Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theorie
2.1. Theoretischer Hintergrund
2.2. Fragestellung und Hypothese
3. Methode und Durchführung
4. Ergebnisse und Diskussion
5. Reflexion
6. Literaturverzeichnis
Anhang
Bogen zur Ermittlung der Profilstufe (Grießhaber)
Ergebnisse Prä- und Posttest
1. Einleitung
„Für eine individuelle Sprachförderung bei mehrsprachigen Kindern werden Verfahren zur Erfassung sprachlicher Kompetenzen benötigt, mit deren Hilfe Potentiale und Lernschwierigkeiten so erfasst werden können, dass sie als Grundlage zur Förderung dienen können.“ (Jeuk, 2015, 82)
Die sprachlichen Fähigkeiten der Schüler1 geraten immer mehr in den Fokus der bildungsdidaktischen Debatten. Der Bildungserfolg der Schüler ist stark von ihren sprachlichen Kompetenzen abhängig. Dies haben insbesondere Bildungsstudienvergleiche wie PISA und IGLU belegt. Schüler mit Migrationshintergrund weisen deutlich schlechtere sprachliche Kompetenzen auf als Schüler ohne Migrationshintergrund. Dadurch sind sie in ihren Bildungschancen benachteiligt (Baumert & Schüler, 2001, 385), weshalb sie einer Hürde für ihre Bildungskarriere gegenüberstehen. Die sprachlichen Barrieren führen dazu, dass ihre Chancen auf eine qualifizierte Ausbildung erheblich eingeschränkt werden.
Insbesondere Hauptschulen, die einen hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund vorweisen, haben immer wieder mit den sprachlichen Defiziten der Schüler zu kämpfen, weshalb standardisierte Diagnoseverfahren immer mehr an Bedeutung gewinnen. Mit diesen Verfahren wird zunächst die Ermittlung der Deutschkenntnisse der Schüler ermittelt. Danach folgt mit der Sprachstanderhebung der Schüler, je nach Bedarf, eine individuelle Förderung, um ihre Defizite im Sprachgebrauch zu beheben. Da meine Praxisschule eine Integrationsklasse für geflüchtete Schüler eingerichtet hatte, kommt es regelmäßig dazu, dass die Schüler mit Migrationshintergrund nach Erlangung der Grundkenntnisse in den Regelklassen aufgenommen werden. Da aber ihre Sprachkenntnisse trotzdem teilweise sehr beschränkt sind, ergab sich für mich die Gelegenheit, mit ausgewählten Schülern ein Förderprogramm durchzuführen. Ein Prä- und Posttest sollte den Nutzen des durchgeführten Förderprogramms verdeutlichen.
2. Theorie
2.1. Theoretischer Hintergrund
Die wachsende Heterogenität im schulischen Kontext hat einen wachsenden Förderbedarf der Schüler zur Folge. Um den sprachlichen Defiziten entgegenzuwirken, wurden zahlreiche Verfahren zur Förderung der Schüler entwickelt, die in der schuldidaktischen Forschung diskutiert werden. Insbesondere „informelle“ Verfahren, wie das Screening Verfahren, das der Ermittlung der Sprachkenntnisse und Lernvoraussetzung dient, haben sich in der Forschung etabliert (Jeuk, 2005, 86). Die Verfahren sollen nicht nur den gegenwärtigen Stand des Sprachgebrauchs ermitteln, sondern darüber hinaus die Entwicklung des förderdiagnostischen Prozess in Betracht ziehen. Das bedeutet, dass insbesondere weitere Förderungsmaßnahmen für das weitere Vorgehen von großer Bedeutung sind. Wie aus der generativen Grammatik entnommen werden kann, werden Erkenntnisse für den Zweitspracherwerb aus syntaktischen Erscheinungen gewonnen (Clahsen et al., 1973, 83). Zu den syntaktischen Erscheinungen zählt insbesondere die Stellung des finiten Verbs als Erwerbssequenz des Deutschen. Dies haben zahlreiche Studien bezüglich des Zweitspracherwerbs belegt. Das finite Verb als Erwerbssequenz habe sich als widerstandsfähig bewährt und gelte somit als Indikator zur Beurteilung der Deutschkenntnisse (Clahsen et al., 1983, 83). Da die Profilanalyse nach Grießhaber über die Sprachdiagnostik zum jüngsten Stand der Forschung zählt, wird im Folgenden darauf eingegangen.
