Welche Rolle spielt der Umgang mit Gleichaltrigen bei der Sozialisation in der frühen Kindheit?


Essai, 2018

13 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Sozialisation unter Gleichaltrigen/ Peers
1.1. Aktueller Forschungsstand der Thematik
1.1. Definition – Sozialisation
1.2. Definition – Gleichaltrige und Peers
1.3. Bedeutung Gleichaltriger für die Sozialisation in der frühen Kindheit
1.3.1. Kommunikations-, Spiel- und Lernprozesse in asymmetrischen Beziehungen
1.3.2. Kommunikations-, Spiel- und Lernprozesse in symmetrischen Beziehungen

2. Sozialisation unter Gleichaltrigen in der frühen Kindheit
2.1. Sozialisation unter Gleichaltrigen in der Altersgruppe „Säugling und Kleinkind“
2.2. Sozialisation unter Gleichaltrigen in der Altersklasse „Kind“

3. Freundschaft als besondere Form der Gleichaltrigenbeziehung in der frühen Kindheit
3.1. Gruppenkompetenz in der frühen Kindheit
3.2. „Freundschaft“ – Begriffserklärung
3.3. Freundschaftsbildung

4. Unterstützung von Gleichaltrigenbeziehungen durch pädagogische (Fach)Kräfte

5. Literaturverzeichnis

1. Sozialisation unter Gleichaltrigen/ Peers

„Maxi (19 Monate) und Julia (20 Monate) stehen am Holzgitter, das den hervorstehenden Heizkörper umrandet. Beide Kinder schauen sich kurz an und beginnen wie auf Kommando an dem Gitter zu wackeln und lauthals zu lachen und zu hüpfen. (…) Aus den Augenwinkeln heraus blicken sie zur Erzieherin. Die nimmt den Blickkontakt auf, sie stellt sich ‚böse‘ und sagt übertrieben betont: ‚Aber Kinder, ihr sollt doch nicht immer am Gitter wackeln!‘ Die beiden Kinder juchzen, laufen lachend weg und lassen sich auf die Matratze plumpsen.“ (Wüstenberg & Schneider, 2010, S. 75)

Diese kurze sequenzielle Beschreibung einer Situation in einer Kindertageseinrichtung zeigt beidseitige Freude über das gemeinsame „Quatsch machen“, das gemeinsame Spiel, und dass die beiden Kinder die eigentlich geltenden Regeln genau verstanden haben und offen spielerisch damit umgehen können. Es wird außerdem deutlich, dass eine nonverbale Kommunikation stattgefunden hat, eine Verständigung über den gemeinsamen „Spielablauf“ und so eine gemeinsame Handlung entsteht. Ähnliche Situationen, in welchen Kinder miteinander gemeinsame Interaktion herstellen, treten im Alltag von Kindertageseinrichtungen sehr häufig auf, was bei gemeinsamer Betreuung von Kindern in einer Kindergruppe nur logisch erscheint. Vergleicht man diese, unter Kindern hergestellte, gemeinsamen Spiel- bzw. Interaktionsmomente, lassen sich schnell große Unterschiede bezüglich des Ausmaßes der beidseitigen Freude, den gemeinsamen Tätigkeiten, sowie der Übereinstimmung der Interessen der Beteiligten feststellen, was wiederum aufzeigt, dass bei Interessensgegensätzen Konflikte entstehen können und deren Lösung von kommunikativen, kognitiven und besonders sozialen Fähigkeiten der beteiligten Kinder abhängig ist.

Im Rahmen der folgenden Arbeit wird nun aufgezeigt, inwieweit diese Thematik in den letzten Jahren Forschungsfrage war bzw. ist und welche Bedeutung Gleichaltrige für die Entwicklung genau dieser Fähigkeiten haben, sprich welche Rolle sie für die Sozialisation eines Kindes spielen. Hierzu werden zunächst die grundlegenden Begriffe „Sozialisation“ und „Gleichaltrige“ bzw. „Peers“ definiert und die sich vollziehende Interaktions- bzw. Spielentwicklung des Kindes mit Gleichaltrigen und die sich dort entwickelnden „Sozialisationskompetenzen“ in der frühen Kindheit aufgezeigt, sowie die „Freundschaft“ als eine qualitativ herausstechende Beziehung zwischen zwei Kindern definiert. Den Abschluss dieser Arbeit bilden Grundsätze des pädagogischen Handelns, welche Fachkräfte in ihr Handeln integrieren sollten, um Kinder in ihrer Beziehungsgestaltung zu anderen Kindern und somit in ihrer Sozialisation zu unterstützen.

