Der Umgang der Polizei mit häuslicher Gewalt gegen Männer


Hausarbeit, 2018

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmung

3. Wissenschaftliche Diskurse und Kontroversen

4. Herausforderungen für gewalterfahrene Männer

5. Die Polizei und häusliche Gewalt gegen Männer
5.1. Das Gewaltschutzgesetz und seine (Aus-)Wirkung
5.2. Gesellschaftspolitische Wahrnehmung und ihre (Aus-) Wirkung
5.2.1. Ein Blick auf Männer als Opfer
5.2.2. Ein Blick auf Frauen als Täterinnen

6. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Angesichts der Bedeutung des strukturellen Machtgefälles zwischen den Geschlechtern, hat sich im Kontext häuslicher Gewalt eine generalisierte Zuschreibung von "Opferschaft" an Frauen und von "Täterschaft" an Männern manifestiert (Thürmer-Rohr 1989; Hagemann-White 2006). Es verwundert daher nicht, dass auch auf Fachtagungen, in Publikationen, den Massenmedien sowie in der Rechtsprechung dieser Gleichung bereitwillig gefolgt und häusliche Gewalt gegen Männer allenfalls als Fußnote oder Randbemerkung Beachtung findet (Bock 2003). In diesem Sinne ist es auch nachvollziehbar, dass am 1. Februar 2018 die sogenannte Istanbul-Konvention für Deutschland in Kraft getreten ist und Deutschland auf allen staatlichen Ebenen dazu verpflichtet, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, Betroffenen Schutz und Unterstützung zu bieten und Gewalt zu verhindern. Das Männer ebenfalls Opfer sein können, wird zwar nicht negiert, der gewählte Fokus, sei mit Hinweis auf die Quantität gemeldeter Fälle, des historisch gewachsenen Machtgefälles zwischen Mann und Frau, sowie einer nach wie vor bestehenden Ungleichheit legitimierbar (BMFSFJ 2018). Die hierdurch transportierte Botschaft, die im Gedächtnis haften bleibt ist der Mythos: häusliche Gewalt ist Männergewalt (Bock 2003). Die kulturelle und öffentliche Bagatellisierung weiblicher Gewalt und männlicher Opfererfahrung begründen im Umkehrschluss, warum sich Männer und Frauen, trotz objektiv gleicher Ressourcen, hinsichtlich ihres Verhaltens, Hilfe in Anspruch zu nehmen, deutlich unterscheiden. Ein Thema, für das augenscheinlich keine gesellschaftliche Sensibilisierung existiert, es keine Sprache gibt und welches zudem durch kulturelle Klischees verstellt ist, ist für Betroffene, wie auch für Professionelle auf allen Ebenen, letztlich schwer zu greifen. Lucal (1995) resümiert, dass dieses Geschlechterollenstereotyp die Anerkennung von Gewalt gegen Männer sogar vollständig verhindert.

Die Polizei hat, nicht zuletzt seit Inkrafttreten des sogenannten Gewaltschutzgesetzes, das Betätigungsfeld der Krisenintervention übernommen und sieht sich inzwischen selbst als eine Institution, die kontextual Erstintervention betreibt bzw. betreiben muss (Sticher-Gil 2002; Lamnek et al. 2013). Dabei werden solche Dienste stärker unter der Perspektive einer Parteilichkeit für die jeweils schwächere Partei und nicht unter der alleinigen Perspektive der Durchsetzung von Recht und Ordnung wahrgenommen. Häusliche Gewalt gegen Männer unterliegt jedoch nicht nur einem spezifischen situativ-motivationalen Kontext, sondern auch einem gesellschaftlichen, medialen sowie politischen Tabu und bedingt möglicherweise andere Orientierungsmuster als sie im Umgang mit häuslicher Gewalt gegen Frauen notwendig sind. Themenbezogen ist in diesem Zusammenhang aber fraglich, ob eine solche veränderte Perspektive unter den derzeitigen Problematisierungstendenzen von Polizeiangehörigen überhaupt erlernt und dadurch erwartet werden kann.

