Angebot und Nachfrage bei Reiseveranstaltern in Deutschland und Frankreich

Eine vergleichende Studie der Produktpolitik


Diplomarbeit, 2005

131 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

EINLEITUNG

I. TOURISMUS UND REISEVERANSTALTER
I.1 Tourismus
I.1.1 Begriffsbestimmung
I.1.2 Geschichte des Tourismus
I.1.3 Einflussfaktoren auf den Tourismus
I.2 Tourist
I.2.1 Begriffsbestimmung
I.2.2 Bedürfnisse von Touristen
I.3 Reiseveranstalter
I.3.1 Begriffsbestimmung
I.3.2 Ziel und grundlegende Strategie von Reiseveranstaltern
I.3.3 Verschiedene Arten von Reiseveranstaltern
I.3.4 Anforderungen an Reiseveranstalter
I.3.5 Besonderheiten im Reiseveranstalterwesen
I.3.5.1 Gewinn und Liquidität
I.3.5.2 Vertikale Integration
I.3.5.3 Horizontale Integration
I.3.6 Probleme des Reiseveranstaltermarktes
I.3.7 Reiseveranstalter in Deutschland
I.3.7.1 TUI AG
I.3.7.2 Thomas Cook AG
I.3.7.3 Rewe-Konzern
I.3.8 Reiseveranstalter in Frankreich
I.3.8.1 Nouvelles Frontières
I.3.8.2 Club Méditerranée
I.3.8.3 Fram

II. TOURISMUS-MARKETING UNTER SPEZIELLER BERÜCKSICHTIGUNG DER PRODUKTPOLITIK
II.1 Tourismus-Marketing
II.1.1 Begriffsbestimmung
II.1.2 Verschiedene Aspekte des Tourismus-Marketing
II.1.3 Anforderungen an das Tourismus-Marketing
II.2 Marketing-Mix als Teil der Marketingkonzeption
II.2.1 Marketingkonzeption
II.2.2 Begriffsbestimmung Marketing-Mix
II.2.3 Marketing-Instrumentarium
II.3 Produktpolitik
II.3.1 Begriffsbestimmung
II.3.2 Eigenschaften von Tourismusprodukten
II.3.2.1 Touristisches Gesamtprodukt
II.3.2.2 Charakteristika von Dienstleistungen
II.3.3 Leistungsebenen touristischer Produkte
II.3.3.1 Kernprodukt
II.3.3.2 Zusatzprodukt
II.3.3.3 Produktpolitik in Bezug auf Kern- und Zusatzprodukt
II.3.4 Gestaltungsrichtungen der Produktpolitik
II.3.5 Produktpolitisches Instrumentarium
II.3.6 Gestaltungsbereiche der Produktpolitik
II.3.6.1 Produktpalette
II.3.6.2 Produktquantität
II.3.6.3 Produktqualität
II.3.6.4 Produktpositionierung
II.3.7 Markenpolitische Maßnahmen
II.3.8 Grenzen der Produktpolitik
II.3.9 Elektronischer Tourismusmarkt

