Mobilitätspartnerschaften und die Migrationspolitik der Europäischen Union. Die Mobilitätspartnerschaft zwischen der EU und Marokko


Fachbuch, 2019

59 Seiten


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Politiktheoretische Einordnung

3 Konzeptionelle Grundlagen der EU-Migrationspolitik
3.1 Migration als steuerbares Element im europäischen Kontext
3.2 Europäisierung der Migrationspolitik
3.3 Migrationsmanagement als neue Politikstrategie
3.4 Externalisierung der EU-Migrationspolitik
3.5 Der Gesamtansatz für Migration und Mobilität als Strategiepapier eines umfassenden Migrationsmanagements
3.6 Die EU-Migrationspolitik als ambivalenter Entwicklungsprozess

4 Mobilitätspartnerschaften als Instrument der EU-Migrationspolitik
4.1 Form der Mobilitätspartnerschaften
4.2 Triple-Win-Ansatz als umfassende Zielsetzung
4.3 Verpflichtungen seitens der EU
4.4 Verpflichtungen seitens der Drittstaaten
4.5 Die Mobilitätspartnerschaft als Kooperationsmaschine
4.6 Politikfeldvernetzung als Schlüssel zur Kooperation

5 Problembereiche
5.1 Partnerschaftskonzept als Leerformel?
5.2 Unklare politische Ziele seitens der europäischen Partner
5.3 Inhaltliche Flexibilität – auch ein Schwachpunkt?
5.4 Objektivierung von Migranten
5.5 Fehlende legale Zugangswege
5.6 Defizite bei Koordination, Monitoring und Evaluierung
5.7 Realpolitik statt ausgewogenem Migrationsmanagement

6 Mobilitätspartnerschaften in der Praxis - Fallstudie am Beispiel Marokkos
6.1 Fallstudie als passgenaue Methode
6.2 Die besondere Stellung Marokkos in der EU-Migrationspolitik
6.3 Die Mobilitätspartnerschaft zwischen der EU und Marokko
6.4 Inhaltliche Prioritäten und konkrete Projekte
6.5 Interessenkampf statt Partnerschaft
6.6 Menschenrechtliche Probleme
6.7 Grenzmanagement ohne legale Alternativen

7 Ergebnisse

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum:

Copyright ©Studylab 2019

Ein Imprint der GRIN Publishing GmbH, München

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1 Einführung

Blickt man im September 2016 auf die vergangenen 12 Monate zurück, erscheint die Europäische Union (EU) in Bezug auf die Flüchtlings- und Migrationspolitik zunehmend handlungsunfähig angesichts der gewaltigen Herausforderungen, die sich aus den gestiegenen internationalen Wanderungsbewegungen ergeben. So lässt sich die Einschätzung Angenendts, der 2014 die Migrationspolitik der EU-Mitgliedstaaten in einem Status des Stillstands und der Blockade wähnte (vgl. Angenendt 2014), auch im Jahre 2016 bestätigen, wenn nicht sogar die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Migrationspolitik sich noch verschlechtert haben. Eine Kooperation zwischen der Europäischen Union und den für die Migrationspolitik so wichtigen Drittstaaten wird aufgrund politischer Krisen und Konflikte stark erschwert, zudem herrschen auch innerhalb der Europäischen Union sehr unterschiedliche Auffassungen im Hinblick auf die Vorgehensweise in der Migrationspolitik vor. So konnte sich die Union beispielsweise in der Frage der Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen bis heute nicht auf eine einheitliche Vorgehensweise einigen. Um aber erneuten chaotischen Zuständen an der EU-Außengrenze vorzubeugen, bedarf es langfristig wieder gemeinsamer europäischer Regelungen zur Steuerung der Migration in die Europäische Union. Eine entscheidende Rolle spielt dabei auch die verstärkte Kooperation mit den Herkunfts- und Transitländern, deren Bedeutung als Schlüsselfaktor die EU-Kommission in ihrer Migrationsagenda vom Mai 2015 nochmals betont hat (KOM(2015) 240, S.5). Dabei stellt sich die Frage, wie die Europäische Union trotz der unterschiedlichen Vorstellungen der EU-Mitgliedstaaten handlungsfähig im Bereich der Migrationspolitik bleiben kann. Als Ausweg aus der europäischen Handlungsunfähigkeit erscheinen vor allem flexible Maßnahmen notwendig, die eine Kooperation auch dann ermöglichen, wenn auf gesamteuropäischer Ebene keine Einigung zu erwarten ist.

