Nachhaltigkeit in einer Konsumgesellschaft. Wie nachhaltiger Konsum aussieht


Textbook, 2019

96 Pages


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die zentralen Problemfelder des 21. Jahrhunderts
2.1 Bevölkerungswachstum
2.2 Ressourcenknappheit
2.3 Resümee

3 Nachhaltigkeit
3.1 Zur Geschichte von Nachhaltigkeit
3.2 Dimensionen von Nachhaltigkeit
3.3 Bildung für nachhaltige Entwicklung
3.4 Resümee

4 Konsum
4.1 Begriffsbestimmung Konsum und Konsumgesellschaft
4.2 Die Entwicklung menschlicher Bedürfnisse
4.3 Geplante Obsoleszenz
4.4 Buen Vivir, Konzepte zum guten Leben
4.5 Resümee

5 Folgen und Auswirkungen unseres Konsums am Beispiel des Smartphones
5.1 Das Smartphone und dessen Bedeutung in unserer Gesellschaft
5.2 Die Wertschöpfungskette des Smartphones
5.3 Das Fairphone als sinnvolle Alternative?
5.4 Resümee

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Das Drei-Säulen-Modell

Abbildung 2 Bedürfnispyramide Abraham Harold

Abbildung 3 Althandys in Deutschland

1 Einleitung

Die allgegenwärtigen Probleme der Welt sind durch den Erdenbürger verursacht und liegen mit dem Menschheitswunsch nach endlosen Wachstum auf einem endlichen Planeten zusammen. Wir sind umgeben von Beispielen, die uns auf teilweise erschreckende Art und Weise unser tägliches Handeln vor Augen führen. Stumme Zeugen unseres unverantwortlichen Konsums zeigen sich als schwimmende Plastikmüllinseln im Pazifik, die in ihrer Größe Deutschland um das Vierfache übertreffen, als in den Weltmeeren liegende Ölteppiche und den daran verendeten Tieren an Stränden, an Armut und Unterernährung leidenden Kindern in Entwicklungsländern und vor lauter Überfluss ihnen gegenüber, an Fettleibigkeit erkrankten Menschen aus den Industrieländern. Neben dem offensichtlichen Verteilungsproblem zwischen Arm und Reich trägt der unachtsame Umgang mit der Natur zu gravierenden Problemen bei. Seit mehr als vier Jahrzehnten weisen uns Wissenschaftler verschiedener Disziplinen darauf hin, dass wir mit dem derzeitigen Umgang unsere Umwelt und unser Ökosystem ernsthaft gefährden. Mit unserem Planeten verantwortungsvoll umzugehen, fällt uns offensichtlich schwer. Wir scheinen nicht zu erkennen, dass unsere Erde für die Menschheit, mit derzeitigen Verhaltensmustern, eindeutig zu klein ist. Wir zehren den Planeten regelrecht aus ohne dabei Gedanken an die Konsequenzen zu verschwenden. Einhergehend mit der Gefährdung unseres Ökosystems, bringen wir uns und vor allem die Folgegenerationen in Gefahr. Erschwerend kommt dabei hinzu, dass die Menschheit ein stetig ansteigendes Bevölkerungswachstum zu verzeichnen hat, das dazu führt, dass sich ohne einen Wandel, die durch den Menschen verursachten Probleme zunehmend verschärfen werden. Allmählich gehen uns darüber hinaus bei derzeitigem Konsumverhalten unsere Ressourcen zur Neige. Außerdem kommt hinzu, dass weltweit der Appetit auf ein angenehmeres Leben ebenfalls zunimmt. Die entwickelte und die sich entwickelnde Welt sind aufeinander angewiesen und bedingen sich gegenseitig. Dies führt zu einem Ungleichgewicht und geht zu Lasten der sich entwickelnden Länder. Der ökologische Fußabdruck des durchschnittlichen Erdenbewohners ist zu groß, und es bestehen gravierende Unterschiede zwischen dem Fußabdruck eines Bewohners aus dem entwickelten Norden und dem sich entwickelnden Süden. Würde jeder Erdenbewohner so leben wollen, wie der durchschnittliche Nordamerikaner benötigten wir 5 Planeten, um unseren gegenwärtigen Lebensstil zu halten, bei einem durchschnittlichen Europäer wären es drei und bei einem durchschnittlichen Pakistani wären es weniger als einer.[1] Da die entwickelnden Länder jedoch den Lebensstil der Entwickelten anstreben, geht damit ebenfalls eine Verstärkung der Probleme einher.

Sich diesen Problemen annehmend, bestehen seit Jahrzehnten viele Aktivitäten von Weltorganisationen zur nachhaltigen Entwicklung, die jedoch bisher nicht ausreichen, um einen wirklichen Wandel vollziehen zu können. Im Jahr 1992 wurde auf der UN-Konferenz in Rio De Janeiro die Agenda 21 verabschiedet. Gemeinsam sollten Umweltzerstörung und Armut überwunden werden. Dieser Zusammenkunft schlossen sich viele weitere Weltkonferenzen zu ähnlichen Themen an. Es entwickelte sich ein Allgemeinverständnis darüber, dass es einer nachhaltigen Entwicklung bedarf, um sich den zentralen Weltproblemen anzunehmen. Nachhaltigkeit im Sinne eines gerechten Ausgleiches zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Verhältnissen ruft dabei oftmals Bilder aus längst vergangener Zeit hervor. Dabei denken wir an idyllische Bauernhöfe, deren Bewohner beinahe autark lebten oder an Urvölker, die im vollen Einklang mit der Natur waren. Doch der Raubbau an der Natur ist beinahe so alt wie die Menschheit an sich. Dies zeigt sich unter anderem durch die Abholzung der Mittelmeerwälder von Griechen und Römern in der Antike oder durch die Zerstörung der Wälder Mitteleuropas in der Zeit des Mittelalters.[2] Im Vergleich zu damals unterscheiden wir uns jedoch in einem wichtigen Punkt von Urvölkern und Bewohnern der Antike. Aufgrund der Technisierung und des persönlichen Kommunikationsbereiches, der die gesamte Weltbevölkerung einschließt, ist es uns möglich, das eigene Handeln zu reflektieren und den größeren Zusammenhang zu sehen.[3]

Eine der zentralen Fragen dieser Arbeit soll der Auseinandersetzung mit nachhaltigen und nicht nachhaltigen Verhaltensmustern gelten und die Fragestellung diskutieren inwiefern wir uns als Konsumgesellschaft auf dem Weg zur Nachhaltigkeit befinden. Der Einstieg in das Thema erfolgt in Kapitel zwei mit der Aufstellung der zentralen Problemfelder des 21. Jahrhunderts, innerhalb dessen der Fokus schwerpunktmäßig auf dem Bevölkerungswachstum und der Ressourcenknappheit liegt.

