Schlagende und nichtschlagende Studentenverbindungen in Niederösterreich nach 1945 im Vergleich


Trabajo de Investigación (Colegio), 2019

49 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung

2 Einführung

3 Entstehungsgeschichte
3.1 Entstehung der ersten Verbindungen an europäischen Universitäten
3.1.1 Burse, Nationen und Orden
3.1.2 Schülerverbindungen und Pennalien
3.2 Jenaer Urburschenschaft
3.3 Wartburgfest
3.4 Karlsbadener Beschlüsse
3.5 Die Märzrevolution 1848
3.6 Weitere Verbindungsformen
3.7 Das Korporationswesen in der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn 1867-1918

4 Korporationswesen in Österreich nach dem 2. Weltkrieg

5 Vergleich von zwei niederösterreichischen Korporationen anhand von Interviews

6 Aktuelles Studentenleben im 21. Jahrhundert
6.1 Einfluss von Korporationen in der Politik
6.1.1 Die ÖVP und die CVer
6.1.2 Die FPÖ und die Burschenschafter
6.2 Damenverbindungen und Mädelschaften

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhang – Interviews

Interview Eduard Rakaseder

Interview Tobias Paschinger

Abstract

Immer wieder erregen Studentenverbindungen in der Öffentlichkeit Aufsehen, sei es durch ihren Einfluss auf das politische Geschehen in Österreich, sei es durch ihr Auftreten in der Gesellschaft. Diese Arbeit hat sich das Ziel gesetzt, die verschiedenen Korporationsformen im Wandel der Zeit zu skizzieren und besonders die Differenzen zwischen ihnen hervorzuheben. Einen wesentlichen Teil der Arbeit stellen die geführten Interviews dar, die einen Einblick in das couleurstudentische Leben in Niederösterreich geben und transportieren, warum sich Jugendliche heutzutage entscheiden, Studentenverbindungen beizutreten. Weiters wird der Einfluss korporierter Personen auf ausgewählte österreichische Parteien beleuchtet. Abschließend werden die nicht zu vernachlässigenden Damenverbindungen und Mädelschaften thematisiert.

Vorwort

Der Grund, warum ich mich für das Thema meiner Arbeit entschieden habe, ist einfach zu beantworten. Mit dieser Vorwissenschaftlichen Arbeit möchte ich versuchen, das von den Medien und unserer Gesellschaft falsch vermittelte Bild von Studentenverbindungen jeglicher Art in das richtige Licht zu rücken.

Nachdem ich selbst Einblicke in eine Verbindung erhalten habe und so erleben konnte, was studentisches Leben wirklich bedeutet, war ich sofort von der Atmosphäre, die auf der Bude herrschte, begeistert. Als ich allerdings Anfeindungen gegen Korporationen hautnah miterlebte, wurde mein Ethos geweckt und ich machte es mir zur Aufgabe, unwissende Personen aufzuklären.

Einen wesentlichen Beitrag dazu haben Eduard Rakaseder und Tobias Paschinger geleistet. Hiermit möchte ich mich sehr herzlich bei ihnen, sowie bei ihren Verbindungen Nibelungia zu Sankt Pölten und Markomannia zu Sankt Pölten für den erbrachten Beitrag bedanken.

Ein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Peter Krause, österreichischer Studentenhistoriker, der mich während des Arbeitens mit Literatur und dem inhaltlichen Korrekturlesen dieser Arbeit unterstützt hat.

Natürlich möchte ich meiner fachlichen Betreuerin, Mag. Birgit Lippert, meinen ganz besonderen Dank aussprechen. Sie stand mir in allen Belangen zur Seite, hat mich immer unterstützt und hervorragend begleitet.

Pyhra, 31.01.2019 Sarah Eichinger

1 Einleitung

Man sieht sie in Uniformen, mit bunten Schärpen schmücken sie ihre Brust, mit dem „Deckel“ bedecken sie ihre Köpfe. Manche von ihnen führen scharfe Waffen mit sich und sehen gar gefährlich aus mit ihren Narben im Gesicht. Wenn man an sie denkt, denkt man an den rechten Rand und den Akademikerball, doch warum tragen wir dieses negative Bild in uns? Die Rede ist hier ganz klar von Verbindungsstudenten. Sie leben verborgen und doch öffentlich unter uns, auf den „Buden“ herrscht heute wie gestern reges Treiben.

