Die Worterkennung und der Zugriff auf das Lexikon als Ebenen des Leseprozesses


Seminar Paper, 2013

13 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Das mentale Lexikon im Fremdsprachenerwerb
2.1.Begriffserklärung
2.2. Mentale Lexikoneinträge
2.3. Organisation des lexikalischen Zugriffs beim Leseprozess
2.4. Besonderheiten der Worterkennung beim Lesen in der Fremdsprache

3. Die Worterkennung als Grund für Leseschwierigkeiten

4. Auswirkungen für DaF: Unterrichtsaktivitäten zur Überwindung der Leseprobleme

5. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wie wird beim Lesen ein Wort erkannt und auf das mentale Lexikon zugegriffen? Wie ist der lexikalische Zugriff organisiert und warum entstehen dabei Leseschwierigkeiten? Seit Jahren sind das bedeutende Fragen der Psycholinguistik und Fremdsprachendidaktik und bleiben bis heute relevant. Der Leseprozess ist komplex und wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Auch in der kognitiven Psychologie wurden dazu Experimente durchgeführt, um den Spracherwerb beim Lesen genauer untersuchen zu können. Es wird erforscht, wie die Worterkennung bei L2-Lesern funktioniert und welche Besonderheiten dabei auftreten. Es ist gewiss, dass das mentale Lexikon eine entscheidende Rolle beim Leseverstehen spielt. Aber wodurch werden darin bestimmte Informationen gespeichert und wie kann das die Lesekompetenz bei L2-Lernern aufbessern? Der Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist es, diese Fragen zu beantworten und einen Zusammenhang zwischen den theoretischen Grundlagen des lexikalischen Zugriffs und der Worterkennung und deren Umsetzung in die Praxis herzustellen.

Zu Beginn der vorliegenden Arbeit wird das mentale Lexikon als Ebene des Leseprozesses dargestellt. Dabei wird zuerst der Begriff des Lexikons präsentiert. Der Definition folgt die Erläuterung mentaler Lexikoneinträge. Besonders viel Aufmerksamkeit wird der Organisation und den Besonderheiten des lexikalischen Zugriffes gewidmet.

Im Anschluss daran wird der Prozess der Worterkennung im Fremdsprachenunterricht untersucht. Es folgt dabei ein Überblick über mögliche Leseschwierigkeiten in der L2. Des Weiteren wird aufgezeigt, welche Unterrichtsaktivitäten die Lesekompetenz in der Fremdsprache fördern und aufbessern können. Abschließend folgt die Zusammensetzung der vorliegenden Arbeit und es werden die letzten Ausblicke gegeben.

2. Das mentale Lexikon im Fremdsprachenerwerb

Beim Lesen wird die Information auf automatische und bewusste Weise verarbeitet. Je nach der Art solcher Informationen wurden verschiedene Ebenen aufgezeigt, die ihrerseits nach Teilfertigkeiten und Kenntniskomponenten geordnet sind. Die Worterkennung und der Zugriff auf das mentale Lexikon sind eine der Ebenen des Leseprozesses, die durch experimentelle Daten aus der Kognitionspsychologie unterstützt worden ist (vgl. Lutjeharms 2010: S. 977). Im mentalen Lexikon befindet sich das ganze sprachliche Wissen einer Person. Es ist zu beachten, dass „die Struktur des inneren Lexikons oder die Organisationsweise der in ihm enthaltenen Informationen den Fremdsprachenerwerb und –gebrauch weitgehend bestimmt“ (Lutjeharms 1988: S. 144).

Im Folgenden wird die Theorie und Organisation des mentalen Lexikons sowie die Worterkennung als Ebenen des Leseprozesses dargestellt. Zur Verständnissicherung sind in diesem Kapitel auch die Begriffserklärung des mentalen Lexikons und die Struktur der mentalen Einträge eingeführt worden.

2.1. Begriffserklärung

Der Begriff „mentales Lexikon“ entspringt der Gedächtnispsychologie und Psycholinguistik und bezeichnet im Allgemeinen den menschlichen Wortspeicher. Stork (2003: S. 68-69) stützt u.a. auf die Definition von Möhle (1994: S. 39):

„[…] als mentales Lexikon bezeichnet man das Reservoir, also den Teil unseres Langzeitgedächtnisses, in dem unser Wissen über alle uns bekannten Wörter unserer eigenen und ggf. auch anderer uns verfügbarer Sprachen gespeichert ist“.