Die begriffliche Einordnung von Nachhaltigkeit und deren Entwicklung in Form eines historischen Abrisses findet in Kapitel drei seine Berücksichtigung. Eine Gesellschaft auf dem Weg zur Nachhaltigkeit bedarf Strategien und Konzepte, die Nachhaltigkeit gesellschaftlich etablieren und manifestieren. Bildung für nachhaltige Entwicklung, kurz BNE, ist eine Initiative der Vereinten Nationen, Nachhaltigkeit im Bildungssystem zu verankern. Daher soll in diesem Kapitel BNE sowie der Vergleich mit den Bildungsanliegen, Umweltbildung und Globales Lernen seine Berücksichtigung finden. Außerdem wird hier das gemeinsame Projekt der Kultusministerkonferenz und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit, durch den Orientierungsrahmen Globale Entwicklung vorgestellt, welche das Ziel verfolgt, Bildung für nachhaltige Entwicklung im Schulunterricht zu verankern.

Konsum gilt als elementare Ursache globaler Umweltprobleme und ist in seinen Folgeerscheinungen auch mit sozialen Problemen verbunden. Von daher spielt Konsum eine zentrale Rolle hinsichtlich der Nachhaltigkeit. Denn gäbe es keinen Konsum, so wäre jede Produktion mit ihren folgenschweren Begleiterscheinungen überflüssig, der Ressourcenverbrauch würde gestoppt, der Energieaufwand für die Herstellungsprozesse eingedämmt und es entstünde kein Müll, was unser Abfallproblem überflüssig machen würde. Setzt man sich mit also mit Nachhaltigkeit auseinander, so muss man sich zwangsläufig mit der Entwicklung des Konsums beschäftigen. Dieses erfolgt im vierten Kapitel der vorliegenden Arbeit. Der Konsum wird dabei auf seine Bedarfsfelder Ernährung und Kleidung genauer hin untersucht. Sicherlich bestehen viele weitere Bedarfsfelder im Schwerpunkt Konsum, die sich ebenso auf Nachhaltigkeit auswirken, wie beispielsweise die Technisierung oder die steigende Mobilität, jedoch würden diese Betrachtungen den Rahmen dieser Arbeit erheblich überschreiten. Das Themenfeld der geplanten Obsoleszenz, durch die Konsum künstlich angeregt und am Laufen gehalten wird, ist ebenfalls Bestandteil dieses Kapitels. Des Weiteren erfolgt ein Einblick auf das südamerikanische Konzept zu einem nachhaltigen Lebensstil Buen Vivir, welches auf Ideen der indigenen Bevölkerungen Südamerikas basiert und sich hauptsächlich von dem westlichen Wohlstandsparadigma mit Hilfe von Suffizienz und dem gemeinschaftlichen Leben im Einklang mit der Natur unterscheidet.

Der Druck auf die natürlichen Rohstoffvorkommen der Erde wächst stetig und bringt das ökologische Gleichgewicht unseres Planeten zunehmend in Bedrängnis. Konsum bedeutet Rohstoffverbrauch und dieser bringt erhebliche Folgeerscheinungen mit sich. Anhand des allgegenwärtigen Konsumgutes, dem Smartphone, findet innerhalb des fünften Kapitels eine Auseinandersetzung mit Mobiltelefonen hinsichtlich nachhaltiger Entwicklung statt. Anhand der Offenlegung der Wertschöpfungskette eines Mobiltelefons werden die jeweiligen Probleme der gesamten Produktionskette eines Mobiltelefons in Bezug auf Nachhaltigkeit dargestellt. Mit der Initiative Fairphone wird am Ende des Kapitels eine vermeintlich faire Möglichkeit der Smartphoneherstellung unter Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte vorgestellt. Die Arbeit endet mit einem Fazit, in dem die Nachhaltigkeitsdebatte in unserer Gesellschaft sowie eine kritische Betrachtung allgegenwärtiger Konsumgüter dargestellt und sich der Frage gewidmet wird, inwiefern wir uns als Konsumgesellschaft auf dem Weg einer nachhaltigen Entwicklung befinden.

2 Die zentralen Problemfelder des 21. Jahrhunderts

Bei der Betrachtung der hier aufgeführten zentralen Problemfelder des 21.Jahrhunderts kommt man nicht umhin, eine starke Verwobenheit von Bevölkerungswachstum und Ressourcenknappheit zu erkennen sowie Interdependenzen mit anderen Problemfeldern wie Umweltverschmutzung, Krieg, Armut, Migration und viele mehr zu konstatieren. Bevölkerungswachstum führt zu Ressourcenknappheit. Die Ausbeutung der begrenzten Ressourcen bringt Umweltzerstörung mit sich, was wiederum zu einer Migration der Bevölkerung der ausgebeuteten Gebiete in die Industrieländer führen kann. Dieser Kreislauf lässt sich je nach Szenario beliebig erweitern.[4] Im folgenden Abschnitt möchte ich auf das Bevölkerungswachstum eingehen und anschließend, die damit einhergehende Ressourcenknappheit thematisieren.

2.1 Bevölkerungswachstum

Innerhalb der Menschheitsgeschichte hat sich die Bevölkerungszahl stetig verändert. Zunächst langsam steigend, dann beinahe explosionsartig. Lebten im Jahr 1800 etwa eine Milliarde Menschen auf der Welt, so stieg diese Zahl innerhalb von 200 Jahren auf 7 Milliarden Einwohner an.[5]

Expertenvoraussagen[6] prophezeien ein weiteres Ansteigen der Bevölkerung trotz des demographischen Wandels. Belief sich das Durchschnittsalter im Jahr 2000 in Deutschland auf 39,9 Jahre, so wird sich dieses im Jahr 2030 voraussichtlich auf 54 Jahre belaufen. Neben den sinkenden Geburtenraten steigt die Anzahl der Lebenserwartung. Im Jahr 2000 lag die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland bei 79,8 Jahren, während diese im Jahr 2030 auf 90 Jahre prognostiziert wird.[7]

Die UN schätzt für das Jahr 2050 eine Weltbevölkerungszahl von 8,7 bis 10,8 Milliarden[8], die Vereinten Nationen gehen von knapp 9 Milliarden Menschen im Jahre 2050 aus.[9] Die unterschiedlichen Prognosen der verschiedenen Institutionen gleichen sich in einem Faktum: dem Anstieg der Weltbevölkerung in nicht unerheblicher Menge. Die Weltbevölkerung wächst derzeit um etwa 76 Millionen Menschen pro Jahr. Die aus dem exponentiellen Wachstum heraus resultierende Handlungsnotwendigkeit lässt sich anhand eines Beispiels darstellen. Man stelle sich dafür einen Gartenteich vor, in dem sich eine Wasserlilie befindet. Diese beginnt sich täglich um das Doppelte zu vermehren. Wird der Wasserlilie kein Einhalt geboten, so wäre der Teich am 30. Tag komplett bedeckt und hätte den Verlust aller anderen Teichbewohner zur Folge. Das Wachstum scheint innerhalb der ersten Tage nicht dramatisch zu sein. Spätestens jedoch am 29. Tag, an dem die Wasserlilie den halben Teich bedeckt, wird deutlich, dass aufgrund des exponentiellen Wachstum nur ein Tag übrig bleibt, um den Teich retten zu können. Exponentiell meint hier, dass die Bevölkerung innerhalb eines festgelegten Intervalls nicht konstant, sondern im Verhältnis zum vorhandenen Bestand wächst.[10]