Nachdem zunächst die definitorischen Herausforderungen zum Gewaltbegriff und der dieser Arbeit zugrundeliegende Blickwinkel auf das Thema häusliche Gewalt und relevante Begriffe dargestellt wurden (Kapitel 2.), werden in groben Zügen einzelne Aspekte derzeitiger wissenschaftlicher Diskurse und Kontroversen skizziert (Kapitel 3.). Dies scheint aus jenem Grund bedeutsam, deuten Strömungen der Forschung mitunter darauf hin, wer und/oder was gesellschaftspolitische Relevanz besitzt und wie hiermit umgegangen wird (Kapitel 5.1.). In Kapitel 4. werden sodann einige Konsequenzen und Auswirkungen dieser wissenschaftlichen und somit in Teilen auch gesellschaftspolitischen Relevanz auf den Umgang von gewaltbetroffenen Männern mit ihren Erfahrungen dargestellt. Die sogenannte normative Kraft des Faktischen1 verweist darauf, dass staatliche Instanzen auf gesellschaftliche Bedingungen dann reagieren (müssen), wenn gesellschaftliche Bedingungen gesetzliche Regelungen gesellschaftlichen Zusammenlebens determinieren und so als normative Bestimmungen auf die Verhaltenserwartungen und -weisen wirken. Aus diesem Grund wird anschließend das sogenannte Gewaltschutzgesetz vorgestellt und die Herausforderungen der Polizei im Umgang mit diesem diskutiert (Kapitel 5.1.). In Kapitel 5.2. wird denklogisch der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen das Paradoxon Mann-Sein = Opfer und Frau-Sein = Täter auf die Polizei hat bzw. haben kann, um abschließend aus allem bis dahin Erwähnten erste Anregungen für die wissenschaftliche, politische, gesellschaftliche, besonders jedoch polizeiliche Praxis zu geben (Kapitel 6.).

2. Begriffsbestimmung

Es gibt keine allgemeingültige und allgemein akzeptierte Definition von Gewalt - weder aus gesellschaftlicher, politischer, noch aus wissenschaftlicher Sicht (Hofmann 2011). Grund dafür ist mitunter, dass interdisziplinär unterschiedliche Erkenntnisinteressen verfolgt und der Gewaltbegriff aus dem zum Thema passenden Blickwinkel definiert wird (Silkenbeumer 2007). Zudem ist die Definition und inhaltliche Ausgestaltung des Begriffs abhängig von normativen, über Raum, Zeit und Struktur inkonsistenten Regeln (u.a. Heeg 2009). Wird der Gewaltbegriff in wissenschaftlichen, themenabhängigen Diskursen zunehmend erweitert und ausdifferenziert2, entwickelt sich die strafrechtliche Definition von Gewalt vom Kriterium der physischen Kraftanwendung gegen eine andere Person nur sehr langsam aus. Einer stereotypen Vorstellung von häuslicher Gewalt folgend, erscheint jedoch eine auf rein physische Gewalt fokussierte Definition als zu eng gefasst, da die Verwicklung in physische Auseinandersetzungen gegenüber dem Mann für Frauen mit höheren negativen Fitnesskonsequenzen verbunden sind (Campbell 2007). Dem Folgend postuliert Campbell (2007), dass weibliches Aggressionsverhalten eher indirekt, subtil und durch die Manipulation sozialer Beziehungen gekennzeichnet ist. Dabei wies Bruhns (2002) bereits darauf hin, dass Frauen ebenso physische Gewalt in vollen Zügen und mit voller Härte anwenden wie Männer. Walter, Lenz & Puchert (2007) untermauern dieses Ergebnis in ihrer Studie, indem sie physische Gewalthandlungen in allen Schweregraden innerhalb häuslicher Gewalt gegen Männer durch Frauen fanden. Mit Sicherheit kann daher gesagt werden, dass das weibliche Geschlecht nicht vor physischem Gewalteinsatz zurückschreckt (Soudani 2013), dies in der Wahrnehmung jedoch als Ausnahme gesehen wird. Um einen solchen Genderbias im Hinblick auf unterschiedliche Gewaltaktivitäten zu vermeiden, wird Gewalthandeln nicht auf physische, körperliche Gewalt reduziert (Gugel 2007; Hügli 2005), sondern schließt psychische Gewalt durch Sprache, also auf die Seele und den Geist eines Menschen abzielende Gewalthandlung mit ein (Imbusch 2002). Strasser (2001) folgend, gehen psychische (zum Beispiel: drohen, beleidigen, nötigen, erpressen, nachstellen) und körperliche Gewalt (zum Beispiel: stoßen, schlagen, treten, würgen, ohrfeigen, ein Messer-/ Schusswaffengebrauch, Sachbeschädigung) ohnehin oft einher, weil Gewalt durch Sprache häufig zur Vorbereitung und Rechtfertigung körperlicher Gewalt benutzt wird.