III. ANALYSE DES DEUTSCHEN UND FRANZÖSISCHEN REISEVERHALTENS UND DIE DARAUS RESULTIERENDE ANGEBOTSGESTALTUNG DER REISEVERANSTALTER
III.1 Kultur
III.1.1 Begriffsbestimmung
III.1.2 Einflussfaktoren auf die Kultur
III.1.3 Kultur in Deutschland und Frankreich
III.1.3.1 Wertvorstellungen und Sozialverhalten
III.1.3.2 Kollektivismus und Individualismus
III.1.3.3 Familie
III.2 Touristisches Nachfrageverhalten
III.2.1 Erlebnisorientierung der Konsumenten
III.2.2 Nachfrageverhalten in Deutschland
III.2.2.1 Reiseintensität
III.2.2.2 Urlaubsmotive und -formen
III.2.2.3 Konkrete Urlaubswünsche
III.2.2.4 Kriterien für die Reisezielwahl
III.2.2.5 Zielgebiete
III.2.2.6 Organisation der Reise und Verkehrsmittel
III.2.2.7 Reisedauer und -ausgaben
III.2.2.8 E-Tourismus
III.2.3 Nachfrageverhalten in Frankreich
III.2.3.1 Reiseintensität
III.2.3.2 Urlaubsmotive und -formen
III.2.3.3 Konkrete Urlaubswünsche
III.2.3.4 Kriterien für die Reisezielwahl
III.2.3.5 Zielgebiete
III.2.3.6 Organisation der Reise und Verkehrsmittel
III.2.3.7 Reisedauer und -ausgaben
III.2.3.8 E-Tourismus
III.2.4 Gegenüberstellung des Reiseverhaltens
III.2.5 Unterschiede im Reiseverhalten
III.3 Angebotsgestaltung der Reiseveranstalter
III.3.1 Deutscher Reiseveranstaltermarkt - Angebote
III.3.1.1 TUI
III.3.1.2 Thomas Cook
III.3.1.3 ITS (Rewe-Konzern)
III.3.2 Französischer Reiseveranstaltermarkt - Angebote .
III.3.2.1 Nouvelles Frontières
III.3.2.2 Club Med
III..32.3 Fram
III.3.3 Ausblick in die Zukunft

SCHLUSSBETRACHTUNG

Literaturverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

1) Abb. 1: „Arten von Reiseveranstaltern“1

2) Abb. 2: „Entwicklung von Pauschalreisen“

3) Abb. 3: „Das touristische Gesamtprodukt“

4) Abb. 4: „Programmstruktur von Reiseveranstaltern“

5) Abb. 5: „Strategien der Produktplazierung“

6) Abb. 6: „Konsumprioritäten der Deutschen“ ..

7) Abb. 7: „Urlaubsformen im Aufwind“

8) Abb. 8: „Zielgruppentypologie“

9) Abb. 9: „Durchschnittliche Urlaubsdauer in Tagen“

10) Abb. 10: „Reiseausgaben pro Person und Tag“

11) Abb. 11: „Verkehrsmittelwahl“

12) Abb. 12: „Entwicklung der durchschnittlichen Reiseaufenthaltsdauer“

Einleitung

« Il y a des siècles que les hommes voyagent pour le plaisir2 ». Diese Feststellung von Robert Capot-Rey ist nicht nur eine Beschreibung menschlichen Verhaltens, sondern auch die Ausgangsbasis für die wirtschaftliche Aktivität von Reiseveranstaltern. Laut einer Umfrage schlagen sich Einsparungen im Konsumverhalten heutzutage mit am Schwersten bei den Urlaubsausgaben nieder3. Wer möchte schon auf seinen wohlverdienten Urlaub verzichten, in dem mancher Traum von fernen Welten endlich verwirklicht werden kann.

Über die Jahre hinweg zeichnete sich jedoch eine Veränderung im Reiseverhalten der Menschen ab. Die Konsumenten zeigen heute andere Bedürfnisse als noch vor 20 Jahren, sie sind anspruchsvoller und zugleich preissensibler geworden. Während das typische Produkt der Reiseveranstalter, die Pauschalreise, zeitweise an Bedeutung verliert, steigt die Nachfrage nach individuell zusammengestellten Reisen (sogenanntes „Bausteinsystem“) kontinuierlich.4 Diese Veränderung im Nachfrageverhalten der Reisenden stellt die Reiseveranstalter vor erhebliche Herausforderungen. Sie müssen ihre Angebotsgestaltung der veränderten Nachfrage anpassen und neue Produkte entwickeln, wenn sie in dieser Branche langfristig überleben möchten.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Unterschiede im touristischen Nachfrageverhalten in Deutschland und Frankreich, sowie die daraus resultierende Angebotsgestaltung der deutschen und französischen Reiseveranstalter herauszuarbeiten.

