Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Diskursmarker: eine neue Wortklasse?
3. Kategorisierung nach Koch Oesterreicher
3.1. Gliederungssignale
3.2. Turn-taking-Signale
3.3. Kontaktsignale
3.3.1. Sprechersignale
3.3.2. Hörersignale
3.4. Überbrückungsphänomene
3.5. Korrektursignale
3.6. Interjektionen
3.7. Abtönungsphänomene
4. Kategorisierung nach Portolés
4.1. Los estructuradores de la información
4.1.1. Los comentadores
4.1.2. Los ordenadores
4.1.3. Los digresores
4.2. Los conectores
4.2.1. Los conectores aditivos
4.2.2. Los conectores consecutivos
4.2.3. Los conectores contraargumentativos
4.3. Los reformuladores
4.3.1. Los reformuladores explicativos
4.3.2. Los reformuladores rectificativos
4.3.3. Los reformuladores de distanciamiento
4.3.4. Los reformuladores recapitulativos
4.4. Los operadores discursivos
4.4.1. Los operadores de refuerzo argumentativo
4.4.2. Los operadores de concreción
4.4.3. El operador de formulación
4.5. Los marcadores de control de contacto
5. Konklusion
6. Bibliographie
1. Einleitung
Der Terminus „Diskursmarker“ leitet sich von der englischen Begrifflichkeit discourse marker, die 1988 von der amerikanischen Sprachwissenschaftlerin Deborah Shiffrin geprägt wurde, ab, und beschreibt nach Koch Oesterreicher „derartige Wörter, die direkt auf Instanzen und Faktoren der Kommunikation verweisen“ (2011: 42). Dieser von Shiffrin eingeführte Begriff wurde neben dem Deutschen auch in einige andere Sprache überführt und übernommen. So werden heute also auch im Spanischen häufig die Termini marcadores discursivos und marcadores del discurso verwendet; auch wenn sich sowohl im Spanischen als auch im Deutschen eine Vielzahl begrifflicher Alternativen findet. So wird im Spanischen etwa auch von conectores pragmáticos, conectores discursivos, partículas, oder operadores discursivos gesprochen. Im Deutschen finden sich weitere Bezeichnungen wie Gesprächswörter oder Modalpartikeln. Natürlich sind diese Begrifflichkeiten in der Regel nicht wirklich bedeutungsgleich, sodass die Vielfalt der Termini bereits anzeigt, wie viele unterschiedliche Forschungsansätze zu den Diskursmarkern bestehen. (vgl. Kabatek 2011: 159, Landone 2009: 79)
Gerade in der jüngsten Zeit ist die Zahl der Studien zu Diskursmarkern stetig gestiegen, da das Bewusstsein um ihre besondere Rolle im Diskurs der kommunikativen Nähe stark zugenommen hat und sie zunehmend als „sparsame, auf kommunikative Nähe zugeschnittene Versprachlichungsmittel“ (Koch Oesterreicher 2011: 69) geschätzt werden.
Im Allgemeinen werden Diskursmarker als Gegenstandsbereich der Pragmatik verstanden und zeichnen sich besonders durch ihren prozeduralen Bedeutungsgehalt aus. Elena Landone bezeichnet sie als “los engranajes del discurso, […] ya que procesan su cohesión, coherencia, adecuación y eficacia” (2012: 431). Formal sind Diskursmarker den grammatikalischen Kategorien der Konjunktionen, der Adverbien und Interjektionen zuzuordnen und umfassen auch nominale und verbale appellativischen Formen wie hombre, mujer, und mira und oye. Sie sind syntaktisch gering bis nicht integriert und morphologisch invariabel. (vgl. Garcés 2008: 17f, Kabatek 2011: 159f)
Die Kategorisierung der marcadores in eine homogene Gruppe gestaltet sich äußerst schwierig. Zwar sind sich die meisten Forscher darüber einig, dass die Hauptfunktion der Marker darin liegt, unterschiedliche Arten sprachlicher Einheiten miteinander in Verbindung zu setzen, oder - besser gesagt - deren Verbindung klar zu markieren; allerdings handelt es sich doch um sehr komplexe sprachliche Elemente, deren Zusammenfassung in eine neue Wortgruppe bisher nicht in zufriedenstellender Form erreicht werden konnte. (vgl. Landone 2009: 79)
Dementsprechend soll im Folgenden zunächst diese Schwierigkeit der Kategorisierung genauer erläutert werden, bevor dann zwei mögliche Kategorisierungsvorschläge vorgestellt werden. Dabei wird zunächst auf die Klassifizierung Koch Oesterreichers und anschließend auf die Portolés‘ eingegangen. Abschließend werden die gesammelten Erkenntnisse zusammengefasst, wobei die beiden Kategorisierungsentwürfe einander gegenübergestellt werden.