Obwohl in dieser Bezeichnung das Wort „Lexikon“ einbezogen ist, unterscheidet es sich viel vom externen Speichermedium des Wörterbuchs. Das mentale Lexikon ist „viel komplexer organisiert, inhaltlich unbegrenzt und flexibel“ (Stork 2003: S. 69) und umfasst sehr viele Informationen zu jeder lexikalischen Einheit. Es hilft einem, die mental repräsentierte Wissensstruktur bei der Sprachproduktion gedanklich zu verarbeiten und in etwas Sinnliches zu verwandeln und es umgekehrt in etwas mental Repräsentiertes bei der Sprachrezeption umzusetzen (vgl. Stork 2003: S. 69).

Das mentale Lexikon besteht aus mehrerer Teillexika, die unterschiedliche Informationen enthalten (vgl. Raupach 1994: S. 21). Folgend werden sie näher betrachtet und analysiert.

2.2. Mentale Lexikoneinträge

Das mentale Lexikon bezeichnet die Organisation des Wortschatzes. Wörter führen unterschiedliche Merkmale vor, die auf verschiedenen Ebenen gespeichert und in der Sprachproduktion/-rezeption miteinander verbunden sind (Tschirner 2010: S. 240). Um die Bestandteile des mentalen Lexikons festzustellen, haben Kaiser/ Peyer (2011: S. 29) auf der Theorie von Levelt (1989) basiert. Nach seinem Modell besteht ein mentaler Lexikoneintrag aus dem die semantischen und syntaktischen Merkmale enthaltenden Lemma und aus der Form, welche die phonologischen und morphologischen Parameter umfasst. Die phonologischen Charakteristika beinhalten dabei die Phoneme, Silben und Akzentstruktur eines Lexikoneintrags. Zu der morphologischen Information gehören verschiedene Flexionsformen, zu der semantischen unterschiedliche Spezifikationen und alle Bedeutungsmöglichkeiten eines Wortes, die der jeweiligen Person bekannt sind. Zu den syntaktischen Informationen zählen die lexikalische Kategorie eines Items (wie Verb, Adjektiv usw.), seine Valenz (Tempus, Modus, Person, Aspekt) und Zahl. Hieraus ergibt sich, dass das mentale Lexikon viele Informationen umfasst, die eher in einer Grammatik nachgeschlagen werden sollten. Aus der Sicht des fremdsprachlichen Lesens sind einzelne Lexikoneinträge je nach sprachlichem Niveau mangelhaft oder fehlend, was zu falschen Interpretationen beim Leseprozess führen kann (vgl. Kaiser/ Peyer 2011: S. 29).

Heutzutage wird erforscht, wie die aus mehreren Morphemen bestehenden Wörter gespeichert werden. Besonders viel Aufmerksamkeit wird der Frage gewidmet, ob deren Wortformen gesamt oder als einzelne Morpheme erkannt werden. Nach der „full-listing hypothesis“ sind alle Wortformen einer Sprache einzeln gespeichert. Die „stem-only hypothesis“ zeugt im Gegensatz davon, dass nur die Wortstämme, morphologische Regeln und eine Ausnahmenliste im mentalen Lexikon eingeprägt sind. Das Primingexperiment von MarslenWilson et al. (1994) geht davon aus, dass nicht alle Wörter als Ganzes gespeichert sind: „Ein komplexes Wort wird dann als semantisch transparent bezeichnet, wenn die Bedeutung des Worts aufgrund der Semantik seiner Teile erschließbar ist“ (Kaiser/ Peyer 2011: S. 30). Am Beispiel vom Englischen speichert die Sprache semantisch nicht transparente Wörter als volle Formen und semantisch transparente – als Wortstämme (vgl. Kaiser/ Peyer 2011: S. 29-30).