Im ersten Teil dieser Arbeit soll zunächst eine allgemeine Einführung in den Tourismus und seine Geschichte sowie ein erster Überblick über den Reiseveranstaltermarkt in Deutschland und Frankreich gegeben werden. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den theoretischen Grundlagen der Produktpolitik im Rahmen der zu gestaltenden Marketinginstrumente. Der dritte und gleichzeitig letzte Teil beinhaltet eine praktische Anwendung der erarbeiteten theoretischen Grundlagen im Hinblick auf die konkrete Angebotsgestaltung der Reiseveranstalter in den beiden zu untersuchenden Ländern. Grundlegend ist hierbei eine Analyse des Reiseverhaltens der Konsumenten in Deutschland und Frankreich. Auf der Basis dieser Analyse werden dann am aktuellen Angebot ausgewählter deutscher und französischer Veranstalter einige produktpolitische Aspekte untersucht und Unterschiede herausgestellt. Abschließend soll ein Ausblick auf die möglichen zukünftigen Entwicklungen der deutschen und französischen Reiseveranstaltungsbranche gegeben werden.

I. Tourismus und Reiseveranstalter

Die Tourismusindustrie stellt mit ihren weltweit über 200 Millionen direktvergebenen Arbeitsplätzen und mit etwa 10% aller Einkünfte des gesamten Planeten die wirtschaftliche Aktivität Nummer eins dar5. Dabei kommt insbesondere Europa eine grosse Bedeutung zu, da Europa im Vergleich mit den anderen Kontinenten nicht nur an erster Stelle hinsichtlich der ankommenden Touristenzahlen liegt, sondern auch was die Menge der von dort ausgehenden Touristen anbelangt6. Was Tourismus im Eigentlichen bedeutet und welche Rolle hierbei den Reiseveranstaltern zukommt, soll in diesem ersten Teil der Arbeit dargestellt werden. Zudem soll ein kurzer Überblick über die Geschichte des Tourismus, die Aktivität eines Reiseveranstalters und eine Darstellung der größten Veranstalter in Deutschland und Frankreich gegeben werden.

I.1 Tourismus

I.1.1 Begriffsbestimmung

Unter Tourismus versteht man die Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus einer Reise und einem Aufenthalt an einem fremden Ort ergeben. Der Aufenthalt ist dabei in der Regel weder an die Gründung eines Unternehmens noch an eine andere gewinnbringende Aktivität gebunden, sondern dient der Befriedigung von freizeitgebundenen und kulturellen Bedürfnissen der industriellen Zivilisation.7 Wenn man demnach von Tourismus spricht, verbindet man zwei wesentliche Dinge damit. Zum Einen das menschliche Verhalten an sich, das durch das zeitweilige Verlassen des Wohnsitzes (Ortswechsel) gekennzeichnet ist und durch verschiedenste Motive8 bedingt wird. Zum Anderen den gesamten technischen und wirtschafltichen Apparat (Beförderungsmittel, Hotels etc.), der zu diesem Zweck von den verschiedenen Akteuren bereitgestellt wird.9

Nach Auffassung der Welttourismusorganisation (WTO) umfasst Tourismus sowohl den nationalen als auch den internationalen Reiseverkehr und liegt zwei wesentlichen Bedingungen zugrunde:

- die Dauer des Aufenthalts an einem Ort außerhalb des gewöhnlichen Aufenthaltsortes muss zwischen 24 Stunden und einem Jahr liegen (vorübergehender Aufenthalt),
- eventuell am Zielort ausgeübte Aktivitäten dürfen nicht von dort aus direkt entlohnt werden.10

Im Rahmen dieser Arbeit soll ausschließlich die sogenannte „Urlaubsreise“ untersucht werden, die in der Regel zwischen ein und vier Wochen angesetzt ist, der Erholung vom Alltag dient und nicht am gewöhnlichen Wohnort verbracht wird11. Auf Geschäftsreisen und andere Reisen (z.B. Studien- und Arbeitsaufenthalte, Ausflugsreiseverkehr) soll nachfolgend nicht näher eingegangen werden, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde und nur bedingt ein Thema für das Reiseveranstaltermanagement ist.

