Historische Untersuchung zum Bild der Gracchen in der antiken Literatur

Plutarch, Appian und Cassius Dio


Masterarbeit, 2017

67 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Quellenlage
2.1 Beurteilung der Quellenlage
2.2 Römische Primärquellen

3. Untersuchung der Quellen
3.1 Plutarch
3.1.1 Autorenvita
3.1.2 Tiberius Gracchus und Gaius Gracchus
3.1.2.1 Zu Person, Charakterzügen und familiärem Umgang
3.1.2.2 Einfluss Cornelias auf die Politik der Söhne
3.1.2.3 Politisches Wirken und öffentliche Meinung zu Tiberius Gracchus
3.1.2.4 Politisches Wirken und öffentliche Meinung zu Gaius Gracchus
3.1.3 Zusammenfassung
3.2 Appian
3.2.1 Autorenvita
3.2.2 Tiberius Gracchus und Gaius Gracchus
3.2.2.1 Zu Person, Charakterzügen und familiärem Umgang
3.2.2.2 Einfluss Cornelias auf die Politik der Söhne
3.2.2.3 Politisches Wirken und öffentliche Meinung zu Tiberius Gracchus
3.2.2.4 Politisches Wirken und öffentliche Meinung zu Gaius Gracchus
3.2.3 Zusammenfassung
3.3 Cassius Dio
3.3.1 Autorenvita
3.3.2 Tiberius Gracchus und Gaius Gracchus
3.3.2.1 Zu Person, Charakterzügen und familiärem Umgang
3.3.2.2 Einfluss Cornelias auf die Politik der Söhne
3.3.2.3 Politisches Wirken und öffentliche Meinung zu Tiberius Gracchus
3.3.2.4 Politisches Wirken und öffentliche Meinung zu Gaius Gracchus
3.3.3 Zusammenfassung

4. Vergleich der Darstellungen von Plutarch, Appian und Cassius Dio

5. Herleitung möglicher Motive der Autoren

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

Die Krise der römischen Republik wurde zweifelsohne durch die enormen Gebietserweiterungen im Mittelmeerraum und im Speziellen durch die punischen Kriege im 2. Jahrhundert v.Chr. in ihrer Intensität beschleunigt.1 Die notwendigen Reformen in der Heeres- und Agrarverfassung wurden durch die enorme Belastung noch zwingender. Die immense Inanspruchnahme „der bäuerlichen Bevölkerung Italiens mit Kriegsdienst entzog der Landwirtschaft Arbeitskräfte, und unter Umständen konnte eine bäuerliche Familie in den Ruin gestürzt werden - wenn ein junger Familienvater […] mehrere Jahre hintereinander Legionär war“2. Die Zeit ist somit durch die kriegerische Expansion, aber auch durch die notwendig gewordenen landwirtschaftlichen Neuordnungen zu charakterisieren, wobei mit den Zerstörungen auf römisches Territorium wiederrum eine agrarische Stagnation verknüpft werden kann.3 In diesem Zeitraum, welcher in erster Linie durch Krisen dokumentiert ist, betreten die Brüder Tiberius und Gaius Gracchus die politische Bühne Roms. Beide greifen dementsprechend in einer Zeit in die römische Politik ein, welche als entscheidender Wendepunkt in die römische Geschichte eingehen sollte und die Zäsur von der mittleren zur späten Republik kennzeichnet.4

Diese Epoche beschrieb bereits Theodor Mommsen, als ein bedeutender Vertreter der älteren Altertumswissenschaft, als die Zeit, in welcher die römische Revolution begann.5 Die Auseinandersetzungen rund um das Sempronische Ackergesetz waren hierbei ein zentraler Bestandteil, welcher eine Kette von Ereignissen auslöste und langjährige Konflikte, die in Bürgerkriegen mündeten, begründete.6 Eine Entwicklung die durch die Konstituierung des Prinzipats durch Augustus und den Untergang der römischen Republik im Jahre 27. v.Chr.7 ihren Abschluss fand.8 Ist der Ausdruck der Revolution zwar in der neueren Forschung äußerst umstritten, zeigt dieser Ausschnitt dennoch, welches große Interesse seitens der Forschung den beiden Brüdern und ihrem politischen Wirken bereits über viele Jahrzehnte gewidmet wird.