Seine Profilanalyse dient der Ermittlung eines syntaktischen Profils und der Identifizierung des Förderbedarfs in der Zweitsprache. Er beruft sich dabei auf Grundlage der Wortstellung des finiten und infiniten Verbs (Grießhaber, 2010). Für die Analyse werden zunächst die Äußerungen der Schüler erhoben. Daraufhin wird der Text des Schülers in kleinste satzwertige Einheiten zerlegt, analysiert und abschließend die dazugehörige Profilstufe ermittelt. Dabei nimmt Grießhaber an, dass der Erwerb der Verbstellung in einer bestimmten Erwerbsstufe abläuft. Dabei schreibt er dem finiten Verb eine hohe Aussagekraft zu, weshalb er ihn ermittelt (Grießhaber, 2012, 173). Mit der Entwicklung der Profilstufe bezieht sich Grießhaber auf die Studien von Pienemann, der die Grundlagen für die Erkenntnisse geschaffen hat. Pienemann und Ellis (1989) führten eine Studie über den Erwerb der Verbendstellung bei Fremdsprachenlernen im Grundkurs Deutsch durch. Dabei wurden die Probanden (Schüler) mehrwöchig intensiv gefördert. Für die Erhebung wurden kommunikative Aufgaben wie beispielweise Bildbeschreibungen und Erzählungen in Betracht gezogen. Die Studie ergab, dass die Schüler die Satzklammer (Separation, zweite Profilstufe) nach ca. 100 Stunden erwerben konnten. Die dritte (Inversion) und vierte (Nebensatzstellung) Profilstufe konnte jedoch selbst bei 250-stündigem Aufwand nicht erworben werden (Tschirner, 1999, 229). Daraus lässt sich ableiten, dass die Separation nach einer intensiven Förderung schneller erlernt werden kann, als die Inversion und Nebensatzstellung. Um eine angemessene und ertragsreiche Förderung des Sprachgebrauchs zu erzielen, schlussfolgert Pienemann, müsse der Unterricht auf die jeweils nächste Entwicklungsstufe der Schüler auslegt werden (Pienemann, 1998, 250). Dies hat zufolge, dass Schüler aufgrund des individuellen Sprachstandes nur individuell gefördert werden können.
Darüber hinaus warnt Pienemann vor voreilige Förderungen durch Lehrende. Das Unterrichten der Sprachphänomene, die weit über die Entwicklungsstufe des Lernenden liegen, führen zur Demotivation, Lernhemmungen und gegebenenfalls zur Rückentwicklung der Schüler. Zudem führe dies zur Überforderung und einem negativen Lerneffekt (Pienemann, 1989, 72ff). Auch relevante Grammatikregeln in einer willkürlichen Reihenfolge führen, nach Pienemann, nicht zum gewünschten Ergebnis. Zudem konnte die Studie belegen, dass Schüler auf eine vorherige Stufe zurückfallen können, wenn im Unterricht Sprachphänomene unterrichtet werden, die zwei Stufen über ihre Erwerbsstufen liegen (Pienemann, 1989, 74). Um ein sprachfördernden Unterricht zu gewährleisten, sollte nur die jeweilige Erwerbsstufe der Schüler in Betracht gezogen und Schritt für Schritt zum nächsten Ziel hingearbeitet werden.