1.1. Aktueller Forschungsstand der Thematik

Geht man der Fragestellung nach, inwieweit Gleichaltrige eine Rolle für den kindlichen Sozialisationsprozess spielen und das Individuum Sozialität und empathisches Verhalten entwickelt, so lässt sich feststellen, dass dies erst in jüngster Vergangenheit wieder in den Fokus der forschenden Wissenschaften gerückt und das Ergebnis einer allgemeinen Rückbesinnung der Pädagogik auf das kleine Kind mit seinen psychologischen und soziologischen Prädispositionen und Entwicklungsmöglichkeiten ist. (Hammes- Di Bernardo & Speck- Hamdan, 2010, S. 9). „Die Sozialwelt der gleichaltrigen Kinder hat als Thema der Entwicklungspsychologie und der Sozialisationsforschung in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.“ (Krappmann, 1998, S. 356). Die Hochkonjunktur deutscher Gleichaltrigenstudien lässt sich in den 1980er Jahren ansetzen (Reinders, 2015, S. 393), davor stand besonders die Kind- Familie- Beziehung und die Rolle des Erwachsenen als „soziales Gegenüber“ (Hammes- Di Bernardo & Speck- Hamdan, 2010, S. 9) bzw. die älteren Kinder und Jugendliche und deren Beziehungen zu Gleichaltrigen und die sich dabei vollziehenden Gruppenprozesse im Vordergrund (Brandes, 2010, S. 16).

Inzwischen werden Peerbeziehungen und Gleichaltrigengruppen auch für Klein- und Vorschulkinder als wichtige Entwicklungsressource gesehen (ebd.) und der besondere Wert sozialer Erfahrungen wird für die gesamte kindliche Entwicklung, besonders die Abhängigkeit körperlicher, geistiger und gefühlsmäßiger Entwicklung von sozialen Beziehungen, viel höher eingeschätzt (Kobelt Neuhaus, 2010, S. 48).

1.1. Definition – Sozialisation

Der Marburger Psychologe Detlef H. Rost definiert Sozialisation in seinem Handwörterbuch Pädagogische Psychologie als den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Auseinandersetzung mit der sozialen und materiellen Umwelt („äußere Realität“) und den natürlichen Anlagen und der körperlichen und psychischen Konstitution („innere Realität“) (Rost, 2001, S. 669). Diese Auseinandersetzung greift auch Philip Zimbardo auf, hebt dabei jedoch gleichzeitig die „entsprechenden Maßstäbe einer bestimmten Gesellschaft“ hervor und verdeutlicht die gesellschaftliche und kulturelle Prägung individueller Verhaltensmuster, Werte, Maßstäbe, Fähigkeiten und Motive (Zimbardo, 1995, S. 80).

Folgend wird im Rahmen dieser Arbeit die „äußere Realität“, darin inbegriffen die soziale Umwelt fokussiert, die bei Kindern maßgeblich von anderen Kindern, im hohen Anteil von Gleichaltrigen bzw. Peers, repräsentiert und beeinflusst wird.

1.2. Definition – Gleichaltrige und Peers

Unter „Gleichaltrigen“ wird allgemein ein Kreis von Personen bezeichnet, die gleiches oder ähnliches Alter wie die betrachtete Person haben. Die Sozialisationsforschung präzisiert diese Bezeichnung, angelehnt an Bronfenbrenner, auf die Personengruppe, mit der ein Individuum faktisch oder sehr wahrscheinlich direkten sozialen Kontakt hat oder ihm dieser möglich wäre (Reinders, 2015, S. 396).

