Über die Strafform des Säckens


Essai Scientifique, 2019

26 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis:

Abkürzungen

Zum Geleit

Einleitung

Historisch belegte Einzelfälle

Literaturverzeichnis

Über den Autor

Abkürzungen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zum Geleit

Wir sprechen gerne von den dunklen Seiten der deutschen Geschichte, wenn wir von Gräueltaten reden, an denen Deutsche beteiligt gewesen sind. Ein dunkles Kapitel ist das Justizwesen selbst. Irrglauben, Diktatur und Sadismus führten die Angehörigen privilegierter Schichten in früheren Zeiten dazu, ihren Untertanen unsägliches Leid anzutun, sie zu foltern, sie hinzurichten.

Die Strafform des „Säckens“, aus dem römischen Recht übernommene Hinrichtungsart, die 1532 in die „Carolina“ übernommen worden ist und meistens an Frauen praktiziert wurde, die – ja zumeist in der persönlichen Not – ihre Kinder getötet haben, lässt heute viele Fragen offen. Das Hinzunehmen einer Menagerie von Tieren (Hund, Hahn, Schlange und Affe) in den mit der Delinquentin unterzutauchenden Sack stößt heute auf Unverständnis. Es war aber gesetzlich verankert, und die Gerichte hatten sich – mit wenig Spielraum – daran zu halten.

Die hier beschriebene Strafform ist die am wenigsten studierte oder ergründete Art und Weise, Angeklagte in früheren Zeiten vom Leben zum Tode zu bringen. Die Hintergründe sind heute fast ausschließlich nicht mehr nachvollziehbar, sie bleiben im Dunkeln. Die Zahl der überlieferten Fälle ist übersichtlich. Weshalb die Mütter ihre Kinder getötet haben – ungewünschte Schwangerschaften, Vergewaltigungen durch Haus- und Hofherren, Behinderung beim Beibringen des Lebensunterhaltes – wird nirgends deutlich. Gnade war selten, die Richter waren dem Buchstaben des Gesetzes verpflichtet.

Unmittelbar, nachdem die Tiere in den Sack von grober Leinwand eingesetzt worden waren, wurde er erst in späteren Zeiten über denselben zugebunden, damit sie nicht mit der zu ertränkenden Person zusammenkamen. Letztere trat erst als letzte in dem mit einem eisernen Ring festgehaltenen Sack ein. Diese Todesart wurde in Kursachsen erst mit Reskript vom 17. Juni 1761 ausdrücklich abgeschafft. In den preußischen Staaten hatte man diese Strafform bereits einige Jahrzehnte früher zu den Akten gelegt.

Der Blickwinkel des Lesers mag durchweg ein unterschiedlicher sei, zumal das Thema „Hinrichtungen“ in vielen Ländern auch in der heutigen Zeit eine „normale“ Begleiterscheinung ist.

Das vorliegende Werk soll das Ergebnis einer Spurensuche und bereits ein Nachschlagewerk sein. Um möglichst dicht an der „Quellenlage“ der Sekundärliteratur orientiert zu sein, wird in der vorliegenden Arbeit möglichst viel mit Zitaten gearbeitet.

Der Verfasser

1. Einleitung

Die Strafform des „Säckens“ wirkt auf die Menschen in unserer Zeit befremdlich, ja altertümlich. Und in der Tat lassen sich nicht allzu viele Beispiele in der Vergangenheit ermitteln. Alte deutsche Städtechroniken nennen solche Ereignisse am Rande und im Zuge von Aufzählungen von Leibesstrafen in früheren Zeiten. Die Hintergründe und Schicksale bleiben häufig im Dunkeln.

