hate Speech; Rechtsextremismus
Citar trabajo
Inken Bräger (Autor), 2019, John Stuart Mills "On Liberty". Ist Hate Speech nach dem Begriff der Meinungsfreiheit von J. S. Mill legitim?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/467907

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