Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Problemstellung
2 Abgrenzung des Mittelstands
3 Unterscheidung von internem und externem Rechnungswesen
3.1 Funktionen des internen Rechnungswesens
3.2 Funktionen des externen Rechnungswesens
3.3 Controlling im Mittelstand
4 Angleichung von internem und externem Rechnungswesen
4.1 Dimensionen einer Konvergenz des Rechnungswesens
4.2 Konvergenzbereich von internem und externem Rechnungswesen
4.3 Anpassungsrichtungen und Möglichkeiten
4.4 Konvergenzschritte
4.5 Organisatorische Umsetzung
5 Kritische Würdigung
6 Thesenförmige Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Dimensionen einer Konvergenz des internen und externen Rechnungswesens
Abb. 2: Zwecküberschneidung von internem und externem Rechnungswesen
Abb. 3: Ablauf eines Konvergenzprojektes
1 Problemstellung
Das Rechnungswesen ist von zentraler Bedeutung für die Erfolgsermittlung, die Entscheidungsfindung und Abbildung von Geschäftsvorfällen in Unternehmen. Traditionell trennt es sich in Deutschland in das interne und externe Rechnungswesen. Sie unterscheiden sich in ihren Instrumenten, Anforderungen, Informationen und Adressaten. In anderen Ländern (z.B. im angloamerikanischen Raum) ist eine strikte Trennung des Rechnungswesens weitgehend unbekannt. In Deutschland wird es, neben den unterschiedlichen Zwecken der Systeme, mit den im HGB festlegten Prinzipien (v.a. dem Vorsichtsprinzip zum Gläubigerschutz) begründet. Die Trennung der Systeme zeigt sich auch in der Organisation der Unternehmen. So ist das Controlling i.d.R. für das interne und die Finanzbuchhaltung für das externe Rechnungswesen zuständig.1
Zwei Rechnungswesen in einem Unternehmen führen zu einem personellen, organisatorischen und finanziellen Mehraufwand, einer nicht ganzheitlichen Sichtweise auf Geschäftsvorfälle sowie zu einer Verwirrung und Intransparenz durch verschiedene Erfolgsgrößen und Berechnungen. Dies gilt v.a. für international agierende Unternehmen. Aus diesen Gründen und durch die steigende Internationalisierung sowie Kapitalmarktorientierung wird in Theorie und Praxis eine Angleichung beider Systeme als Lösung diskutiert.2 Einige durchgeführte Beispiele finden sich in der Literatur bei Großunternehmen, wie Siemens, ThyssenKrupp oder METRO.3
Guido Kerkhoff (damaliges Vorstandsmitglied und CFO von ThyssenKrupp) stellte während des Projektes „Harmonisierung“ des ThyssenKrupp Konzerns fest:
„Viele Geschäftsvorfälle können nur durch das gebündelte Know-how von Accountants und Controllern wirklich komplett sauber abgebildet und analysiert werden.“4
Auch der deutsche Mittelstand wird durch Veränderungen seiner Umwelt, wie BaselII und III, erhöhte Anforderungen an das Rechnungswesen und eine stärkere Vernetzung globaler Märkte zu einer Aufweichung der Grenzen von internem und externem Rechnungswesen gezwungen.5 Zwar sind die IFRS für kleine und mittelständische Unternehmen in der Europäischen Union und Deutschland nicht anerkannt, dennoch unterstreichen sie den zunehmenden Trend der internationalisierten Rechnungslegung. Mittel bis langfristig könnten diese oder ähnliche Regelungen auch in Deutschland gelten, was den Mittelstand zu einer integrierten Rechnungslegung zwingen würde.6
In der vorliegenden Arbeit soll deshalb beantwortet werden, wie eine Angleichung von internem und externem Rechnungswesen im Mittelstand möglich ist, welche Grenzen es gibt und welche organisatorischen Maßnahmen dabei zu beachten sind.
