Diese Arbeit untersucht die Elemente und Vorgehensweisen eines exegetischen Forschungsprojektes und die kritische Rechenschaft bezüglich der eigenen Forschung (zum Beispiel Begründungen oder Erkenntnisse). Zudem gibt sie mögliche Bewertungs-/Gütekriterien für exegetische Forschung unter anderem in Bezug auf die eigene Forschung; Stärken, Grenzen und Gefahren der Kriterien.
Dies geschieht anhand der These, dass Jesus als König legitimiert wird und der damit verbundenen Forschungsfrage, welche literarischen Strategien die synoptischen Evangelien hierzu anwenden. Dabei werden zwei Textstellen aus dem Lukasevangelium behandelt.
(a)
Forschung, vor allem auch im privaten/universitären Bereich, kann wie folgt verstanden werden:
„Forschung [...] ist die systematische Suche nach neuen Erkenntnissen unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden in geplanter Form. [...] Unter Forschung [ist] der generelle Erwerb neuer Kenntnisse zu verstehen [...].“1
Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, Forschung zu betreiben. Eine gängige Unterscheidung ist die Anwendung der qualitativen oder der quantitativen Forschung sowie die empirische oder die theoretische Vorgehensweise.
Mit Blick auf die exegetische Forschung wird diese als (hier biblische) Exegese betitelt und bedeutet kurzgefasst die Auslegung von biblischen Texten. Die Vorgehensweise kann aufgrund vieler verschiedener Methoden, die für die exegetische Arbeit herangezogen werden können, variieren.
Zu den wesentlichen Elementen eines exegetischen Forschungsprojektes gehört dennoch zunächst die Textauswahl sowie gegebenenfalls eine konkrete These oder Forschungsfrage. Wird eine These aufgestellt beziehungsweise eine Forschungsfrage entwickelt, gilt es, diese Mittels der exegetischen Methoden zu überprüfen oder zu beantworten. Daneben kann Exegese (so wurde sie im Studium der biblischen Theologie ausgeübt) auch ohne eine These oder Forschungsfrage betrieben werden, wenn es „nur“ darum geht, einen stärkeren Zugange zu Texten zu finden. In beiden Fällen bilden die exegetischen Methoden jedoch den Kern der Textauslegung.
Vor der inhaltlichen Auseinandersetzung mit einem ausgewählten Text ist der besseren Übersichtlichkeit halber die Präsentation des Textes nach Äußerungseinheiten (Teil der syntaktischen Analyse) und gegebenenfalls die Formanalyse sinnvoll. Anschließend können zur Einordnung des Textes in den biblischen und/oder historischen Kontext die Textabgrenzung (Orts-, Zeit-, Personen- und Gattungswechsel in Abgrenzung nach vorne und hinten), die Darstellung der Textumgebung/des literarischen Kontextes, der Übersetzungsvergleich und die Textkritik (fragt nach dem ursprünglichen Text), die Traditionskritik, die Intertextualität sowie die Beantwortung von Einleitungsfragen durchgeführt werden. Nachfolgend können zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Text folgende Methoden bearbeitet werden: Semantische Analyse (Analyse der Verben, Nomina und Aktanten), Erzählanalyse (Analyse der wörtlichen Rede), Aktantenanalyse, Herausstellung von Leerstellen und gegebenenfalls Darstellung von Möglichkeiten, diese zu füllen sowie die Motiv- und Begriffsanalyse. Zwei weitere Methoden sind die Gattungsanalyse und die Redaktionskritik. Verbunden mit der Redaktionskritik ist die Textpragmatik als mögliche Methode am Ende einer Exegese, in dessen Rahmen sich begründet und mit Bezug zu den vorherigen „Ergebnissen“ der Exegese damit auseinandergesetzt wird, was der Text bewirken will.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Anwendung jeweiliger Methoden je nach Text mehr oder weniger sinnvoll erscheint.