I.1.2 Geschichte des Tourismus

Der Tourismus als Sonderform der Betriebswirtschaft wird erst in den vergangenen Jahren intensiver betrachtet und ist insofern ein relativ junges Phänomen. Dabei wurde aber schon in jeder Phase der Menschheitsgeschichte gereist. Das eigentliche Wesen des Tourismus liegt in dem Bedürfnis und Verlangen sich fortzubewegen, zu reisen und Neues kennenzulernen. Der Anfang dieses Phänomens ist jedoch nicht genau datierbar.12 Man könnte für das Reisen bzw. den Tourismus bereits die Handelsreisen der Phönizier und Römer, Pilgerreisen, Reisen zwecks kriegerischer Auseinandersetzungen oder Reisen zur Landgewinnung als Anfangsformen heranziehen, jedoch wurden diese i.A. alle nicht des reinen Vergnügens Willen unternommen. Reisen als Selbstzweck fand erst über das 17. und 18. Jahrhundert hinweg langsam Platz in den Gedanken der Menschen und hat seinen eigentlichen Anfang im 19. Jahrhundert.

Mit einer stetigen Verbesserung der Infrastruktur und, im Speziellen, der Entwicklung des europäischen Verkehrswesens, wurde am 5.7.1841 die erste „Pauschalreise“13 von Thomas Cook14 veranstaltet (siehe zur näheren Erläuterung einer Pauschalreise Paragraph I.3.1). In England fand diese neue Art des Reisens in der Bevölkerung sehr schnell Anklang und bereits 10 bis 20 Jahre später hatte sich dort eine neue Branche entwickelt, die bereits gedruckte Reisekataloge herausgab. Die restlichen europäischen Länder zogen daraufhin mit einiger Verzögerung nach, und der Reisemarkt gewann bald den Ruf eines rundum gut prosperierenden Marktes.

In der Zeit des 1. und 2. Weltkrieges erfuhr der Tourismus einen erheblichen Einschnitt15, der nicht zuletzt durch die finanziellen Nöte der Menschen bedingt war. Jedoch bereits in den Nachkriegsjahren (nach 1945), trat der Tourismus langsam in eine neue Hochphase, was mit dem wirtschaftlichen Wiederaufschwung der westlichen Industrienationen einherging. Die Menschen begannen über gestiegene Einkommen und mehr Freizeit zu verfügen, und Kommunikations- und Transportmittel erfuhren eine erhebliche (Weiter-) Entwicklung. In dieser Phase fanden zunächst vor allem Bus- und Bahnreisen bei der damaligen Bevölkerung Anklang, die jedoch im Folgenden vom Autotourismus und dann von den Charterflügen abgelöst wurden. Der sogenannte Massentourismus war entstanden, er wird auch als organisierter bzw. institutionalisierter Tourismus bezeichnet. Zu den vier Hauptphasen des Tourismus siehe auch Abbildung 1 „Epochen des Tourismus“ im Anhang dieser Arbeit.

In den letzten Jahren hat sich die europäische Tourismusindustrie erheblich weiterentwickelt und vergrößert. Gleichzeitig jedoch stellt der technische Fortschritt, das Aufkommen neuer Reiseziele und -formen sowie die verstärkte Konkurrenz in der Branche die Reiseveranstalter ständig vor neue Herausforderungen.16

I.1.3 Einflussfaktoren auf den Tourismus

Die Nachfrage im Tourismus wird in der Regel von zwei wesentlichen Variablen beeinflusst. Zum Einen von der Gesamtheit der exogenen Variablen, die zwar nicht direkt mit der Touristikindustrie verknüpft sind, jedoch den Umfang und die Form der Nachfrage indirekt beeinflussen. Zum Anderen direkt von den gegebenen Marktkräften, d.h. von der allgemeinen Nachfrage, dem Angebot und dem Vertrieb touristischer Produkte und Dienstleistungen.