Der Anstieg der Bevölkerung bezieht sich jedoch nicht auf Europa. Hier findet, wie zuvor erklärt, vielmehr ein Bevölkerungsrückgang sowie eine elementare Veränderung der Altersstruktur statt.[11] Der Bevölkerungsanstieg erfolgt vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dabei ist jedoch zu benennen, dass dieser nicht ausschließlich auf die hohe Geburtenrate in diesen Ländern zurückzuführen ist, denn diese ist bereits seit Jahrtausenden relativ hoch. Es bestehen andere Gründe, warum es dennoch plötzlich zu einem so starken Anstieg der Bevölkerung in diesen Ländern kommt. Dank des medizinischen Fortschrittes und großangelegten Impfprogrammen sank die Zahl der Kindersterblichkeit auch in den ärmeren Ländern. Gleichzeitig bleibt die hohe Geburtenrate jedoch bestehen. Eine der Ursachen hierfür ist, dass in Ländern ohne staatliche Altersabsicherung häufig die Nachkommen als Altersvorsorge fungieren. Ein weiterer Grund ist kultureller Natur, da verschiedene Religionen noch immer den Verzicht von Verhütungsmitteln propagieren. Außerdem fehlt es den meisten Bewohnern schlicht an Wissen um Verhütungsmittel und deren Methoden.[12]

In armen Ländern leben die Menschen häufig von der Landwirtschaft und Kinder werden dort als Arbeitskräfte benötigt, was wiederum eine hohe Geburtenrate bewirkt. Wie ein gesellschaftlicher Wandel dem entgegenwirken kann, lässt sich eindrucksvoll am Beispiel Thailands darstellen. Im Jahr 1970 lag dort die Geburten­rate bei 6 Kindern pro Frau. Im Jahr 2015 hat sich die Geburtenrate in Thailand auf 1,6 Kinder pro Frau reduziert. Bleibt die Frage nach Gründen des plötzlichen Wandels. Es fand in diesem Zeitraum in Thailand ein Übergang von einer Agrargesellschaft, mit vielen benötigten Arbeitern zu einer Dienstleistungsgesellschaft mit gut ausgebildeten Menschen statt. Bildung ist ein teures Gut und führt dazu, dass die Familien weniger Kinder gebären, um ihnen den Zugang zum Bildungssystem zu ermöglichen.[13]

Armut ist unabdinglich mit dem Bevölkerungswachstum verbunden. Zwischen dem Wohlstand eines Landes und der Geburtenrate besteht ein Zusammenhang. Unterhalb eines Pro-Kopf-Bruttoinlandproduktes von 2000 Euro pro Jahr bestehen hohe Geburtenraten. Wird diese Armutsschwelle überschritten, folgt diesem ein Absenken der Geburtenrate auf zwei bis drei Kinder und somit auf ein akzeptables Niveau.[14]

2.2 Ressourcenknappheit

Wirtschaftlicher Erfolg eines Betriebes, einer Stadt oder auch eines Staates misst sich an der wachsenden Zahl produzierter Güter. Damit einher geht unweigerlich ein stetig wachsender Materialverbrauch[15]. Allgemein erhofft man sich vom Wachstum vor allem ein größeres Wohlergehen, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Etablierung stabiler Sozialstaaten. Dennoch ist dieser Wunsch nach Verbesserung gewissermaßen Treibstoff, was den Verbrauch begrenzter Ressourcen angeht, da er zu einer erhöhten Produktion von Gütern beiträgt.[16] Um der Armut in Entwicklungs- und Schwellenländern entgegenzuwirken, bedarf es auch dort eines wirtschaftlichen Aufschwunges.[17]

Eine Studie des World Ressource Institute, welche 2002 erhoben wurde, stellte empirisch den Verbrauch von Papierprodukten pro Kopf und Jahr für verschiedene Länder gegenüber. Der Studie nach verbrauchte im Jahr 2002 der durchschnittliche Nordamerikaner 307 kg Papier. Demgegenüber verbrauchte ein Sudanese im Jahr 2002 nur ein Kilogramm Papier pro Jahr. Der Vergleich macht deutlich, dass der Verbrauch von Ressourcen in Industrieländern exorbitant höher ist als in den armen Ländern. Dennoch werden gerade die Schwellenländer ihr Wachstum vorantreiben und mit ihm einhergehend wird der Ressourcenbedarf weltweit weiter steigen.[18]

Zu den Rohstoffen, die heutzutage ein Industrieland benötigt, gehören neben Energieträgern wie Öl, Kohle, Gas und Uran auch Metalle, Baustoffe wie Sand, Düngemittel, Produkte aus der Land- und Forstwirtschaft sowie die nutzbare Bodenfläche im Allgemeinen und Wasser. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde vor dem Rückgang der Ressourcen gewarnt, jedoch drang erst im Jahre 1970 ins öffentliche Bewusstsein, dass viele der Ressourcen endlich sind.[19]

Jeder Bürger eines Industriestaates verbraucht eine immense Menge an Rohstoffen. Wir benötigen Baumaterialien zum Bau von Wohnraum, wir nutzen unzählige Alltagsgegenstände aus Metall und verbrauchen Unmengen an Energieträgern, um uns immer weiter und schneller fortzubewegen, um zu heizen oder Güter zu produzieren.[20] Allein die knapper werdende Ressource Sand stellt dabei eines von unzähligen Problemen dar. Wir benötigen Sand als Baugrundstoff für Straßen, Häuser und vieles mehr. Doch am Beispiel Sand lässt sich neben dem Schwinden der Ressource an sich noch etwas anderes beobachten. Zum Abbau von Sand kommen auch noch weitere Rohstoffe dazu, welche in nicht unendlicher Vielfalt vorhanden sind. So benötigen wir Maschinen, die den Sand abbauen und Öl oder Braunkohle für deren Stromversorgung. Zur Gewinnung von Strom durch Braunkohle bedarf es eines Kohlekraftwerks und für dessen Bau wird wiederum Sand benötigt. Diese Wechselwirkung, welche einer Kettenreaktion des Ressourcenverbrauchs gleichkommt, macht deutlich, wie wichtig der nachhaltige Umgang mit Ressourcen ist.[21]