Konkretes Ziel dieser Arbeit ist es herauszuarbeiten, welche Aspekte schlagende und nichtschlagende Studentenverbindungen unterscheiden, aber auch zu zeigen, was sie verbindet.

Seit der Gründung der ersten Universitäten entwickelt sich auch das Korporationswesen. Der erste Teil der vorliegenden Arbeit behandelt unter anderem die Entwicklung des studentischen Lebens im Wandel der Zeit, wichtige Ereignisse werden näher beleuchtet. Die Entstehung verschiedener Studentenverbindungen wird skizziert, es wird geklärt, was diverse Verbindungsformen ausmacht und wo die bis heute praktizierten Rituale und Traditionen ihren Ursprung haben.

Da Korporationen und ihre Mitglieder auch heute noch Aufsehen erregen, wird im zweiten Teil natürlich auch das aktuelle Verbindungsleben genauer unter die Lupe genommen. Dies geschieht zum einen anhand von Interviews, die mit zwei niederösterreichischen „Burschen“ geführt wurden, zum anderen durch die beschriebenen Zusammenhänge zwischen Studentenverbindungen und ausgewählten, österreichischen Parteien. Es ist jedoch nicht Zweck dieser Arbeit politische Ideologien zu behandeln oder zu bewerten. Deshalb wird auch nicht näher auf die Zeit des Nationalsozialismus eingegangen.

Am Ende der Arbeit wird noch das oft vernachlässigte Thema Damenverbindungen und Mädelschaften erwähnt, ihre Entwicklung und ihr Verbindungsleben wird genauer untersucht.

2 Einführung

Studentenverbindungen werden auch Korporationen genannt. Das Leben in den einzelnen Verbindungen ist verschieden, jedoch erfolgt jedes nach strengen, festgelegten Regeln und Ritualen, die ihren Ursprung meist im 19. Jahrhundert fanden. Diese Rituale werden streng überwacht und sind genau vorgeschrieben. Durch die meist eher negative Haltung von Außenstehenden schließen sich die Verbindungsstudenten noch enger zusammen und bilden eine Einheit, die auch oft als Ersatzfamilie dient. (vgl. Neumayer 20142 [online])

Der schon ab Ende des 18. Jahrhunderts sich entwickelnde Comment (französisch: Regelwerk) regelt das Zusammenleben in einer Verbindung und schreibt das Verhalten und die Abläufe bei bestimmten Ereignissen vor. So gibt es den allgemeinen Comment, der das allgemeine Verhalten vorschreibt, einen Kneipen- oder Biercomment, der das Benehmen auf Veranstaltungen regelt, einen Fecht- oder Paukcomment, der bei der Mensur benötigt wird und einen Couleurcomment, der angibt, welches Kleidungsstück oder Zubehör wann zu tragen ist. (vgl. Neumayer 20142 [online])

Da Studenten in der Vergangenheit viel reisten, wurde ihnen schon im Mittelalter das Privileg zugesprochen, eine Waffe zu tragen, was damals ein Statussymbol war, das es zu verteidigen galt. Viele Duelle gingen einst tödlich aus. Dies hielt sich bis in die Mitte das 19. Jahrhunderts. Danach wurde die sogenannte Bestimmungsmensur eingeführt, die es bis heute gibt. Hierbei sucht man sich seinen Gegner nicht selbst aus, sondern er wird für einen aus einer anderen Verbindung ausgewählt. Die Mensur (lat. mensura = Maß, Abmessung = Abstand der zwei Fechtenden) soll zeigen, wer bereit ist, für seine Verbindung „den Kopf hinzuhalten“. Viele Redewendungen leiten sich vom studentischen Fechten ab, wie zum Beispiel: eine Abfuhr erteilen, Zitterpartie, auf Anhieb oder pauken. (vgl. Neumayer 20142 [online])

Studentenverbindungen, die zur Waffe greifen, bezeichnet man als schlagende Verbindungen. Man unterscheidet pflichtschlagende Verbindungen und fakultativ schlagende Verbindungen. Pflichtschlagende Verbindungen schreiben ihren Mitgliedern vor, wie viele Pflichtpartien sie zu fechten haben. Fakultativ schlagende Verbindungen betreiben zwar das Fechten, ihren Mitgliedern ist es jedoch freigestellt, ob sie zu einer Mensur antreten oder nicht. (vgl. Neumayer 2014 2 [online])