Ein solches flexibles Instrument der europäischen Migrationspolitik im Bereich der Zusammenarbeit mit Drittstaaten hat die Europäische Kommission bereits 2007 mit den sogenannten Mobilitätspartnerschaften eingeführt, bei denen sich die EU-Mitgliedstaaten freiwillig mit eigenen Projekten einbringen können. Die Kommission beschreibt das Politikinstrument gar als „most innovate and sophisticated tool“ (SEC(2009) 1240, S.4) der EU-Migrationspolitik, das im Sinne einer Triple-Win-Situation sowohl für die europäischen Staaten als auch für die beteiligten Drittstaaten und die Migranten selbst Vorteile bringt. Die Mobilitätspartnerschaften können als Teil einer neuen EU-Migrationspolitik gesehen werden, die den Fokus auf eine verstärkte Kooperation mit Drittstaaten legt und versucht, entwick­lungspolitische Ziele mit migrationspolitischen Maßnahmen zu verbinden. Obwohl Mobilitätspartnerschaften als wesentlicher Bestandteil der Migrationspolitik der EU gelten, sind sowohl ihr Zustandekommen als auch deren Umsetzung bis heute wenig erforscht. Die bisherige Forschung bezieht sich meist auf das Potential und die Zielsetzung dieser Partnerschaften sowie auf die Einbettung in das Europäische Migrationsregime (Schwiertz 2010, Angenendt 2012a, Heinzmann 2015). Wenig Literatur findet sich jedoch zur konkreten Umsetzung von Mobilitätspartnerschaften an spezifischen Fallbeispielen. Insbesondere die neueren Partnerschaften mit den Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens haben in der politikwissenschaftlichen Forschung bislang wenig Beachtung gefunden. Dies mag zum einen daran liegen, dass erst eine kurze Zeit seit Abschluss der Partnerschaften vergangen ist und diese sich noch im Umsetzungsprozess befinden. Zum anderen erschwert der fehlende Zugang zu aktuellen Dokumenten eine stichhaltige Analyse.

In der konkreten Umsetzung der Mobilitätspartnerschaften sieht sich die Europäische Union in einem Spannungsfeld zwischen dem Anspruch, entwicklungspolitische sowie menschenrechtliche Ansprüche zur Richtschnur zu machen und auf der anderen Seite die eigenen Interessen möglichst gewinnbringend durchzusetzen (dazu: Kapitel 2). Wie die Europäische Union in ihrer grundsätzlichen migrationspolitischen Ausrichtung sowie insbesondere beim Abschluss von Mobilitätspartnerschaften in diesem Spannungsfeld agiert, ist die zentrale Leitfrage der vorliegenden Arbeit. Die folgenden Untersuchungen können dabei in drei Abschnitte unterteilt werden: Im ersten Teil (Kapitel 3) wird zum Zweck der besseren Einordung zunächst das Gesamtkonzept der EU-Migrationspolitik und deren Hintergründe näher beleuchtet. Ziel ist es, die Grundannahmen der europäischen Migrationspolitik1 zu erfassen und den Blick darauf zu richten, wie die Europäische Union mit den veränderten Rahmenbedingungen der letzten Jahre umgeht. Im zweiten Teil wird dann eine detaillierte Analyse des migrationspolitischen Instruments der Mobilitätspartnerschaft durchgeführt. Dabei stehen zunächst die Struktur sowie die Zielsetzungen des Politikinstruments im Zentrum des Interesses (Kapitel 4). In Kapitel 5 wird der Fokus dann auf mögliche Problembereiche gerichtet, die sich aus den vorangegangenen Untersuchungen ergeben. Dabei werden Hypothesen über die Funktionsweise der Partnerschaften aufgestellt, die sich aus der vorhandenen Literatur über die Mobilitätspartnerschaften speisen. Als dritter Teil soll die Wirkung von Mobilitätspartnerschaften anhand eines spezifischen Fallbeispiels untersucht werden und dabei überprüft werden, inwiefern die in der Theorie getroffenen Hypothesen über die Mobilitätspartnerschaften im konkreten Fall zutreffen und ob sich die analysierten Probleme bewahrheiten (Kapitel 6). Als Fallstudie soll dabei die Mobilitätspartnerschaft zwischen der EU und Marokko aus dem Jahr 2013 dienen (Rat 6139/13 ADD 1 REV 3). Marokko gilt in der Migrationspolitik als wichtiger Partner der Europäischen Union, zudem hat die Partnerschaft Vorbildcharakter für die Zusammenarbeit mit nordafrikanischen Staaten. Mit Blick auf die besondere Relevanz des Staats Marokko, wie auch im Hinblick auf weitere Mobilitätspartnerschaften im nordafrikanischen Raum, erscheint es als besonders interessant, die Zusammenarbeit der EU mit diesem Staat zu beleuchten. Zum Abschluss der Arbeit sollen die Ergebnisse der Arbeit nochmals zusammengefasst und mit Blick auf ihre wissenschaftliche Aussagekraft bewertet werden (Kapitel 7).