Um den Ressourcenverbrauch einzelner Länder und deren Bewohner zu illustrieren, erschuf man den Begriff ökologischer Fußabdrucks. Dieser ergibt sich aus der Größe an produktiver Fläche von Land und Meer, die der Mensch benötigt, um seine Bedürfnisse an Sauerstoff, Nahrungsmitteln und Gegenständen zu decken und die Fläche, seiner späteren Abfallstoffe zu verarbeiten. 1,8 ha stellt die Erde uns zur Verfügung. Der durchschnittliche Verbrauch eines jeden Menschen liegt jedoch bei 2,2 ha und damit wird unser Planet zu 22% überbelastet.[22] Wie groß das ökologische Hinterland einer Großstadt wirklich ist, lässt sich an folgendem Beispiel erklären: Für die Bewohner der Großstadt Berlin wurde ein durchschnittlicher Fußabdruck von ca. 4,4 ha errechnet. Dies bedeutet, dass die dafür benötigte Fläche mehr als 15 Millionen ha ausmacht. Ordnet man diese Fläche um Berlin herum an, so würde diese bis zu den Städten Dresden, Braunschweig und Rostock reichen.[23] Stellen wir dahingegen den ökologischen Fußabdruck eines Berliners von 4,4 ha dem eines Inders von 0,7 ha gegenüber, so wird gerade in Bezug auf das steigende Wirtschaftswachstum von Schwellenländern wie beispielsweise Indien eine Ressourcenwende unabdingbar.[24]

2.3 Resümee

Zu den zentralen Problemfeldern des 21. Jahrhunderts, die den Nachhaltigkeitsdiskurs angeregt haben, zählen neben anderen Aspekten das Bevölkerungswachstum und die Ressourcenknappheit. Die Ressourcenknappheit lässt sich hauptsächlich darauf zurückführen, dass wirtschaftlicher Erfolg mit stetigem Wachstum verbunden und somit an die steigende Anzahl produzierter Güter gebunden ist. Dies führt unweigerlich zu erhöhtem Verbrauch begrenzter Ressourcen. Da der durchschnittliche Fußabdruck derzeit über dem liegt, was uns die Erde bereit stellt ohne sich zu überlasten, besteht ein Mehrverbrauch, der zu Lasten der nachfolgenden Generationen geht. Schwellenländer, die auf dem Weg zu Industrienationen sind, werden zunehmend mehr Rohstoffe benötigen, um das Wachstum, welches an die Produktion von Gütern gebunden ist, voranzutreiben. Wir befinden uns in einem Dilemma. Das Bevölkerungswachstum führt dazu, dass eine stetig steigende Anzahl an Menschen Zugriff auf endliche Ressourcen und Rohstoffe erlangt. Um das Bevölkerungswachstum in den Griff zu bekommen, bedarf es der Bekämpfung von Armut, was nur durch wirtschaftlichen Aufschwung erreicht werden kann. Dieser ist dann zwangsläufig mit einem erhöhten Verbrauch der noch bestehenden endlichen Ressourcen verbunden. Von daher gilt es, den Fokus von den endlichen auf regenerative Ressourcen zu legen und dabei eine Politik zu verfolgen, die in ihrem Kern auf die Senkung des Ressourcenverbrauchs abzielt. Außerdem muss dem exponen­tiellen Bevölkerungswachstum durch Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern entgegengewirkt werden.

3 Nachhaltigkeit

Zwei völlig unterschiedliche durch den Menschen hervorgebrachte Naturkatastrophen erschütterten die Welt: die atomare Katastrophe in Fukushima und der Skandal um die Bohrinsel Deepwater Horizon im Golf von Mexiko. Beide haben eines gemeinsam – die verheerenden Umweltschäden. Die Konsequenz dieser folgeschweren Schäden müssen von nachfolgenden Generationen mitgetragen werden. Durch die Kernexplosion in Fukushima kam es zu einer Verstrahlung des Unfallgebietes, welche das Gebiet für lange Zeit unbewohnbar macht. Bei der Bohrinsel der Ölgesellschaft BP strömten über zwei Monate lang rund 800 Millionen Tonnen Öl ins Meer und sorgten damit für die bisher schwerste Ölverseuchung, deren tatsächliche Auswirkungen wir bis heute noch nicht einschätzen können. Die Ursache ist bei beiden Szenearien gleich, nämlich das Vorhaben, sehr effizient und kostengünstig Energie zu gewinnen, um möglichst hohen Profit zu erwirtschaften. Eingriffe von Menschen in das komplexe System der Erde haben häufig unerwünschte Auswirkungen, vor allem dann, wenn der Eingriff durch Profitmaximierung erfolgt.[25]

Laut der Umweltorganisation WWF übersteigt unser Verbrauch die Regenerationsfähigkeit unseres Planeten um 30%. Führen wir dieses Verhalten unverändert fort, so würden wir schon bald einen zweiten Planeten benötigen, der unseren Bedarf an Nahrung, Energie und Rohstoffe decken kann.[26] Im Jahr 2012 wurden im Zeitraum von einem Jahr, Ressourcen und Ökosystemleistungen in so großer Menge in Anspruch genommen, dass sie einer Biokapazität von 1.6 Erden entsprach. Die Biokapazität, also die Kapazität eines Ökosystems, Materialien zu produzieren und durch den Menschen verursachte Abfälle zu absorbieren, ist also völlig überschöpft. Die Überschreitung der Nachfrage an Ressourcen gegenüber dem, was die Erde reproduzieren kann, besteht seit den frühen 1970er-Jahren.[27]

Eine übermäßige Umweltbelastung wie beispielsweise durch den Ausstoß von Treibhausgasen aufgrund des Konsumverhaltens der Menschheit kann vor allem in den Industrieländern beobachtet werden.[28] Wir führen regelrecht Raubbau an unserem Heimatplaneten. Wichtige Metalle werden knapp und fossilen Energiequellen werden nach heutigen Schätzungen und bei heutigem Verbrauch etwa 50 – 100 Jahre eingeräumt, fruchtbare Ackerböden verschwinden durch Erosion, Überdüngung oder Versalzung, die Meere sind überfischt und vieles mehr. Alles in allem zerstören wir die Natur. Für den überwiegenden Teil der heutigen Menschheit werden die Ausmaße nur geringe Auswirkungen haben. Folgegenerationen hingegen wird dieser unverantwortliche Umgang existenziell bedrohen.[29] Als unumstritten erweist sich daher, dass die Übernutzung unserer Erde fatale Folgen hat. Von daher sind vor allem die Volkswirtschaften gefordert, entsprechend zu reagieren und möglichst schnell ökonomische Antworten zu finden.[30]