2. Diskursmarker: eine neue Wortklasse?
Wie bereits erwähnt, müssen Diskursmarker als derartige sprachliche Einheiten erkannt werden, die sich nicht in die traditionellen Kategorien einordnen lassen. Es stellt sich also die Frage, ob die Einführung einer neuen heterogenen Klasse der „Diskursmarker“ sinnvoll wäre. Diese bestünde dann aus diversen invariablen Wörtern und Lokutionen, die bestimmte morphologische und syntaktische Eigenschaften teilen. (vgl. Garcés 2008: 21)
Wie etwa Cuenca vorgibt, gleichen sich marcadores del discurso in der Regel nämlich zum Beispiel darin, dass sie peripherische Elemente sind, die parenthetisch und appositiv verwendet werden. Sie sind als getrennt von der zugrundeliegenden Satzstruktur zu betrachten und also im Hinblick auf diese entbehrlich. Zudem können sie in Verbindung mit Konjunktionen auftreten und zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie an jeder beliebigen Position im Satz stehen können. Letztlich vereint sie, nach den Annahmen Cuencas, auch ihre Fähigkeit, diverse Äußerungen und Textsegmente verbinden zu können. (vgl. 21f)
Allerdings erkennt etwa Garcés Gómez, dass diese durch Cuencas definierten Charakteristika nicht zuverlässig auf alle Diskursmarker angewandt werden können. So bemerkt sie zunächst, dass nicht in allen Fällen der Einsatz eines Diskursmarkers durch eine Pause markiert werde, wie es als für den mündlichen Dialog charakteristisch gilt. Statt von einer Pause werde beispielsweise der Marker bueno von einer fallenden Intonationskontur begleitet. Außerdem sei auch nicht jeder marcador discursivo mit Konjunktionen kombinierbar, so etwa die zur Umformulierung dienenden Diskursmarker es decir, esto es und a saber. Darüber hinaus sei auch das Kriterium der movilidad posicional nur eingeschränkt valide. Schließlich seien einige Diskursmarker doch nur in initialer oder finaler Stellung zu finden, oder zeigten zumindest eine starke Tendenz hin zu einer bestimmten Position im Satz. Schließlich betont Garcés auch, dass nur semantisch-pragmatische, nicht aber syntaktische Verbindungen über die marcadores hergestellt werden können. (vgl. 22f)
In dieser exemplarischen Abhandlung zeigt sich eindrucksvoll, dass die Einführung einer neuen Wortart der Diskursmarker nach formalen Kriterien äußert komplex ist. Zwar gibt es durchaus einige typische formale Merkmale, die benannt werden können, allerdings sind diese wohl kaum ausreichend, um eine zufriedenstellende Zuteilung gestalten zu können.
Die Bildung einer Wortart nach Cuencas festgelegten Charakteristika etwa würde zu einer sehr uneinheitlichen grammatischen Kategorie führen, deren Elemente vielfach Ähnlichkeiten zu anderen Wortarten aufweisen würden. (vgl. 22ff)
Ein anderer vielversprechender Ansatz ist die Einteilung in die pragmatische Kategorie „Diskursmarker“. Dieser nämlich bietet die Möglichkeit, sich statt an den formalen Kriterien, ausschließlich an der Funktion eines Markers zu orientieren. Im Folgenden sollen dementsprechend zwei funktionale Kategorisierungsvorschläge vorgestellt werden. Hierbei sollte fortlaufend berücksichtigt werden, dass in der Regel nicht an der materiellen Form eines sprachlichen Elementes erkennbar ist, ob es sich um einen Diskursmarker oder das Element einer anderen Kategorie handelt. Denn dazu muss häufig dessen Funktion in der konkreten Verwendung betrachtet werden. Außerdem bleibt zu beachten, dass es zwar einige Prototypen für diverse Funktionsdimensionen gibt, dass sich allerdings auch etliche derartige Elemente erst im dynamischen Prozess der Grammatikalisierung1 befinden. (vgl. 24)
3. Kategorisierung nach Koch Oesterreicher
Nachdem nun also bereits herausgearbeitet wurde, dass eine Kategorisierung nach rein materiellen Kriterien keine hinlängliche Lösung darstellt, soll im Folgenden eine mögliche Kategorisierung, wie sie Koch Oesterreicher vorschlagen, herausgearbeitet werden. Koch Oesterreicher orientieren sich dabei an verschiedenen Funktionsdimensionen der Diskursmarker und teilen sie dementsprechend in die folgenden sieben Funktionalitäten: Die Gliederungs-, Turn-taking-, Kontakt-, Überbrückung- und Korrektursignale sowie die Emotionalität vermittelnde Interjektionen und Abtönungspartikeln.