Das Ziel dieser Arbeit liegt hierbei nicht darin, das Ackergesetz genauer zu untersuchen, sondern darin, das überlieferte Bild des Tiberius und Gaius Gracchus unter Zuhilfenahme der antiken Literatur von Plutarch, Appian und Cassius Dio zu beleuchten. Dieser Themenschwerpunkt wurde gewählt, da ich persönlich diese Zeit des Umbruchs in der Geschichte der römischen Republik als sehr spannend empfinde und die beiden gracchischen Reformer in Bezug auf ihre Repräsentation in den antiken Quellen näher beleuchten möchte, nachdem ich mich mit dem Inhalt der Reformvorhaben bereits in zwei Seminaren ausführlich auseinandersetzen durfte.

Hierbei stehen drei aufeinander aufbauende Fragestellungen im Fokus, wobei die dritte als Ausblick und Ansatzpunkt für weitere Forschungsarbeiten gesehen werden soll:

Wie werden Tiberius und Gaius Gracchus in den antiken Quellen von Plutarch, Appian und Cassius Dio beschrieben?

Inwiefern lassen sich Ähnlichkeiten und Unterschiede in den drei Überlieferung feststellen?

Warum kommt es zu dieser Art der Darstellung und inwieweit lassen sich potentielle Motive der Schreiber herleiten?

Dies bedeutet, dass die Beschreibung von Tiberius und Gaius Gracchus in unterschiedlichen Kontexten untersucht werden muss. Die Fokussierung auf die antike Literatur zum einen und auf der anderen Seite die spezifische Auswahl dieser drei Autoren, erfolgt aus zwei Gründen: Zum ersten liegen uns aus dieser Zeit Quellen, welche einen detaillierten Einblick auf die Gracchen zulassen, zum großen Teil nur schriftlich vor, da nur wenige numismatische oder epigraphische Quellen erhalten sind. Zum anderen ist die antike Literatur, welche sich zeitlich deutlich näher an den Geschehnissen befunden hat, zumeist über die Jahrhunderte verloren gegangen. Infolgedessen können wir heute nicht mehr oder nur noch in sehr geringem Maße auf beispielsweise schriftliche Quelle von C. Fannius, dem einstigen Kampfgefährten des Tiberius Gracchus, auf Überlieferungen von Calpurnius Piso, welcher 120 v.Chr. Zensor war, sowie auf die Schriften der Militärtribune Sempronius Asellio oder Rutilius Rufus zurückgreifen.

Dies bedeutet, dass aus den literarischen Quellen, welche uns heute zur Verfügung stehen, möglichst alle Hinweise herausgefiltert werden sollen, welche es ermöglichen das Bild der beiden Brüder weiter auszuarbeiten. Hierbei ist es aufgrund der Übersichtlichkeit wichtig zentrale Bereiche voneinander abzugrenzen, um nicht durch die Analyse einzelner Stellen die Übersicht wie auch die Stringenz zu verlieren. Aus diesem Grund werden die schriftlichen Überlieferungen jedes Autors zuerst getrennt voneinander untersucht. Zuvor wird zu jedem Autor eine ausführliche Autorenvita angeführt, welche zum einen den Zweck erfüllt den Schreiber zeitlich zu verorten und seine individuelle Prägung zu beleuchten. Zum anderen soll das Selbstverständnis der Autoren, beispielsweise als Historiker, Biograph oder Geschichtenschreiber, angerissen werden wie auch die persönliche Sicht auf den Umgang mit Quellen, welcher im Anschluss in die Analyse eingespeist werden soll, benannt werden . Im Weiteren werden die Schriftstücke jeweils einem von zwei Themenfeldern zugeordnet, wobei einzelne Quellen beiden angehören können, dann aber unter verschiedenen Gesichtspunkten und mit einem differierenden Fokus untersucht werden. Das erste Themenfeld befasst sich mit den beschriebenen Charakterzügen der beiden Gracchen und dem innerfamiliären Umgang. Das zweite Themenfeld nimmt das politische Wirken der beiden Brüder in den Fokus, wobei der Einfluss der Mutter separat betrachtet wird und als Bindeglied dieser beiden Felder verstanden werden kann.