Um dem Umwelt- und Ressourcenproblem entgegenzuwirken, entwickelte sich der Begriff Nachhaltigkeit und wird heute zunehmend als Leitidee der modernen Politik verstanden.[31] Das Schlagwort Nachhaltigkeit breitete sich in den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft, Wissenschaft sowie der Medien aus. Von einem einheitlichen Verständnis des Terminus Nachhaltigkeit zu reden, gestaltet sich allerdings als schwierig. Die Komplikation der begrifflichen Einordnung liegt dabei in der schier unendlichen Anwendungsvielfalt. Nachhaltigkeit findet sich im Zusammenhang mit Mobilität, Bevölkerungsentwicklung, Ernährung, Hausbau, Kunst, Werbung und vielen weiteren Bereichen wieder. Verwendet wird der Terminus von NGO´S wie Greenpeace, Brauereikonzernen, Politikern, Managern, Professoren und Endkonsumenten.[32] Dies führt dazu, dass die Verwendung des Terminus Nachhaltigkeit beinahe inflationäre Züge annimmt.[33] Die zum Modewort geratene Bezeichnung Nachhaltigkeit zu bestimmen wird durch die Anwendungen in unterschiedlichen Fachgebieten erheblich erschwert. Der Begriff Nachhaltigkeit wird synonym mit dem Begriff der nachhaltigen Entwicklung verwendet. Jedoch unterscheidet er sich von letzterem darin, dass Nachhaltigkeit eher neutral ist und sich auf den Erhalt ökologischer Bestände ausrichtet. Der Begriff nachhaltige Entwicklung hingegen lässt ökonomische und soziale Komponenten erahnen.[34]

Der Begriff Nachhaltigkeit beschreibt in seinem ursprünglichen Sinn die Nutzung eines natürlichen Systems auf die Art, dass sie in ihren wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und sich deren Bestand wieder erholen kann.[35] Ein anderer Versuch, den Begriff „Nachhaltigkeit“ zu definieren, stammt aus dem sogenannten „Brundtland-Bericht“, auf den ich im noch folgenden Kapitel zum Thema der Geschichte der Nachhaltigkeit eingehen werde. Nachhaltige Entwicklung wird hierbei als eine Entwicklung beschrieben, welche die Gegenwart befriedigt, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass künftige Generationen ihre jeweiligen Bedürfnisse nicht mehr stillen können. Mittelpunkt dieser Aussage ist demnach der Mensch als Individuum, der angehalten wird, die individuellen Bedürfnisse zu stillen, ohne dabei die Bedürfnisse zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen.[36] Marius Christen (2013) hingegen sieht davon ab, eine klare Definition vorzuschlagen, da er die Auffassung vertritt, dass weder die Philosophie, noch eine andere Wissenschaft im Stande sei, den Bedeutungsgehalt des Begriffs festzulegen. Vielmehr erörtert er, was unter der Idee der Nachhaltigkeit unserem heutigen Verständnis nach verstanden wird. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass die Idee der Nachhaltigkeit auf zwei Prinzipien beruht. Zum einen auf dem gerechtigkeitstheoretischen und zum anderen auf dem integrativen Prinzip. Das gerechtigkeitstheoretische Prinzip besagt, dass allen Menschen in Gegenwart und Zukunft die Chance gegeben werden muss, ein gutes Leben zu führen. Den gegenwärtig lebenden Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen, ohne dabei den folgenden Generationen ihr gutes Leben zu berauben, entspricht damit der formalen Struktur der Idee von Nachhaltigkeit.[37]

3.1 Zur Geschichte von Nachhaltigkeit

Der Begriff Nachhaltigkeit ist populär, doch woher er stammt, auf wessen Konzept er basiert und welche Entwicklung Nachhaltigkeit vollzog soll im Folgenden in einer schrittweisen Abhandlung über den historischen Verlauf erläutert werden.

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ entstammt der deutschen Forstwirtschaftslehre des 18. Jahrhunderts. Carl von Carlowitz war zu Zeiten von August des Starken ein Oberberghauptmann in Sachsen. Die Bergbaustädte waren aufgrund des enormen Verbrauchs an Holz für den Bergbau und Hüttenbau häufig entwaldet. Holz musste über weite Strecken transportiert werden, was den Materialpreis in die Höhe trieb und die Sorge vor der Knappheit des nachwachsenden Rohstoffs schürte.[38] Von Carlowitz trug zur Problemlösung bei, indem er veranlasste, nur so viel Holz zu schlagen wie durch gezielte Aufforstung nachwuchs. Er forderte einen Rückgang der Nutzung, im Bewusstsein darüber, dass selbst eine nachwachsende Ressource nicht unendlich verfügbar ist.[39] 1713 erschien sein Werk Sylvicultura oeconomica, in der von Carlowitz verschiedene Maßnahmen empfiehlt, um die Ressource Holz nachhaltig zu schonen. Maßgeblich wird in dem Werk darauf hingewiesen, von den Erträgen der Ressource Holz und nicht von der Substanz selber zu zehren.[40]

Der Club of Rome, ein Zusammenschluss von Experten, die sich für eine nachhaltige Entwicklung der Menschheit einsetzt, publizierte 1972 ein Buch unter dem Namen Die Grenzen des Wachstums mit düsteren Zukunftsaussichten für die Menschheit.[41] In ihrem Bericht warnten die Autoren ihre Leser:

„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde in den nächsten hundert Jahren erreicht.“[42]

Sollte es keine gravierende politische Änderung geben, so sagten die Autoren, wird die Menschheit noch vor 2100 in einen kümmerlichen Zustand zurückfallen. Das Zukunftsszenario sah ein Absinken der Bevölkerung, Deindustrialisierung, Kriege und ein Rückfall in einfachste Lebensverhältnisse voraus. Ein besonderes Augenmerk der Prognosen lag auf dem Zur-Neige-Gehen wichtiger Rohstoffe.[43] Nachhaltigkeit erlangte zunehmend an Bedeutung und das Buch fand vor allem in überbevölkerten Ländern reißenden Absatz. Die Wissenschaft plädierte für einen weltweiten Gleichgewichtszustand, welcher nur durch weltweit gemeinsam verabschiedete Maßnahmen erreicht werden könne.[44]

1983 riefen die Vereinten Nationen erstmals eine Kommission ins Leben, die beauftragt wurde, einen Perspektivbericht zu langfristig umweltschonender Entwicklung bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus anzufertigen. Der Brundtland-Bericht, nach seiner Vorsitzenden Gro Harlem Brundtland benannt, trägt den Titel Unsere gemeinsame Zukunft und wurde 1987 fertiggestellt. Aus diesem Bericht entstand die bis heute weitestgehend verwendete Definition von nachhaltiger Entwicklung.[45] Die Kommission legte fest:

„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährleistet, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, als gegenwärtig lebende“[46]