Das Säcken (lateinisch: poena cullei), auch Säckung, kam nach römischem Recht regelmäßig bei Verwandtenmord (lateinisch: parricidium) zur Anwendung. Es wurde als Art der Hinrichtung angewandt. Dabei wurde der Verurteilte zusammen mit einer Schlange und einem Skorpion in einen Sack gesteckt und ins Wasser geworfen.1 Zum Begriff des „Säckens“ heißt es im „Wörterbuch der Deutschen Sprache“ von 1810: „In engerer Bedeutung: von einer Art der Todesstrafe, einen Verbrecher in einen Sack einbinden und ersäufen.“2

Die „Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten“ berichtet noch in ihrer Ausgabe vom 9. Oktober 1821 tagesaktuell über die Vorkommnisse im Umfeld des Herrscherhauses der Walachei in Südosteuropa. Janko Callimachi, früherer Pfortendolmetscher, der nach Caesarea in der Provinz Syrien verbannt worden war, hatte man – wenige Tage nach seiner Absetzung am 8. März 1821 – nebst „vielen vornehmen Griechen“ hingerichtet:3

„In dem benachbarten Servien zeigten sich wieder einige Volksbewegungen.

Schreiben aus Odessa, vom 10 Sept.

Nach Berichten aus Constantinopel wurde Fürst Callimachi, der zum neuen Hospodar der Wallachey ernannt worden war, in seinem Verbannungsorte enthauptet, seine Familie und Angehörigen erwürgt und somit sein ganzer Stamm ausgerottet. Eben so traurig war das Schicksal der mit ihrem Gemahl ebenfalls verwiesenen Gräfin Bogdan, ältesten Tochter des Fürsten. Ihr Gemahl, dessen Vater in Rom lebt, wurde aus ihren Armen gerissen und erdrosselt, ihre beyden unmündigen Kinder in ihrem Schooße erwürgt, und sie zuletzt, nachdem man ihr die Augen aus gestochen, in einen Sack gesteckt und ersäuft. (…)“

Jacob Grimm (1785-1863), Berühmtester aller Germanisten und Begründer der deutschen Philologie und Altertumswissenschaft, in seiner Vorlesung über „deutsche Rechtsalterthümer“:4 „Ersäufen, Ertränken im Wasser, besonders bei Frauen üblich. (...) Oft auch wurde der Körper in einen Sack genäht. (…) Der Elternmörder soll mit einem Hunde, einer Natter, einem Hahn und einem Affen (auch einer Katze) zusammen eingenäht und ertränkt werden.“

Nach langen Verhandlungen zwischen Kaiser und Ständen wurde auf dem Reichstag zu Regensburg von 1532 die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. und des Heiligen Römischen Reichs, die Constitutio Criminalis Carolina, kurz „Carolina“, verabschiedet. Die „Carolina“ war das erste allgemeine Gesetzbuch in deutscher Sprache, das für das gesamte Reich Geltung hatte, sie sollte das Recht im Reich neu ordnen.

Der Strafvollzug hatte oft rituellen Charakter, wie beim „Säcken“ oder „Pfählen“. In dem bis 1870 einzigen deutschen Reichsstrafgesetzbuch wird dazu festgehalten:

„Item welches weib jre kind, das leben vnd glidmaß empfangen hett, heymlicher boßhafftiger williger weiß ertödtet, die werden gewonlich lebendig begraben vnnd gepfelt, Aber darinnen verzweiffelung zuuerhütten, mögen die selben übelthätterinn inn welchem gericht die bequemlicheyt des wassers darzu vorhanden ist, ertrenckt werden. Wo aber solche übel offt geschehe, wollen wir die gemelten gewonheyt des vergrabens vnnd pfelens, vmb mer forcht willen, solcher boßhafftigen weiber auch zulassen, oder aber das vor dem erdrencken die übelthätterin mit glüenden zangen gerissen werde, alles nach radt der rechtuerstendigen. (…)“

Würden sich Mütter ihrer neugeborenen Kinder durch Ab- oder Hinlegen entledigen wollen und die Babys so ums Leben kommen, sollten sie „nach Gelegenheit des gefährlichen Hinlegens an Leib und Leben gestraft werden“. Im Falle von Kindsabtreibungen sollten die Mütter laut Artikel 133 der „Carolina“ ertränkt „oder sunst zum todt gestrafft werden“.

