In dieser Arbeit wird Pieter Bruegels Gemälde "Die Kreuztragung Christi" untersucht. Das Bild beherbergt eine Zeitparadoxie, deren Untersuchung und Entschlüsselung Ziel dieser Hausarbeit ist. Indem Bruegel die biblische Thematik in seine historische Zeit versetzt, reflektiert er zugleich über Zeit, Geschichte und die Erinnerung an vergangene Zeiten.
Joseph Leo Koerner sieht darin mehr als nur eine Aktualisierung der biblischen Erzählung und behauptet, Bruegel projiziere die Geschichte nicht in einen anderen historischen Moment, sondern in eine andere Art von Geschichtsverständnis. Auch Stephanie Porras untersucht Bruegels Gemälde und das historische Bewusstsein der niederländischen Renaissance und kommt zu dem Schluss, die Kreuztragung stelle eine Replikation gelebter Erfahrungen und die Imagination der Vergangenheit zu Bruegels Zeiten in der niederländischen Kultur einander gegenüber. Eine zufriedenstellende Umschreibung des Zeitphänomens konnte bisher noch nicht geleistet werden und ist Ziel dieser Hausarbeit.
Dabei stellt sich auch die Frage, ob sich ähnliche Zeitstrukturen in den der Forschung bekannten Vor-Bildern finden und Bruegel sich auf diese beruft. Als Vor-Bilder genannt werden die Werke des sog. Braunschweig-Monogrammisten, sowie Herri met de Bles und Pieter Aertsen, die das biblische Geschehen genauso wie Bruegel in ihre aktuelle Zeit vor fantastische Landschaften versetzen. Die Hausarbeit widmet sich allerdings aufgrund des Umfangs nur je einem Werk von met de Bles und Pieter Aertsens Kreuztragung , die hinsichtlich ihrer Zeitkonstruktion und Komposition aufschlussreich für eine Analyse von Bruegels Werk sind. Der Akt des Erzählens ist selbst ein zeitliches Phänomen. Das bedeutet, es wird etwas erzählt, das nicht selbst Erzählung ist und Zeit ist ein progressives Element des Erzählvollzugs. Zur Analyse der Erzählung und der Zeitkonstruktion, die Bruegel in der Kreuztragung entwirft, werden erzähltheoretischen Ansätze aus der Literaturwissenschaft auf das Bildmedium als Erzählinstanz angewendet.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Die Zeit und das Kreuz
- 2. Das Bild der Zeit
- 2.1. Der historische und kulturelle Hintergrund der KREUZTRAGUNG
- 2.2. Bruegels Erzählmethodik
- 3. Zeit im Bild
- 3.1. Vorgängerbilder der Kreuztragungsdarstellung
- 3.2. Vorgängerbilder der Andachtsgruppe
- 3.3. DIE KREUZTRAGUNG als Kristallbild
- 4. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Zeitstrukturen in Pieter Bruegels d. Ä. Gemälde "Kreuztragung Christi" von 1564. Ziel ist es, die im Bild präsente Zeitparadoxie zu analysieren und zu entschlüsseln, indem Bruegels Verknüpfung biblischer Thematik mit seiner historischen Zeit beleuchtet wird. Die Arbeit fragt nach der Art und Weise, wie Bruegel Zeit, Geschichte und Erinnerung visuell darstellt und verhandelt.
- Die Darstellung von Zeit und Geschichte in der Kunst der frühen Neuzeit
- Bruegels Erzählmethodik und seine Einbettung der biblischen Geschichte in seine eigene Zeit
- Vergleich mit Vorgängerbildern der Kreuztragungsdarstellung und deren Zeitstrukturen
- Die "Kreuztragung Christi" als Andachts- und Historienbild: Synthese von Stillstand und Handlungsdrang
- Die Bedeutung der Landschaft im Gemälde und ihr Beitrag zum Geschichtsverständnis
Zusammenfassung der Kapitel
1. Die Zeit und das Kreuz: Dieses Kapitel führt in die Thematik ein und diskutiert die Darstellung von Zeit und Geschichte in der Kunst. Es wird die Frage aufgeworfen, wie Kunstwerke zeitgeschichtliche Vorgänge festhalten und ihre Evidenz visuell darstellen können. Der Einfluss der aristotelischen Bestimmung der Einigkeit von Zeit, Raum und Handlung auf die Kunst der Frühen Neuzeit wird beleuchtet. Weiterhin wird die Rolle des Künstlers als Interpret und Vermittler historischer Ereignisse und die ambivalente Natur des Kunstwerks als vermittelte Sichtweise diskutiert. Bruegel wird als Beispiel eines Künstlers genannt, dessen Werke unser Verständnis der niederländischen frühen Neuzeit prägen und dessen Bilder sowohl detaillierte Darstellungen des Alltags als auch wichtige Quellen für die damalige Mode liefern. Die Debatte um Bruegels Rolle als Traditionalist und Innovator und die Bedeutung seiner Religionszugehörigkeit werden angedeutet.