Nach Ansicht der Kommission gibt es länderspezifisch unterschiedliche Ziele, was die nachhaltige Entwicklung betrifft. In den Entwicklungsländern sollte die Armut bekämpft werden, während in den Industrieländern der materielle Wohlstand mit dem Erhalt der Natur in Einklang gebracht werden sollte.[47] Durch den Brundtland-Bericht wurde erstmals einer breiten Öffentlichkeit nahegebracht, dass globale Umweltprobleme hauptsächlich aus dem Konsum und der Produktion ohne Berücksichtigung von Nachhaltigkeit im Norden und der großen Armut im Süden resultieren.[48] Eine weitere Empfehlung der Brundtland-Konferenz bestand darin, dass eine internationale Konferenz einberufen werden sollte, die sich mit den jeweiligen Fortschritten und weiteren Handlungsempfehlungen auseinandersetzen sollte.[49]

Der Brundtland-Bericht war die Ausgangslage für die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung, auch Erd-Gipfel, Rio-Gipfel oder Weltumwelt-Konferenz genannt. Diese fand 1992 in Rio De Janeiro statt. Besonderheit dieser Zusammenkunft war der Umfang von 12 Tagen und die rege Beteiligung von 178 Staaten, 2400 Vertretern von NGOs und 17000 Menschen, die am parallel stattfindenden NGO-Forum teilnahmen. Die Zielsetzung der Konferenz bestand darin, die Weichen für eine weltweit nachhaltige Entwicklung zu stellen. Die Aufgabe war die, ein Abkommen über Umwelt und Entwicklungsanliegen anzufertigen, welches weltweit verbindlich ist.[50] Als Ergebnis wurden in Rio sechs Dokumente verfasst, die Nachhaltigkeit formaljuristisch verankert haben.

- Die Deklaration von Rio über Umwelt und Entwicklung: Die 27 Prinzipien der Rio-Deklaration verankern das Recht auf nachhaltige Entwicklung im globalen Kontext. Als grundlegende Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung werden die Bekämpfung der Armut, eine bedachte Bevölkerungspolitik, das Eindämmen von nicht nachhaltigen Konsum- und Produktionsweisen und die Einbeziehung der Bevölkerung in politische Entscheidungsprozesse explizit genannt.
- Die Klimaschutz-Konvention sieht vor, dass die Belastung mit Treibhausgasen soweit verringert wird, dass sie eine gefährliche Störung des Klimas verhindert.
- Die Biodiversitätskonvention ist ein Abkommen, das zum Schutz der biologischen Vielfalt verabschiedet wurde. Die Länder haben das Recht über ihre biologischen Ressourcen zu verfügen, stehen aber auch in der Verantwortung ihre biologische Vielfalt zu erhalten und sie auf nachhaltige Weise zu nutzen.
- Die Walddeklaration stellt Leitsätze für die Bewirtschaftung und nachhaltige Entwicklung der Wälder der Erde auf. Eine verbindliche Waldkonvention, die von den Industrieländern verlangt wurde, war durch massiven Widerstand durch die Entwicklungsländer jedoch zum Scheitern verurteilt.
- Die Agenda 21 sieht vor, dass die Nationalstaaten die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung in Form von Strategien, nationalen Umweltplänen und nationalen Umweltaktionsplänen durchsetzen und in diesen Prozess auch andere Institutionen wie NGOs miteinbezogen werden sollen.
- Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung: Es wurde ein regierungsübergreifendes Verhandlungskomitee gegründet, dessen Aufgabe die Vorbereitung einer Konvention zur Bekämpfung von Wüstenbildung in den Ländern mit schwerer Dürre war. Wenig später beschloss dieses Komitee die Konvention zur Bekämpfung von Wüstenbildung.[51]

Eines der zentralen Dokumente, das in der Rio-Konferenz herausgearbeitet wurde, ist die Agenda 21. Sie gilt als das Entwicklungs- und umweltpolitische Aktionsprogramm des 21. Jahrhunderts und wurde von 172 Landesvertretern unterzeichnet.[52] Die Agenda 21 zeigt konkrete Ziele auf, wie Nachhaltigkeit in den verschiedenen Bereichen umgesetzt werden kann und gibt dazu Handlungsanweisungen. Ökologische Notwendigkeiten und entwicklungspolitische Einsichten werden hier zusammengefasst und beide politische Bereiche formieren sich zu einem gemeinsamen.[53] Die Umsetzung der Agenda 21 wird den jeweiligen Regierungen zugeschrieben und dabei eine umfassende Beteiligung der Bevölkerung vorausgesetzt. Dies impliziert, dass an diesem langfristigen Lernprozess auch Kinder und Jugendliche sowie deren Institutionen teilnehmen.[54]

Die Millenniumsziele bestehen aus 8 Zielen, die im Jahr 2000 bei einer Sitzung der Vereinten Nationen in New York verabschiedet wurden. Das Hauptziel bestand darin, die weltweite Armut auf die Hälfte zu reduzieren und dies mitsamt den anderen Zielen, bis 2015 zu erreichen.[55] Die Ziele untergliederten sich in:

- Die Bekämpfung des Hungers und der extremen Armut. Die Zahl der Menschen, die von weniger als einem US-Dollar am Tag leben und die an Hunger leiden, soll halbiert werden.
- Allen Kindern soll eine vollständige Grundschulbildung gewährleistet werden.
- Die Gleichheit der Geschlechter und die Stärkung der Frau soll angestrebt werden.
- Die Kindersterblichkeitsrate von Kindern unter 5 Jahren soll um zwei Drittel gesenkt werden.
- Die Gesundheitsversorgung von Müttern soll verbessert und somit deren Sterberate um drei Viertel gesenkt werden.
- Die Bekämpfung schwerer Krankheiten wie HIV/ AIDS und Malaria soll vorangetrieben werden.
- Die Sicherung einer ökologischen Nachhaltigkeit soll erreicht werden. Nationale Politik soll die Grundsätze nachhaltiger Entwicklung übernehmen. Der Verlust von Umweltressourcen soll eingedämmt werden. Es soll eine Halbierung der Anzahl an Menschen geben, welche keinen nachhaltigen Zugang zu sauberem Trinkwasser besitzen, sowie bis 2020 eine wesentliche Verbesserung der Lebenssituation von mindestens 100 Millionen Slumbewohnern erreicht werden.
- Die ökonomische Nachhaltigkeit soll gesichert werden. Es soll auf die besonderen Bedürfnisse der wenig entwickelten Länder eingegangen werden und dort mit der Schaffung von menschenwürdigen Arbeitsplätzen, von großzügiger Entwicklungshilfe und Schuldenerlass für verbesserte Bedingungen gesorgt werden.[56]

Das Nachhaltigkeitsverständnis, welches heute vorherrscht, basiert vorwiegend auf dem Brundtland-Bericht und der Agenda 21. Dies zeigt sich darin, dass vorwiegend national wie auch international in Berichten und Artikeln auf eine der beiden Quellen verwiesen wird.[57] Die grundliegende Idee von Nachhaltigkeit ist formuliert und wurde der Öffentlichkeit präsentiert. Neben den hier aufgezählten Stationen ist auf nationalen wie auch internationalen Konferenzen viel diskutiert und beschlossen worden. Es wurden Ziele und Strategien entwickelt, die teilweise auch umgesetzt wurden, jedoch sind wir von einer Verwirklichung der angestrebten Ziele noch weit entfernt.[58]