Der Begriff häusliche Gewalt beinhaltet fortan einen ebensolchen weit gefassten Gewaltbegriff3 und schließt sowohl physische sowie psychische, mitunter verbale oder auch sexuelle und gegen Sachen gerichtete Gewalt ein, die nach gesellschaftlichen Vorstellungen jener auf (gegenseitige) Sorge und Unterstützung ausgerichteten Erwartungshaltung an eine Partnerschaft zuwiderlaufen (Schneider 1990). Unter häuslicher Gewalt werden in dieser Arbeit Gewalthandlungen und/oder -erfahrungen von erwachsene Personen, die ständig oder zyklisch, in einer partnerschaftlichen Beziehung (die noch besteht, sich in der Auflösung befindet oder seit einiger Zeit aufgelöst ist), mit oder ohne Trauschein, zusammenleben, subsumiert. Der Ort des Geschehens hat keine Relevanz. Auf Grund einer angenommenen spezifischen Genderdynamik von Frauengewalt beziehen sich die folgenden Ausführungen jedoch lediglich auf heterosexuelle Beziehungen. Der deutliche Einfluss von Kindern auf die Wahrnehmung, den Umgang mit und die Tragweite von häuslicher Gewalt wird in dieser Arbeit konsequent ausgeklammert. Unter dem Begriff Polizei wird zunächst sowohl das Exekutivorgan eines Staates, sowie die Polizeibehörde, Polizeiangehörige und die Polizeigewalt verstanden. Immer dann, wenn der Begriff Polizeiangehörige verwendet wird, soll der menschliche, individuelle, persönliche Aspekte sowie der eigene kulturelle Wertekanon von Polizisten und Polizistinnen unterstrichen werden. Da die Polizei von ihren Mitgliedern frühzeitig eine Assimilationsbereitschaft zur Herstellung einer organisatorischen Homogenität fordert, Polizistinnen jedoch die Polizei- und Polizistenkultur zunehmend beeinflussen (vertiefend siehe Behr 2016), muss an anderer Stelle zwingend auch der Genderbias innerhalb der Polizei zumindest theoretisch hinsichtlich des vorliegenden Themas durchdacht und berücksichtigt werden.

3. Wissenschaftliche Diskurse und Kontroversen

In den meisten wissenschaftlichen Texten scheint es so, als dürfe in einer Diskussion um den Einfluss des Faktors Geschlecht als Risikofaktor für Gewalt in Paarbeziehungen ein Einblick in die relative Häufigkeit weiblicher und männlicher Gewalt in Beziehungskontexten nicht fehlen. Gleichwohl in dieser Arbeit von der Prämisse ausgegangen wird, dass beide Geschlechter ein Recht auf individuelle Unversehrtheit haben und absolut jede Verletzung eine eigenständige, nicht relativierbare Qualität von Verletzung und Schmerz ist, wird in Folge zwar darauf verzichtet quantitative Datensätze zu resümieren, nicht jedoch darauf, zumindest zwei der derzeitigen wissenschaftlichen Diskurse und Kontroversen zu skizzieren. Dies scheint bedeutsam, bedingen Strömungen der Forschung, wer oder was letztlich gesellschaftspolitische Relevanz und folglich strafrechtlich verfolgt wird - also vor welchem Übel Schutz zu bieten ist und welche Rechtsgüter es in einer Gesellschaft zu schützen gilt (Ottermann 2003a, b).