2 Politiktheoretische Einordnung

Eine Analyse des migrationspolitischen Instruments der Mobilitätspartnerschaften ist aus verschiedenen politikwissenschaftlichen Perspektiven möglich. Als internationales Politikfeld kann die europäische Migrationspolitik und dabei speziell das Konzept der Mobilitätspartnerschaft beispielsweise vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Theorien der Internationalen Beziehungen (IB) analysiert werden. Eine theoretische Einordnung der EU-Migrationspolitik hat den Zweck, die Zielvorstellungen der Europäischen Union besser einordnen und systematisieren zu können. Schließlich bietet eine theoretische Einordnung die Grundlage für das Verständnis der formalen Rahmenbedingungen, in dem sich in diesem Fall die Europäische Union mit ihrer Migrationspolitik bewegt (polity). Zudem wird auch das Handeln der beteiligten Akteure in Politikprozessen wie der Aushandlung von Mobilitätspartnerschaften (politics), sowie die Formulierung von bestimmten politischen Inhalten in diesen Verhandlungen (policies) erklärbar. So dienen Theorien der Abstraktion und der Bildung von Strukturmodellen und lassen daraus ableitend eine Formulierung von Gesetzmäßigkeiten in Form von politikwissenschaftlichen Hypothesen zu. Um das Verhalten der Europäischen Union im Bereich der Migrationspolitik besser erklären zu können, sollen im Folgenden zwei Theorien der IB näher erläutert werden.

Zum einen könnte man sich einer realistischen Sichtweise bedienen, die den Fokus auf die Interessen der Akteure im internationalen System legt. Nach dem Ansatz des strukturellen Realismus nach Waltz bestimmen sich dabei die Möglichkeiten, auf internationaler Ebene zu handeln, primär nach den Strukturen im internationalen System und nach den Fähigkeiten der einzelnen Akteure (vgl. Waltz 1979, S.95ff). Vor diesem Hintergrund könnte die EU-Migrationspolitik und das Instrument der Mobilitätspartnerschaft dahingehend untersucht werden, ob die Europäische Union durch deren Abschluss die vitalen Interessen der EU durchsetzen konnte. Vertreter der realistischen Schule verknüpfen Fragen bezüglich der internationalen Migrationsbewegungen dabei häufig mit Fragen der nationalen Sicherheit. „Die staatliche Steuerung von Migrationsbewegungen wird als eine Strategie zur Verteilung und Ausübung von Macht im internationalen System begriffen“ (Hentges 2010, S.613). Tatsächlich können die Mobilitätspartnerschaft in diesem Sinne als ein Ringen um die Durchsetzung der eigenen Interessen aller beteiligten Parteien gedeutet werden. Bei einer solchen Analyse ist es aber ebenso möglich, die Interessen der beteiligten Drittstaaten oder der Migranten selbst in den Blickpunkt zu stellen. Je nach Untersuchungsmodell wird man mit einer realistischen Blickrichtung jedenfalls zu denkbar unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

Mit Blick auf das Selbstverständnis der Europäischen Union werden schließlich aber auch ein gewisser Idealismus sowie ein selbstgesteckter Anspruch an eine wertebasierte Politik deutlich. Schließlich versteht sich die EU auch als Wertegemeinschaft, deren Werte wie Freiheit, Gleichheit und Nichtdiskriminierung auch das Auftreten in der internationalen Politik maßgeblich beeinflussen. So sieht sich die Europäische Union insbesondere im Bereich der Menschenrechtspolitik in einer Vorreiterrolle. Insofern könnte die europäische Migrationspolitik auch auf der Basis einer konstruktivistischen Sichtweise betrachtet werden. Alexander Wendt spricht in seiner Theorie des Sozialkonstruktivismus davon, dass das Handeln der Staaten nicht nur durch Strukturen und Interessen, sondern auch von Interaktions-/ und Lernprozessen innerhalb der Gesellschaft beeinflusst wird (vgl. Wendt 1999/ Thibaut 2010, S.986f). Gemeinsame Identitäten, Ideen und Interessen werden verinnerlicht und wirken dadurch prägend für die Außenpolitik. Mit Blick auf die Migrationspolitik muss dabei gefragt werden, inwiefern die Politik der EU tatsächlich von normativen Werten geprägt ist und inwieweit der Ansatz einer humanitären, von entwicklungspolitischen Paradigmen gesteuerten Politik in der Praxis durchgesetzt wird.

Die EU-Migrationspolitik lässt sich in ihrer Gänze weder von der einen noch von der anderen Theorie vollumfassend erklären. Vielmehr steht die EU in der Umsetzung ihrer Migrationspolitik generell und bei Verhandlung von Mobilitätspartnerschaften im Speziellen in einem Spannungsverhältnis zwischen realpolitischen Überlegungen und einem selbstgegebenen moralischen und menschenrechtlichen Anspruch an eine wertebasierte Politik. Im Folgenden muss also bei der Analyse der EU-Migrationspolitik und der Mobilitätspartnerschaften immer ein Blick auf dieses Spannungsverhältnis gerichtet werden.

3 Konzeptionelle Grundlagen der EU-Migrationspolitik

Um die Strategie hinter dem migrationspolitischen Instrument der Mobilitätspartnerschaft zu verstehen, müssen zunächst die konzeptionellen Grundlagen der Migrationspolitik der Europäischen Union dargelegt werden. Insbesondere soll das Selbstverständnis der Europäischen Union mit Blick auf den Umgang mit Migration näher beleuchtet werden, um zu klären, welche politischen Konsequenzen sich aus diesen Annahmen für die EU-Migrationspolitik ergeben.