Auch wenn bei der Mensur scharfe Waffen zum Einsatz kommen, ist die Chance, schwer verletzt zu werden, verhaltnisma ig gering. Die zwei Konkurrenten (Paukanten) sind am ganzen Kerper, au er an Wange und Kopf geschOtzt. Es ist Pflicht, dass bei jeder Mensur ein Sekundant, der Oberwacht, ob unerlaubte Schlage ausgefOhrt werden, und ein Arzt vor Ort sind. Hierbei wird kein Sieger bestimmt, somit ist es kein sportlicher Wettkampf. Es wird jedoch nach der Mensur ermittelt, ob sich die Paukanten commentmaäßig verhalten haben. Weicht ein Paukant vor einem Schlag zurOck, zeigt Angst oder schreit auf,so riskiert er, dass die Mensur nicht "zieht" und somit als nicht bestanden zahlt. Bleibt nach einer Mensur eine Narbe zurOck, bezeichnet man dies als Schmiss. Ein Schmiss galt in den 1930er Jahren als Statussymbol, der im Laufe der Zeit aber an Bedeutung verlor. (vgl. Neumayer 2014 2 [online])

Abbildung 1: Paukant auf der Mensur

Abbildung aus urheberrechtlichen Grunden nicht im Lieferumfang enthalten

Quelle : Magenschab 2011: 5.221

Laut Deutschem Bundesgerichtshof ist es erlaubt eine Mensur zu fechten, wenn diese keinen Duellcharakter hat und wenn die notigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden, urn schwere Verletzungen zu vermeiden. (vgl. Neumayer 2014 2 [online])

Abgesehen von schlagenden Studentenverbindungen gibt es auch noch nichtschlagende, die den Umgang mit der Waffe,also die Mensur, strikt ablehnen. Dies machen sie aus religiosen GrUnden - da sie katholische Verbindungen sind, wOrde das Schlagen einer Mensur ihre Prinzipien (Amicitia - Brüderlichkeit, Scientia - Wissenschaft, Patria - Heimat und Religio - Religion) verletzen. (vgl. Bonavida 2018 [online])

Nichtsdestotrotz verbindet alle Korporationen die dreistufige Mitgliedschaft. Tritt man neu in eine Verbindung ein, wird man als „Fuchs“ oder „Fux“ bezeichnet. In dieser Phase, die circa zwei Semester dauert, wird man mit den Geschichten, Traditionen und Bräuchen seiner Verbindung vertraut gemacht. Wird der Fux von der Gemeinschaft als vollwertig erachtet, wird er nach einer feierlichen Zeremonie zum „Bursch“ ernannt und ist nun während seines Studiums Mitglied der „Aktivitas“. Beendet er das Studium, wird er zum „Alten Herren“, denn in Verbindungen gilt der Grundsatz: einmal Mitglied immer Mitglied. Außerdem unterstützen die „Alten Herren“ ihre Verbindung finanziell, wirtschaftlich, verwaltungsmäßig und wissenschaftlich. Weiters helfen sie ihren Bundesbrüdern auch im Berufsleben Fuß zu fassen. Auffällig ist, dass Korporierte später überdurchschnittlich oft eine Führungsposition innehaben. (vgl. Neumayer 20141 [online])

Auch Feiern und Trinken hat in Verbindungen einen hohen Stellenwert. Feierlichkeiten unterliegen strengen Regeln, etwa wann es erlaubt ist, während einer Kneipe, einer traditionellen Feier, aufzustehen, zu trinken, zu singen, welches Gewand zu tragen ist oder wann eine Rede zu halten ist. Eine äußerst feierliche Kneipe ist ein Kommers, der zu Ehren einer bestimmten Person oder eines Ereignisses abgehalten wird. Der Biercomment, anfangs als Scherz gedacht, regelt den Umgang mit Alkohol, meist Bier, und wie Trinkspiele abzulaufen haben. (vgl. Neumayer 20142 [online])

3 Entstehungsgeschichte

3.1 Entstehung der ersten Verbindungen an europäischen Universitäten

Die ersten Universitäten entstanden in Bologna (1088) und Paris (circa 1200), später folgte Prag (1348), die erste Universität des heiligen römischen Reiches (vgl. Rauter

2014: S. 8-9). 1365 gründete Kaiser Karl IV. die Universität Wien, die als heute älteste deutschsprachige Universität gilt (vgl. Krause 1997: S. 13).