2. Historisch belegte Einzelfälle

Der pensionierte Oberappellationsrat Johann Carl Ludwig Nöldeke (1815-1898) hielt im Künstlerverein zu Celle am 4. und 11. November 1895 einen Vortrag zum Thema „Die Kriminalrechtspflege in Celle, insbesondere im 16. und 17. Jahrhundert“. Sein vollständiger Beitrag wurde in der „Celleschen Zeitung“ abgedruckt und stellt eine einzige echte Fundgrube zum Thema Kriminaljustiz im Fürstentum Lüneburg dar. Nöldeke fand auch etwas zur mehrfach angewandten Strafe des Säckens heraus:

„Für den Kindesmord, der durch Weiber an ihren neugeborenen Kindern begangen ist, bestimmt der Art. CXXXI der peinlichen Gerichtsordnung als Strafe das Lebendigbegrabenwerden oder die Pfählung, jedoch daneben, daß, wenn Wasser vorhanden, die Verbrecherin ertränkt werden möge. In den 20 bis 30 Fällen des Kindesmordes, die sich in unseren Acten abgeurtheilt finden, ist stets auf Ertränken im Wasser erkannt, in einigen Urtheilen mit dem Zusatze, daß die Verbrecherin in einen Sack gesteckt werden solle. Unter diesen Fällen erscheint ein Urtheil vom Jahre 1664, welches seiner Zeit vermuthlich viel Aufsehen erregt hat, indem eine Kammerjungfer der Herzogin aus besonderer Gnade mit dem Schwerte hingerichtet ist, die nach einer dem Urtheile beigefügten Notiz bei ihrer Vernehmung angegeben hatte, daß sie mit dem Großvoigte von Hg Umgang gehabt habe. Auch noch im vorigen Jahrhundert ist auf den Tod durch Wasser erkannt, jedoch im Wege der Gnade häufig der Tod durchs Schwert an dessen Stelle getreten.“

Die von Johann Carl Ludwig Nöldeke ausgewerteten Kriminalakten sind im Niedersächsischen Landesarchiv aufbewahrt. Die auf zwei Mappen aufgeteilten Aktenbestände waren seinerzeit vom Amtsgericht Celle nach Hannover überstellt worden und führen die Bezeichnungen „Gerichtliche Vernehmungen in Kriminalsachen (Mord, Diebstahl) 1557-1586“5 und „Sammlung von Urteilen aus Kriminalprozessen 1587-1687“6. Am Ende ist der gesamte Schriftverkehr nur auf zwei Mappen aufgeteilt worden.

Kindsmörderinnen wurden enthauptet oder „gesäckt“, das heißt, in einen Sack vernäht und so ins Wasser geworfen, „wie denn das Ertränken überhaupt eine gangbare Hinrichtungsart für Frauen war“, so der Kulturhistoriker Johannes Scherr (1817-1886) in seiner „Geschichte der deutschen Frauen“ (1860).7

Die Verurteilten wurden zusammen mit drei bis vier Tieren in einen Sack gesteckt. Dem Urteil nach sollten dies ein Hund, ein Hahn, eine Schlange und ein Affe sein. Da es Affen aber nicht überall gab und auch Schlangen in der Regel nicht zur Hand waren, steckte man anstelle des Affen eine Katze und anstelle der Schlange ein gemaltes Schlangenbild mit in den Sack.