2.3. Organisation des lexikalischen Zugriffs beim Leseprozess

Der Begriff des lexikalischen Zugriffs oder des Zugriffs auf das mentale Lexikon wird für die Worterkennung bei rezeptiven und produktiven Prozessen gebraucht. Lutjeharms (2004: S.11) definiert diese Bezeichnung nach Harley (2001: S. 227) folgendermaßen:

„Mit dem lexikalischen Zugriff wird der Moment gemeint, in dem bei der Erkennung alle Wortinformationen, m.a.W. alle Repräsentationsebenen eines Wortes im mentalen Lexikon, für die weitere Verarbeitung zur Verfügung stehen“.

Dabei wird ein Wort komplex gesehen und enthält in sich graphische, orthographische, phonetische, semantische, morphologische und syntaktische Informationen, die ihrerseits auch trennbar gespeichert werden können. Obwohl man in Theorie jedes einzelne Merkmal bei der Wortrepräsentation beachten könnte, erfolgt dies kaum aufgrund zu vieler Aufmerksamkeit für die jeweiligen (bspw. graphischen oder phonetischen) Aspekte, die zur Störung der Sinnentnahme führt (vgl. Lutjeharms 1988: S. 80-81). Beim rezeptiven Zugriff auf das Lexikon nehmen Lesende besonders die Informationen des Wortanfangs wahr. Dabei werden sowohl isolierte, als auch kontextuelle Wörter gemeint (vgl. Lutjeharms 2004: S. 12).

Lutjeharms (1988: S. 81) weist auch auf die Theorie von Forster (1979: S. 59) auf, die besagt, dass bei der Wortrepräsentation zwei Datenstrukturen unterschieden werden müssen: das Lexikon selbst und zwei autonome Datenbestände, die den lexikalischen Zugriff über die visuelle oder akustische Reizung möglich machen. Die den Zugriff bestimmende Funktion übernimmt dabei nicht der Kontext, sondern die Häufigkeit eines Wortes.

Es existieren zwei Hypothesen für Modelle des lexikalischen Zugriffs. Die Suchhypothese von Forster (1981: S. 202 f.) demonstriert einen konsequenten Suchprozess, bei dem jegliche Übereinstimmungen gesucht werden und „die Eingänge zum Lexikon für sehr häufige Wörter zuerst geprüft werden“ (Lutjeharms 1988: S. 82). Dabei geht es vor allem um die Repräsentation der semantisch zu vorherigen Eingängen passenden Wörter. Bei dem zweiten Modell von Gordon (1983: S. 24 f.) handelt es sich hingegen um einen direkten Zugriff ohne Suchprozess, d.h. die kodierte Repräsentation unter der Einwirkung erwartungsgeleiteter Entwicklungen automatisch mit allen eingegangenen Informationen gleichzeitig verglichen wird. Die beiden Hypothesen zeugen also von der „Interaktion zwischen Reizvorlage und kontextuell bedingten Informationen“ (Lutjeharms 1988: S. 82) beim lexikalischen Zugriff, wobei der Kontexteinfluss unter Einschränkungen stattfindet (vgl. Lutjeharms 1988: S. 82).

Somit ist zu schlussfolgern, dass der Zugriff auf das mentale Lexikon ein selbständiger, formbedingter Prozess sei, ohne Einsetzung kontextueller Information, die erst nach dem Zugriff bei der Selektion der Wortinterpretationen erfolgt (vgl. Lutjeharms 1988: S. 82). Die semantische Verarbeitung der eingegangenen Informationen kann oberflächlich und minderwertig sein (vgl. Lutjeharms 2004: S. 12).

[...]

Excerpt out of 13 pages

Details

Title
Die Worterkennung und der Zugriff auf das Lexikon als Ebenen des Leseprozesses
College
University of Leipzig
Grade
1,7
Author
Year
2013
Pages
13
Catalog Number
V476857
ISBN (eBook)
9783668961487
ISBN (Book)
9783668961494
Language
German
Keywords
worterkennung, zugriff, lexikon, ebenen, leseprozesses
Quote paper
Dariya Smirnova (Author), 2013, Die Worterkennung und der Zugriff auf das Lexikon als Ebenen des Leseprozesses, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/476857

Comments

  • No comments yet.
Look inside the ebook
Title: Die Worterkennung und der Zugriff auf das Lexikon als Ebenen des Leseprozesses



Upload papers

Your term paper / thesis:

- Publication as eBook and book
- High royalties for the sales
- Completely free - with ISBN
- It only takes five minutes
- Every paper finds readers

Publish now - it's free