3.1 Migration als steuerbares Element im europäischen Kontext

Der Begriff Migration kann in seiner heutigen Definition zunächst aus einem nationalstaatlichen Denken heraus verstanden werden. Migranten werden als Abweichung von der nationalstaatlichen Ordnung wahrgenommen, welche grundsätzlich reguliert und bekämpft werden muss. Dabei wird Migration als ein steuerbares Element betrachtet, das sich durch die Kontrolle an den eigenen Staatsgrenzen auch tatsächlich regulieren lässt (vgl. Schwiertz 2011, S.62ff). Grundsätzlich kann die Migration dabei viele verschiedene Formen annehmen, etwa als temporäre Migration, Transitmigration oder als sekundäre Migration im Zuge einer Familienzusammenführung. Im Kontext der europäischen Migrationspolitik spielt besonders der Begriff der irregulären Migration eine wichtige Rolle. Das Ziel der Europäischen Union ist es, eine solche unplanmäßige Migration möglichst schon außerhalb der EU-Grenzen zu verhindern, weshalb der Grenzschutz und die Kontrolle von Migrationsströmen als Hauptaufgaben der EU-Migrationspolitik wahrgenommen werden. Diese Fokussierung auf die Kontrolle der Migration kann auch mit der zunehmenden Versicherheitlichung der unionseuropäischen Migrationspolitik erklärt werden (vgl. ebd., S.82f). Demnach wird Migration in erster Linie als Gefahr dargestellt, Migranten werden als „mobile Risiken“ (ebd., S.82) kategorisiert. Prof. Petra Bendel schreibt in ihrer Bestandsaufnahme der europäischen Migrationspolitik 2009 davon, dass sich „die Logik der Innen- und Justizpolitik, die eher dem Sicherheitsaspekt der Einwanderung verpflichtet ist, tendenziell auch auf andere Politikfelder aus[dehnt]“ (Bendel 2009, S.4).

Dieser Fokus der europäischen Migrationspolitik auf eine Steuerung und Kontrolle internationaler Migrationsbewegungen wird durchaus in der Literatur kritisiert. So stellt Helge Schwiertz dem europäischen Selbstverständnis das Konzept der „Autonomie der Migration“ (Schwiertz 2011, S.184) gegenüber. Schwiertz hinterfragt dabei in seinen Untersuchungen die Kontrolle grenzüberschreitender Mobilität durch die Europäische Union grundsätzlich, insbesondere im Hinblick auf das Recht und die Praxis globaler Bewegungsfreiheit. Unter Bezugnahme auf die kritische Theorie nach Foucault analysiert er auch das Instrument der Mobilitätspartnerschaft und kommt zu dem Schluss, dass die auf Migrationskontrolle ausgerichtete Politik der Europäischen Union gerade nicht dem umfassenden Selbstanspruch einer humanitären Migrationspolitik gerecht wird. Schwiertz beschreibt die Kontrolle der Migration von Seiten der Europäischen Union gar als ein „Management der Entrechtung“ (ebd., S.185). So würden Migranten etwa durch Abschiebungen in die europäischen Mitgliedstaaten an der Außengrenze verfrachtet und durch Rückübernahmeverfahren über diese hinaus abgedrängt. „Gleichzeitig wird durch die vorgelagerten Grenzkontrollen die Einreise erschwert und riskanter gemacht“ (ebd., S.184). Ob diese grundsätzliche Kritik gerechtfertigt ist, sei zunächst dahingestellt. Allerdings ist bei einer Betrachtung der EU-Migrationspolitik immer zu bedenken, welchen Einfluss eine Politik der Migrationssteuerung tatsächlich auf das Individuum eines Migranten hat. Aus der Perspektive der Migranten heißt es in der Konsequenz nämlich, auf die umfassenden Kontrollmechanismen zu reagieren und diesen auszuweichen.