2 Abgrenzung des Mittelstands
Der Mittelstand umfasst alle kleinst, kleinen und mittleren Unternehmen. Er wird als Kern der deutschen Wirtschaft bezeichnet. 2016 stellte er 99,5 % aller Unternehmen, beschäftigte 81,9 % der Auszubildenden sowie 58,3 % der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer.7
Diese Zahlen richten sich nach der Definition des Institutes für Mittelstandsforschung Bonn, wonach Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigen und einen Umsatz von bis zu 50 Millionen Euro im Jahr dem Mittelstand zuzuordnen sind.8
Eine weitere Definition findet nach §267 HGB statt. Demnach gehört ein Unternehmen zum Mittelstand, insofern es zwei der drei folgenden Kriterien nicht überschreitet:
- 20 Millionen Euro Bilanzsumme,
- 40 Millionen Euro Umsatzerlöse in den letzten 12 Monaten und
- 250 Beschäftigte im Jahresdurchschnitt.
Wichtigstes qualitatives Merkmal des Mittelstands ist die Union von Eigentum, Risiko und Führung. Des Weiteren sind z.B. die rechtliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit, die personenbezogene Unternehmensführung und Flexibilität anzuführen.9 Organisatorische Besonderheiten sind weniger komplexe, einfachere Prozesse, Funktionshäufungen, die zentrale Entscheidungsfindung, geringeres Informationsvolumen, flache Hierarchien sowie die Übersicht über das Unternehmen durch den Eigentümer.10
Die Vielzahl an verschiedenen Definitionen und Kriterien verdeutlicht das Problem der eindeutigen Abgrenzung. Im Rahmen dieser Arbeit wird sich an der Definition des Institutes für Mittelstandsforschung Bonn orientiert. Auf einen Einbezug von Einzelkaufleuten nach §241a HGB wird verzichtet, da sie nicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet sind und i.d.R. kein internes Rechnungswesen betreiben.11
3 Unterscheidung von internem und externem Rechnungswesen
3.1 Funktionen des internen Rechnungswesens
Ein Informationssystem für die Entscheidungsträger des Unternehmens zu gestalten, ist die Funktion und das Ziel des internen Rechnungswesens. Die Qualität der Entscheidungen ist direkt abhängig von der Verfügbarkeit, Qualität und Aufbereitung der entscheidungsrelevanten Informationen.12
Jedes Unternehmen kann sein internes Rechnungswesen an unternehmensindividuellen Bedürfnissen, Möglichkeiten und Vorstellungen anpassen. Es ist rechtlich an keine Gesetze gebunden und grundsätzlich freiwillig.13
Weitere Merkmale des internen Rechnungswesens sind:14
- Informationsfunktion für unternehmensinterne Personen (z.B. Geschäftsleitung oder Management, i.d.R. keine Weitergabe an externe Personen)
- Entscheidungsunterstützungsfunktion (Grundlage für Unternehmensentscheidungen aufgrund entscheidungsrelevanter Informationen)
- Vergangenheits-, gegenwarts- und zukunftsorientiert
- Kalkulatorische Rechnung (Werte sind Kosten und Erlöse)
- Ermittlung des betriebsbezogenen Erfolgs
3.2 Funktionen des externen Rechnungswesens
Die Hauptfunktion des externen Rechnungswesens ist es, externe Personen über die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage des Unternehmens zu informieren.15 Das externe Rechnungswesen ist durch Gesetze und Normen festgelegt. Hier sind v.a. die Vorschriften des Handels- und Steuerrechts (z.B. AO, HGB, EStG) zu nennen. Das Unternehmen hat nur die im Rahmen des Gesetzes zur Verfügung stehenden Handlungsspielräume für Anpassungen.16 Immer stärker verflechten sich internationale Absatz-, Beschaffungs- und Kapitalmärkte, was zu einer zunehmenden Bedeutung internationaler Rechnungslegungsvorschriften (z.B. IFRS) in Deutschland führt.17
Weitere Merkmale des externen Rechnungswesens sind:18
- Rechenschaftslegung und Zahlungsbemessungsfunktion aufgrund handels- und steuerrechtlicher Verpflichtungen (z.B. für Dividende oder Gewinnsteuer)
- Dokumentationsfunktion für Finanz- und Leistungsströme nach § 264 HGB (Darstellung tatsächlicher Verhältnisse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage)
