Das Staatsverständnis Tocquevilles - Am Beispiel seines Werkes 'Über die Demokratie in Amerika'


Dossier / Travail de Séminaire, 2005

18 Pages, Note: 2,0


Extrait


I. Inhalt

1. Einleitung

2. Gleichheit und Freiheit
2.1 Freiheit
2.2 Gleichheit

3. Die Gefahr des Individualismus

4. Überwindung des Ind. durch freiheitliche Institutionen
4.1 Partizipation und zentralisierte Politik
4.2 Allgemeines Wahlrecht

5. Die Allmacht der Mehrheit
5.1 Die Eindämmung der Allmacht der Mehrheit

6. Die dezentrale Verwaltung als abschwächendes Element
6.1 Die Macht des amerikanischen Beamtentums
6.2 Die Stellung der Jurisdiktion
6.3 Die Geschworenengerichte

7. Schlussbetrachtung

III. Literatur

1. Einleitung

Der Ausgangspunkt der Überlegungen Alexis de Tocquevilles und das zentrale Leitmotiv des Buches „Über die Demokratie in Amerika“ ist die prozesshafte Entwicklung zu immer mehr Gleichheit der gesellschaftlichen Bedingungen. Tocqueville beschreibt diese Entwicklung als unwiderstehlich, gottgewollt und allumfassend. Die Abschaffung der Vorherrschaft des Adels ist programmiert, die Demokratie tritt unweigerlich ihren Siegeszug an. Auf ihrem Weg aber zertrümmert sie nicht nur die alte Gesellschaftsordnung, sondern auch das alte Staatswesen. Was aber entsteht stattdessen? In dieser Entwicklung liegen Chancen und Gefahren. Es droht das Abdriften der Gesellschaft in den Despotismus, der Verlust des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die Zerstörung des Gemeinwesens. Es besteht aber gleichzeitig die Chance, die Entwicklung hin zu einer gleichen und freien Gesellschaft, zu einem funktionierenden Gemeinwesen, einem auf Volkssouveränität begründeten Staatswesen zu vollziehen. „Eine durchaus neue Welt bedarf einer neuen politischen Wissenschaft.“[1] In Amerika sieht Tocqueville gleichsam das Versuchslabor der Demokratie. „Ihre Entwicklung verläuft [ in Amerika ] natürlich, und ihre Bewegungen sind frei.“[2] Im Verlauf seines Werks löst sich Tocqueville jedoch immer mehr von der reinen Analyse der amerikanischen Verhältnisse. Anhand seiner Beobachtungen in den Vereinigten Staaten versucht Tocqueville nicht nur Tendenzen und Entwicklungen abzulesen, die sich auf sein Heimatland Frankreich übertragen ließen und zu seiner Entwicklung zu einem modernen demokratischen Staat beitragen könnten. Er versucht auch, im Sinne dieser neuen politischen Wissenschaft, allgemeingültige Gesetze über die Staatslenkung, die Volkssouveränität und die Ausprägung demokratischer Ordnungen zu formulieren. Aus seiner Kritik an den amerikanischen und europäischen Verhältnissen lässt sich mehr und mehr eine eigene Vorstellung vom Entstehen einer modernen Demokratie und der Form der entstehenden Gesellschaften ablesen. Fast schon prophetisch äußert sich Tocqueville über die Zukunft der „alten Welt“. Was zeichnet jedoch den tocquevillschen Staat aus? Über welche Lenkungsinstrumente verfügt eine Demokratie und wie soll sie sie einsetzen? Diesen Fragen soll die vorliegende Seminararbeit nachgehen. Nachdem zunächst die beiden zentralen Begriffe „Gleichheit“ und „Freiheit“ aus Tocquevilles Betrachtungsweise heraus erläutert werden, sollen in einem zweiten Schritt die Merkmale eines Staates nach Tocquevilles Vorstellungen beschrieben werden.

Obwohl er in Deutschland wenig populär ist, ist über Leben und Werk des Alexis de Tocqueville in den letzten Jahren viel Literatur erschienen. Eine der bedeutendsten Neuerscheinungen ist dabei die Aufsatzsammlung „Alter Staat – Neue Politik“, herausgegeben von Karlfriedrich Herb und Oliver Hidalgo, auf die auch diese Arbeit Bezug nimmt. Die Literatur kann allgemein als ausreichend und der Forschungsstand als ausgereift gelten.

2. Gleichheit und Freiheit

Die Begriffe Gleichheit und Freiheit sind die beiden Motive in Tocquevilles Werk, die ihn in besonderem Maße umtreiben. Das Verhältnis von Gleichheit und Freiheit innerhalb einer Gesellschaft ist das „Kardinalproblem seiner politischen Wissenschaft und zugleich Schicksalsfrage der modernen Demokratie.“[3] Die Erörterung dieses Spannungsverhältnisses soll als Ausgangspunkt zur Beschreibung von Tocquevilles Staatsverständnis dienen, denn sie führt zu entscheidenden Aussagen über die Ausgestaltung eines demokratischen Staates. Hiervon hängen Fragen, wie die nach der Machtfülle einer bürokratischen Verwaltung oder nach dem Grad der Zentralisation besonders ab. In beiden Begriffen sieht Tocqueville zugleich Chance und Gefahr für die Entstehung einer tragfähigen Demokratie. Wegen der engen Verknüpfung der dieser beiden Begriffe soll zunächst die Tocquevilles Auffassung von Gleichheit und Freiheit geklärt werden.

