Kabarett unter Hammer und Sichel - Kann politisches Kabarett unter einer Diktatur existieren?


Trabajo de Seminario, 2005

31 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Kabarett im Auftrag der SED
2.1. Verwaltung und äußere Struktur des Kabaretts in der DDR
2.1.1. Das staatliche Komitee für Unterhaltungskunst
2.2. Zensurpolitische Maßnahmen

III. Kabaretts in der „Zone“ – Selbstzensur oder die Lust an der List
3.1. Die „Distel“
3.1.1. „Keine Mündigkeit vorschützen“
3.2. Die „Pfeffermühle“
3.2.1. „Wir können uns gratulieren“
3.3. Die „Herkuleskeule“
3.3.1. „Auf dich kommt es an, nicht auf alle“

IV. Fazit

Literaturverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung über die selbstständige Anfertigung

Anhang
Anhang A
Anhang B
Anhang C
Anhang D
Anhang E

I. Einleitung

Beim Fall der Berliner Mauer 1989 gab es 12 Berufskabaretts mit festen Spielstätten in der DDR. In ausverkauften Häusern zeigten sie was Kabarett ausmacht: Kritik, Satire und Opposition. Das war in der Bundesrepublik nicht anders, geschah aber in der DDR unter anderen Prämissen. Die ostdeutschen Kabaretts wurden vom Staat geschaffen, um nach dem Arbeiteraufstand 1953 für gute Laune zu sorgen. Als Vermittler im sozialistischen Alltag nahm das Kabarett der DDR die Funktion eines Stimmungsbarometers für das politische und soziale Klima ein.

Als vom Staat initiiert, organisiert und kontrolliert, stellt sich die Frage, ob Kabaretts unter diesen Rahmenbedingungen überhaupt existieren konnten. Im Untersuchungsmittelpunkt stehen die drei bekanntesten ostdeutschen Berufskabaretts: die Berliner ‚Distel’, die Leipziger ‚Pfeffermühle’ und die Dresdener ‚Herkuleskeule’. Ich werde anhand exemplarischer Beispiele den Umgang der jeweiligen Kabaretts mit der Zensur dokumentieren und mich dabei vorwiegend auf die Zeit unter Erich Honecker beschränken. In dieser Analyse konzentriere ich mich vor allem auf drei Programme, die zensurpolitisch für Aufsehen gesorgt haben: das ‚Distel’ – Programm ‚Keine Mündigkeit vorschützen’, das ‚Pfeffermühlen’ – Programm ‚Wir können uns gratulieren’ und das Programm der Herkuleskeule ‚Auf dich kommt es an, nicht auf alle’.

Bevor ich auf die einzelnen Kabaretts näher eingehe, werde ich detailliert die Rahmenbedingungen und Verwaltungsgrundlagen der Berufskabaretts dokumentieren, wobei in besonderer Weise die Mechanismen der Zensur dargestellt werden.

II. Kabarett im Auftrag der SED

2.1. Verwaltung und äußere Struktur des Kabaretts in der DDR

„[In der DDR gab es] keine Profi-Kabarettszene, die sich wie in der alten Bundesrepublik frei formierte, finanzierte und nach eigenem Gutdünken bzw. Erfolg erweiterte, sondern allein eine von öffentlichen Institutionen getragene Kabarettorganisation“ (Jacobs 1996, S. 64).

Wie viele Bereiche in der DDR war auch das Kabarett staatlich, regional, städtisch oder betrieblich organisiert und unterstand so direkt der SED. Als beigeordnete Einrichtungen der einzelnen Städte in denen sie spielten, waren die Berufskabaretts in der DDR in den staatlichen Aufbau einbezogen und bildeten eine Art von Stadttheater. „Direkte organisatorische und inhaltliche Fragen der täglichen Kabarettarbeit wurden so mit den kommunalen Stellen der Kultur sowie den territorialen Gremien der SED geklärt“ (ebd., S. 65). Neben ihrer regionalen Einbindung standen Kabaretts auch unter zentraler Kontrolle. Die Einbindung der Kabaretts in den übergeordneten Organisationsbereich der Unterhaltungskunst[1] war die erste Stufe dieser Zentralisierung. Das staatliche Komitee für Unterhaltungskunst, 1973 gegründet, war die Koordinationsinstanz für die Arbeit ostdeutscher Unterhaltungskünstler. Als Vermittlerinstanz und somit direkter Kontakt zwischen dem Komitee und den Kabaretts fungierte die ‚Beratergruppe Kabarett’. Bestehend aus Vertretern des Kabaretts und offiziellen wie wissenschaftlichen Fachleuten, sollte sich die Gruppe um die Lösung grundlegender wie auch akuter Problemen des Berufskabaretts in der DDR beschäftigen. Ende der 1970er Jahren versuchte die SED ihren Einfluss auf die Kabaretts noch weiter zu stärken und präsentierte den Vorschlag „Kabarettisten und Autoren als eigene Unterabteilung im Verband der Theaterschaffenden der DDR zu organisieren“ (ebd., S.68), was dann auch 1986 geschah. Der Kabarettist Peter Ensikat wurde 1986 Präsidiumsmitglied des Verbandes und schilderte seine Arbeit wie folgt:

„Wir hatten so eine Art Reisegruppe gebildet, die in den verschiedenen Städten zwischen Kabarett und örtlicher Kulturbehörde zu vermitteln versuchte. Da erklärten wir dann gewöhnlich den mißtrauischen Funktionären, wie gut doch alles gemeint wäre, was sie da irrtümlicherweise für Zersetzung und Konterrevolution hielten. Manchmal schrieben sie mit, um unsere Argumente zu den ihren zu machen, wenn da jemand anders kam und das kritische Haar in der rot gemeinten Suppe fand“ (Ensikat 1996, S. 281 f.).

Ensikat sieht die ‚Sektion Kabarett’ des Theaterverbandes dementsprechend als Möglichkeit für das Kabarett Einfluss auf die offizielle Seite zu nehmen und nicht etwa umgekehrt, als vergrößerte Einflussmöglichkeit der SED auf die Kabarettisten. Dieses Heranführen der Funktionäre an das Kabarettschaffen führte zur Einrichtung der Werkstattage[2] des Berufskabaretts in Gera. Diese wurden zur wichtigsten Diskussionsplattform des Berufskabaretts in der DDR. Von 1979 an trafen sich die Kabaretts alle zwei Jahre, um ihre aktuellen Programme zu präsentieren und sich der Kritik zu stellen. Gleichzeitig wurden aber auch „Vorträge zu kabarettstheoretischen und –praktischen Fragen abgehalten. Dabei waren neben den Kabarettschaffenden selbst von offizieller Seite stets Vertreter der staatlichen und parteilichen Unterhaltungs- und Theaterorganisation der DDR beteiligt“ (Jacobs 1996, S. 70).

Teils zentral, teils regional organisiert war auch die Finanzierung der Kabaretts, die in die Planwirtschaft eingebunden waren. Jedes Kabarett hatte einen ökonomischen Leiter, der jährlich Ein- und Ausgaben kalkulierte. Diese Kalkulation wurde an die Kommunen weitergeleitet und mit deren Jahreshaushalt abgestimmt. „Gab es so einen gewissen Rahmen der freien Entscheidung der Städte über die Aufwendung für ihre Kabaretts, waren beispielsweise die Honorare für die im Kabarett Angestellten wiederum zentral festgelegt“ (ebd., S. 71). Die Abteilung für Unterhaltungskunst gab regelmäßig das Mindest- und Höchstmaß der Honorare heraus. Im Jahre 1983 beispielsweise wurden den Kabarettisten 725 M, den Musikern 800 M und dem Kabarettdirektor 1800 M ausgezahlt. Mit diesen Honorarordnungen gehörten die Kabarettisten nicht zu den Großverdienern, wenn man vor Augen hat, dass das Durchschnittseinkommen in der DDR 1982 bei 969 M lag (vgl. ebd., S. 72).

Sehr unterschiedlich hingegen waren die finanziellen Aufwendungen der einzelnen Kabaretts. Die ‚Herkuleskeule’ in Dresden gab 1972 beispielsweise Gesamtausgaben von 335 000 M an, während die ‚Distel’ in Berlin 733 000 aufwendete. Den größten Teil der Ausgaben machten die Lohnkosten aus, denen Einnahmen gegenüberstanden, die aber das Kabarett nicht unterhalten konnten. „Bei den […] Platzausnutzungen von stets über 90 % hätten sich die DDR-Berufskabaretts […] durchaus selbst tragen können, wären nicht die Eintrittspreise[3] über Jahrzehnte konstant niedrig gehalten worden“ (ebd., S. 73).