3.1. Gliederungssignale
Zunächst stellen Koch Oesterreicher die Funktionsdimension der sogenannten Gliederungssignale vor. Zu diesen werden all jene Elemente gezählt, die verwendet werden, um den Aufbau eines mündlichen Diskurses zu markieren. Sie zeigen also an, wie sich eine Äußerung inhaltlich in die sie umgebenden Redesegmente einfügt. (vgl. Koch Oesterreicher 2011: 43)
Dabei können Diskursmarker den Rezipienten vor allem im Bereich der kommunikativen Distanz entlasten, indem sie etwa die Struktur einer Argumentationskette anzeigen. Das ist gerade im Distanzdiskurs von Bedeutung, da dessen hohe Planbarkeit meist mit einer erhöhten Informationsdichte sowie einer sprachlichen und inhaltlichen Komplexität einhergeht. Beim Nähesprechen hingegen sind die sehr präzisen Marker wie etwa primero, además und en conclusión meist nicht notwendig. Es werden hierbei zwar auch solche Gliederungssignale genutzt, die den Beginn oder das Ende eines Diskursabschnittes anzeigen, allerdings wird im fortlaufenden Text in der Regel nicht markiert, welcher Abschnitt nun beginnt. Typisch für den Nähediskurs im Spanischen sind also beispielsweise die Gliederungssignale “entonces, y, luego, ahora [und] pues” (43). (vgl. 43)
Innerhalb des Phänomenbereichs der Gliederungssignale unterscheiden Koch Oesterreicher weiter zwischen den folgenden drei Hauptfunktionen: Den Anfangssignalen in dialogischen Diskursen, zu denen sie etwa “y, pero, pues, sí, bueno, oye, mira [und] sabes” (47) zählen; den Schlusssignalen in dialogischen Diskursen wie “no, verdad, eh, sabes” (47) und den Anfangssignalen in erzählenden Diskursen (z.B. “y, entonces, luego” (47)).
Zu beachten ist, dass sich die Funktion der Gliederungssignale auch mit anderen Funktionen überscheiden kann, denn ein Diskursmarker erfüllt häufig mehrere Funktionen gleichzeitig. Des Weiteren sind alle Gliederungssignale auch miteinander kombinierbar und können innerhalb eines Redebeitrags iterierend verwendet werden. (vgl. 45ff)
3.2. Turn-taking-Signale
Neben der thematisch-inhaltlichen Organisation, die vorrangig durch Gliederungssignale erzielt wird, dienen Diskursmarker auch der sequentiellen Gesprächsgliederung. Sie helfen also - gerade in der face-to-face Kommunikation - das Rederecht zu verwalten und markieren Sprecherwechsel. Diese Funktion der Diskursmarker ist im Nähediskurs, der sich schließlich durch eine hohe Emotionalität, Spontaneität und Vertrautheit auszeichnet und zeitgleich eine äußerst geringe Themenfixierung aufweist, von besonderer Bedeutung. Denn hier kommt es oft schnell und unvermittelt zu einem Sprecherwechsel, dem sogenannten turn-taking. Dieser wird meist in irgendeiner Form, das heißt mittels para- und nichtsprachlicher oder sprachlicher Elemente, gekennzeichnet. (vgl. 47)
Die sprachliche Markierung gelingt dabei vor allem über Diskursmarker, deren Funktion nach Koch Oesterreicher weiter konkretisiert werden kann. Während nämlich einige vorrangig der turn-Übernahme dienen, zeigen andere vermehrt die Abgabe des Rederechts an den Gesprächspartner, also das turn-Ende, an. Fast immer gleichen die turn-taking-Signale den Gliederungssignalen in ihrer materiellen Identität, und unterscheiden sich nur bezüglich ihrer Funktion. So gleichen turn-Übernahme-Signale häufig den Anfangssignalen im dialogischen Diskurs, grenzen sich jedoch durch den vollzogenen Sprecherwechsel von diesen ab und werden folglich nicht als „Anfangs-“, sondern als „Eröffnungssignale“ bezeichnet. Werden im Übrigen Gliederungssignale innerhalb eines Redesegments iterierend verwendet, sichern sie dem Sprecher häufig das Behalten des Rederechts und können dementsprechend auch als turn-maintaining-Signale erkannt werden. (vgl. 47f)
