„Dennoch sei gesagt: wenn die unterhaltende und nachahmende Dichtkunst nachweisen könnte, dass sie in einem wohlgeordneten Staat unentbehrlich sei, dann würden wir sie gerne aufnehmen, da wir offen unser Entzücken über sie gestehen.“3 Dieses abschließend über die Dichtung und ihre verwandten kulturellen Bereiche gesprochene Urteil Platons begründet eine bisher unbeendete Debatte der Kulturkritik, die trotz ihrer inzwischen mindestens 2300-jährigen Geschichte ungebrochen anhält; mehr noch: selten war sie brisanter als gegenwärtig. Das scheint vor allem daran zu liegen, dass, auch wenn Platon sich bemüht hat, nur ganz eingeschränkte Bereiche der Kultur im Feld der politischen Theorie zuzulassen, Kultur in zunehmendem Maße politisiert und damit umkämpft wird.
Dennoch hatte das Theater bereits vor Platon eine zentrale Stellung im politischen Selbstverständnis der griechischen Gesellschaft, allen voran in der athenischen Demokratie. Diese wird kurz im ersten Teil skizziert. Platons dreigestaltiger Einwand gegen die Dichtung – der als wichtiger Referenzpunkt für alle nachfolgende Kulturkritik gilt – soll dagegen im zweiten Teil rekonstruiert werden.
Die Figur der Authentizität – welche stets jenseits des falschen Scheins verortet wird – zieht sich durch alle (mehr oder weniger direkt) an Platon anknüpfenden kulturkritischen Texte. Sie halten an einem authentischen Strukturprinzip menschlicher Gesellschaft fest und grenzen es gegen Tendenzen ab, die vor allem im 20. Jahrhundert unter dem Begriff der Theatralisierung oder Ästhetisierung der Gesellschaft zusammengefasst werden können.
Und wo ist das Theater? Theater, das bereits mit Platon zum Platzhalter des Inauthentischen, des Scheinhaften und Unwahrhaften wird, das sich auf der Kehrseite der Wahrheitsmünze befindet. Das Theater selbst versuchte sich zu (re)politisieren, sprich: sich einen Platz in der Gesellschaft zu sichern; seine Gegner hingegen auf und hinter seinem Rücken das Idealbild einer authentischen Repräsentation der Versöhnung von Individuum und Staat zu entwerfen. Der Verlauf dieser Diskussion wird kurz an einigen Schnittstellen im dritten Teil angerissen werden. Unter dem Einfluss neuer Medien ist Theater zu einem weiteren Stellungswechsel gezwungen, der ihm jedoch möglicherweise ungeahnte, wenn auch nicht (ganz) neue Pfade gleichermaßen aufzwingt wie eröffnet. Dies soll abschließend in Ergänzung zu den kulturkritischen Einwänden betrachtet werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Platons Tragödien
- II. Das athenische Theater
- III. Der lange Weg.
- IV. Die Verantwortung der Wahrnehmung
- V. Literatur....
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Beziehung zwischen Theater und Politik, indem sie Ansätze zur Verortung des Theaters in der Gesellschaftstheorie und -kritik untersucht. Sie analysiert Platons Kritik am Theater, die den Ausgangspunkt für eine bis heute andauernde Debatte in der Kulturkritik bildet.
- Platons Kritik am Theater als Nachahmung und seine Auswirkungen auf die Kulturkritik
- Die Rolle des Theaters in der athenischen Demokratie und die Beziehung zwischen Kunst und politischem Selbstverständnis
- Das Konzept der Authentizität in der Kulturkritik und seine Anwendung auf das Theater
- Die Auseinandersetzung mit der „Theatralisierung“ und „Ästhetisierung“ der Gesellschaft im 20. Jahrhundert
- Der Wandel des Theaters im Kontext neuer Medien und die Herausforderungen für seine Positionierung in der Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die zentralen Fragestellungen der Arbeit vor und führt in die Debatte um die Beziehung von Theater und Politik ein. Sie beleuchtet Platons Kritik an der Dichtung, insbesondere am Theater, als Ausgangspunkt der Kulturkritik und diskutiert die zunehmende Politisierung der Kultur.
- I. Platons Tragödien: Dieses Kapitel rekonstruiert Platons Kritik am Theater im Kontext seiner Philosophie, insbesondere seiner Ideenlehre. Es beleuchtet die moralischen und erkenntnistheoretischen Einwände Platons gegen die Nachahmung und die Auswirkungen dieser Kritik auf das Theater.
- II. Das athenische Theater: Dieses Kapitel skizziert die zentrale Rolle des Theaters im politischen Selbstverständnis der athenischen Demokratie. Es beleuchtet den Zusammenhang zwischen Theater und politischer Partizipation und die Bedeutung des Theaters als Plattform für politische Debatte.
- III. Der lange Weg.: Dieses Kapitel folgt dem Spannungsfeld zwischen dem Anspruch auf Authentizität und dem Theater als Ort des Scheins und der Nachahmung. Es analysiert die Kulturkritik im Kontext der Entwicklung neuer Medien und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für das Theater.
Schlüsselwörter
Die Arbeit widmet sich dem Verhältnis von Theater und Politik und analysiert Platons Kritik am Theater als Auslöser für eine fortlaufende Debatte in der Kulturkritik. Dabei werden zentrale Themen wie Nachahmung, Authentizität, Theatralisierung, Ästhetisierung, Selbstwahrnehmung und Politisierung der Kultur beleuchtet. Im Fokus stehen die historische Entwicklung des Theaters im Kontext politischer und gesellschaftlicher Veränderungen sowie die Einordnung des Theaters im Diskurs der Kulturkritik.
- Citation du texte
- Matthias Zimmermann (Auteur), 2003, Das Theater und das Politische, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47791