Was diese Beigaben bedeuteten, ist ungewiss. Angelehnt an Sigmund Freuds Sexualpsychoanalyse werden sie so zu erklären versucht, dass die Schlange ein Penis-Symbol ist und die übrigen Tiere Sinnbilder tierischer Geilheit darstellen.8

Ausführlich geht die „Umständliche, doch in möglichster Kürtze verfaßte historische Einleitung über den Criminal-Proceß“ (1738) auf die vorgeschriebenen Beigaben ein:9 „Mithin soll eigentlich nur ein Aff/ zu der Malefiz-Person/ oder an dessen statt einen Hund/ Hahn Schlange und Katze/weilen nemlich der Aff/ in der Grausamkeit diese 4. Thiere übertreffen soll in den Sack gesteckt und ins Wasser geworffen werden.“ In Sachsen sei man inzwischen zu einer alternativen Form des Säckens übergegangen, bei der die lebendigen Tiere nicht mit der zu ertränkenden Person zusammenkommen konnten.

Im „Promptuarium Iuris Practicum, oder Practischer Vorrath zu einer gründlichen Rechts-Wissenschafft“ (1740) wird erläuternd ausgeführt:10 „Der Vater-Mord, naher Anverwandter-Mord. 1. Mit der Straffe des Säckens oder des Rades, wenn nehmlich das Wasser fehlet, werden Kinder belegt, die Eltern, sie mögen erstern oder weitern Grads seyn, um das Leben bringen und ermorden. (...) 2. Welche nicht zwar die Eltern, sondern die, welche an Eltern statt sind, als den Schwieger-Vater, die Schwieger-Mutter, Stieff-Vater, Stieff-Mutter, und andere dergleichen greulich tödten, die werden nicht gesäckt, sondern mit dem Schwerde vom Leben zum Tode gestrafft, also doch, wenn der Richter zuweilen sie härter ansehen will, sie auf der Kuh-Haut zur Feimstatt geschleiffet werden. (...) 3. Eltern auch, die Kinder, sie seyn erstern oder weitern Grades, greulich umbringen, werden mit Säckung, oder wenn ein Fluß fehlet, mit dem Rade bestrafft.“

Als Vorbild diente der „Carolina“ das Römische Recht, das ebenfalls das Säcken vorsah. Allerdings gab es doch erhebliche Unterschiede, was den Rechtsgrund und die Ausführung anging. Die „Gelehrten Anzeigen, in alle Wissenschaften, so wol geistlicher als weltlicher, alter und neuer Sachen“ von Johann Peter von Ludewig (Halle 1749) stellen den Unterschied heraus. Da heißt es:11