Eine einfache Übersetzung der „Gleichaltrigengruppe“ mit dem Begriff „Peergroup“ ist nicht ausreichend, um die ganze Bandbreite an Bedingungen und Prozessen zu umschreiben, die Kinder mit Kindern suchen und erleben (Hammes- Di Bernardo & Speck- Hamdan, 2010, S. 8), denn „Peer“ meint zunächst nur eine Person, die Ähnlichkeit mit einer anderen bezüglich des (sozialen) Status, der Wertvorstellungen oder den Aktivitäten aufweist (Hartup, 2005, S. 387ff.). Somit sind dies nicht zwingend „Gleichaltrige“, auch wenn dieser Umstand mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Vielmehr steht die entwicklungspsychologische Ähnlichkeit, dementsprechend die Vergleichbarkeit des Entwicklungsstandes, der Interessen, des Geschlechts und des sozialen Status im Vordergrund. „Ein Peer ist der als Interaktionspartner akzeptierte Gleichaltrige, mit dem das Kind sich in Anerkennung der jeweiligen Interessen prinzipiell zu einigen bereit ist.“ (Krappmann, 1998, S. 364) Diese Definition beschreibt deutlich die qualitative Erweiterung des „Gleichaltrigen“- Begriffs und die damit einhergehende Bereitschaft die eigenen Handlungsabsichten gleichsinnig und übereinstimmend mit dem Peer auszuhandeln. Auf Dominanz und Konfliktauslösung soll dabei nach Möglichkeit verzichtet werden (Krappmann, 1998, S. 355ff.).

Im Rahmen dieser Arbeit werden die Begriffe „Gleichaltrige“ und „Peers“, aufgrund der auch im Alltagsjargon sinngemäß gleichbedeutenden Verwendung, gleichgesetzt und sie implizieren in diesem Rahmen somit beide, neben der strukturellen Beschreibung einer Sozialbeziehung, die eben aufgeführten qualitativen Elemente, die die Abgrenzung dieser Beziehung von anderen Sozialformen verdeutlicht (Reinders, 2015, S. 396).

1.3. Bedeutung Gleichaltriger für die Sozialisation in der frühen Kindheit

„Der Spielkamerad (…) ist sowohl dem Ich des Kindes ähnlich als auch davon verschieden. Er ist ihm ähnlich, weil er gleich ist im Können oder Wissen; ganz verschieden aber, gerade weil er auf demselben Niveau steht und nicht wie ein überlegener Erwachsener in das Innere der Wünsche oder in die Perspektive des eigenen Denkens eindringt.“ (Piaget, 1972, S. 72)

Diese Definition eines „Spielkameraden“, die man aufgrund der sinngemäßen inhaltlichen Ähnlichkeit auch auf einen „Gleichaltrigen“ anwenden kann, zeigt augenfällig die unterschiedlichen Grundstrukturen der Kommunikation bei der Kind- Kind- Interaktion einerseits und der Eltern- Kind- Interaktion andererseits. Während sich erstere durch einen gemeinsamen, wechselseitigen Aushandlungsprozess auszeichnet, man deshalb auch von einer „symmetrisch- reziproken Beziehung“ zwischen Gleichaltrigen spricht, ist die „asymmetrische Beziehung“ zwischen Erwachsenen und Kindern viel eher ein „angeleitetes Lernen“ (Kobelt Neuhaus, 2010, S. 53). Die Besonderheiten der Kommunikations-, Spiel- und Lernprozesse in diesen (a)symmetrischen Partnerschaften und deren Bedeutung für die Sozialisation von Kindern werden folgend näher beleuchtet.

1.3.1. Kommunikations-, Spiel- und Lernprozesse in asymmetrischen Beziehungen

Diese Form von Interaktion ist gegeben, wenn die kompetentere Person dieser Beziehung dem „Zu- Lernenden“ Anleitung oder Hilfestellung gibt, die Führung oder Anleitung oder die Strukturierung der gemeinsamen Tätigkeit übernimmt (ebd.). Das Kind hat in dieser Form von Beziehung somit nur die Möglichkeit die vom Erwachsenen angebotene Rolle einzunehmen bzw. zu tun was von ihm verlangt wird oder sich zu verweigern. Die Elemente dieser Beziehung sind nicht wechselseitig und Wissen wird vom Kind erworben, indem es ihm gereichte Lernangebote, die von den Erwachsenen im besten Fall entwicklungsangemessen sind, nutzt und die resultierenden Erfahrungen in sein Denken, Handeln und Fühlen integriert (ebd.). Piaget betont jedoch, dass die Autorität des Erwachsenen zur Bildung des Gerechtigkeitssinnes nicht ausreicht und sich dieser nur im Maße der Fortschritte der Zusammenarbeit unter Kindern und mit der Entstehung der gegenseitigen Achtung unter ihnen entwickelt (Piaget, 1986, S. 377f.).