3.1.1 Burse, Nationen und Orden

Studenten reisten von überall her an, um an den neuen Universitäten studieren zu können. Da ein damaliger Student oft weite und gefährliche Strecken bis zu seinem Studienort zurücklegen musste, wurde ihm ein besonderes Privileg zugesprochen. Den Studenten war es erlaubt, eine Waffe mit sich zu führen, um sich verteidigen zu können. Diese reisenden Scholaren schlossen sich der Sicherheit wegen dann an ihrem neuen Studienort, also in der Fremde, zu Schutzbünden zusammen, die man „Nationes“ nannte. Sie kamen meist aus der gleichen Region und sprachen dieselbe Sprache. (vgl. Rauter 2014: S. 8-9)

Natürlich mussten sie irgendwo untergebracht werden. Da es rund um die Universitäten meist an Mietwohnungen mangelte, wurden bald die „Bursen“ gegründet. Eine Burse bestand aus einem Essraum, einem Unterrichtsraum und Schlafräumen für die Scholaren. Wöchentlich wurde ein bestimmter Betrag eingesammelt, der den Scholaren das Leben auf der Burse ermöglichte. Der Begriff Burse leitet sich von dem lateinischen Begriff „Bursa“, was so viel wie Geldbeutel bedeutet, ab. Mit dem Begriff Burse wurde ein Wohnheim bezeichnet, das von einer Gesellschaft bewohnt wurde, die aus demselben Geldbeutel lebte. Einzelne Bewohner wurden als „Bursgesellen“ bezeichnet, alle wurden „Die Bursch“ genannt. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich aus dem „Bursgesellen“ der „Bursch“ und für alle der Begriff „Burschenschaft“. (vgl. Krause 1997: S. 16)

Aus der Burse entstanden später im 15. und 16. Jahrhundert die ersten Landsmannschaften, die ebenfalls eine ähnliche Herkunft, Sprache und Gesinnung teilten. Ihr Zusammenleben unterlag strengen Regeln und einem engen Zusammengehörigkeitsgefühl. Zu dieser Zeit entstanden Sitten und Bräuche, die heute noch ihre Anwendung finden. (vgl. Rauter 2014: S.9)

Die Landsmannschaften verloren im 18. Jahrhundert an Bedeutung und spalteten sich einerseits in die sogenannten Orden und andererseits in die Corps auf. Die Landsmannschaften übernahmen freimaurerische Rituale, aber ohne zur Freimaurerei zu gehören. Aus ihnen gingen die Corps hervor, die wie auch die späteren Burschenschaften viele dieser Rituale übernahmen. Corps bestehen noch heute (vgl. Rauter 2014: S.9). Da diese Orden Studenten ohne Unterschied ihrer Heimat aufnahmen, bildeten sie ein Gegensatzpaar zu den Landsmannschaften, die sehr auf die Herkunft ihrer Studenten achteten. Wegen ihrer Heimlichkeit machten sich die Orden immer wieder verdächtig und wurden schließlich 1793 vom Immerwährenden Reichstag verboten, weswegen sie am Anfang des 19. Jahrhunderts wieder völlig verschwanden. Jedoch findet man immer noch Traditionen, die an die Orden anknüpfen, wie zum Beispiel den Zirkel. Der Zirkel, der aus den verschlungenen Buchstaben V.C.F bestand, bedeutete damals „Vivat circulus fratrum“ (Es lebe der Kreis der Brüder). Die Burschenschaften verwandelten später das C in ein E, um aus den Buchstaben „Ehre, Freiheit, Vaterland“ formen zu können. Weiters schufen die Landsmannschaften den sogenannten Comment. Auf sie geht sowohl der Bier- oder Trinkkomment, als auch der Fechtkomment zurück. Der Fechtkomment sollte den Bierkomment, das meist regel- und maßlose Trinken von Alkohol, durch das Austragen von Streitigkeiten in disziplinäre Bahnen lenken. (vgl. Meyers großes Konversationslexikon 1908: S. 141-142)