„Was aber solle das heutige Säcken, nach der peinlichen Halsgerichts-Ordnung, art. 131. heißen? Es bleibet darinnen nicht ein Buchstaben von dem Römischen Gesetze, wider den Vatermord übrig. Dann anfangs 1) hatten die Römer das Säcken nur auf den Vatermord gesetzet: die Carolina aber verkehret es auf den Kindermord. Nachgehends 2) da in dem [...] an beyderseits Eltern, den Kindermord mit dem Säcken zu bestraffen, neuerlich erwehnet; so verfället die Carolina bloß auf das Weib, so ihre neugebohrne Kinder ermordet. Ferner 3) so würde, nach dem Römischem Recht, bey dem Säcken das Erträncken, vielmehr verhindert und verhütet; weil der Sack oder Schlauch allenthalben deswegen verpicht war; daß der Vatermörder entweder ersticket oder von den Thieren zerzerret und gefressen werden sollen: in der Carolina aber wird ein Sack von Leinwand desßwegen gebrauchet; daß Wasser in denselben dringen und die Kindermörderin ersäuffet werden solle. Über dieses 4) so wurde, nach den Römischen Gesetzen der Vatermörder mit obbesagten gifftigen und wilden Thieren vergesellschafftet: in der Carolina aber solche weggelassen, in einigen andern peinlichen Satzungen hingegen nur die Thiere, nur gemahlet, in den Sack gethan; welches nur zum Gelächter und Spott der Zuschauer dienet. Allenfalls auch, wann die Affen in unseren Landen nicht zu haben, dafür ein wilder Cater, der seine junge auffrisset, solche Stelle vertreten könnte. Nächst deme so wurde 5) eben deßwegen anfangs das Meer bey dem Säcken erfordert, damit der Schlauch nicht etwa aufgefangen und der Cörper der Begräbniß genießen möchte; in der Carolina aber wird die Ertränckte aus dem Wasser genommen und begraben. Und noch 6) in den Römischen Gesetzen, hatte man deßwegen des Meeres oder eines Strohms zum Säcken nöthig, weil in einem Sumpff, Pfützen oder angefülleten andern Wassergefäße, das Vergaben nicht verhütet werden möchte: in der Carolina aber kommet die Entschuldigung, in welchem Gericht die Bequemlichkeit des Wassers darzu vorhanden, mögen die Übelthäterinnen erträncket werden, sehr überflüßig heraus, dann ja wohl im Teutschen Reich kein Ort ohne Wasserquellen zu finden, mithin so viel Wassers allemahl vorhanden, eine Kindermörderin zu ersäuffen. Endlich 7) in den Römischen Gesetzen würde dem Übelthäter kaum zu gute kommen seyn, wann er, durch Zufall, aus dem Sack gezogen und vom Tode wieder zum Leben gebracht worden wäre, dann nach der Auslegung CICERONIS pro Sex. Roscio Amerino und QVINTILIANI declam. 199. wie auch des Kaysers CONSTANTINI M. ginge das Absehen mit auf die Versagung der Begräbniß: nach der Carolina aber wird dieselbe der Kindermörderin frey gelassen. Dahero, als vor weniger Zeit in Königsberg eine Kindermörderin, nach ausgestandenen Säcken, wieder aufgelebet und man, bey dem Criminal-Gericht, angefraget, die Antwort erfolget: daß selbige, nach ausgestandener Todesangst und Pein, mit anderweitiger Strafe zu verschonen.“

Während der Zeit der Hussitenkriege (1419-1436) hört man noch gelegentlich vom Auftreten der Ketzerei in Dresden: So wurde bereits im Jahr 1426 ein Ketzer (Heretici), wahrscheinlich ein hussitischer Spion, gesäckt, das heißt in diesem Fall im Sack eingeschlossen in der Elbe ertränkt.

Im Jahr 1436 soll eine Bernauerin in die Donau gestürzt und ersäuft, weil sie sich wegen ihrer Liebschaft mit Herzog Ernst (1373-1438) bereits als „Herzogin von Bayern“ bezeichnet hatte. In den „Erläuterten Germania Princeps“ (1749) heißt es dazu:12 „Wie dahero Printz Albrecht einsmals (sic!) eine entfernte Reise unternommen hatte: befahl der Hertzog dem Rathe zu Straubingen(,) die Bernauerin beym Kopfe zu nehmen, und ihr den Proceß zu formiren. Bey dem Verhör bezeigte sie sich trotzig, und antwortete frech: weil sie sich vielleicht annoch auf den Schutz des Printzen verließ. Allein man condemnirte sie dahin, daß sie vom Leben zum Tode gebracht, und im Wasser ersäufet werden solte. Man vollstreckte auch unverzüglich die Execution an ihr, und sie wurde, wie Adlzreiter erzehlet, den 12. Octob. 1436, von der Brücke zu Straubingen in die Donau hinunter gestürzt. Es sollen Regenspurger Nachrichten vorhanden seyn, aus welchen wahrzunehmen, daß das unglückselige Mägdgen von dem Wasser-Strome an das Ufer getrieben worden, da sie die gegenwärtigen Einwohner auf das erbärmlichste um Rettung angeflehet. Aber der Scharfrichter hätte sie mit einer langen Stange vollends das Wasser hinunter tauchen müssen, daß sie also durch einen jämmerlichen Tod um ihr junges Leben gebracht worden. Aventinus hergegen erzehlet 1. a. die Vollstreckung der Execution also; daß die Bernauerin in einen Sack gesteckt, und von dem Scharfrichter am 4ten Idus Octobr. d. i. den 12ten ejusd. in der Donau erträncket worden.“