Im Allgemeinen gilt auch hier, dass solche Elemente, die als turn-taking-Signale verwendet werden, mehrere Funktionen zugleich erfüllen können, sodass sich also eine Überschneidung mit anderen Funktionsdimensionen der Diskursmarker ergeben kann. Koch Oesterreicher betonen allerdings, dass die Polyfunktionalität der Diskursmarker die Vollwertigkeit des Funktionsbereichs des turn-taking nicht beschränkt. (vgl. 49)
3.3. Kontaktsignale
Kontaktsignale sind essentiell im kommunikativen Kontakt - schließlich ist die erfolgreiche Kommunikation zweier Gesprächspartner stets auf deren Kooperation angewiesen. Kontaktsignale ermöglichen es beiden Gesprächsteilnehmern, sich zu vergewissern, dass der Kontakt erfolgreich aufrechterhalten wird und, dass nicht etwa akustische Störfaktoren, Verständnisprobleme oder mangelnde Aufmerksamkeit und Zuwendung die Kommunikation behindern. Das Bedürfnis zur Kontrolle des Kontakts besteht besonders unter den Bedingungen der kommunikativen Nähe, wie etwa einer starken Emotionalität, Spontaneität und Vertrautheit. Dementsprechend ist die Bereitschaft, Kontaktsignale zur Kontaktsicherung zu verwenden, höher je stärker die Kommunikation zum Pol der Nähe tendiert. (vgl. 50)
Obwohl Kontaktsignale zweifellos sehr häufig durch para- und nichtsprachliche Mittel vermittelt werden, sind auch die sprachlichen Möglichkeiten zur Kontaktherstellung und - sicherung vielfältig. Koch Oesterreicher unterscheiden hier zwischen den auffälligen Sprecher- und den eher unauffälligen Hörersignalen. (vgl. 50ff)
3.3.1. Sprechersignale
Sprechersignale des Spanischen wie etwa “eh, no, verdad, venga, sabes, mira, oye [und] fijate” (50) können in starker und schwacher Verwendung auftreten. Wirken sie als starke Signale legen sie dem Rezipienten häufig nahe, direkt zu reagieren. Eine turn-Übernahme durch den Gesprächspartner wird wahrscheinlich.
[...]
1 „Diskursmarker entstehen vielfach aus sprachlichen Einheiten, die primär eine referentiell-propositionale Bedeutung haben, dann aber text- oder diskursstrukturierend eingesetzt werden und schließlich in zunehmendem Maße modalisierend-subjektive Bedeutung und intersubjektive, also das Sprecher-Hörer-Verhältnis betreffende Funktion annehmen. […]“ (Kabatek 2011:161). Dieser Sprachwandelprozess der Subjektivierung wird etwa nach Elisabeth Traugott als Grammatikalisierungsprozess verstanden. (vgl. 161) Während allerdings in nahezu allen Quellen zur Diskursmarkerforschung der Begriff der „Grammatikalisierung“ verwendet wird, sei hier kurz angemerkt, dass Johannes Kabatek selbst betont, dass es sich bei der Entstehung von Diskursmarkern vielmehr um einen Prozess der „Subjektivierung“ handle. Schließlich glichen sich beide Prozesse zwar in einigen Aspekten (etwa dem Verlust der ursprünglichen lexikalischen Bedeutung und der Unveränderlichkeit der Form), allerdings gäbe es bei der Subjektivierung der Diskursmarker den bedeutenden Unterschied der Skopuserweiterung. (vgl. 162)