2.1 Freiheit

Wenn Tocqueville von der Freiheit schreibt, meint er nicht die Freiheit des Einzelnen von Regeln und Beschränkungen. Er zielt vielmehr auf die Freiheit des Individuums zum politischen Handeln, zur selbst bestimmten Partizipation an einer Gesellschaft innerhalb einer politischen Ordnung ab. Hereth schreibt dazu: „Freiheit, insbesondere politische Freiheit, steht […] in engem Zusammenhang mit dem gemeinsamen Handeln von Bürgern in der Gesellschaft. Sie beinhaltet das gemeinsame Regeln der öffentlichen Angelegenheiten, und sie bedarf eines öffentlichen Bereiches, der den Bürgern zugänglich ist.“[4] Freiheit kann für Tocqueville also nur dann entstehen, wenn die nötigen Voraussetzungen geschaffen worden sind. „Ihre Realisierung ist nur im gesellschaftlich-politischen Rahmen einer Gemeinschaft möglich.“[5] Die Liebe eines jeden Staatsbürgers zur Freiheit ist für den politischen Erzieher Tocqueville eine der Säulen eines funktionierenden Staates. Da die Freiheit so eng mit dem Gemeinwesen verbunden ist, muss die Verfassung eines Staates so angelegt sein, „dass die bestehenden Sitten, Bräuche und Gewohnheiten ebenso wie die politischen Institutionen die Bürger den Gebrauch der Freiheiten lehren, dass den Bürgern auch die Vorteile der Freiheit erkennbar werden und dass ihre […] Liebe zur Freiheit gefördert und gestärkt wird.“[6]

2.2 Gleichheit

In der prozesshaften Entwicklung zu immer mehr Gleichheit sieht Tocqueville den Ursprung für das Entstehen neuer Gesellschaftsformen. „Die stufenweise Entwicklung der Gleichheit der gesellschaftlichen Bedingungen ist also ein von der Vorsehung gewolltes Ereignis, denn sie hat dessen wesentliche Merkmale; sie ist allgemein, sie ist beständig, und sie entzieht sich immer neu der menschlichen Einwirkung; alle Begebenheiten und alle Menschen dienen der Entwicklung der Gleichheit.“[7] Diese allumfassende Entwicklung bewertet Tocqueville aber keineswegs nur positiv, denn aus ihr können sich verschiedene Konsequenzen für das Zusammenleben der Menschen ergeben, da die die Gleichheit der gesellschaftlichen Bedingungen nicht automatisch mit individueller Freiheit einhergeht. „Ich sehe nur zwei Möglichkeiten, wie man die Gleichheit in der Politik zur Herrschaft bringen kann: Man muss entweder jedem Bürger Rechte geben oder aber keinem. Für die Völker mit demokratischer Gesellschaftsordnung ist es daher sehr schwer, zwischen der Souveränität aller und der absoluten Gewalt eines einzigen einen Mittelweg zu finden.“[8] Oliver Hidalgo und Karlfriedrich Herb bemerken dazu: „Einerseits erweist sich der Verwaltungsstaat als unentbehrlich zur Vermeidung von Anarchie und Chaos, andererseits stellt er selbst die größte Gefahr für die Freiheit der Bürger dar.“[9]

Ein demokratischer Staat muss also versuchen, das Spannungsverhältnis zwischen Gleichheit und Freiheit aufzulösen, in dem er einerseits die gleichmachende Entwicklung im Sinne einer politischen Wissenschaft[10] begleitet und stark genug ist, den Individuen einen normativen Rahmen zu schaffen und den zersetzenden Eigenschaften und Gefahren der Gleichheitsentwicklung entgegenzutreten, andererseits aber den Bürgern ein gewisses Maß an Freiheit garantiert und Institutionen etabliert, die diese erhalten. Tocqueville nennt dies „die Demokratie belehren.“[11] Was also sind die Gefahren, die einer demokratischen Gesellschaft drohen und mit welchen Institutionen und Lenkungsinstrumenten soll ihnen entgegen gewirkt werden?

[...]


[1] De Tocqueville, Alexis: Über die Demokratie in Amerika. Stuttgart 1985. S.21.

[2] Ebd., S.111.

[3] Herb, Karlfriedrich; Hidalgo, Oliver (Hrsg.): Alter Staat – Neue Politik. Tocquevilles Entdeckung der modernen Demokratie. Baden-Baden 2004. S.19.

[4] Hereth, Michael. Alexis de Tocqueville. Die Gefährdung der Freiheit in der Demokratie. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1979. S.29.

[5] Achtnich, Susanne: Alexis de Tocqueville in Amerika: Die konservativen und liberalen Elemente in seiner politischen Theorie. Frankfurt am Main, Bern, New York, Paris 1987. S. 90.

[6] Die Gefährdung der Freiheit, S.28.

[7] Über die Demokratie, S. 19.

[8] Ebd., S.44.

[9] Alter Staat – Neue Politik, S.19.

[10] Tocqueville spricht hier meist von der „art politique“, der Kunst, Politik zu gestalten.

[11] Über die Demokratie, S.21.

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Das Staatsverständnis Tocquevilles - Am Beispiel seines Werkes 'Über die Demokratie in Amerika'
Université
University Karlsruhe (TH)  (Institut für Geschichte)
Cours
HS Theorien und Methoden der Geschichtswissenschaft
Note
2,0
Auteur
Année
2005
Pages
18
N° de catalogue
V47263
ISBN (ebook)
9783638442510
Taille d'un fichier
481 KB
Langue
allemand
Mots clés
Staatsverständnis, Tocquevilles, Beispiel, Werkes, Demokratie, Amerika, Theorien, Methoden, Geschichtswissenschaft
Citation du texte
Till Uhrig (Auteur), 2005, Das Staatsverständnis Tocquevilles - Am Beispiel seines Werkes 'Über die Demokratie in Amerika', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47263

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