Gewisse Faktoren wie zum Beispiel die allgemeine wirtschaftliche Konjunktur, politische Gegebenheiten oder Entwicklungen, die auf die Reisesicherheit einwirken, werden immer einen großen Einfluss auf die Tourismusindustrie ausüben. Die positive Korrelation zwischen der allgemeinen Konjunktur und der Tourismusbranche ist nicht zuletzt ein wesentlicher Teil der Basis, auf welcher Tourismus aufbaut. Andere Faktoren, die einen Einfluss auf die touristische Aktivität ausüben, sind sozio- demografischer Art (siehe u.a. die kontinuierliche Zunahme von älteren Personen in der Bevölkerungspyramide), neue Informations- und Telekommunikationssysteme, sowie besser informierte und anspruchsvollere Konsumenten. Zudem kommt noch die Bedeutung liberalisierter und deregulierter Märkte (z.B. die Liberalisierung des gesamten europäischen Marktes und die Deregulierung des Luftverkehrs) sowie die aufkommenden Forderungen nach nachhaltigem Tourismus unter Berücksichtigung der Umwelt hinzu. Eine Segmentierung des Marktes in Großkonzerne und „Nischenanbieter“ wie auch finanzielle, infrastrukturelle und personengebundene Einschränkungen der wirtschaftlichen Akteure wirken ebenso auf die generelle Nachfrage in diesem Segment ein.17 Alle diese Faktoren18 stellen neben der gesamten Tourismusbranche insbesondere die Reiseveranstalter vor ständig neue Herausforderungen hinsichtlich ihrer Angebotsgestaltung und produktpolitischen Entscheidungen.

I.2 Tourist

I.2.1 Begriffsbestimmung

Das Wort „Tourist“ hat sich erst am Ende des 19. Jahrhunderts in allen Sprachen durchgesetzt19. Nach einer Definition des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen20 versteht man unter einem internationalen Tourist jede Person, die in das Territorium eines anderen vertraglich angeknüpften Staates, welcher nicht der ist, in dem sie sich gewöhnlicherweise aufhält, eintritt, und sich dort mindestens 24 Stunden, höchstens jedoch 6 Monate innerhalb von 12 Monaten aufhält21. Die Reise muss dabei auf ein anderes Motiv als auf Einwanderung zurückzuführen sein, wie z.B. auf Tourismus, Vergnügung, Sport, Gesundheit, Familie, Studium, religiöse Motive oder berufliche Gründe.22

Wenn man die menschliche Kultur näher betrachtet, zeichnet sich ab, dass man in der Regel nicht als Tourist geboren wird, sondern im Laufe seines Lebens zum Touristen wird. Es handelt sich also um einen (Lern-)Prozess. Im Rahmen der Familie werden Kinder von Anfang an mit den Urlaubsgewohnheiten ihrer Eltern konfrontiert. Schon im Kindergarten werden Urlaubsgeschichten unter den Kleinen ausgetauscht und auf diese Weise das Fundament für ein wachsendes Verlangen nach eigenem Reisen gelegt.23 Larousse beschreibt den Folgezyklus mit den Worten: „Qui a bu boira dit le proverbe; qui a voyagé, voyagera.24 “ (Wer getrunken hat wird trinken, sagt das Sprichwort; wer gereist ist, wird reisen.). Heutzutage, was als Neuheit unserer Epoche gilt, kann man fast von einem gewissen Reisezwang sprechen. Reisen gehört heute oft zum sozialen Stand und ist Ausdruck von Weltoffenheit, Flexibilität und Bildung.25 Wer etwas auf sich hält und einer gewissen Gesellschaftsschicht angehört, hat nur schwer eine Möglichkeit dem Reisen und somit dem Tourismus ganz zu entsagen.