2.1.1. Das staatliche Komitee für Unterhaltungskunst

Das staatliche Komitee für Unterhaltungskunst würde im März 1973 als Unterabteilung des Ministeriums für Kultur gegründet. Im Gremium saßen Vertreter des Fernsehens, des Rundfunks, der DDR-Künstler-Agentur, des VEB Deutsche Schallplatten, der DEFA, des VEB Zentralzirkus und der Konzert- und Gastspieldirektion. Neben zentralen organisatorischen Aufgaben, wie das Festlegen der Honorare für Kabarettisten oder die Besetzung der Kabaretts mit Planstellen, hatte das Komitee auch eine politische Funktion. Neben der offiziellen Anordnung über die Einrichtung der Generaldirektion beim Komitee für Unterhaltungskunst hatte der Generaldirektor auch die Befugnis, die politisch-ideologischen und künstlerischen Aufgaben festzulegen und wahrzunehmen. Eine Aufgabe sei es, die Kabarettisten „auf das staats- und parteinahe Verständnis von Unterhaltung als ’Mittel zur Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus’ sowie ’zur Reproduktion der Arbeitskraft wie zur sozialistischen Persönlichkeitsentwicklung im Massenumfang’ einzuschwören […] [und] mit den Mitteln der Satire den Klassengegner zu entlarven“ (ebd., S. 65 ff.). Der direkte Einfluss des Komitees als übergeordnete Instanz war eher gering. Während das staatliche Komitee für Unterhaltungskunst die ideologischen Maßgaben festlegte, lag deren Umsetzung bei den jeweiligen Stadt oder Bezirksleitungen.

2.2. Zensurpolitische Maßnahmen

Schon die Erste Zentrale Kulturtagung der KPD im Jahre 1946 beschäftigte sich mit der Frage nach der Freiheit der Kunst. Anton Ackermann fiel die Aufgabe zu, diese zu definieren (vgl. Trampe 1998, S. 295):

„Freiheit für Wissenschaft und Kunst bedeutet, dass dem Gelehrten und Künstler kein Amt, keine Partei und keine Presse dreinzureden hat, […] die Freiheit für den Künstler, die Gestaltung der Form zu wählen, die er selbst für die einzig künstlerische hält, soll unangetastet bleiben. […] Wenn dann aber irgendein Pseudokünstler herkommt, um Zoten über den Humanismus, die Freiheit und Demokratie oder über die Idee der Völkergemeinschaft zu reißen, dann soll er das ‚gesunde Volksempfinden’ […] empfindlich spüren [...] Hier sind die Grenzen der Freiheit gesetzt. […] Unser Ideal sehen wir in einer Kunst, die ihrem Inhalt nach sozialistisch, ihrer Form nach realistisch ist“ (Ackermann[4] 1946, o.S. zitiert nach: Trampe 1998, S. 316 f.).

Ähnlich wie die KPD handhabte das auch die SED. Auch die SED beteuerte, sich nicht in künstlerische Prozesse einmischen zu wollen, zeigte aber auch der Kunst Grenzen auf. Besonders den Kabarettschaffenden wurden immer wieder ihre Grenzen gezeigt, da sie den politischen Zweig der Kulturschaffenden darstellten. Die staatlichen Zensurmaßnahmen betrafen einzelne Sketche, Textpassagen, Worte, aber teilweise auch ganze Programme. Nach Jacobs kann aber von keinem eingleisigen Zensursystem gesprochen werden. Mutige Satiriker, die ständig prekäre und scharfe Programme präsentiert haben, die letztendlich von staatlichen Zensoren verboten worden seien, habe es zwar gegeben, aber für die alltägliche Arbeit stelle diese eher die Spitze eines Systems aus zahlreichen Zensur- und Einflussmöglichkeiten dar.

„Wurde der Literaturbetrieb über die Erteilung von Druck- und Vervielfältigungsgenehmigungen von der ‚Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im Ministerium für Kultur’ zentral gesteuert, fiel die Entscheidung über die Aufführbarkeit von Programmen bei den jeweiligen örtlichen Bezirksleitungen“ (Riemann 2000, S. 55).