- Zunehmende Informationsfunktion für unternehmensexterne Personen (z.B. Investoren, Gläubiger, Kunden, Lieferanten, Staat oder Konkurrenten) durch die wachsenden Anforderungen der Kapitalmärkte
- Vergangenheitsorientiert (abgeschlossene Handlungen)
- Beruht auf objektiven Zahlungsvorgängen (pagatorische Rechnung)
Der Fokus liegt auf dem Jahresabschluss der Unternehmung mit den Elementen Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Kapitalflussrechnung sowie Anhang. Grundlage ist die Buchhaltung sowie das Inventar des Unternehmens.19
Nach dem Publizitätsgesetz sind Unternehmen zur Offenlegung der Jahresabschlüsse verpflichtet, wenn sie bei drei aufeinanderfolgenden Bilanzstichtagen zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: Bilanzsumme höher als 65 Millionen Euro, mehr als 130 Millionen Euro Umsatzerlöse oder mehr als durchschnittlich 5.000 Mitarbeiter in den letzten 12 Monaten. Dies trifft auf keinen Mittelständler nach Definition dieser Arbeit zu. Es kann sich aber eine faktische Pflicht zur Offenlegung gegenüber Banken ergeben. Obwohl 2017 eine Eigenkapitalquote von durchschnittlich 31% erzielt wurde, sind Banken für die i.d.R. nicht kapitalmarktorientierten mittelständischen Unternehmen eine wichtige Finanzierungsquelle.20
Seit 2008 sind Banken verpflichtet, die Vorschriften nach Basel II anzuwenden. Hierbei muss das unternehmensindividuelle Risiko bei einer Kreditvergabe berücksichtig werden. Je höher das Risiko, desto mehr Eigenkapital muss das Unternehmen ausweisen. Dadurch entstehen besondere Informationsbedürfnisse der Banken. Auch eine starke Beziehung zu Kunden und Lieferanten kann eine Pflicht oder zumindest einen Anreiz zur Weitergabe der Daten ergeben. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Mittelständler als Zulieferer abhängig von einem Großunternehmen ist.21
3.3 Controlling im Mittelstand
Das Controlling im Mittelstand soll die Unternehmensführung unterstützen und entlasten. Im Mittelpunkt stehen die Sammlung und Aufbereitung von entscheidungsrelevanten Informationen, die Darstellung von Entscheidungsmöglichkeiten, dessen Bewertung sowie ggfs. das Treffen einer Entscheidung.22 Weitere wichtige Aufgaben sind die betriebsinterne Planung, das Bereitstellen von Kennzahlen und das Aufdecken von Schwachstellen.23
In Kleinstunternehmen wird entweder ganz auf ein internes Rechnungswesen verzichtet oder es wird als Nebenaufgabe der Unternehmensleitung durchgeführt. In kleineren Unternehmen wird das interne Rechnungswesen i.d.R. von einer einzelnen Person besetzt. Nach einer Studie des WHU-Controllerpanels arbeiten in Unternehmen mit bis zu 200 Mitarbeitern im Durchschnitt nur zwei Controller.24 In größeren mittelständischen Unternehmen (ab 200 Mitarbeiten) werden verstärkt Controllingabteilungen gebildet.25 Ein Grund für den Personalmangel im Controlling ist der Mangel an finanziellen Ressourcen für eine eigene Abteilung oder Stelle. Ein anderer Grund wird z.T. auch in der geringeren Attraktivität von mittelständischen Unternehmen gegenüber Großunternehmer für Nachwuchsführungskräfte gesehen. Das kann zu Qualifikationsmangel führen, da Controller aus diesen Gründen aus internen Personalressourcen ausgebildet werden (müssen).26
Der Personal-, Qualifikations- und Finanzmangel kann zu einem ungenügenden Controlling-Instrumentarium führen. Ein weiteres Ergebnis können eine unbefriedigende Datenqualität oder Missverständnisse zwischen internem Rechnungswesen und Entscheidungsträger sein.27
4 Angleichung von internem und externem Rechnungswesen
4.1 Dimensionen einer Konvergenz des Rechnungswesens
Bei einer Angleichung des Rechnungswesens gibt es drei Dimensionen:28
(1) Der Gegenstand der Anpassung beschäftigt sich mit dem Umfang der Angleichung. So können bspw. alle (vollständige Harmonisierung) oder nur einzelne Rechnungen (teilweise Harmonisierung) einbezogen werden.