1.3.2. Kommunikations-, Spiel- und Lernprozesse in symmetrischen Beziehungen

Symmetrische Beziehungen kennzeichnen sich durch ein gemeinsames Beschäftigen der Kinder mit- und einen wechselseitigen Bezug aufeinander (ebd.). Die Gleichaltrigengruppe bietet genau diese Art von Interaktion und macht die Erfahrung einer „nicht hierarchischen“, prinzipiell gleichberechtigten Beziehung ohne Wissens-, Macht- und Erfahrungsvorteilen der Beteiligten möglich (ebd.). Kinder erlangen in Form der konsensuellen Verständigung Wissen, Gedanken und Gefühle im Umgang mit anderen, indem sie mit dem Partner auf Basis der Gleichwertigkeit kommunizieren und kooperieren (Krappmann & Oswald, 1995, S. 21), und interpretieren so eine „gemeinsame Wirklichkeit“ (Kobelt Neuhaus, 2010, S. 53), einen „dritten Standpunkt“, in den vorgängige Vorstellungen der einzelnen Partner zwar eingehen, der aber letztendlich ein qualitativ neues und wirklich gemeinsames Konstruktionsprodukt darstellt. Explorationsmethoden, Interpretationen und auch Inhalte unterscheiden sich grundlegend von dem durch „kompetentere“ Partner vermittelten Wissen. Kinder in symmetrischen Beziehungen kommunizieren hierfür oft in Dialogform, einem spiralförmigen Vor- und Gegenvorschlagen, bei welchem sie sich wechselseitig aufeinander beziehen (ebd.). Kinder lernen somit in besonderer Weise voneinander und leisten einen wesentlichen Eigenbeitrag zu ihrer Entwicklung. Sie erfahren Selbstbestätigung: „Es gibt Kinder wie ich, sie sprechen meine Sprache und spielen wie ich.“ (Wüstenberg, 2006)

2. Sozialisation unter Gleichaltrigen in der frühen Kindheit

Peer-Groups spielen eine wichtige Rolle beim Knüpfen von Kontakten und Erfahren neuer Verhaltensmuster. Aufgrund der zunehmenden Fremdbetreuung in der frühen Kindheit werden Kinder heute mehr denn je gefordert sich in eine Gruppe einzufügen, Gemeinsamkeiten zu entdecken, daraus resultierend Beziehungen und Freundschaften zu entwickeln, aber auch Unterschiede wahrzunehmen und mit der Konfrontation anderer Sichtweisen und Standpunkte zurechtzukommen: „Die Ausformung sozialen Handelns kann nur durch Üben im sozialen Kontext entstehen, das heißt durch das Zusammenleben und vor allem das niedrigschwellige Erproben von sozialen Verhaltensweisen auf der Peerebene.“ (Kobelt Neuhaus, 2010, S. 45) Wie schon in der Definition der „Sozialisation“ beschrieben, steckt die Leistung des Kindes dabei darin, seine individuelle Entwicklung in Auseinandersetzung mit dieser sozialen (und äußeren) Umwelt, hier der jeweiligen (gleichaltrigen) Kindergruppe, zu vollziehen. Es liegt dabei auf der Hand, dass die in diesem Rahmen entstehenden Verhaltensmuster, Werte, Fähigkeiten und Motive von dieser Gruppe beeinflusst werden. Schlussfolgernd wird deutlich, dass die Sozialisationsentwicklung von Kindern unter Gleichaltrigen nur „in Aktion“ beobachtet werden kann, meint eine Beobachtung ihrer gemeinsamen Aktivität und Interaktion und somit ihres gemeinsamen Spiels. Auch Strätz verweist darauf, indem er feststellt, „dass die Kontakte kleiner Kinder sich fast ausschließlich im gemeinsamen Tun und im gemeinsamen Spiel ausformen. Vieles wirkt handfest und weniger kopflastig.“ (Strätz, 1992, S. 72) Spiel ist das Hauptmedium kindlicher Gruppeninteraktionen und ohne Spiel gibt es keine von Kindern eigenständig gebildeten Gruppen (Brandes, 2010, S. 88ff.).