3.1.2 Schülerverbindungen und Pennalien

Eine weitere Form studentischen Zusammenlebens etablierte sich ebenfalls im 15. Jahrhundert. Unter den Schülern der Kloster-, Dom- und Stadtschulen entwickelte sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl und Gemeinschaften. Somit ließen auch Schülerverbindungen nicht mehr lange auf sich warten. Ab circa 1625 kann man in Schlesien Schülervereinigungen nachweisen. Das Zusammenleben dieser SchOierverbindungen ahnelte sehr dem akademischen, so tranken oder duellierten auch sie sich haufig. Nach der GrOndung der Urburschenschaft 1815 und dem Wartburgfest 1817 kamen auch so genannte ,Pennalien" zum Vorschein. Jene konnte man auch als burschenschaftliche SchOierverbindungen bezeichnen, da sie der burschenschaftlichen ldeologie folgten. SchOierverbindungen oder Pennalien bestehen bis heute, in Deutschland ist ihre Popularitat eher gering, in Osterreich ist der Zulauf jedoch sehr gro. (vgl. Amt der NO Landesregierung 1992: 5.122-124)

3.2 Jenaer Urburschenschaft

Jene Gruppe von Studenten, die an den Befreiungskriegen teilnahm, bildete zunachst 1815 in Jena und spater 1817 am Wartburgfest eine neue Form studentischer Organisation, die sogenannte Burschenschaft (vgl. Meyers gro es Konversationslexikon 1908: S. 141-142). Nach der Franzosischen Revolution 1789 wurde vor allem in Deutschland, das in viele Kleinstaaten, die von Napoleons Truppen besetzt waren, zerteilt war, der Wunsch nach einer nationalen Einheit gro(vgl. Neumayer 20141 [online]). So versammelten sich am 12. Juni 1815 Verbindungsstudenten der alten Landsmannschaften, die einiger Corpsverbindungen und sogar nicht korporierte Studenten auf dem Jenaer Hauptplatz und marschierten zusammen zum Gasthaus ,Zur Tanne". Hier grOndeten sie die sogenannte Urburschenschaft. Nach der Ansprache eines Korpsmitglieds wurde die Verfassungsurkunde verlesen und von allen Mitgliedern unterzeichnet (vgl. Grimm/Besser-Walzel 1986: S. 41). Es fanden sich also folglich sowohlliberal - demokratische ldeen- jeder wird gleich behandelt ganz egaI woher er kommt, es wird demokratisch gewahlt- als auch nationalistische ldeen: so wurde das gemeinsame Vaterland zelebriert (vgl. Neumayer 20141 [online]). Das Siegel zeigt

zwei von Eichenlaub umrankte gekreuzte Klingen mit den lnitialen E. F. V. (Ehre, Freiheit, Vaterland), J. B. (Jenaer Burschenschaft),12. 6. 1815 (Stiftungstag), /X-XX/-113 {9 Vorsteher, 21 Ausschuflmitglieder und 113 Grilndungsmitglieder). (Grimm/Besser-Wa/ze/1986: 5. 41}

Abbildung 2: Siegel der Jenaer Urburschenschaft

Abbildung aus urheberrechtlichen Grunden nicht im Lieferumfang enthalten

Quelle : Krause 1997: 5.83

Die Studenten wahlten die Farben Schwarz und Rot als ihre Verbindungsfarben aus, die spater, namlich 1848 in der Revolution zum Symbol fUr Demokratie wurden und 1919 zusammen mit Gold sogar die deutschen Nationalfarben bildeten. (vgl. Neumayer 20141 [online]) lhres nationalen Gedankenguts wegen wurden die Burschenschaften von der deutschen Regierung als staatsgefahrlich angesehen und somit streng verfolgt. Parallel dazu genossen die Corps ein hoheres Ansehen bei der Regierung, da jene die Beschaftigung mit Politik grundsatzlich ausschlossen. Au erdem erlangten sie immer mehr Prestige in hoheren Gesellschaftsklassen und sogar Zustrom von jenen (vgl. Meyers gro es Konversationslexikon 1908: s. 141-142).