[...]
1 Vgl. Becker u.a. (2017), S. 76, Pfaff (2017), S. 379.
2 Vgl. Conenberg u.a. (2016), S. 27f., Ewert/Wagenhofer (2014), S. 56, Biallas/Kühn (2006), S. 15-18.
3 Vgl. Weber (2013), S. 6-11, Biallas/Kühn (2006), S. 14, Ziegler (1994), S. 175-188.
4 Weber (2013), S. 11.
5 Vgl. Krimpmann/Müller (2012), S. 26, Schmid-Gundram (2016), S. 6f.
6 Vgl. Kadner (2013), S. 3f.
7 Vgl. https://www.ifm-bonn.org/statistiken/mittelstand-im-ueberblick/ (17.04.2019).
8 Vgl. https://www.ifm-bonn.org/definitionen/kmu-definition-des-ifm-bonn/ (08.04.2019).
9 Vgl. Reinemann/Ludwig (2015), S. 39f., Tegel (2005), S. 8, Mugler (1998), S. 20.
10 Vgl. Klett/Pivernetz (2014), S. 4f., Tegel (2005), S. 7.
11 Vgl. Kadner (2013), S. 14.
12 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2014), S. 3, Fischbach (2006), S. 19.
13 Vgl. Joos (2014), S. 95, Baus (2006), S. 141f.
14 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2014), S. 5-8, Joos (2014), S. 95-97.
15 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2014), S. 5.
16 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2014), S. 5, Fischbach (2006), S. 16-19.
17 Vgl. Buchholz/Gerhards (2016), S. 6, Placke/Sprenger-Menzel (2017), S. 8f.
18 Vgl. Hebeler (2006), S. 5, Ewert/Wagenhofer (2014), S. 3f., Placke/Sprenger-Menzel (2017), S. 4f.
19 Vgl. Fischbach (2006), S. 16, Placke/Sprenger-Menzel (2017), S. 4f.
20 Vgl. Meeh-Bunse/Sattler (2012), S. 188, KfW Bankengruppe (2018), S. 1, 15.
21 Vgl. Kadner (2013), S. 26f., Schmid-Gundram (2016), S. 6f.
22 Vgl. Klett/Pivernetz (2014), S. 4f., Hoogen/Lingnau (2009), S. 110, Tegel (2005), S. 28.
23 Vgl. Schmid-Gundram (2016), S. 7, Ossadnik u.a. (2010), S. 111, Becker u.a. (2009), S. 16.
24 Vgl. Janke/Weber (2013), S. 19.
25 Vgl. Rieg u.a. (2013), S. 66, Ossadnik u.a. (2010), S. 112, Hoogen/Lingnau (2009), S. 110.
26 Vgl. Hoogen/Lingnau (2009), S. 109, Tegel (2005), S. 36.
27 Vgl. Klett/Pivernetz (2014), S. 4f., Hoogen/Lingnau (2009), S. 110, Tegel (2005), S. 25-35.
28 Vgl. Coenenberg u.a. (2016), S. 28, Müller (2006), S. 33-39.