Um die Komplexität und Fülle sowohl der „Spielentwicklung“, als auch der dafür notwendigen „Sozial- und Interaktionsentwicklung“, und besonders deren Zusammenhang untereinander, in der frühen Kindheit chronologisch evident aufzuzeigen, wird folgend ein Überblick über die Interaktions-, Spiel- und Kommunikationsformen in dieser Altersstufe gegeben.

2.1. Sozialisation unter Gleichaltrigen in der Altersgruppe „Säugling und Kleinkind“

Kobelt- Neuhaus zählt zu den allgemein typischen Verständigungsformen von Kleinkindern das Hinwenden, Zugehen, Anlächeln, Blicke und Mimik, sowie die Bewegung, Nähe, Distanz, Berührung und auch das Austauschen von Lauten und die Imitation (Kobelt Neuhaus, 2010, S. 49). Es wird dabei deutlich, dass sowohl kommunikative, als auch motorische und taktile Formen der Kontaktaufnahme zum Zweck der Interaktion genutzt werden. Weiterhin betont Kobelt- Neuhaus, dass Kinder schon im ersten Lebenshalbjahr gezielt Kontakt zu anderen Babys suchen, sie berühren und auf eine Reaktion warten (ebd.). Auch Hay bekräftigt, dass Kinder in diesem Alter ihre Initiativen zur Kontaktaufnahme fein aufeinander abstimmen (Hay, 1983, S. 561). Kinder setzen hierzu Nachahmung zur Verständigung ein, dabei ahmen sie größtenteils die mütterliche und väterliche Mimik nach, und sind selbst im sogenannten „Fremdelalter“ neugierig gegenüber Gleichaltrigen (Kobelt Neuhaus, 2010, S. 47). Sie sind somit bereits in diesem Alter fähig sequenziell- reziprok in Interaktion zu treten (Reinders, 2015) und ein „geteiltes Verständnis“ wechselseitiger Aktivitäten auf vorsprachlichem Niveau zu entwickeln (Brandes, 2010, S. 17). Diese Furchtlosigkeit wird auch in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres deutlich, in welcher die Kinder vor allem Gegenstände nutzen, um Kontakt zu anderen Kindern aufzunehmen (ebd.). Diese Objektzentrierung nimmt bis zum Alter von etwa drei Jahren wieder sukzessive ab (Reinders, 2015, S. 399).

Weiterhin ist aufzuführen, dass sich in diesem Alter die Möglichkeiten der Verständigung und damit auch des gemeinsamen Spiels enorm erweitern (Wüstenberg & Schneider, 2010, S. 70). Während manche Entwicklungspsychologen sich klar darauf berufen, dass sich Kinder in diesem Alter zwar füreinander interessieren, jedoch nicht in der Lage sind über das Parallelspiel hinaus miteinander zu spielen, da ihnen die erforderliche Abstimmung der gegenseitigen Aktivitäten fehlen (Keller & Lohaus, 2005, S. 187), betonen andere die einzigartige, hochentwickelte Strategie dieser Spielform, für welche keine mangelnde Abstimmung der Aktivitäten, sprich die mangelnde Gruppenreife, sondern der Vorteil des so möglichen sukzessiven Kennenlernens der Situation verantwortlich ist. So gewinnt das Kind bspw. Informationen über Objekte, indem es das Verhalten anderer Kinder beobachtet (Kobelt Neuhaus, 2010, S. 50). Forscher/innen, die sich der Qualitätsentwicklung von Beziehungen unter Gleichaltrigen gewidmet haben, unterstützen diese entwicklungsfördernden Aspekte des „Parallelspiels“, da ihre Ergebnisse zeigen, dass das „Nebeneinander-her-spielen“ häufig zu Nachahmung führt und sich in der Regel hieraus ein gemeinsames Spiel entwickelt, bei welchem die Kinder abwechselnd neue Varianten einbringen und zusammen ausführen (Wüstenberg, 1992, S. 249ff.). Dies spiegelt das Parallelspiel als Ausgangspunkt für Weiterentwicklung wider, an welchem die Kinder selbstbestimmt im Kooperation treten können, aber auch wieder in das ursprüngliche, „alleinige“ Spiel zurückkehren können. Diese gleichrangige Kooperation ermöglicht es auch Spiele auszuhandeln, somit den „gleichen“ Einfluss zu haben und beweist, dass Kompetenz- und Machtverhältnis zwischen den an diesem Spiel beteiligten Kindern ungefähr ausgeglichen ist, sie sich wechselseitig aufeinander beziehen (Kobelt Neuhaus, 2010, S. 51). Die Haltung des einen Kindes bedingt die Reaktion des anderen, dieser Prozess ermöglicht es eigene Wünsche und Ideen einzubringen und diese zu vertreten, die Sprache des anderen zu entziffern, die Sichtweise zu erkennen und mit der eigenen zu vergleichen (ebd.).