Anschließen wird sich der Vergleich der Darstellungen von Plutarch, Appian und Cassius Dio, um Ähnlichkeiten und Unterschiede herauszustellen. Zudem soll eine Verortung der Autoren staatfinden. Hierbei soll aus allen Aspekten begründet hergeleitet werden, ob die Autoren eine eher positive, eine neutrale oder eine eher negative Sicht auf die beiden Brüder und ihr politisches Handeln haben. Die Art und Weise wie die drei gewählten Schreiber über die Gracchen berichten, soll im letzten Schritt dieser Arbeit auf potentielle Motive untersucht werden. Das heißt, es sollen Elemente herausgestellt werden, welche den Schreiber zu einer eher positiven oder einer eher negativen Darstellungen der Gracchen und ihrer politischen Arbeit motiviert haben könnten, wobei hier aufgrund des Umfangs der Charakter eines Ausblicks für weitere potentielle Forschungsarbeiten eingehalten werden soll.

Um die Zielsetzung der Arbeit erreichen zu können, muss ein breiter Forschungskontext berücksichtig werden, weil der spezielle Fokus auf die Überlieferungen der drei antiken Schreiber verbunden mit den skizzierten Fragestellungen viele Bereiche, welche das Bild der Gracchen mitgestalten, anreißt. Als wichtiges Überblickswerk kann das von Klaus Bringmann geschriebene Buch über die Geschichte der römischen Republik benannt werden. Des Weiteren bilden unter anderem die Arbeiten von Leonhard Alexander Burckhardt, Karl Christ und Johannes Keller zentrale Stützen, um die politischen Strukturen der Zeit zu verstehen, zu reflektieren und im Kontext zu bewerten. Die Publikationen von Bettina Kreck und Maria Dettenhofer sind dem hingegen vor allem in Bezug auf die Rolle der Frau von entscheidender Bedeutung für diese Arbeit. Für den Bereich der römischen Erziehung und der damit verbundenen Ideale werden die Arbeit von Enzo Bolaffi und das Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike, welches unter anderem von Johannes Christes verfasst wurde, angeführt werden. Des Weiteren ist die Relevanz des Werkes von Hermann Rieger hervorzuheben, welches vor allem in Bezug auf das Bild des Tiberius Gracchus in unterschiedlichen Kontexten herangezogen wird. Als zentrale Werke aus dem englischsprachigen Raum sind die von Alvin Bernstein, David Stockton und Ernst Badian verfassten Arbeiten zu nennen, welche ebenfalls von immenser Bedeutung für die Zielsetzung dieser Arbeit sind. Für weitere Verweise wird an geeigneten Stellen die Literatur durch Handbuch- und Lexikonartikel aus dem Neuen Pauly wie aus dem Realienlexikon verdichtet.

2. Quellenlage

2.1 Beurteilung der Quellenlage

In Bezug auf die Quellenlage ist eines besonders deutlich herauszustellen und von enormer Wichtigkeit: Die ausführlichen Darstellungen zu den Gracchen, deren politisches Wirken und Handeln wie auch zum familiären Umgang, die wir bei Plutarch, Appian und Cassius Dio finden, sind zwar als Primärquellen einzustufen, dennoch muss der Fakt in die Analyse und Interpretation des Quellenmaterials mit einfließen, dass die Schilderungen mehr als 200 Jahre nach den Gracchen niedergeschrieben wurden. So datiert Bernstein die Entstehung der Viten des Plutarchs auf „gegen Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts“9 und die Niederschriften des Appians „auf die Mitte des zweiten [nachchristlichen] Jahrhunderts“10. Die heute vorhandenen Schriften des Cassius Dios können noch etwas später, nämlich um das Jahr 200 n.Chr., datiert werden.11 Aus dieser zeitlichen Differenz speist sich die Aussage von Bringmann, welcher die Schriften von Plutarch und Appian als „hochkaiserliche Darstellungen“12 charakterisiert und mit dieser Aussage die zeitliche Diskrepanz wie auch die veränderten sozialen und gesellschaftlichen Umstände hervorhebt, aus deren Plutarch, Appian und Cassius Dio über die Gracchen und die politischen Ereignisse zum Ende des 2. Jahrhunderts v.Chr. berichten. Alle drei ausgewählten antiken Schreiber können somit nicht als Zeitzeugen der geschilderten Geschehnisse betrachtet werden und müssen auf ältere schriftliche Überlieferungen zurückgegriffen haben. Dieser Rückgriff ist keineswegs ungewöhnlich, dennoch sollte dies bei der Analyse Berücksichtigung finden.