Die wichtigste Instanz war, was die inhaltliche und politische Gestaltung eines Programmes anging, die Kabarettleitung bzw. die Dramaturgie. Hier wurde die Themen der Programme festgelegt, die sich vor allem an aktuellen Entwicklungen in der DDR orientierten. Die grundlegenden inhaltlichen Prämissen wurden zu Konzeptionen ausgearbeitet und mussten dann an die regionalen Instanzen[5] von Staat und Partei geleitet werden. Innerhalb der Kabaretts wurden bestimmte Nummernideen mit Autoren besprochen und in Auftrag gegeben. Waren die Programme fertig geschrieben, wurden sie im Hause „zunächst vom Direktor und seinem Dramaturgen, der als das ‚ideologische Gewissen’ einer jeden Kabarettproduktion galt, auf ihren politischen Gehalt untersucht“ (ebd., S.56). Hier fand die erste Vorauswahl durch die Kabarettleitung statt, die in den meisten Häusern mit linientreuen SED-Mitgliedern besetzt war (vgl. ebd., S. 55 f.). Das Programm wurde nun weiter ausgestaltet und es konnte auf die Hilfe von ehrenamtlichen Beratergruppen zurückgegriffen werden. Hier widmeten sich ausgesuchte Partei- und Kulturfunktionäre ideologischen Fragen. Genau wie von den jeweiligen Bezirksleitungen hing von ihnen die Brisanz und Schärfe der Programme ab. Die personellen Zusammensetzungen der einzelnen Instanzen zeigten Möglichkeiten aber auch Grenzen des Kabaretts auf. Während sich einige Kulturfunktionäre durch Risikobereitschaft auszeichneten, hatten andere Angst zur Rechenschaft gezogen zu werden. „Viel hing aber auch von Mut oder Feigheit, Intelligenz oder Dummheit der örtlichen Funktionäre ab. Was in Sachsen manchmal möglich war, war in Berlin undenkbar. Hier wachte außer der Stadtregierung auch noch die Zentrale, und manchmal versuchten beide einander in Wachsamkeit zu übertreffen“ (Ensikat 1996, S. 120).

War ein Programm nun fertig gestellt, musste es der zuständigen SED-Bezirksleitung vorgelegt werden. Zum Abschluss des Zensurprozesses wurde die Interessentenprobe durchgeführt, die ausschlaggebend dafür war, ob das Stück in den aktuellen Spielplan aufgenommen wurde. „Hierzu erschienen […] Parteifunktionäre bei der Haupt- oder Generalprobe, um zu kontrollieren, ob das erstmals auf der Bühne gezeigte Werk – durch mimische oder gestikulierende Untermalung – womöglich unerwünschte ‚falsche Lacher’ hervorrief’“ (Riemann 2000, S. 56 f.). Im Idealfall fand eine Abnahme des Stückes statt, die die Kabarettisten aber dazu verpflichtete, keine Änderungen an dem Programm mehr vorzunehmen. Eine Garantie dafür, dass das Programm zu keinem späteren Zeitpunkt von der SED-Bezirksleitung abgesetzt werden würde, gab es aber nicht. Und so kam es mehrmals vor, dass ein abgenommenes Programm nach Monaten oder Jahren auf höchste Weisung aus Berlin doch noch abgesetzt wurde – so geschehen mit den Programm ‚Wir können uns gratulieren’ von der Leipziger Pfeffermühle[6] (vgl. ebd., S. 57).

[...]


[1] In diesen Organisationsbereich fallen alle Formen der Kunst und Kultur, die unter den Begriff ‚leichte Muse’ geführt wurden.

[2] Gefördert wurden die Werkstattage von der Abteilung Kultur beim ZK der SED und organisiert vom Ministerium für Kultur, dem Theaterverband und der Konzert- und Gastspieldirektion Gera.

[3] Die teuerste Karte in der Berliner ‚Distel’ kostete bis zum Fall der Mauer 4,55 M.

[4] Ackermann, Anton: Unsere kulturpolitische Sendung. Rede auf der Ersten Zentralen Kulturkonferenz der KPD, 3. Februar 1946 in: Neues Deutschland vom 23. April 1948.

[5] Das waren beispielsweise die Abteilung Kultur der städtischen Organisation und die entsprechenden Abteilungen der SED-Bezirks-, Kreis- uns Stadtleitung.

[6] Auf diesen Vorfall wird in Kapitel 3.2.1 ausführlich eingegangen.

Final del extracto de 31 páginas

Detalles

Título
Kabarett unter Hammer und Sichel - Kann politisches Kabarett unter einer Diktatur existieren?
Universidad
Ruhr-University of Bochum  (Institut für Politikwissenschaft)
Curso
Politisches Kabarett in Deutschland
Calificación
1,0
Autor
Año
2005
Páginas
31
No. de catálogo
V47813
ISBN (Ebook)
9783638446785
ISBN (Libro)
9783638691178
Tamaño de fichero
577 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Kabarett, Hammer, Sichel, Kann, Kabarett, Diktatur, Politisches, Kabarett, Deutschland
Citar trabajo
Marisa Klasen (Autor), 2005, Kabarett unter Hammer und Sichel - Kann politisches Kabarett unter einer Diktatur existieren?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47813

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