2.2. Fragestellung und Hypothese
Um die syntaktische Struktur der Schüler gezielt fördern und der erlernte Sprachgebrauch manifestieren zu können, wird zunächst mithilfe eines Prätestes der individuelle Sprachstand ermittelt. Damit soll im Rahmen dieses Projekts der Frage nachgegangen werden, ob mithilfe einer gezielten Förderung der syntaktischen Strukturen von Schülern mit Migrationshintergrund ein Kompetenzzuwachs erreicht werden kann. Mit dem Posttest soll folgende Hypothese überprüft werden:
Nach intensiver individueller Förderung der syntaktischen Satzklammer wird die zweite Profilstufe (Separation) von allen geförderten Schüler erworben und gezielt verwendet.
3. Methode und Durchführung
Das Forschungsprojekt wurde im Rahmen meines Praxissemesters in der siebten Klasse im Fach Deutsch der Geschwister-Scholl-Schule (Realschule) in Herford durchgeführt. Die Klasse besteht aus 12 Schülerinnen und 17 Schüler, wovon 8 Schüler einen Migrationshintergrund aufweisen. Die Deutschlehrerinnen führt einmal wöchentlich, dienstags in der zweiten Stunde, mit der gesamten Klasse eine Schreibstunde durch, in der die Schüler reale oder fiktive Geschichten verfassen, welche sie in ihren Schreibbüchern festhalten.
Die Stunde hat das Ziel, Sprachkompetenzen der Schüler einzuüben. Der Forschung kann entnommen werden, dass das geringe L2-Niveau der Schüler sich insbesondere in der sprachlichen Gestaltung der Texte bemerkbar macht. Demzufolge ergab sich für mich eine geeignete diagnostische Grundlage, um die deutschen Sprachkenntnisse der Schüler mit Deutsch als Zweitsprache einzuschätzen, indem die grammatische Komplexität eines von ihnen produzierten Textes anhand der Profilanalyse ermittelt wird. Nach Absprache mit der Deutschlehrerin wurden für die Durchführung des Projekts eine Schülerin und drei Schüler mit Deutsch als Zweitsprache auserwählt, die besonderes große Defizite aufwiesen. Die Stichprobe wurde deshalb so klein gehalten, um während des Förderprogramms intensiv und individuell auf die Schüler eingegangen und gezielt gefördert werden konnte.
Die Grundlage für das Projekt war dahingehend gegeben, als dass die Schüler sowohl gerne Geschichten schrieben als auch wöchentlich eine Stunde in der Schule, nach Absprache mit den Eltern, länger blieben. Bevor das Förderprogramm erstellt und gestartet werden konnte, musste zunächst der Sprachstand der einzelnen Probanden ermittelt werden. Dazu wurde die Profilanalyse nach Grießhaber herangezogen. Untersucht wurden die Texte der Probanden im Hinblick auf ihre syntaktische Strukturen, um sie einer Erwerbsstufe zuordnen zu können.
Dabei wurde Schritt für Schritt vorgegangen. Zunächst werden die untersuchten Texte in „minimale satzwertige Einheiten“ zerlegt. Danach wird das Wortstellungsmuster für jede Einheit bestimmt und einer Erwerbsstufe zugeteilt. Die Erwerbsstufen beziehen sich auf die Wortstellung bzw. auf die Stellung des finiten Verbs. Unterschieden wird zwischen fünf Erwerbsstufen, weil null ebenfalls als eine Erwerbsstufe gilt. Somit sind die Erwerbsstufen null bis vier erreichbar. Nach der Analyse aller Einheiten wird gezählt, wie viele Einheiten sich für jede einzelne Stufen finden lässt, um anschließend das Gesamtprofil des jeweiligen Probanden bestimmen zu können. Als sicher erworben gilt eine Stufe, wenn sie im Vergleich zu den anderen Stufen prozentual mehrmals in Erscheinung tritt.
[...]
1 Der einfachheitshalber wird das generische Maskulinum verwendet.