Interessant ist es nun, die konkreten Bedürfnisse und Motive der Menschen (der sogenannten „Touristen“) hinsichtlich ihrer Reiseentscheidungen etwas näher zu beleuchten, was im folgenden Abschnitt geschehen soll.

I.2.2 Bedürfnisse von Touristen

In den Jahrzehnten vor der Jahrtausendwende ist die touristische Gesamtnachfrage zwar relativ beständig gestiegen, jedoch wurde das Überleben von touristischen Unternehmen aufgrund nötiger kapitalintensiver Investitionen und zunehmender aggressiver Konkurrenz26 für die betroffenen Akteure immer schwieriger, was bis heute andauert. Um unter diesen verschärften Wettbewerbsbedingungen weiterhin bestehen zu können, mussten vor allem die großen Touristikkonzerne mit ihren unterschiedlichen Reiseveranstaltermarken einen Schwerpunkt auf eine umfassendere Marktforschung und eine an Kundenbedürfnissen orientierte Angebotspolitik setzen.27

Die Bedürfnisse von Konsumenten sind vielseitig. Sie reichen vom Erholungs- und Ruhebedürfnis über das Bedürfnis nach Abwechslung und Ausgleich bis hin zur Befreiung von alltäglichen Bindungen28. Bei einer jährlichen Umfrage in Frankreich kamen vier Hauptbedürfnisse von Touristen zum Vorschein:

- der Wunsch nach Ruhe: dieses Bedürfnis steht oft an erster Stelle der Reisenden. Vor allem Personen, die der berufstätigen Bevölkerung angehören oder Kinder haben, sowie Hausfrauen und Berufstätige mit geringem Bildungsniveau, äußern dieses Bedürfnis in verstärktem Maße. Diese Bevölkerungsschichten verbringen ihre Urlaube größtenteils am Meer, wo sie die Möglichkeit haben, sich am Strand zu erholen und „die Seele baumeln zu lassen“.
- der Wunsch nach Sonne: das Bedürfnis nach Sonne ist eines der touristischen Hauptbedürfnisse schlechthin. Besonders Personen aus einfachen Verhältnissen und Jugendliche unter 25 Jahren äußern diese Motivation häufig.
- der Wunsch nach räumlicher Veränderung: dieses Bedürfnis bezieht sich auf die Entdeckung eines anderen Umfeldes als dem Gewohnten und das Interesse an fremden Ländern. Insbesondere Familien und leitende Angestellte führen diese Motivation häufig an und reisen daher vermehrt ins Ausland.
- der Wunsch nach Gemeinschaft/Geselligkeit im Kreise der Familie oder unter Freunden: dieses Bedürfnis kommt besonders bei älteren Personen zum Tragen (in der Regel bei Personen über 60 Jahren, die ihren Urlaub mit ihren Kindern und Enkeln verbringen möchten).29

Andere Quellen unterteilen die Bedürfnisse oder Motive für einen Urlaub in die vier Kategorien „Physische Motive“, „Kulturelle Motive“, „Interpersonelle Motive“ und „Status- und Prestigemotive“30. Zudem äußern zahlreiche Touristen den Wunsch nach Kontrolle ihrer Umwelt wie auch den Wunsch nach Selbstentfaltung im Urlaub31.

So unterschiedlich die verschiedenen Bedürfnisse auch sein mögen, in der Regel suchen Touristen eher das „von-weg“ als das „hin-zu“. Das heißt, die eigentliche Motivation für eine Urlaubsreise ist oft das Abschalten und die Flucht aus den alltäglichen Pflichten und Zwängen, und erst an sekundärer Stelle die Neugier nach fremden Ländern und Kulturen.