Mit Beginn des zweiten Lebensjahres führt Kobelt Neuhaus die Entwicklung und das Auftreten des „Symbolspiels“ auf, in welchem sich ihrer Meinung nach vorrangig Episoden und Rollen aus der Familie oder aus der unmittelbaren Umgebung des Kindes widerspiegeln und welches sich in Stufen entwickelt (Kobelt Neuhaus, 2010, S. 54). Die zunächst „einfachen“ „Als- ob- Spiele“ treten im Alter von etwa 12 bis 14 Monaten auf und lassen sich daran erkennen, dass das Kind einen Gegenstand zweckentfremdet (der Bauklotz wird als Telefon benutzt) oder eine Bezugsperson in ihrem Verhalten oder der Mimik und Gestik mimt (ebd., 54). Ein halbes Jahr später sind die Kinder dazu in der Lage erste imaginäre Spiele zu schaffen (zwei Kinder schütten sich gegenseitig etwas ein und leeren die Gläser) und sie bemerken, dass es unter den anderen Kindern „ähnliche Andere“, aber auch „unähnliche“ gibt und die eigene „garantierte Weltsicht“ im Zusammensein mit Gleichaltrigen zunächst bedroht scheint (ebd., 51). Dieser Aspekt spielt auch im sprachlich und inhaltlich hoch entwickelten „Rollenspiel“ eine große Rolle, welches vermehrt bei zwei- und dreijährigen Kindern zu beobachten ist, da sie sich in dieser auch als „Mutter- Vater- Kind- Spiel“ bekannten Spielform Verhaltensmuster bedienen, die sie in ersten Beziehungen zu ihren Hauptbezugspersonen bereits erlebt und erprobt haben (ebd., 52ff.). Das Fantasiespiel ist in den ersten beiden Lebensjahren somit noch stark konkret ausgerichtet, das Ausmaß an Abstraktion und Orientierung an Gegebenheiten oder Objekten, die erinnert werden, wird jedoch mit fortschreitendem Alter größer (Reinders, 2015, S. 399). Ausführlicher wird diese Form des Zusammenspiels mit Gleichaltrigen im nächsten Kapitel, in der Altersgruppe „Kind“ behandelt, da sie sich hier voll entfaltet.

[...]

Fin de l'extrait de 13 pages

Résumé des informations

Titre
Welche Rolle spielt der Umgang mit Gleichaltrigen bei der Sozialisation in der frühen Kindheit?
Université
Catholic University of Applied Sciences München
Note
1,0
Auteur
Année
2018
Pages
13
N° de catalogue
V475195
ISBN (ebook)
9783668961944
ISBN (Livre)
9783668961951
Langue
allemand
Mots clés
Sozialisation, Gleichaltrige, Soziale Entwicklung, Freundschaft, Peers
Citation du texte
Melanie Furthmair (Auteur), 2018, Welche Rolle spielt der Umgang mit Gleichaltrigen bei der Sozialisation in der frühen Kindheit?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/475195

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