(b)
Mit Blick auf das eigene exegetische Treiben im Kontext des Forschungsseminars (Lektürenachweis) ist zunächst zu erwähnen, dass die These, dass Jesus als König legitimiert wird sowie die damit verbundene Forschungsfrage, welche literarischen Strategien die synoptischen Evangelien hierzu anwenden, vorgegeben waren. Ebenfalls festgelegt war, dass es um die Auswahl von zwei Textstellen aus dem Lukasevangelium geht, das zunächst vollständig gelesen werden sollte. Im Folgenden wird die Vorgehensweise innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens beschrieben und reflektiert.
Die Auswahl der Perikopen Lk 1,26-38 und Lk 23,26-43 fand mittels einer gemeinsamen Absprache in der Partnerarbeit statt. Während des Lesens hat mich die zuerst genannte Perikope unmittelbar angesprochen und bereits einsichtige Ansätze hinsichtlich der Legitimationsstrategien aufgezeigt, sodass ich diese meinem Arbeitspartner vorschlug und wir uns auf diese als erste Stelle einigten. Auch er machte Vorschläge, bei denen ich für Lk 23,26-43 stimmte. Meine Begründung für diese Perikope als zweite Textstelle war, dass wir so eine Stelle zu Beginn des Evangeliums und eine am Ende des Evangeliums haben. Wir verständigten uns damit verbindlich auf diese beiden Bibelstellen. Der Hintergrund meines Gedankens einer solchen Kombination war es, auf diese Weise Veränderungen und Entwicklungen bezüglich Legitimierungen im Lukasevangelium zu erkunden. Grundsätzlich können weitere Gründe einer Textauswahl im Voraus bestehende Erwartungen an einen Text sein oder ein Blick dahingehend, ob Methoden, die ich gerne anwende, für den Text geeignet sind. Der zuletzt genannte Grund für die Textauswahl sollte meines Erachtens jedoch nicht erstrangig sein, sondern dann eine Rolle spielen, wenn die exegetische Auseinandersetzung erfolgt.
In Anlehnung an die Vorgaben zum Lektürenachweis habe ich zunächst einen Kommentar2 studiert. In einem ersten Schritt habe ich mich mit dem Einleitungsteil des Kommentars zum Lukasevangelium auseinandergesetzt. In diesem ging es um den Aufbau und die Intention des Evangeliums sowie um das Wirken Jesu, wodurch bereits angedeutet wurde, dass es Jesus ist, der legitimiert wird. Im Anschluss hieran habe ich die gewählten Perikopen mit Hilfe des Kommentars mit Blick auf die Themenschwerpunkte „Jesus als König“ und „Legitimationsstrategien“ untersucht. Der Kommentar hat hierzu selbst keine Überlegungen vorgenommen. Die einzelnen Verse wurden deshalb betrachtet und ich habe hieraus Legitimationsstrategien abgeleitet.
In einem nächsten Schritt habe ich überlegt, wie im weiteren Verlauf der Forschung vorgegangen werden könnte. Auf der Grundlage des Übersetzungsvergleichs von Lk 1,26-38 mittels der Einheitsübersetzung und des Neuen Testaments, der wichtige Unterschiede mit Blick auf Jesus als König herauskristallisierte, war diese Methode nennenswert. Konkret ging es mir dabei um Titel und Eigenschaften Jesu und damit verbunden um die Aktantenanalyse. Darüber hinaus schien mir die Analyse der Verben und Nomina sinnvoll, die mit Jesus und den weiteren Aktanten in Verbindung gebracht wurden – damit besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Aktantenanalyse und der syntaktischen Analyse. Im Kontext von Lk 23,26-43 beruhten meine Überlegungen zum weiteren methodischen Vorgehen auf der Analyse der wörtlichen Reden und ebenfalls damit verbunden eine Aktantenanalyse, da mehrere Redeanteile in der Perikope vorkommen und inhaltlich relevante Textstellen bilden. Wie bereits erwähnt, war die Idee, am Ende Veränderungen oder Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Perikopen mit Blick auf „Jesus als König“ und „Legitimationsstrategien“ auszumachen. Zum einen erschienen mir die gewählten Methoden für ein weiteres Vorgehen angemessen und zielführend hinsichtlich der Überprüfung der These, zum anderen macht mir die syntaktische Analyse sowie die Auseinandersetzung mit Aktanten und deren Beziehungen untereinander mehr Freude als einige andere methodische Schritte. Im Kontext eines allgemeinen Blicks auf exegetische Forschung ist es wichtig, zu überlegen, was mir bestimmte Methoden mit Blick auf die Forschungsfrage oder These (wenn vorhanden) bringen oder was ich mir durch deren Anwendung erhoffe.