Beda Weber schreibt in seinem Handbuch für Reisende „Das Land Tirol“ (1837), dass die Strafe des Säckens dort in der frühen Neuzeit auch im Falle von Widerspenstigkeit angewandt worden ist:13 „Zu Hall wurden sogar die Weiber von diesem Fanatismus angesteckt. Die strengen Maßregeln des Landesfürsten Ferdinand I. beschwichtigten den Sturm nur mit großer Mühe, zwei Weiber in Hall, die sich unmöglich herbei lassen wollten, den Irrthum abzuschwören, wurden 1525 in einen Sack genäht und ersäuft.“

Der Dresdner Archivar Otto Richter (1852-1922) fand in der Dresdener Kämmereirechnung von 1536 einen aufschlussreichen Hinweis:14 „15 gr. dem nachrichter vor eyn sack und andere nodturfft der dyrnen, so in der Elben ertrenckt.“

Dr. Wilhelm Schäfer (1807-1869), korrespondierendes Mitglied der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz und Mitglied der Geschichts- und Alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg, berichtete 1858 über „Die Säckungsfalle in der Brückenbrüstung der Elbbrücke“: „(…) Der Erste, welcher hier gesäckt ward, war 1548 Hans Schumann, ein Muttermörder, wobei im Hinunterstürzen der lederne Sack zerborst, 1626 erlitt hier eine Kindesmörderin, die Fuchs, diese Strafe, und der Letzte, welcher von der Brücke gesäckt wurde, war der Mörder seiner Frau, der Goldscheider Richter, am 15. Aug. 1715. Früher ward diese Strafe beim Galgen an der Weißeritz beim Wehre vollzogen.“15

Bezüglich Margarethe Behren, die ihr Kind, für dessen Zukunft sie keine Perspektiven gesehen hatte, im Bett getötet und im Kälberstall vergraben hatte, urteilte der Schöffenstuhl in Leipzig 1557:16 „So vil aber Margretha Behren anlanget, hat dieselbe bekant das sye irem kindelein, nachdem es geporen einen plunden oder auch vf den munde gelegt, darunter es gedempfft oder erstickt, vnd das sye es des morgens darnach in einen kelberstall begraben, inmaßen es dan auch eurem bericht nach, doselbst gefunden worden, wo sye nun dem kinde das tuth vorsetzlich, dasselbe darmit zuversterben vnd vom leben zum thode zupringen, vf den mundt gelegt hette, vnd sye wurde solches bekommen vnd vf irem bekentnus vor gerichte freywilligk vorharren Aber des sonst wie recht vberwisen, Nemlich das sye vf den fall, mit viel Hunde, Hanen, einer schlangen, vnd Katzen an stadt eines Affen in einen sack vornehet vnd im wasser ertrenkt, Aber do es die gelegenheit des wassers des orts nicht hette, geradebrecht [gerädert] werden, von rechts wegen, zue vrkundt mit vnserm Insigel vorschriben,“

In Kassel wurde 1576 der Muttermörder Heinrich Gilsemann, der im Jahr zuvor in die Psychiatrie aufgenommen worden war, zur „poena cullei“ mit Affe, Hund, Hahn und Schlange verurteilt, die Strafe wurde aber nicht vollzogen. Dazu heißt es im Kirchenbuch der Altstadt Kassel:17

[...]


1 Wyer, Johanna H.: Hinrichtung, Scheiterhaufen und Todesstrafe – Sterben im Mittelalter im Namen der Gerechtigkeit? eBook, 2013 (Anhang).