3.2 Europäisierung der Migrationspolitik

Die Annahme von Migration als eine steuerbare Variable wird auch im Rechtssystem der Europäischen Union übernommen, wobei der Migrationsbegriff aber nach und nach aus der nationalstaatlichen Ebene gehoben und gewissermaßen europäisiert wird. Dabei war das Feld der Migrationspolitik über lange Zeit Angelegenheit der Nationalstaaten, die Europäische Union verfügte in diesem Politikbereich über keinerlei Kompetenzen. Doch die Schaffung eines europäischen Binnenmarkts beeinträchtigte zunehmend die Fähigkeit der Nationalstaaten, Migration selbstständig zu steuern. Diese Ohnmacht staatlicher Kontrollmechanismen musste, Parusel schreibt, „durch die Entwicklung einer staatsübergreifenden, europäischen Politik kompensiert werden […], etwa über die Schaffung und Sicherung einer gemeinsamen Außengrenze“ (Parusel 2010, S.26). Insofern kann die zunehmende Europäisierung der Migrationspolitik auch als eine Art Spill-Over-Effekt der Errichtung des europäischen Binnenmarktes durch die Einheitliche Europäische Akte und den Vertrag von Schengen Mitte der 1980er Jahre begriffen werden (vgl. ebd., S.45f). Den europäischen Partnern wurde deutlich, dass sie die Probleme, die sich durch die internationalen Wanderungsbewegungen ergeben, auf nationalstaatlicher Ebene nicht bzw. nicht so effektiv lösen können, wie dies auf gemeinschaftlicher Ebene möglich ist (vgl. ebd., S.46). So kam es auf europäischer Ebene zu einer stetigen Zunahme supranationaler Zusammenarbeit und „das Politikfeld ‚Einwanderung‘ [entwickelte sich] seit den späten 1990er Jahren als eines der gesetzgeberisch aktivsten in der Europäischen Union heraus“ (Bendel 2009, S.6). Die Zunahme gemeinschaftlicher Entscheidungskompetenzen im Bereich der Migrationspolitik erklärt sich sowohl aus dem gestiegenen Migrationsdruck in die EU nach dem Ende des Ost-/West-Gegensatzes, aber auch aus EU-internen Entwicklungen. Der 1999 in Kraft getretene Vertrag von Amsterdam bewirkte dann eine echte Vergemeinschaftung der Migrationspolitik, indem erstmals wichtige Kompetenzen im Bereich der Visa- und Asylpolitik von der dritten Säule in die erste, gemeinschaftlich geregelte Säule überführt wurden.

Gerade die Asyl- und Einwanderungspolitik ist jedoch nach wie vor ein ausgesprochen sensibler und hoch politisierter Politikbereich, in dem die Mitgliedstaaten „nur ungern und erst allmählich Kompetenzen an die Gemeinschaft [abtreten wollen] (Bendel/Haase 2008, S.1). Schließlich bedeutet eine zunehmende Vergemeinschaftung in diesem Bereich auch immer einen Souveränitätsverlust der Mitgliedstaaten. Dies zeigt sich auch in der aktuell fehlenden Bereitschaft, gemeinschaftliche Regelungen in der Migrationspolitik, wie etwa eine gerechte Verteilungsquote für Flüchtlinge, zu finden (vgl. ebd.).

3.3 Migrationsmanagement als neue Politikstrategie

Inhaltlich lässt sich in der Migrationspolitik der Europäischen Union in den letzte Jahren ein deutlicher Wandel konstatieren, weg von einer primär auf Abschottung setzenden Migrationspolitik hin zu migrationspolitischen Ansätzen, die zusammenfassend mit dem Begriff ‚Migrationsmanagement‘ bezeichnet werden können. Die illegalen Grenzübertritte bei Ceuta und Melilla im Herbst 2005, bei denen 14 Menschen getötet wurden, können dabei als Wendepunkt der europäischen Migrationspolitik gedeutet werden. Die einseitige Orientierung der Migrationspolitik auf die Migrationskontrolle wurde als Politikversagen wahrgenommen, die weder zu einer effektiven Kontrolle irregulärer Zuwanderung führte, noch dazu in der Lage war, humanitäre Katastrophen an den Grenzen der EU zu verhindern (vgl. Bendel 2006, S.130). So wurde in der Folge besonders deutlich, dass ein weiter so der EU-Migrationspolitik mit dem Fokus auf der Verhinderung illegaler Migration ohne einer gleichzeitigen Schaffung von Möglichkeiten legaler Migration auf Dauer keinen Erfolg haben würde. Die Europäische Union nahm in der Folge vielmehr den Standpunkt ein, „dass die Einwanderung nicht aufzuhalten ist und angemessen geregelt werden sollte“ (Schwiertz 2011, S.139). Wenige Tage nach den Grenzübertritten in Ceuta und Melilla kam es zu einem Treffen des spanischen Außenministers mit seinem marokkanischen Pendant in Rabat, wo die „erste euroafrikanische Ministerkonferenz zu Migration und Entwicklung“ (ebd., S.144) geplant wurde. Die Konferenz fand am 11. Juli 2006 statt und mündete in der Rabat Declaration, in welcher von einem partnerschaftlichen Migrationsmanagement die Rede war. Kooperationen im Grenzschutzbereich wurden dabei mit entwicklungs- und arbeitsmarktpolitischen Ansätzen verbunden (vgl. ebd.). Entwicklungshilfe sollte nun auf der einen Seite präventiv – beispielsweise durch die Schaffung von Arbeitsplätzen – und auf der anderen Seite konditionierend, als Gegenleistung für die Kooperation der Herkunfts- und Transitländer im Kampf der Europäischen Union gegen irreguläre Migration, eingesetzt werden. Ein weiterer wichtiger Anstoß ging von einer deutsch-französischen Initiative für eine neue europäische Migrationspolitik im Oktober 2006 aus. Darin plädierten die beiden damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble und Nicolas Sarkozy in ihrer Grundhaltung für eine restriktivere Einwanderungspolitik, indem sie sich unter anderem für einen verschärften Grenzschutz, den Abschluss von Rückübernahmeabkommen und gegen Legalisierungen irregulärer Migranten aussprachen (vgl. Angenendt 2007, S.2). Neben diesen repressiven, auf Sicherheit fokussierten Maßnahmen werden jedoch auch die Förderung temporärer Arbeitsmigration sowie die Notwendigkeit einer Verknüpfung von Migrations- und Entwicklungspolitik, als notwendige Bestandteile einer erfolgreichen Migrationspolitik erwähnt. Zudem spielt das Konzept der zirkulären Migration als eine an die Arbeitsmarktlage in der EU angepasste temporäre Migration eine wichtige Rolle in der Entwicklung einer neuen EU-Migrationspolitik (vgl. ebd., S.1). Migration soll also nicht demobilisiert, sondern sinnvoll gesteuert werden und somit zu einer effizienteren Verteilung der verfügbaren Ressourcen beitragen.