Abbildung 3: Fahne, Schwert, Verfassungsurkunde mit Stammbuch der Jenaer Urburschenschaft

Abbildung aus urheberrechtlichen Grunden nicht im Lieferumfang enthalten

Quelle : Amt der NO Landesregierung 1992: 5.218

3.3 Wartburgfest

Abbildung 4: Aufbruch nach Eisenach

Abbildung aus urheberrechtlichen Gründen nicht im Lieferumfang enthalten

Quelle: Amt der NÖ Landesregierung 1992: S.43

Schon zu Pfingsten 1817 fanden sich einige Burschenschafter ein, um eine Versammlung auf der Wartburg in Eisenach einzuberufen. Sie wählten die Wartburg als Ort des Geschehens aus, da diese eine hohe geschichtliche Wichtigkeit besaß. So war sie zum Beispiel von 1521 bis 1522 Asyl für Martin Luther. Mehr als 500 Burschen, circa ein Fünftel der damals Studierenden, fanden sich in Eisenach ein. Am 18. Oktober 1817 begann dann das Wartburgfest am Eisenacher Marktplatz. Zunächst traf man sich um acht Uhr früh, um sich mit gesammeltem Eichenlaub, dem Zeichen der Jenaer Urburschenschaft, zu schmücken, bevor man um zehn Uhr in der Wartburg eintraf. Im Rittersaal wurde eine Feierstunde zelebriert, in der zahlreiche Burschenschafter Reden hielten und man gemeinsam das Vaterland feierte. Um sechs Uhr abends versammelte man sich erneut, um gemeinschaftlich in einem Fackelzug auf den Wartberg zu ziehen. Oben angekommen stellte man sich um ein riesiges Feuer, bevor der Dichter Ludwig Rödiger eine Rede hielt, die später sogar gedruckt wurde:

(. .. ) N u r e i nes ha t das Deu t sche Vo l k ge w onnen , d i e K r a ft des Se l bs t ve rtr auens . W e r b l u t en da rf

f ü r s Va t e rl and , de r da rf auch davon r eden , w i e e r i h m a m bes t en d i ene i m F ri eden . De r G e i s t de r Tugend und de r Schönhe it w ill e i n Va t e rl and haben , w ir haben ke i n s; e r kann nu r daue r nd un t e r e i ne m e i n i gen und s t a r ken B r ude r vo l ke w ohnen : und noch si nd w ir s ch m ä h lic h ge tr enn t und ze rri ssen . (...) Das deu t sche Vo l k und vo r a llem die deutsche Jugend ist sich im Abwehrkampf gegen Napoleon ihrer nationalen Identität bewußt geworden. (...) Vergessen wir nie, daß alle Wissenschaft dem Vaterland dienen soll und dem Leben der Menschheit. (Grimm/ Besser-Walzel 1986: S. 51)

Mit seiner Rede stieß Rödiger nicht nur bei der Jugend, sondern später auch bei Johann Wolfgang von Goethe auf großen Beifall. Damit war der offizielle Teil des Wartburgfestes beendet. Bloß eine kleine Gruppe von etwa 30 Burschenschaftern und Turnern blieb zurück, um ein Zeichen gegen die feudal - absolutistische Regierung zu setzen. Aus antideutschen und antiburschenschaftlichen Büchern und Zeitschriften wurden Seiten gerissen, deren Titel man zunächst verlas, um sie danach mit Hilfe einer Mistgabel im Feuer zu verbrennen. Darunter befand sich zum Beispiel auch Literatur von August von Kotzebue. Der Anführer der Partie Hans Ferdinand Massmann erklärte die Tat später in einer Rede:

W ir w o llt en ve r b r ennen und haben ve r b r ann t... d i e G r undsä t ze und Irrl eh r en de r Zwingherrschaft, Knechtschaft, Unfreiheit und Ungerechtigkeit, Unmännlichkeit und Unjugendlichkeit, der Geheimkrämerei und Blindschleicherei, des Kastengeistes und der Drillerei; die Machtwerke des Schergen-, Hof-, Zopf-, Schnür- und Perückenteufels, der Unschönheit und Untugend- alle –Schmach des Lebens und des Vaterlandes. Die Parole lautete: ‚ W i de r Zop f und Ph ili st e r e i ! ’ (Gr i mm / Besse r- W a l ze l 1986: S . 5 6)

Parallel zu diesem Ereignis fanden sich in einem Gasthaus in Eisenach 50 - 60 Studenten zusammen, die mit dem Gedanken spielten, ein Programm für die Allgemeine Deutsche Burschenschaft zu erarbeiten. Also berief man am folgenden Tag eine nicht vorgesehene Versammlung ein, deren Zweck die Vereinigung aller deutscher Studenten war. Mit dem Wartburgfest setzte die Burschenschaft zum ersten Mal ein aktives Zeichen gegen die Regierung und für ein deutsches Vaterland. (vgl. Grimm/Besser-Walzel 1986: S. 43 -57)