Viele Reisende planen ihren Urlaub schon etliche Zeit vorher, und seine schließliche Realisierung ist für viele Gleichzusetzen mit der Verwirklichung eines lang geträumten und herbeigesehnten Traumes. Daher haben insbesondere die Reiseveranstalter eine große Verantwortung was die Realisierung dieser „Träume“ anbelangt. Sie sehen sich in den letzten Jahren vermehrt mit einem gestiegenen Anspruchsniveau der Touristen konfrontiert und müssen versuchen, diesen Ansprüchen (bzw. Träumen) durch ein entsprechendes Angebot gerecht zu werden.32

I.3 Reiseveranstalter

Die wirtschaftliche Aktivität des Reiseveranstalters ist im Norden Europas wesentlich verbreiteter als im Süden. Grund dafür ist die dort wesentlich höhere Nachfrage der Bevölkerung nach (Auslands-) Reisen.33 Im Folgenden sollen der Begriff des Reiseveranstalters und dessen Besonderheiten etwas näher beleuchtet werden. Anschließend soll ein Überblick über die deutschen und französischen Veranstalter gegeben werden.

I.3.1 Begriffsbestimmung

Unter einem Reiseveranstalter versteht man jemanden, der verschiedene touristische Produkte zusammenstellt, und diese dann mit Hilfe eines speziellen Distributionsnetzwerkes (z.B. durch die Vermittlung von Reisebüros oder das Internet) an seine Endkunden verkauft. Aufgrund der oft rudimentären Beziehungen und Absatzkanäle zwischen den „Herstellern“ touristischer Produkte (d.h. den Leistungsträgern) und den Endverbrauchern, fungieren Reiseveranstalter daher als verbindendes Glied zwischen dem Angebot und der Nachfrage von touristischen Leistungen.34

Die klassische Pauschalreise ist das Standardprodukt der Veranstalter und besteht in der Regel aus den vier Bestandteilen Flug, Unterkunft, Verpflegung und Transfer. Häufig werden diese Leistungsbestandteile mit einer zusätzlichen Reiseleitung, Animation, verschiedenen Sport- und Ausflugsprogrammen u.ä. ergänzt.35 Das aus diversen Einzelleistungen bestehende „Paket“ wird anschließend zu einem für den Endkunden attraktiven Gesamtpreis vertrieben. Im Rahmen dieses „Paketes“ müssen dabei mindestens zwei gleichgeordnete erhebliche Leistungen enthalten sein wie z.B. Flug & Unterkunft, Unterkunft & Sprachkurs, Flug & Mietwagen etc. Von einer Pauschalreise kann nicht gesprochen werden, wenn nur Flug & Transfer oder nur Unterkunft & Verpflegung vorliegt.

[...]


1 Es handelt sich hierbei um die Abbildungen im Fließtext. Die hier aufgeführten Seitenzahlen beziehen sich auf die entsprechende Stelle in dieser Arbeit, an der die jeweilige Abbildung dargestellt ist.

2 Capot-Rey, Robert (1946).

3 Vgl. Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V., Erste Ergebnisse RA 2005: Präsentationscharts (2005), S. 2.

4 Vgl. Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V., fvw Kongress Zukunft: Kommt 2004 die Erholung in den Reisemarkt? (2003), S. 2ff.

5 Vgl. Sagnes, Jean (2001), S. 89.

6 Vgl. Boyer, Marc (1999), S. 196.

7 Anmerkung: Es gibt eine Vielzahl von Definitionen in diesem Bereich, die sich u.a. in der Dauer des tatsächlichen Aufenthalts in einem fremden Territorium, der zurückgelegten Entfernung und der letztendlichen Reisemotivation unterscheiden. Dies gilt es auch bei nachfolgenden Definitionen zu berücksichtigen.