Heute verfolgt die Europäische Union einen vielschichtigen Ansatz, der Elemente einer Abschottungspolitik mit dem Selbstverständnis eines offenen Europas zu vereinen versucht: „Weder die Metapher der ‚Festung Europa‘ noch die Vorstellung eines sich in der ‚Globalisierung‘ auflösenden, weltoffenen Europas zeichnen ein treffendes Bild der gegenwärtigen Migrations[politik]“ (Schwiertz 2011, S.75). Die unterschiedlichen Aspekte von Migration wie Entwicklungshilfe, Rücküber­weisungen, Menschenrechte, Sicherheit, Arbeitsmarkt oder Integration sollen in einem kohärenten Gesamtansatz miteinander verbunden und zusammen diskutiert werden. Dabei „unterstreicht die Kommission […] nicht allein den Kampf gegen irreguläre Migration, sondern betont, dass die Kooperation mit den Herkunftsländern einen Beitrag zur Entwicklung leisten könne“ (Bendel 2009, S.6, vgl. auch Castles 2009). Schwiertz definiert das System der Migrationskontrolle der Europäischen Union in seiner Gesamtheit deshalb als „europäische[s] Migrationsregime“ (Schwiertz 2011, S.71). Der Regimebegriff biete sich für eine Analyse der Migrationspolitik deshalb an, weil er „politische Wirksamkeit nicht mit einem zielgerichteten Akteur verbindet, sondern weil er die wechselseitige Bedingtheit von Migrationsbewegung und Kontrollpraktiken zu fassen vermag“ (ebd., S.72). Tatsächlich orientiert sich die Europäische Union an einem vielseitigen Konzept, das sowohl auf der Akteursseite wie auch bei der Auswahl der Politikinstrumente verschiedene Lösungen zu finden versucht. Die Idee eines umfassenden ‚Managements‘ von Migration zu Gunsten aller Beteiligten fand Eingang in die Grenz- und Migrationspolitik der EU, wie es beispielsweise im ‚Gesamtansatz zur Migrationsfrage‘ und den Mobilitätspartnerschaften deutlich wird. Durch die neue Politikstrategie mit wechselnden Akteuren ist zudem ein Management der Migration möglich, das sich nicht auf ein festumgrenztes Teritorium beschränkt, sondern im Sinne einer Externalisierung auch Akteure einbindet, die nicht unmittelbar in der Europäischen Union vernetzt sind (vgl. ebd., S.96). Diese zunehmende Externalisierung der europäischen Migrationspolitik soll im Folgenden näher erläutert werden.

3.4 Externalisierung der EU-Migrationspolitik

Die Migrationspolitik, die traditionell als Ausdruck staatlicher Souveränität galt, wurde mit der Zeit nicht nur zu einem Bereich zwischenstaatlicher oder, in Bezug auf die EU, supranationaler Zusammenarbeit, sondern nahm auch einen Platz in der europäischen Außenpolitik ein. So kamen die beteiligten Akteure überein, „dass die irreguläre Migration nach Europa nicht unilateral, ohne Mitwirkung der Herkunftsländer eingedämmt werden kann“ (Heinzmann 2015, S.83.). In der Folge hat die Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitstaaten in der Migrationspolitik der Europäischen Union bedeutend an Gewicht gewonnen (vgl. ebd.). Diese Ausweitung der europäischen Migrationspolitik über die unionseuropäischen Territorien hinaus wird in der Migrationsforschung als Externalisierung bezeichnet. Die Europäische Union selbst verwendet die Bezeichnung ‚externe Dimension‘ der Migrationspolitik (vgl. KOM(2011) 743, S.3). Dabei verschiebt sich die Kontrolle der Migrationswege von den EU-Mitgliedstaaten zunächst in Richtung der europäischen Außengrenze und darüber hinaus auch in die direkte Nachbarschaft der Europäischen Union. Somit zählen in gewissem Maße auch die Drittstaaten in der europäischen Nachbarschaft zum heterogenen Ensemble der europäischen Migrationspolitik.