Dass gewalttätiges Verhalten vornehmlich männlicher Natur ist, wurde bis in die 1980er Jahre überwiegend seitens der Politik, der Justiz, aber auch seitens der Sozialwissenschaften vertreten (Ittel, Bergmann & Scheithauer 2008). Die in dieser Diskussion bedeutsamste Strömung vermag die überwiegend feministisch orientierte Forschung sein, welche Männergewalt gegen Frauen erforscht und zum Thema macht (Walter, Lenz & Puchert 2007). Seit den 1970er Jahren tragen ihre Vertreter und Vertreterinnen regelmäßig zur Thematisierung und Sensibilisierung häuslicher Gewalt bei und haben deutlichen sozialpolitischen Charakter. Die zentralen Erkenntnisse dieser Forschungsrichtung stammen zunächst überwiegend aus dem Kontext von Frauenhäusern, Frauenprojekten, Hellfeld- oder Frauenstudien. Auch später folgende, repräsentative Studien fokussieren auf die Gewalt von Männern gegen Frauen.4 Da Gewalt als Produkt der vorherrschenden patriarchalen5 Strukturbedingungen verstanden wird, werden Gewaltsituationen also zunächst eher Männern zugeschrieben (Walter, Lenz & Puchert 2007; Cizek & Buchner 2001; Lamnek et al. 2013).

Als Reaktion auf diesen Diskurs ist seit etwa Mitte der 1990er Jahre eine bundesdeutsche soziale Bewegung entstanden, welche Männer in familienrechtlicher und -politischer Sicht als strukturell benachteiligt sieht (Kersting 2010). Vor allem im Widerspruch zum klassisch feministischen Männerbild, deuten internationale Studienergebnisse darauf hin, dass auch Männer in einem nicht unerheblichen Ausmaß Opfer häuslicher Gewalt werden.6 Dieser Diskurs hat bislang aber noch keinen allzu großen Einfluss auf die gesellschaftspolitische Meinungsbildung (Lamnek et al. 2013). Dies mag daran liegen, dass differenzierte Untersuchungen zum häuslichen Gewalterleiden von Männern auf einer breiteren empirischen Basis eher selten sind und die wenigen Forschungen zum Thema aus Untersuchungen stammen, die von feministischen Forschern und Forscherinnen durchgeführt wurden und auf den Antworten der vornehmlich befragten Frauen basieren (Döge 2011). Mignon (1998, nach Lamnek et al. 2013) betont, dass zudem die wenigen existenten Studien selten über die quantitative Debatte hinaus gehen.

Folglich gibt es zu der Problematik kaum originäre bundesdeutsche Empirie und so gut wie keine adäquate Theoriebildung, was nach Hageman-White & Lenz (2002) auch auf eine Tabuisierung männlicher Gewalterfahrungen hindeutet. Während familiäre Gewalt gegen Frauen durch die Aktivitäten der Frauenbewegung eine große Öffentlichkeit gefunden hat, haben Männergruppen Gewalt gegen Männer nie in vergleichbarer Weise thematisiert und problematisiert.