3.4 Karlsbadener Beschlüsse

Auslöser für immer mehr aufkommendes republikanisches Gedankengut innerhalb der Burschenschaften waren zwei politische Attentate. Zuvor spaltete die Frage „liberal oder radikal“ die Bevölkerung. Die liberal Denkenden sahen ihre Ziele in der Verwirklichung einer bürgerlich - freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung, in freier Marktwirtschaft und in Gedanken-, Gewissens- und Pressefreiheit. Wohingegen die „Radikalen“ sich das Volk im Mittelpunkt wünschten und eine Lösung der sozialen Frage anstrebten. Ihre größte Intention lag darin, eine freie Republik und ein freies geeintes Deutschland zu erlangen. Zu ihnen zählten zum Beispiel die „Gießener Schwarzen“, eine nicht farbtragende Verbindung unter der Leitung von Karl Follen. Durch seine progressiven Schriften beeinflusste er einen jungen Theologiestudenten namens Karl Ludwig Sand und löste in Sand den maßgeblichen Anstoß zur Ermordung des antideutschen und antiburschenschaftlichen Dichters August von Kotzebue aus (vgl. Grimm/Besser-Walzel 1986: S. 63 -71). Überzeugt davon, der Heimat einen Dienst zu erweisen, erstach Sand Kotzebue am 23. März 1819. Kurz danach versuchte er sich selbst zu richten, ohne Erfolg. Sand wurde am 20. Mai 1820 hingerichtet. (vgl. Amt der NÖ Landesregierung 1992: S. 46)

Dieses Attentat ebnete den Weg für Fürst Metternich, ein allgemeines Verbot für alle Verbindungen einzuführen. Mit den Karlsbadener Beschlüssen vom 20. September 1819 wurden alle Verbindungen verboten und Mitglieder, die im Geheimen beigetreten oder nicht ausgetreten waren, durften laut den Beschlüssen nicht in öffentlichen Ämtern arbeiten. Daraufhin legte am 26. November 1819 die Jenaer Urburschenschaft ihre Auflösung fest. (vgl. Amt der NÖ Landesregierung 1992: S. 46-47)

Dies währte jedoch nicht lange, 1827 wurde die Allgemeine Deutsche Burschenschaft von einigen Burschenschaftern im Geheimen wieder neu gegründet. Nun folgte innerhalb der Burschenschaft jedoch ein ideologischer Streit. Die „Arminen“ wollten ohne Gewalt einen geeinten Staat herbeiführen - waren also „christlich- deutsch“, die Opposition, die „Germanen“ wurden von einem republikanischen Charakter geprägt und waren außerdem nicht abgeneigt Gewalt anzuwenden. So ist es auch nicht verwunderlich, dass eben diese Germanen am 3. April 1833 versuchten die Kasse des Deutschen Bundes zu rauben, um die bald aufkommende Revolution finanzieren zu können. 40 Mann stürmten erfolglos die Hauptwache der Frankfurter Polizei. Bilanz des „Frankfurter Wachensturms“ waren neun Tote, 24 Verwundete und noch gezieltere Verfolgung von Studenten. Aufgrund dessen flohen viele Burschenschafter ins Ausland und blieben teilweise für immer im Exil.(vgl. Amt der NÖ Landesregierung 1992: S.49-50)

[...]

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Detalles

Título
Schlagende und nichtschlagende Studentenverbindungen in Niederösterreich nach 1945 im Vergleich
Curso
Vorwissenschaftliche Arbeit im Rahmen der Reifeprüfung (Matura)
Calificación
1,0
Autor
Año
2019
Páginas
49
No. de catálogo
V475170
ISBN (Ebook)
9783668959866
Idioma
Alemán
Notas
Vorwissenschaftliche Arbeit im Rahmen der Reifeprüfung (Matura) Einige Abbildungen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht im Lieferumfang enthalten!
Palabras clave
Korporierte, Studentenverbindung, Mädelschaft, Damenverbindung, Jenaer Urburschenschaft, Einfluss auf Parteien, ÖVP, FPÖ, Schlagend, Mensur, Nichtschlagend, MKV, CV, Interviews, Burschenschaft
Citar trabajo
Sarah Eichinger (Autor), 2019, Schlagende und nichtschlagende Studentenverbindungen in Niederösterreich nach 1945 im Vergleich, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/475170

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