Die Externalisierung bedient sich verschiedener Methoden, die je nachdem variieren, wie stark der betroffene Drittstaat an die EU angebunden ist. So sind beispielsweise die EU-Beitrittskandidaten durch die Verpflichtung, den aquis communautaire der EU zu übernehmen, dazu aufgefordert, auch ihre Migrationspolitik an die der Europäischen Union anzupassen. Insofern wirkt der Erweiterungsprozess auch als Katalysator der europäischen Migrationspolitik. „Außerhalb des Erweiterungsprozesses wird die Externalisierung vor allem durch diverse Regionalabkommen vorangetrieben“ (Schwiertz 2011, S.100). Dabei spielt insbesondere die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) eine wichtige Rolle. Durch den Abschluss von Regionalpartnerschaften sollen auch Staaten ohne konkrete Beitrittsperspektive an die Standards in der EU herangeführt werden und die Drittstaaten in die europäische Migrationkontrolle mit eingebunden werden. So wurden etwa die von der EU finanzierten Programme MEDA für den Mittelmeerraum, CARDS für die Balkanländer und TACIS für Osteuropa und Zentralasien eingeführt, die 2007 in der ENP aufgingen. Daneben wurden wichtige Schritte der Externalisierung von Migrationspolitik in Form von bilateralen und multilateralen Abkommen mit Drittstaaten auch außerhalb des EU-Rahmens unternommen. Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei auch die Unterstützung durch internationale Organisationen. Beispiele hierfür sind etwa der durch das International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) koordinierte Budapester Prozess für den Grenzraum in Osteuropa sowie der maßgeblich von der Intarnationalen Organisation für Migration (IOM) koordinierte 5 + 5 Dialog für den mediterranen Raum. So kommt es auf europäischer Ebene zu einem zunehmenden ‚outsourcing‘ der Migrationskontrolle, wenn Kontrollen beispielsweise auf Transport- oder Logistikunternehmen übertragen werden oder durch internationale Nichtregierungorganisationen (NGOs) wie der IOM oder dem UN-Flüchtlingshilfwerk (UNHCR) wahrgenommen werden (vgl. ebd., S.92f). Während aus EU-Perspektive das Bestreben nach Sicherheit und Stabilität sowie eine effektivere Abwehr unerwünschter Migration die Hauptgründe für die Strategie der Externalisierung sein dürften, müssen auch die Interessen der jeweiligen Drittstaaten berücksichtigt werden, um diese zu einer Kooperation zu bewegen. Dennoch ist die Strategie der Externalisierung, wie Schwiertz beschreibt, nicht unbedingt auf die Regierungen der Drittstaaten angewiesen: „Die Strategie der Governance of Migration offenbart ihre Funktionalität gerade dann, wenn die Drittstaatenregierungen nicht ausreichend kooperieren, da sich die Europäische Kommission vorbehält, Maßnahmen über NGOs und sonstige zivilgesellschaftliche Akteure ohne Zustimmung der Regierungen zu finanzieren“ (ebd., S.102f).