4. Herausforderungen für gewalterfahrene Männer

Der gesellschaftspolitische Umgang bzw. die gesellschaftspolitische Wahrnehmung ist für männliche Opfer problematisch, haben sie das Paradoxon vom männlichen Opfer und den sogenannten selektiven Alltagsmythos7 häufig selber internalisiert. Ihr Selbstverständnis kollidiert mit der Tatsache Opfer zu sein und ein Eingeständnis wird häufig mit Inkompetenzen und Versagen als Mann gleichgesetzt. Entsprechend verdrängen Männer zunächst ihre Opfererfahrungen, so dass die Hürde, über Gewalterfahrungen zu berichten oder gar Hilfe und Unterstützung anzunehmen äußerst hoch ist (Ingenberg 2007). Formelle Kontrollinstanzen werden zwar auch von weiblichen Gewaltopfern seltener eingeschaltet, jedoch dürfte der Anteil an viktimisierten Männern deutlich niedriger liegen (Walter, Lenz & Puchert 2007). Walter, Lenz & Puchert (2007; zur vollständigen Übersicht siehe 142ff.) benennen hierfür mitunter als Motiv, dass neben der Herausforderung, dem Geschlechterstereotyp Mann (als der körperlich Größere und stärker Aussehende) nicht entsprechen zu können, Männer auf Grund des fehlenden Bewusstseins und der gesellschaftlichen Ignoranz annehmen, sie seien die Einzigen, denen so etwas passiert. Das Widerfahrene steht auch für sie im deutlichen Widerspruch zur gesellschaftlichen Konstruktion von Männlichkeit und in dieser Konstruktion ist ein Mann, der Opfer seiner Partnerin wird, kein Mann. Die Scham dies zuzugeben ist umso stärker, je schlimmer die Gewalt erlebt wird und je größer das Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht ist. Verdrängen und Verschweigen scheinen den achtbaren Mann dagegen eher zu verbürgen (Bock 2003a). Zunächst definieren Männer Partnerinnengewalt als Problem, mit dem sie allein fertig werden müssen. Überwinden Männer ihre Scham und ihre Angst und machen ihre Opfererfahrung öffentlich, wobei dies häufig mit der Schwere der Tat und dem Grad des Ausgeliefertseins korrespondiert, bedingt dies eine kommunikative, soziale und rechtliche Katastrophe (Lenz 2010). Obwohl ein Problembewusstsein in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren sicherlich zugenommen hat, was sich in der Einrichtung einzelner Männerberatungsstellen und der insgesamt sechs deutschen Männerhäuser widerspiegelt (Cizek et al. 2001), kann von einem vorurteilsfreien Umgang aber nicht die Rede sein. Denn häufig sprechen Männerberatungsstellen gewaltbereite und gewaltwiderfahrene Männer gleichermaßen an, verweisen auf Frauenberatungsstellen, Hilfetelefone für Frauen, überwiegend werden sie ehrenamtlich geführt, sie sind häufig auf Spendengelder angewiesen oder in einer Vereinsträgerschaft.8 Zudem sind die wenigen Selbsthilfegruppen und Therapeuten und Therapeutinnen nicht in die einschlägigen Listen eingepflegt. Bock (2003a) folgend wird Männern ihre Gewalterfahrung also nach wie vor weniger geglaubt. Besonders bei der Polizei und den Gerichten erregten sie viel mehr noch den Verdacht, selbst provoziert, selbst Gründe geliefert, selbst tyrannisiert zu haben.

[...]


1 Die sogenannte Normative Kraft des Faktischen ist eine auf den Rechtsgelehrten Georg Jellinek (1851-1911) zurückgehende Wendung, die den Geltungsgrund des Rechts nicht in der gleichbleibenden Natur des Menschen oder in der Vernunft, sondern in den tatsächlichen Gewohnheiten des geschichtlich-sozialen Lebens sieht. In der modernen Industriegesellschaft ist das Gewohnheitsrecht durch staatlich gesetztes Recht fast vollständig verdrängt worden. Allerdings beeinflusst die soziale Wirklichkeit insoweit den Rechtsetzungsprozess, als sich auch das Recht an ihr und den sie prägenden Wertvorstellungen stets von neuem bewähren muss (Rechtslexikon 2018).

2 vertiefend siehe u.a. Boatcă & Lamnek 2003. Besonders Galtung (1975) nimmt in seinen Definitionsansätzen die wohl am differenzierteste Beschreibung des Gewaltbegriffs vor, indem er zwischen psychischer und physischer Gewalt, objektbezogener und objektloser, negativer und positiver Einflussnahme, zwischen personaler und struktureller, zwischenintendierter und nicht-intendierter sowie zwischen manifester und latenter Gewalt unterscheidet.