3.2 Dimensionen von Nachhaltigkeit

Zur Umsetzung von Nachhaltigkeit wird häufig auf das Drei-Säulenmodell verwiesen. Bei sämtlichen nachhaltigen Prozessen jeder Art, soll der soziale, der ökonomische und der ökologische Aspekt berücksichtigt werden.[59]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Das Drei-Säulen-Modell

Eigene Darstellung in Anlehnung an Pufé 2012

Im politischen System hat sich daher das Drei-Säulen-Modell durchgesetzt und wurde unter anderem von der Enquete Kommission Schutz des Menschen und der Umwelt (1998) als konzeptionelle Grundlage gewählt. Es besagt, dass Nachhaltigkeit eine Integration der drei Säulen, also sowohl ökonomischer als auch ökologischer und sozialer Interessen, erfordert. Die Enquete-Kommission orientierte sich am Drei-Säulenmodell und kam zu dem Entschluss, dass Nachhaltigkeitsstrategien nur dann eine Realisierungschance besitzen, wenn neben der ökologischen auch die ökonomischen und sozialen Politikfelder dem Paradigma folgen.[60] Die ökologische Dimension ist mit der Frage verbunden, ob heutige Gesellschaften auf Kosten der Natur leben, welche Natur es zukünftigen Generationen zu hinterlassen gilt und allgemein um die Untersuchung anthropogen beeinflusster Ökosysteme sowie deren Ursachen und Folgen. Des Weiteren geht es um Grundsätze, an denen sich ein nachhaltiges Management der Ökosysteme orientieren soll, die durch die Enquete-Kommission formuliert wurden. Die ökonomische Säule lässt sich in zwei Argumentationslinien unterteilen. Zum einen darin, wie das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Natur sein soll und zum anderen mit Voraussetzungen der nachhaltigen Funktionsfähigkeit im Allgemeinen. Da die Kapazitäten unseres Planeten bekanntlich begrenzt sind und sich unterschiedliche Nutzungsansprüche ergeben, stellt die ökonomische Betrachtung die Bewertungs- und Abwägungsprozesse um die Naturnutzung in den Mittelpunkt. Den künftigen Generationen soll der gleiche Nutzen ermöglicht werden wie den Gegenwärtigen. Innerhalb dessen, welcher Umweltkapitalstock den Folgegenerationen überlassen werden soll, stehen sich Vertreter von starker und von schwacher Nachhaltigkeit gegenüber und sind im ständigen Diskurs. Starke Nachhaltigkeit vertritt die Position, dass ausschließlich erneuerbare Ressourcen genutzt werden dürfen, um den Folgegenerationen den natürlichen Kapitalstock zu übergeben. Schwache Nachhaltigkeit geht davon aus, dass ein System nachhaltig ist, solange das Gesamtkapital, welches sich aus natürlichen Ressourcen, Human- und Sachkapital zusammensetzt, gleichbleibt. Der Rückgang natürlicher Lebensräume ist in dieser Vorstellung nachhaltig, solange er durch steigendes Kapital in den anderen Bereichen ausgeglichen wird. Neben Fragen der Naturnutzung sind aber auch allgemeine ökonomische Fragen anzuführen, welche für die Nachhaltigkeit des ökonomischen Systems relevant sind. Dies betrifft überwiegend wirtschaftspolitische Ziele wie Geldwertstabilität, Vollbeschäftigung sowie konjunkturelle und außenwirtschaftliche Ausgeglichenheit. Die Soziale Säule fristete in bisherigen Fragen zu Nachhaltigkeit ein eher unauffälliges Dasein. Dennoch ist sie unabdingbar für die Realisierung nachhaltigen Handelns, da es für die Bevölkerung schwierig ist nachzuvollziehen, warum sie beispielsweise Wohlfahrtsverluste zugunsten langfristiger Entwicklungsziele hinnehmen sollen. Daraus ergibt sich, dass sämtliche Nachhaltigkeitsstrategien ganz besonders Sozialverträglichkeitsaspekte innerhalb der Industriestaaten berücksichtigen sollten. Innerhalb der sozialen Dimension tritt Gerechtigkeit und Sozialverträglichkeit in das Zentrum nachhaltigen Handelns. Gemeint sind damit unter anderem die Befriedigung der Grundbedürfnisse aller Gesellschaftsmitglieder, soziale Sicherheit, Chancengleichheit und Partizipation an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen.[61] Wie stark sich Wirtschaft, Umwelt und Soziales in einer globalisierten Welt bedingen und welche Konflikte mit ihr einhergehen können, zeigt sich beispielhaft an der Hungerkrise in Mexiko, ausgelöst durch die Biosprit-Förderung. Bis im Jahr 1994 deckte das Land Mexiko seinen Bedarf an Mais, dem Hauptnahrungsmittel der Mexikaner, durch die eigene Produktion. In Folge des Freihandelsabkommens Mexikos mit den USA, brach die heimische Maisproduktion zusammen, da die subventionierten Maisproduzenten aus den USA ihren Mais günstiger als die heimischen Bauern anbieten konnten. Seit dem Jahr 2007 verkauften die Maisprodu­zenten ihren Mais jedoch nicht mehr an die mexikanische Bevölkerung, sondern boten ihn auf dem Weltmarkt den Herstellern von Biosprit an. Die Nachfrage der Biosprithersteller war enorm gestiegen, unter anderem weil sich die USA den erneuerbaren Energien zugewandt hatten. Der Weltmarktpreis für Mais schnellte nach oben und führte zu großem Hunger innerhalb der mexikanischen Bevölkerung. Dies zeigt, wie notwendig die Gleichrangigkeit der drei Säulen zu behandeln ist, denn wendet man sich einer vermehrt zu und vernachlässigt dabei eine andere, besteht keine nachhaltige Entwicklung.[62]

