Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Diskursanalyse, keine soziohistorische Betrachtung. Die Literatur und die in ihr behandelten Phänomene werden also als im Grundsatz eigenständig und nicht als bloße Spiegel realer Vorgänge in der Gesellschaft angesehen. Dennoch ist insbesondere die Verortung des Geschehens der hier ausgewählten Werke in Berlin – der Stadt to be Ende des 19. Jahrhunderts – nicht zufällig und schon gar nicht nebensächlich. Ähnlich wie es heute bei Gegenwartsromanen einen Unterschied macht, ob der junge Protagonist durch ein nächtliches Neukölln streift oder durch Castrop-Rauxel, so bestimmt der Ort auch bei Fontanes Werken den Grundton der Erzählung und die Lebenswelt der Figuren. Weil aber nicht allein durch die Nennung der Stadt eine lebendige Kulisse entsteht, muss Personal her – und zwar diejenigen, die unumgänglich sind und unvermeidbar zum Alltag in einer Großstadt gehören: Vermieter und ihre neugierigen Gattinnen, Hausmeister, Nachbarinnen, Dienstboten und Mägde.
Theodor Fontanes Berliner Romane erzählen Geschichten aus dem wilhelminischen Berlin kurz vor der Jahrhundertwende. Die bei dieser Arbeit im Zentrum stehenden Werke "Irrungen, Wirrungen", "Stine" und "Mathilde Möhring" schildern Alltagsgeschichten: Eine Liebesbeziehung und ihr Ende, einen Todesfall und eine bürgerliche Karriere. "Es ist nichts Aufregendes, der Inhalt wäre schnell rekapituliert" (Tanzer 5), will man sagen. Aber "Fontanes Texte sind Kunstwerke, da sie neben einer leicht zugänglichen Oberfläche" (Tanzer 5) eben noch mehr bieten, was eine Betrachtung der Texte immer wieder lohnend erscheinen lässt. Fontane propagierte "die ungeschminkte Widergabe des wirklichen Lebens bis zu dem Punkt hin, wo das Hässliche beginnt, das […] nicht in die Kunst gehört" (Jolles 48) und schaffte so Portraits der wilhelminischen Gesellschaft.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Struktureller Aufbau der Arbeit
- Forschungsstand
- Werkauswahl - Berliner Romane
- Irrungen, Wirrungen (1887)
- Stine (1890)
- Frau Jenny Treibel (1892)
- Mathilde Möhring (unvollendet, posthum 1906)
- Siglen
- Die Art der Figurendarstellung
- Die Bedeutung des „Vielheitsromans“ für die Nebenfiguren
- Individuell oder typisch?
- Direkte und Indirekte Charakterisierungen
- Die gesellschaftlichen Milieus in der Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts
- Das Kleinbürgertum
- Spießbürger
- Bildungsbürgertum
- Großbürgertum
- Aristokratie
- Die Nebenfiguren in aller Kürze
- Frau Dörr: Die Gärtnersfrau (IW)
- Herr Dörr: Der Gärtner (IW)
- Pauline Pittelkow: Die Schwester (ST)
- Frau Polzin: Die Vermieterin (ST)
- Herr Polzin: Der Vermieter (Stine)
- Adele Möhring: Die Mutter (MM)
- Die Runtschen: Die Haushaltshilfe (MM)
- Rechnungsrat Schulze: Der Vermieter (MM)
- Frau Schulze: Die Vermieterin (MM)
- Die Eigenschaften der Nebenfiguren
- Bigotterie-Schein und Sein
- Bildung und der Mangel daran
- Sprache und Sprechweisen
- Aussehen und Auftreten
- Tradition, Gewohnheit, Starre
- Namen und Benennung
- Die Funktionen der Nebenfiguren
- Sozialer Kontext und Kommentarfunktion
- Kontrast von Beziehungen
- Erzählinstanz
- Kritik am Bürgertum
- Sonstige Funktionen
- Buffer zone
- Comic relief
- Romantisierung
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit beschäftigt sich mit der Analyse ausgewählter Nebenfiguren in Theodor Fontanes Berliner Romanen. Ziel ist es, deren Funktion im Gesamtkontext der Romane zu untersuchen und ihre Bedeutung für die Darstellung des wilhelminischen Berlins zu beleuchten.
- Die Darstellung des sozialen Milieus in Fontanes Berliner Romanen
- Die Charakterisierung der Nebenfiguren als Vertreter bestimmter gesellschaftlicher Schichten
- Die Funktionen der Nebenfiguren als erzählerische Elemente und als Kommentar zur Gesellschaft
- Die literarische Gestaltung der Nebenfiguren und ihre Rolle in der Entwicklung der Handlung
- Die Bedeutung des „Vielheitsromans“ für die Darstellung der Nebenfiguren
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt das Thema der Arbeit und die Forschungsfrage vor. Sie erläutert den Kontext der Arbeit und stellt den Stand der Forschung dar.
- Struktureller Aufbau der Arbeit: Dieses Kapitel beschreibt die methodische Vorgehensweise der Arbeit und die einzelnen Schritte der Analyse.
- Forschungsstand: Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die bestehende Forschungsliteratur zu den Nebenfiguren in Fontanes Berliner Romanen.
- Die Art der Figurendarstellung: Dieses Kapitel untersucht, wie Fontane die Nebenfiguren in seinen Romanen darstellt und welche Methoden er dabei einsetzt.
- Die gesellschaftlichen Milieus in der Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts: Dieses Kapitel analysiert die verschiedenen gesellschaftlichen Milieus, die in Fontanes Berliner Romanen vorkommen.
- Die Nebenfiguren in aller Kürze: Dieses Kapitel stellt die wichtigsten Nebenfiguren aus den ausgewählten Romanen vor und gibt einen kurzen Überblick über ihre Funktion.
- Die Eigenschaften der Nebenfiguren: Dieses Kapitel analysiert die verschiedenen Eigenschaften der Nebenfiguren, z.B. ihre Bildung, ihre Sprache und ihr Auftreten.
- Die Funktionen der Nebenfiguren: Dieses Kapitel untersucht die Funktionen der Nebenfiguren in den Romanen, z.B. als sozialer Kommentar, als Kontrastfigur oder als erzählerische Elemente.
Schlüsselwörter
Nebenfiguren, Theodor Fontane, Berliner Romane, wilhelminisches Berlin, gesellschaftliche Milieus, Charakterisierung, Funktion, Vielheitsroman, Figurendarstellung, Sozialer Kommentar, Kontrastfigur, Erzählinstanz, Kritik am Bürgertum.
- Citation du texte
- Lisa Gutman (Auteur), 2018, Zur Funktion ausgewählter Nebenfiguren in Theodor Fontanes Berliner Romanen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/493595