Den Nationalisierungsprozess der cisleithanischen Deutschen im österreichischen langen 19. Jahrhundert , mitsamt den Kontinuitäts- und Bruchlinien zu veranschaulichen, ist das Ziel der folgenden Arbeit. Der Fokus liegt dabei vor allem auf der Ergründung der Fragen, welche schul- und bildungspolitischen Entwicklungen im Vielvölkerstaat während des Untersuchungszeitraums stattfanden, wann und inwiefern ein Bewusstwerdungsprozess, der den Deutschösterreicher vorgab, ein „eigenständiges“ sprachlich-kulturelles (deutsches) „Erbe“ zu besitzen und darauf legitimierend machtpolitische und ideologische, etcetera Auseinandersetzungen mit den übrigen Nationalitäten des Reiches führen zu können, eingesetzt hatte beziehungsweise sich weiterentwickelte und dabei den Versuch zu machen, den inneren (ethnisch betonten) Identitätskonflikt, das eigene Gruppenbewusstsein, mit dem Bekenntnis zur Gesamtmonarchie in Einklang zu bringen, anschaulich nachzuzeichnen.
Dazu erscheinen mir folgende Fragestellungen besonders relevant:
Entwicklungen und Reformen im Schul- und Bildungswesen:
Welche Rolle spielten die Bildungsreformen und -entwicklungen sowie die Ausweitung des Schulwesens für das spätere Aufkommen und die Verbreitung nationalistischer Ideen und Bewegungen im Habsburgerreich?
Verläufe und Konflikte in der Sprachenpolitik:
Welches waren die Motive der kaiserlichen Regierung, als man Deutsch als universale Amts- und Unterrichtssprache in der Gesamtmonarchie verankern wollte? Welche Reaktionen riefen diese Pläne bei den einzelnen Volksgruppen hervor? Inwiefern konnte dabei von einer Germanisierungspolitik gesprochen werden?
Wie entwickelten und anhand welcher Ereignisse manifestierten sich die Nationalitätenkämpfe im cisleithanischen Schulwesen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts? Auf welche Argumente beriefen sich dabei die Streitparteien (kaiserliche Regierung, Deutsche und Nichtdeutsche), um ihre jeweiligen Positionen untermauern zu können?
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 1.1 Literaturübersicht und aktueller Forschungsstand
- 2 Theoriediskurs – Eigenschaften, Entstehung und Verbreitung von Nation und Nationalismus im Europa des 19. Jahrhunderts
- 3 Historischer Abriss - Bildungspolitik, Sprachenfrage und Identitätskonstruktionen von der theresianisch-josephinischen Epoche bis zum Ende der Ära Metternich
- 3.1 Reformen und Entwicklungen im Schulwesen
- 3.2 Erste Versuche einer einheitlichen Staatssprache
- 3.3 Staatspatriotismus versus ethnische Identität
- 4 Von der Märzrevolution bis zum Untergang der Monarchie. Die Wegmarker des „nationalen Erwachens“
- 4.1 Reformen und Entwicklungen im Schulwesen
- 4.2 Konfliktherd Sprachenfrage
- 4.2.1 Unterrichtssprache oder Lehrgegenstand? Wechselspiele zwischen liberaler Reform- und konservativer Restaurationspolitik im Nachmärz und im Neoabsolutismus
- 4.2.2 Die sukzessive Politisierung und Mobilisierung der Zivilgesellschaft. Ausweitung und Radikalisierung der Nationalitätenkonflikte durch das Aufkommen nationalistischer Parteien und Schutzvereinen - veranschaulicht am Beispiel der gemischtsprachigen Gebiete in Böhmen und der Untersteiermark.
- 4.3 Gesamtstaatsbewusstsein versus ethnisches Nationalbewusstsein. Zu den Kontinuitäten und Brüche in den Identitätskonstruktionen und Zugehörigkeitsdenken der Deutschösterreicher
- 5 Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Nationalisierungsprozess der cisleithanischen Deutschen im 19. Jahrhundert, insbesondere die schul- und bildungspolitischen Entwicklungen und die Frage nach dem Spannungsverhältnis zwischen ethnischer und gesamtstaatlicher Identität.
- Die Rolle von Bildungsreformen und -entwicklungen für das Aufkommen nationalistischer Ideen und Bewegungen im Habsburgerreich
- Die Motive der kaiserlichen Regierung, Deutsch als universale Amts- und Unterrichtssprache zu etablieren, sowie die Reaktionen der Volksgruppen
- Die Entwicklung und Manifestation von Nationalitätenkämpfen im cisleithanischen Schulwesen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
- Die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Deutschen im Habsburgerreich, insbesondere in Bezug auf die Begriffe „Österreich“ und „Deutschtum“
- Die Verwendung der Schule durch den Gesamtstaat zur Förderung eines Österreichbewusstseins
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung: Diese Einleitung stellt die Forschungsfrage und das Ziel der Arbeit vor. Sie beleuchtet die besondere Situation der deutschsprachigen Bevölkerung im Habsburgerreich und zeigt die Relevanz der gewählten Themen auf.
- Kapitel 2: Theoriediskurs: Dieser Teil beschäftigt sich mit den theoretischen Konzepten von Nationalbewegungen und Nationsbildungen, deren Indikatoren sowie deren Entstehungs- und Verlaufsgeschichte im 19. Jahrhundert. Dieser Abschnitt ist für das Verständnis des Nationalisierungsprozesses der cisleithanischen Deutschen unerlässlich.
- Kapitel 3: Historischer Abriss: Dieses Kapitel beleuchtet die schul-, bildungs- und sprachpolitischen Entwicklungen vom aufgeklärten Absolutismus bis zum Vormärz. Hier wird die Entstehung erster pronationaler Bewegungen im Habsburgerreich untersucht.
- Kapitel 4: Von der Märzrevolution bis zum Untergang der Monarchie: Dieser Abschnitt befasst sich mit dem Nationalisierungsprozess der Deutschen in Cisleithanien zwischen 1848 und 1918. Es werden die wesentlichen Wandlungsprozesse, ihre Ursachen und Folgen für den Gesamtstaat analysiert. Der Fokus liegt auf den Reformen und Entwicklungen im Schulwesen, den Konflikten in der Sprachenpolitik sowie dem Spannungsverhältnis zwischen Gesamtstaatsbewusstsein und ethnischem Nationalbewusstsein der Deutschen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Nationalismus, Nation, Ethnizität, Identitätskonstruktion, Schulwesen, Bildung, Sprachenpolitik, Germanisierung, Nationalitätenkonflikte und Habsburgermonarchie. Besondere Schwerpunkte liegen auf den deutschen Bevölkerungsgruppen in Cisleithanien und den Entwicklungen im 19. Jahrhundert.
- Quote paper
- Martin Hammer (Author), 2015, Die Deutschen in Cisleithanien und deren Wege zum "nationalen Erwachen" von den theresianisch-josephinischen Reformen bis zum Untergang der Habsburgermonarchie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/500612