2 Campe, Johann Heinrich (Hrsg.): Wörterbuch der Deutschen Sprache, 4. Teil: S und T, Schulbuchhandlung, Braunschweig 1810, S. 4.

3 Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Ausgabe vom 9. Oktober 1821, 3. Seite.

4 Ebel, Else (Hrsg): Jacob Grimms Vorlesung über „deutsche Rechtsalterthümer“, Muster-Schmidt Verlag, Göttingen-Zürich 1990, S. 74.

5 NLA-HStA Hann. 72 Celle Nr. 16.

6 NLA-HStA Hann. 72 Celle Nr. 17.

7 Scherr, Johannes: Geschichte der deutschen Frauenwelt, in drei Büchern nach den Quellen, 4., neu durchgesehene und vermehrte Auflage, Bd. 1. 2, Wigand, Leipzig 1879, S. 195.

8 Sigmund Freud (1856-1939), österreichischer Neurologe, Tiefenpsychologe, Kulturtheoretiker und Religionskritiker, erlangte weltweite Bekanntheit als Begründer der Psychoanalyse undgilt als einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts.

9 Umständliche, doch in möglichster Kürtze verfaßte historische Einleitung über den Criminal-Proceß, Einleitung über den Criminal-Proceß, verlegt bei Johann Conrad Wohler, Buchhändler in Ulm, Frankfurt und Leipzig 1738, S. 333.

10 Der Vater-Mord, in: Promptuarium Iuris Practicum, oder Practischer Vorrath zu einer gründlichen Rechts-Wissenschafft, ehemals in lateinischer Sprache verfasst von Dr. Johann George Bertoch (1693-1745), verlegt bei Johann Jacob Schöps, Buchhändler, Leipzig und Zittau 1740, S. 1034.

11 Ludewig, Johann Peter von, ICti (Iuris-Consulti), Kanzler des Herzogtums Magdeburg und der Universität Halle: Gelehrte Anzeigen in alle Wissenschaften, 3. Teil, verlegt bei Johann Gottlob Bierwirth, Halle 1749, S. 84.

12 Erläuterte Germania Princeps, das ist, historisch-politisch und rechtliche Anmerkungen über desselben Teutsche Fürsten-Staaten . . . Frankfurt und Leipzig 1744-1749, S. 1561.

13 Weber, Beda: Das Land Tirol, Handbuch für Reisende, Wagnersche Buchhandlung, Innsbruck 1838, S. 186.

14 Richter, Otto: Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden, 2 Bde. in 3 Teilbänden, Wilhelm Baensch, Dresden 1885-1891, III. Band, Dresden 1891, S. 74.

15 „Die dresdener Wahrzeichen“, in: Deutsche Städtewahrzeichen – Ihre Entstehung, Geschichte und Deutung von Dr. Wilhelm Schäfer, J. J. Weber, Leipzig 1858, S. 84.

16 Gerichtliche Vernehmungen in Kriminalsachen -Mord, Diebstahl- 1557-1586, NLA-HStA Hann. 72 Celle Nr. 16.

17 Schlieper, Edith: Das früheste Kirchenbuch der Altstadt Kassel, 1565-1598, Kassel 1988, S. 115; Hessenland – Zeitschrift für die Kulturpflege des Bezirksverbandes Hessen, Druck und Verlag von Friedrich Scheel, Kassel 1912, S. 151.

Fin de l'extrait de 26 pages

Résumé des informations

Titre
Über die Strafform des Säckens
Auteur
Année
2019
Pages
26
N° de catalogue
V470651
ISBN (ebook)
9783668954960
ISBN (Livre)
9783668954977
Langue
allemand
Mots clés
Hinrichtung, Säcken, Säckung, Ersäufen, Carolina, Kindsmord, Todesstrafe, Kindstötung, Leibesstrafe, Peinliches Halsgericht, Scharfrichter
Citation du texte
Matthias Blazek (Auteur), 2019, Über die Strafform des Säckens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/470651

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