3.5 Der Gesamtansatz für Migration und Mobilität als Strategiepapier eines umfassenden Migrationsmanagements

Die dargelegten Grundprämissen europäischer Migrationspolitik finden auch in den Strategiepapieren der Europäischen Union ihren Niederschlag. Bei der Europäisierung der Migrationspolitik kann die Europäische Kommission als treibende Kraft begriffen werden. Bereits 2005 wurde von der Kommission ein Gesamtansatz zur Migrationsfrage (GAM) als programmatische Grundlage für die Migrationspolitik eingeführt. Der Ansatz wurde vor dem Hintergrund der politischen Umwälzungen in den arabischen Ländern umfassend revidiert (vgl. Heinzmann 2015, S.96). „Vor allem der Krieg in Syrien, der Staatszerfall in Libyen und der internationale Terrorismus führten den Europäern vor Augen, dass eine systematische Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten in Migrationsfragen unerlässlich ist, um die Migration nach Europa aktiv zu gestalten“ (Wölkner 2015). 2011 wurde der neu benannte Gesamtansatz für Migration und Mobilität (GAMM, KOM(2011) 743)2 vorgestellt, der dem bisherigen Ansatz bewusst die Komponente der Mobilität hinzufügt und der als grundlegendes Strategiepapier der aktuellen EU-Migrationspolitik gilt. Das neue Konzept strebt eine enge „Verzahnung zwischen den relevanten EU-Politikbereichen und zwischen der externen und internen Dimension“ (GAMM, S.3) der Migrationspolitik an. Die Migrationspolitik ist als extrem weites Politikfeld zu fassen, in dem verschiedene Politiken verbunden und Nicht-EU-Staaten gleich umfassend in die europäische Migrationspolitik miteinbezogen werden sollen. Dabei lassen sich die politischen Zielvorgaben des GAMM als vier Säulen darstellen. Erstens will die Europäische Union mit ihrer Migrationspolitik legale Migrationswege schaffen und somit den Migranten die Mobilität erleichtern und organisieren. Zweitens sollen die Wege illegaler Migration und des Menschenhandels möglichst effektiv eingedämmt werden. Drittens steht die Förderung des internationalen Schutzes und der externen Dimension der Asylpolitik im Zentrum des Interesses. Viertens soll durch eine Vernetzung von Politikfeldern auch die Entwicklung der Herkunftsländer von Migranten gefördert werden und die positiven Wirkungen von Migration und Mobilität für alle beteiligten Akteure in den Fokus gestellt werden. Dies soll insbesondere durch die Verbindung von Arbeitsmarkt-, Entwicklungs- und Migrationspolitik geschehen. Der GAMM sollte ferner besonders „migrantenorientiert sein“ (ebd., S.8), und Maßnahmen in den Mittelpunkt stellen, die den Migranten Zugang zu einer sicheren Mobilität verschaffen können. Der Schutz der Menschenrechte von Migranten soll dabei als „Querschnittsaspekt, der für alle vier Säulen relevant ist“ (ebd., S.7) wahrgenommen werden. Zur Umsetzung der politischen Ziele soll ein breites Instrumentarium verwendet werden. Mögliche Maßnahmen sind beispielsweise bilaterale oder multilaterale Politikdialoge, Aktionspläne oder rechtliche Abkommen, wie beispielsweise Visa- oder Rückübernahmeabkommen zwischen der Europäischen Union und Drittstaaten. Auch bei der geografischen Ausrichtung der EU-Migrationspolitik gibt der GAMM klare Vorgaben. Demnach stellt zunächst die direkte EU-Nachbarschaft, also die Staaten des südlichen Mittelmeerraums sowie die Region der östlichen Partnerschaft die erste Priorität einer Kooperation in der Migrationspolitik dar. Weiterhin sollen bereits bestehende regionale Kooperationsprozesse, insbesondere die strategische EU-Afrika-Partnerschaft, weiter vertieft und ausgebaut werden. Zur Umsetzung der genannten Ziele benennt der GAMM zwei mögliche Rahmen, um Partnerstaaten in Form von „maßgeschneiderte[n] bilaterale[n]“ (ebd., S.12) Partnerschaften in die Europäische Migrationspolitik einzubinden. Als erster Rahmen werden die Mobilitätspartnerschaften vorgeschlagen, die zu einer „gut gesteuerte[n] Migration und eine[r] Mobilität unter sicheren Rahmenbedingungen beitragen“ (ebd.) sollen. Zudem werden gemeinsame Agenden für Migration und Mobilität (CAMM) vorgeschlagen, die einen stetigen Dialog über die Zielvorstellungen der europäischen Migrationspolitik in Bezug auf Drittstaaten ermöglichen sollen und die später zu einer Mobilitätspartnerschaft ausgebaut werden können.

3.6 Die EU-Migrationspolitik als ambivalenter Entwicklungsprozess

Bei einer Betrachtung der Entwicklung der EU-Migrationspolitik aus politiktheoretischer Perspektive wird wiederum die Ambivalenz der europäischen Politik deutlich, die zum einen die eigenen Interessen einer kontrollierten Migrations- und Grenzpolitik verfolgt und andererseits durch den Schutz von Flüchtlingen und die entwicklungspolitische Unterstützung von Drittstaaten versucht, dem eigenen Anspruch an eine wertebasierte Migrationspolitik gerecht zu werden. Während der Charakter der EU-Migrationspolitik zunächst von einer sicherheitspolitischen Logik dominiert war, der Migration als Objekt der eigenen Steuerbarkeit wahrnimmt, verfolgt der Gesamtansatz für Migration und Mobilität ein umfassendes Verständnis von Migrationspolitik als ein Instrument der umfassenden Kooperation. So ist im aktuellen Konzept der EU-Migrationspolitik ein Umdenken festzustellen, indem Migration als partnerschaftliches Politikfeld wahrgenommen und mehr Wert auf Kooperation und Politikfeldvernetzung gelegt wird. Insbesondere nach den tragischen Vorfällen bei Ceuta und Melilla wird zunehmend ein umfassender Ansatz verfolgt, der Migrationspolitik als ein vielschichtiges Politikfeld wahrnimmt und Migration nicht ausschließlich als Bedrohung, sondern auch als Chance betrachtet.

[...]


1 In der vorliegenden Arbeit wird aus Gründen der Vereinfachung häufig von „europäischer Migrationspolitik“ gesprochen. Damit ist allerdings ausschließlich die Migrationspolitik der Europäischen Union gemeint.

2 Der Gesamtansatz für Migration und Mobilität (KOM(2011) 743) wird im Folgenden in der Zitatangabe mit „GAMM“ abgekürzt.

Ende der Leseprobe aus 59 Seiten

Details

Titel
Mobilitätspartnerschaften und die Migrationspolitik der Europäischen Union. Die Mobilitätspartnerschaft zwischen der EU und Marokko
Autor
Jahr
2019
Seiten
59
Katalognummer
V471300
ISBN (eBook)
9783960956907
ISBN (Buch)
9783960956914
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mobilitätspartnerschaft, Migrationspolitik, Europäische Union, Marokko, EU-Außengrenze, Flüchtlingskrise, Zuwanderung, Immigration
Arbeit zitieren
Jonathan Loos (Autor:in), 2019, Mobilitätspartnerschaften und die Migrationspolitik der Europäischen Union. Die Mobilitätspartnerschaft zwischen der EU und Marokko, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/471300

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