In der öffentlichen Diskussion wird unter Nachhaltigkeit meist nur die ökologische Nachhaltigkeit verstanden. Diese ist jedoch ohne die anderen beiden Säulen nicht zu realisieren. In Deutschland führt die ökologische Nachhaltigkeit beispielsweise zu einer Energiewende in Bezug auf Strom und Zwangsmaßnahmen zum Energiesparen in Häusern und Mietswohnungen. Diese Kosten werden auf die Mieter umgelegt und führen zunehmend zu Problemen für einkommensschwache Haushalte. Die Energiewende führt zu einer Ungleichheit von Arm und Reich zugunsten der Reichen. Zahlungskräftige Bürger investieren in Windparks oder Fotovoltaikanlagen und erhalten dafür vom Staat Subventionen. Die daraus entstehenden Mehrkosten werden wiederum auf die gesamte Bevölkerung umgelegt. Dieses Beispiel ökologischer Nachhaltigkeit sorgt für einen Verstoß gegen die Grundsätze unseres modernen Sozialstaates.[63] Hier setzt auch eine der Kritiken am Drei-Säulen-Modell an. Betrachtet man das Modell als Gebäude, bei dem das Dach der Nachhaltigkeit von den drei Säulen getragen wird, so kann man zu der Einschätzung kommen, dass sich bei ausreichender Stärke der zwei Verbleibenden jeweils eine der Säulen entnehmen ließe, ohne dass dabei das Dach der Nachhaltigkeit einstürzen würde.[64] Felix Ekardt kritisiert in seinem Werk Theorie der Nachhaltigkeit (2016), dass eine Trennung der relevanten Bereiche in die Aspekte ökologischer, ökonomischer und sozialer Aspekte kaum möglich sei. Er vermisst dabei die definitorische Klarheit. Dies lässt sich treffend am Beispiel Gesundheit darstellen. Ist Gesundheit ein soziales Ziel oder ein ökologisches Ziel oder kann es letztendlich als ökonomisches Ziel angesehen werden, da durch sie medizinische Kosten gespart werden?[65] Ein weiterer Mangel neben dem der schwierigen Operationalisierbarkeit des Modells besteht darin, dass sich keine praktischen Konsequenzen daraus ableiten lassen. Der Sachverständigenrat für Umwelt sprach dem Modell im Jahr 2002 die Orientierungsfunktion ab, da es zu einem dreisäuligen „Wunschzettel“ verschiedener Akteure verkommen sei. So könne mittlerweile jeder Akteur auf diese Art Wunschzettel eintragen, was er für wichtig hält. Auf lokaler Ebene ist dies zu beobachten, wenn beispielsweise der Warmbadetag der Senioren im örtlichen Hallenbad oder die Betreuungszeiten im Kinderhort dem Spektrum nachhaltige Entwicklung zugeordnet werden. Die Autoren Ott und Döring (2004) fügen daher an, dass es sich bei dem Drei-Säulen-Modell um den großen Weichspüler der Nachhaltigkeitsidee handele.[66]

[...]


[1] Vgl. Steffen 2008, S.17

[2] Vgl. Hutter/Blessing/Köthe 2012, S.10

[3] Vgl. Hutter/Blessing/Köthe 2012, S.10

[4] Vgl. Waldmann 2004, S.101

[5] Vgl. Bevölkerungsentwicklung 2017

[6] In dieser Arbeit werden geschlechtsneutrale Formulierungen bevorzugt verwendet. An den Stellen, an denen dies nicht möglich ist, verzichte ich von daher auf die konsequente Benennung beider Geschlechter und verwende das generische Maskulinum.

[7] Vgl. Pufé 2012, S. 73

[8] Vgl. Bevölkerungsentwicklung 2017

[9] Vgl. Pufé 2012, S.73

[10] Vgl. Jäger 2007, S.32

[11] Vgl. Pufé 2012, S.73

[12] Vgl. Hutter/ Blessing/ Köthe 2012, S.151

[13] Vgl. Ganteför 2015 S.56

[14] Vgl. Ganteför 2015, S.55

[15] Vgl. Schmidt-Bleek 2014, S.20

[16] Der im folgenden verwendete Begriff „Ressourcen“ bezieht sich hierbei ausschließlich auf „natürliche Ressourcen“.

[17] Vgl. Ekardt 2017, S. 32

[18] Vgl. Pufé 2012, S. 70f

[19] Vgl. Hutter/ Blessing/ Köthe 2012, S.122

[20] Vgl. Hutter/ Blessing/ Köthe 2012, S.123

[21] Vgl. Schmidt-Bleek 2014, S.21

[22] Vgl. Hutter/ Blessing/ Köthe 2012, S.123

[23] Vgl. Jäger 2007, S.123 f.

[24] Vgl. Hutter/ Blessing/ Köthe 2012, S.123

[25] Vgl. Pufé 2012, S.13f.

[26] Vgl. Hutter/ Blessing/ Köthe 2012, S.24

[27] Vgl. Living Planet Report 2016, S.24

[28] Vgl. Kühling 2014, S.23

[29] Vgl. Hutter/ Blessing/ Köthe 2012, S.25

[30] Vgl. Living Planet Report 2016, S.24

[31] Vgl. Eckardt 2011, S. 65f.

[32] Vgl. Pufé 2012, S.15

[33] Vgl. Ott/Döring 2004, S. 18

[34] Vgl. Kühling 2014, S.38

[35] Vgl. Pufé 2012, S. 28

[36] Vgl. Hutter/ Blessing/ Köthe 2012, S.18

[37] Vgl. Christen 2013, S.82f.

[38] Vgl. Ott/ Döring 2004, S. 20

[39] Vgl. Christen 2013, S.34

[40] Vgl. Ott/ Döring 2004, S.19f.

[41] Vgl. Ott/ Döring 2004, S.25

[42] Meadows et al. 1972, S.17

[43] Vgl. Ott/Döring 2004, S.25

[44] Vgl. Pufé 2012, S.32

[45] Vgl. Jäger 2007, S.55f.

[46] Pufé 2012, S. 36

[47] Vgl. Jäger 2007, S. 57

[48] Vgl. Pufé 2012, S.36

[49] Vgl. Grundmann 2017, S.21

[50] Vgl. Pufé 2012, S.42

[51] Vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit 2015, o.S.

[52] Vgl. Pufé 2012, S.47

[53] Vgl. Grundmann, S.22

[54] Vgl. Brilling/Kleber 1999, S.12f.

[55] Vgl. Pufé 2012, S. 49

[56] Vgl. Jäger 2007, S.62f.

[57] Vgl. Grundmann, 2017, S.22

[58] Vgl. Jäger 2007, S.64

[59] Vgl. Pufé 2012, S.109

[60] Vgl. Abschlussbericht 1998, S.32

[61] Vgl. Brunner 2007, S.3f.

[62] Vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit 2015

[63] Vgl. Ganteför 2015, S.151f.

[64] Vgl. Pufe 2012, S.111

[65] Vgl. Ekardt 2016, S.69

[66] Vgl. Ott/ Döhring 2004, S. 36

Excerpt out of 96 pages

Details

Title
Nachhaltigkeit in einer Konsumgesellschaft. Wie nachhaltiger Konsum aussieht
Author
Year
2019
Pages
96
Catalog Number
V492463
ISBN (eBook)
9783960957362
ISBN (Book)
9783960957379
Language
German
Keywords
Nachhaltigkeit, Klimawandel, Konsum, Umweltschutz, Recycling, Buen Vivir, Zero Waste, Bildung für Nachhaltige Entwicklung, BNE, Ressourcenknappheit
Quote paper
Tillmann Schäfer (Author), 2019, Nachhaltigkeit in einer Konsumgesellschaft. Wie nachhaltiger Konsum aussieht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/492463

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