8 Anmerkung: Ausgenommen ist dabei das Motiv der dauerhaften Arbeit am jeweiligen Ort.

9 Vgl. Boyer, Marc (1999), S. 19f.

10 Vgl. Roth, Susanne (1999), S. 11.

11 Vgl. Freyer, Walter (1998), S. 2.

12 “Le tourisme n’est un phénomène récent seulement si on limite son étude aux formes et au développement sous lesquels il se présente aujourd’hui. En réalité, l’essence première du tourisme est dans le besoin et le désir de se mouvoir, de voyager et de connaître. Le commencement du phénomène n’est pas datable.“, Mariotti, G. in Boyer, Marc (1999), S. 14.

13 Anmerkung: Es handelte sich dabei um eine Bahnreise in England, von Leicester ins 10 Meilen entfernte Loughborough, Hin- und Rückfahrt mit Tee, Rosinenbrötchen und Blasmusik für 1 Schilling.

14 Zum heutigen Thomas Cook Konzern siehe Paragraph I.3.7.2.

15 Als Besonderheit anzumerken ist jedoch, dass in den 30er Jahren zumindest in Deutschland der Tourismus aufgrund des „Kraft durch Freude“-Programms einen besonderen Aufschwung erlebte.

16 Vgl. Freyer, Walter (1998), S. 5ff.

17 Vgl. World Tourism Organization (1994), S. 7.

18 Anmerkung: Neben den genannten Faktoren haben natürlich auch politische, rechtliche und ökologische Entwicklungen starken Einfluss auf den Reisemarkt, die in diesem Absatz jedoch nicht explizit angesprochen worden sind.

19 Vgl. Boyer, Marc (1999), S. 25.

20 „Conseil économique et social des Nations Unies“

21 Wie oben bereits angemerkt, gibt es eine Vielzahl von Definitionen in diesem Bereich, die sich u.a. in der Dauer des tatsächlichen Aufenthalts in einem fremden Territorium unterscheiden.

22 Vgl. Premier Ministre/Commissariat général du Plan/Secrétariat d’Etat au Tourisme/Direction du Tourisme (1998), S. 25.

23 Vgl. Premier Ministre/Commissariat général du Plan/Secrétariat d’Etat au Tourisme/Direction du Tourisme (1998), S. 55.

24 Vgl. Boyer, Marc (1999), S. 39.

25 Vgl. Sagnes, Jean (2001), S. 110.

26 Anmerkung: Dies führte auch zu einem Wandel zum sogenannten Käufermarkt.

27 Vgl. Roth, Susanne (1999), S. 15ff.

28 Vgl. Roth, Susanne (1999), S. 53f.

29 Vgl. Premier Ministre/Commissariat général du Plan/Secrétariat d’Etat au Tourisme/Direction du Tourisme (1998), S. 62f.

30 Vgl. Roth, Susanne (1999), S. 54.

31 Vgl. Roth, Susanne (1999), S. 189.

32 Vgl. Roth, Susanne (1999), S. 55.

33 Vgl. Treboul, Jean-Baptiste (1998), S. 100 u. 113.

34 Vgl. Tepelus, Camelia M., Aiming for Sustainability in the Tour Operating Business (2001), S.1.

35 Vgl. Treboul, Jean-Baptiste (1998), S. 4.

Ende der Leseprobe aus 131 Seiten

Details

Titel
Angebot und Nachfrage bei Reiseveranstaltern in Deutschland und Frankreich
Untertitel
Eine vergleichende Studie der Produktpolitik
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
131
Katalognummer
V46815
ISBN (eBook)
9783638439220
ISBN (Buch)
9783656767114
Dateigröße
4014 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Unterschiede, Nachfrageverhaltens, Angebotsgestaltung, Reiseveranstaltern, Teil, Produktpolitik, Studie, Deutschland, Frankreich
Arbeit zitieren
Heike Kammerer (Autor:in), 2005, Angebot und Nachfrage bei Reiseveranstaltern in Deutschland und Frankreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46815

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