3 Zur ausführlichen Unterscheidung eines weiten und eines engen Gewaltbegriffs siehe u.a. Lamnek et al. 2013.

4 Letztlich wird diese Ansicht durch zahlreiche, interdisziplinär angelehnte Untersuchungsergebnisse untermauert, in welchen Männer durchschnittlich häufiger aggressives Verhalten als Frauen zeigen (Heeg 2009). Mit ihren methodenkritischen Metaanalysen fanden Dobash & Dobash (2002) und Krahé (2003) beispielsweise heraus, dass Männer in Paarbeziehungen häufiger schwere Formen körperlicher und sexueller Gewalt ausüben als Frauen. Für den bundesweiten Raum konnten diese Erkenntnisse durch die repräsentative Studie zu Gewalt gegen Frauen der Bundesregierung, nach der körperliche Gewalt durch Täter häufiger zu schweren Verletzungsfolgen führt als Gewalt durch Frauen, untermauert werden (BMFSFJ 2004).

5 Der Begriff Patriarchat, meint wörtlich Väterherrschaft und beschreibt in der Soziologie, der Politikwissenschaft und in verschiedenen Gesellschaftstheorien ein System von sozialen Beziehungen, maßgebenden Werten, Normen und Verhaltensmustern, das von Vätern und Männern geprägt, kontrolliert und repräsentiert wird (Hillmann 2007).

6 Die erste repräsentative Studie über unterschiedlichste Formen häuslicher Gewalt führten Straus, Gelles und Steinmetz bereits im Jahr 1976 durch und publizierten ihre Ergebnisse unter dem Titel "Behind Closed Doors". Seither haben mehr als 200 weitere Studien mit Angaben von Frauen und Männer eine sog. Gender-Symmetrie nachgewiesen. Die Beschäftigung mit dem Thema in Deutschland ab Mitte der 1990er Jahre bedingt zunächst einen Tabubruch (Gemünden 1996). Dennoch wurde Ende 2002 vom BMFSFJ eine Pilotstudie zur Gewalt gegen Männer in Auftrag gegeben; für Lamnek et al. (2013: 197) liegt auf Grund umfassender inhaltlicher und methodischer Mängel jedoch der Verdacht nahe, "dass es sich bei der Pilotstudie eher um ein "Feigenblatt" als um ein wirkliches Forschungsinteresse gehandelt hat."

7 Bock (2013:79) postuliert, dass ein grob selektiver, häufig medialaufbereiteter Blick auf Kriminalität, einen Alltagsmythos von Kriminalität erzeugt. Dieser Alltagsmythos wird mitsamt seiner Selektivität von der Politik aufgenommen und bedient, mit der Folge dass der selektive Alltagsmythos über diverse Prozesse politische Veränderungen initiiert oder Einfluss auf das Bildungssystem und die Normalitäts- und Plausibilitätsvorstellungen der Experten hat, wodurch diese sich tendenziell den Präferenzen und Gewichtungen des selektiven Alltagsmythos annähern. Damit konstruiert sich eine abstrakte Chance von Handlungen darauf, bei gegebenem abweichendem Verhalten und gegebener Verteilung der Definitionsmacht als "kriminell" oder "Täter" etikettiert zu werden. Für einen thematischen Bezug siehe auch Kapitel 5.2.2.

8 An dieser Stelle sei doch ein Vergleich erlaubt: Derzeit gibt es in Deutschland rund 400 Frauenhäuser, Frauenschutzwohnungen und rund 800 Fachberatungsstellen für betroffene Frauen. Im März 2013 wurde zudem das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen eingerichtet. Es bietet als dauerhafte Einrichtung betroffenen Frauen bei allen Formen von Gewalt kompetente Beratung an: anonym, rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr, mehrsprachig, barrierefrei und bei Bedarf mit Vermittlung in das Hilfesystem vor Ort (BMFSFJ & BMJV 2017).

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Umgang der Polizei mit häuslicher Gewalt gegen Männer
Hochschule
Universität Hamburg  (Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Kontrollpolitik I - Policing
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
20
Katalognummer
V468436
ISBN (eBook)
9783668938892
ISBN (Buch)
9783668938908
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
umgang, polizei, gewalt, männer
Arbeit zitieren
Simone Engels (Autor:in), 2018, Der Umgang der Polizei mit häuslicher Gewalt gegen Männer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/468436

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