Fünf große Neuerungen läuteten das Theater der historischen Avantgarde (ca. 1900 -19351) ein: die Abkehr vom logozentrischen, am Dramentext orientierten Theater, die Aufwertung des Regisseurs, die Hervorhebung von Bühnenbild und Beleuchtung, die stärkere Einbeziehung des Zuschauers sowie die Etablierung des Volkstheaters als Gegenstück zum bürgerlichen Unterhaltungs- und Bildungstheater. Der Illusionsbühne machte das neue Konzept der Stilbühne Konkurrenz, das auf naturalistische Dekors verzichtet. Regisseure wie Max Reinhardt verließen die traditionellen Theaterräume und inszenierten in Wäldern, Hallen und vor Kirchen. Dies hatte zur Folge, dass der Zuschauer einer anderen Wahrnehmung ausgesetzt wurde, die sich aus den neuen Räumlichkeiten ergab: im Gegensatz zur Guckkastenbühne stellten die neuen Bühnenformen ihn in ein Verhältnis zum künstlerischen Geschehen, das eine „perspektivisch fixierte Beobachterposition“ nicht mehr zuließ.
Begleitet wurden die szenographischen Neuerungen von Formexperimenten wie dem Einakter, den lyrischen Dramen und Pantomimen. Der Einakter, so August Strindberg, sei besonders geeignet für den heutigen Menschen, dessen Wahrnehmung durch die Geschwindigkeit des Alltags, wie sie die Urbanisierung und die Industrialisierung der Jahrhundertwende hervorbrachten, vom Ganzen auf das Detail umgelenkt wurde, vom Zusammenhang auf den Moment.7
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Avantgardistische Impulse in Schnitzlers Dramen Anatol und Reigen
- Zur Rezeption
- Dramaturgische Neuerungen
- Der Einakter
- Die Zirkelbewegung
- Die Habsburger Kultur eigentümlich beleuchtet: inhaltliche Neuerungen
- Anleihen und Abgrenzungen vom Boulevard- und vom naturalistischen Theater
- Einflüsse der Freudschen Psychoanalyse und die Selbstreflexivität des Dramentexts
- Das dissoziierte Selbst: Die Auflösung in Stimmungen und Augenblicke
- Die Doppelgesichtigkeit der Sexualmoral
- Die Omnipräsenz der nivellierenden Zeit
- Die Loslösung der Worte von den Dingen: in den Fängen der Sprachkrise
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die avantgardistischen Impulse in Arthur Schnitzlers Dramen Anatol und Reigen. Sie analysiert die dramaturgischen Neuerungen und die thematischen Schwerpunkte der beiden Stücke im Kontext der Theateravantgarde des frühen 20. Jahrhunderts. Dabei werden die Rezeption der Stücke, die Einflüsse der Freudschen Psychoanalyse sowie die Kritik an der zeitgenössischen Sexualmoral und Sprachkrise beleuchtet.
- Dramaturgische Neuerungen wie der Einakter und die Zirkelbewegung
- Einflüsse der Freudschen Psychoanalyse auf die Darstellung des menschlichen Bewusstseins
- Die Auflösung des Ichs in Stimmungen und Augenblicke
- Die Kritik an der Doppelgesichtigkeit der Sexualmoral im Wiener Bürgertum
- Die Sprachkrise und die Loslösung der Sprache von den Dingen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Themen der Arbeit ein und stellt die zentralen Fragestellungen vor. Sie skizziert die wichtigsten Neuerungen der Theateravantgarde des frühen 20. Jahrhunderts, die auch in Schnitzlers Dramen zum Ausdruck kommen.
Das Hauptkapitel beleuchtet die avantgardistischen Impulse in Schnitzlers Dramen Anatol und Reigen. Es geht zunächst auf die Rezeption der beiden Stücke ein, die aufgrund ihres provokanten Inhalts zunächst auf Widerstände stießen. Anschließend werden die dramaturgischen Neuerungen, wie der Einakter und die Zirkelbewegung, analysiert. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Habsburger Kultur. Hier werden die Einflüsse der Freudschen Psychoanalyse, die Kritik an der zeitgenössischen Sexualmoral und die Darstellung der Sprachkrise beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den folgenden Schlüsselbegriffen: Arthur Schnitzler, Anatol, Reigen, Theateravantgarde, Einakter, Zirkelbewegung, Psychoanalyse, Sexualmoral, Sprachkrise, Wiener Bürgertum, Moderne.
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- Anne Thoma (Autor), 2005, Avantgardistische Impulse in Schnitzlers Dramen "Anatol" und "Reigen", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47018