2. Das Bild der Zeit: Dieses Kapitel konzentriert sich auf Bruegels "Kreuztragung Christi" und deren besondere Zeitstruktur. Das Gemälde wird als Beispiel einer paradoxen Zeitgestaltung analysiert: Es vereint Aspekte eines Historienbildes (Ideologie des Augenblicks) und eines Andachtsbildes (meditative Versenkung). Die Arbeit hebt die verschiedenen Interpretationen des Bildes hervor und verweist auf die Analysen von Koerner, Porras und Kahane, die auf Bruegels spezifisches Geschichtsverständnis und dessen Darstellung von gelebten Erfahrungen und der Imagination der Vergangenheit hinweisen. Die Debatte um die Interpretation des Gemäldes als eine Synthese von zwei Realitäten (Gibson und Müller) wird erwähnt. Der Fokus liegt auf der Herausarbeitung der Zeitparadoxie als Untersuchungsschwerpunkt der Arbeit.
3. Zeit im Bild: Dieses Kapitel befasst sich mit den Vorgängerbildern der Kreuztragungsdarstellung und der Andachtsgruppe, um mögliche Einflüsse auf Bruegels Werk zu beleuchten. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse der Zeitkonstruktion und Komposition dieser Bilder im Vergleich zu Bruegels "Kreuztragung Christi." Die Arbeit erforscht, ob sich ähnliche Zeitstrukturen in den Vorbildern finden und wie diese Bruegels Werk beeinflusst haben könnten. Es wird explizit erwähnt, dass aufgrund des Umfangs nur ausgewählte Werke analysiert werden, um einen Vergleich mit Bruegels Werk zu ermöglichen. Der Abschnitt skizziert die lange Tradition der Kreuztragungsdarstellung.
Schlüsselwörter
Pieter Bruegel d. Ä., Kreuztragung Christi, Zeitstrukturen, Historienbild, Andachtsbild, Zeitparadoxie, Niederländische Renaissance, Geschichtsverständnis, Bildinterpretation, Erzählmethodik, Vorgängerbilder.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu "Die Zeit und das Kreuz: Zeitstrukturen in Pieter Bruegels 'Kreuztragung Christi'"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese akademische Arbeit analysiert die Zeitstrukturen in Pieter Bruegels Gemälde "Kreuztragung Christi" (1564). Sie untersucht die im Bild präsentierte Zeitparadoxie und beleuchtet, wie Bruegel biblische Thematik mit seiner historischen Zeit verknüpft. Der Fokus liegt auf der visuellen Darstellung und Verhandlung von Zeit, Geschichte und Erinnerung durch Bruegel.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Darstellung von Zeit und Geschichte in der Kunst der frühen Neuzeit, Bruegels Erzählmethodik und die Einbettung der biblischen Geschichte in seine Zeit. Sie vergleicht Bruegels Werk mit Vorgängerbildern der Kreuztragungsdarstellung, analysiert "Die Kreuztragung Christi" als Andachts- und Historienbild, und untersucht die Bedeutung der Landschaft im Gemälde für das Geschichtsverständnis.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel: Kapitel 1 ("Die Zeit und das Kreuz") führt in die Thematik ein und diskutiert die Darstellung von Zeit und Geschichte in der Kunst. Kapitel 2 ("Das Bild der Zeit") konzentriert sich auf die Zeitstruktur von Bruegels "Kreuztragung Christi". Kapitel 3 ("Zeit im Bild") analysiert Vorgängerbilder der Kreuztragungsdarstellung und der Andachtsgruppe. Kapitel 4 ("Fazit") fasst die Ergebnisse zusammen.
Welche Künstler und Werke werden im Detail untersucht?
Die Arbeit konzentriert sich auf Pieter Bruegel den Älteren und sein Gemälde "Kreuztragung Christi". Sie analysiert dieses Werk im Detail und vergleicht es mit ausgewählten Vorgängerbildern der Kreuztragungsdarstellung und der Andachtsgruppe, um Einflüsse auf Bruegels Werk zu beleuchten.
Welche methodischen Ansätze werden verwendet?
Die Arbeit verwendet eine ikonografische und ikonologische Analyse des Gemäldes "Kreuztragung Christi". Sie vergleicht das Werk mit anderen relevanten Bildern und untersucht die Zeitstrukturen und die Erzählmethodik Bruegels. Es wird auf die Arbeit von verschiedenen Kunstwissenschaftlern (Koerner, Porras, Kahane, Gibson, Müller) Bezug genommen.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Pieter Bruegel d. Ä., Kreuztragung Christi, Zeitstrukturen, Historienbild, Andachtsbild, Zeitparadoxie, Niederländische Renaissance, Geschichtsverständnis, Bildinterpretation, Erzählmethodik, Vorgängerbilder.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit zielt darauf ab, die im Bild von Bruegel präsentierte Zeitparadoxie zu analysieren und zu entschlüsseln. Die genauen Schlussfolgerungen sind im Fazit der Arbeit detailliert dargestellt, welches die Ergebnisse der Kapitel 1-3 zusammenfasst und interpretiert.
Für wen ist diese Arbeit bestimmt?
Diese Arbeit richtet sich an ein akademisches Publikum, das sich für die Kunst der Niederländischen Renaissance, die Bildinterpretation und die Darstellung von Zeit und Geschichte in der Kunst interessiert.
- Quote paper
- Jennifer Münster (Author), 2019, Zeit-Bild und Bild-Zeit. Eine Analyse der "Kreuztragung Christi" von Pieter Bruegels des Älteren hinsichtlich der Zeitstrukturen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/471092