Nachgehend wurde ein Zeitschriftenbeitrag3 herangezogen, der unter anderem Hinweise zu den Themenschwerpunkten „Jesus als König“ und „Legitimationsstrategien“ gab.
Durch das hier beschriebene exegetische Vorgehen wurden insbesondere Erkenntnisse mit Blick auf die Legitimation (und Delegitimation) von Aktanten gewonnen. In den einzelnen Perikopen Lk 1,26-38 und Lk 23,26-43 wurde in erster Linie Jesus legitimiert, wodurch die These über die Legitimation Jesu als König bestätigt wurde. Auffallend war die Erkenntnis, dass im Lukasevangelium (in Abgrenzung zu den anderen Evangelien) unterschiedliche Legitimationsstrategien Jesu verwendet werden. So wird Jesus in der ersten Perikope überwiegend von Gott legitimiert und in der zweiten Perikope in erster Linie vom Volk. An dieser Stelle wäre es notwendig, weitere Perikopen des Lukasevangeliums zu untersuchen, um ein einheitlicheres Gesamtbild auszumachen. Zugleich wurde in Lk 1,26-38 einerseits deutlich, dass neben der Legitimation Jesu auch weitere Personen, hier seine Mutter, zumindest ansatzweise legitimiert werden können. Andererseits ging aus dieser Textstelle ebenfalls hervor, dass es nicht immer einfach ist, Personen auszumachen, die delegitimiert werden. Im Zeitschriftenartikel wurde zwar darauf eingegangen, dass Johannes der Täufer und Jesus im Gegenüber erscheinen und Jesus Johannes in allem überbietet, jedoch kann dies nicht als unmittelbare Delegitimierung des Johannes aufgefasst werden. Es handelt sich hier lediglich um eine Spur, die weiterverfolgt werden könnte.
Durch die Anwendung unterschiedlicher exegetischer Methoden können Erkenntnisse mittels der jeweiligen Methoden verglichen, bestärkt oder mit Blick auf aufkommende Widersprüche entgegengesetzt werden.
Neben allen bisher aufgeführten exegetischen Methoden kann der Blick auf die Christologie(n) gerichtet werden. In Bezug auf einzelne Bibelstellen kommt dies einer Aktantenanalyse der Person Jesu bzw. Gottes nah.
(c)
Die hier dargestellten Bewertungs-/Gütekriterien sind nicht aus der Literatur entnommen, sondern selbstständig abgeleitet.
Mein erstes Kriterium bezieht sich auf die Anwendung der exegetischen Methoden. Meiner Meinung nach sollten zwar verschiedene Methoden angewandt werden, dennoch scheint es mir wichtiger, den Text mit Hilfe einiger Methoden tiefergehend zu untersuchen, anstatt oberflächlich auf möglichst viele Methoden zurückzugreifen, um so sinnvoll Ergebnisse hinsichtlich einer These/Forschungsfrage zu argumentieren/begründen. Zentral ist in diesem Kontext das Stichwort Methodenbeherrschung.
[...]
1 http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/forschung-und-entwicklung-f-e.html
2 Verwendeter Kommentar: Dillmann, Rainer / Mora Paz, César (2004): Das Lukas-Evangelium. Ein Kommentar für die Praxis. 2. Aufl. Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk.
3 Verwendeter Zeitschriftenbeitrag: Bösen, Willibald: Die Kindheitsgeschichten nach Lukas. In: Deutscher Katecheten-Verein e.V. und Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Katechetische Blätter, 136 (2011), Heft 6, S. 405-410.
- Quote paper
- Sandra Knierbein (Author), 2018, Die Königsmacher. Die literarischen Strategien der synoptischen Evangelien zur Christologie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/470755
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