2.2 Römische Primärquellen

Über die Begrifflichkeit, wie die Quellen von Plutarch, Appian und Cassius Dio bezeichnet werden können, wird sich in der Forschung seit einiger Zeit gestritten. Die Verbindung zwischen den Primärquellen, also den Quellen auf welche die drei angeführten antiken Schreiber zurückgegriffen haben und den heute vorhandenen Überlieferungen, hat bereits Eduard Meyer untersucht.13 Weitere wichtige Untersuchungen zur Quellenlage sind von Alvin Howell Bernstein14 und David Stockton15 erarbeitet worden, welche sich in Anlehnung an Meyer auf den Begriff „secondary sources“16 für die Überlieferungen von Plutarch, Appian und Cassius Dio verständigten. Meyer stellt in diesem Zusammenhang einzelne Autoren und politische Akteure im Besonderen heraus, von welchen römische Primärquellen stammten, wobei sie zum großen Teil gänzlich verloren gegangen und nur ein sehr geringer Teil noch fragmentarisch überliefert ist.

Zum Kreis dieser Schreiber zählt zum einen der einstige Kampfgefährte des Tiberius Gracchus und spätere Konsul des Jahres 122 v.Chr. C. Fannius.17 Durch Cicero sind zumindest einige Angaben zu dessen Leben überliefert worden, wobei dieser zwei verschiedene Männer des gleichen Namens unterschied.18 Laut Cicero sei einer der Konsul des Jahres 122 v.Chr. gewesen sowie der Sohn von Gaius Laelius. Der andere hingegen sei sein Schwiegersohn gewesen und als Geschichtsschreiber bekannt. In diesem Kontext behauptet der Althistoriker Friedrich Münzer, dass in der Gracchenzeit zwar zwei gleichnamige Männer in der römischen Politik aktiv waren, allerdings der Konsul des Jahres 122 v.Chr. der Sohn von Marcus gewesen sei und nicht, wie fälschlicherweise bei Cicero berichtet, der Sohn von Gaius Laelius.19 Zudem sei C. Fannius als Redner und Geschichtsschreiber zu identifizieren, sodass es sich um eine falsche Abgrenzung zweier Verwandter handelt.20 Aufgrund seines Amtes als Konsul stellte er sich auf Anordnung der Mehrheit im Senat gegen Gaius Gracchus und die Forderung, die Rechte der römischen Bundesgenossen zu erweitern.21 So wurden, wie bei Plutarch überliefert, alle Nichtrömer der Stadt verwiesen, darunter auch ein Freund des Gaius Gracchus selbst.22 Das Lob des Sallust‘, G. Fannius habe innerhalb seines geschriebenen Geschichtswerkes große Wahrheitstreue bewiesen23, kann aufgrund der sehr wenigen überlieferten Quellen weder bejaht noch verneint werden. Dennoch scheint G. Fannius nicht nur aus seiner Sicht über innenpolitische Ereignisse berichtet zu haben, sondern er überlieferte auch Reden, wie die von Macedonicus24 gegen Tiberius Gracchus25,weitere und weitere kritische Positionen wie deren Inhalt.26 Insgesamt bleibt aber, bis auf wenige Ausnahmen, welche an den jeweiligen Stellen der angestrebten Analyse Berücksichtigung finden werden, festzuhalten, dass es kaum sicher herzustellende Bezüge zu dieser möglichen Quelle des Plutarchs, Appians und Cassius Dios gibt.

Eine weitere mögliche Quelle für die drei gewählten Autoren könnte Calpurnius Piso sein. Der Konsul des Jahres 133 v.Chr. und Zensor von 120 v.Chr. galt als entschiedener Gegner von Gaius Gracchus.27 Er verfasste mindestens sieben Bücher, welche vermutlich von der Vorgeschichte Roms bis zum sizilischen Sklavenkrieg reichten.28 Die wenigen überlieferten Fragmente dieses Gegners der Gracchen sind in der Historicorum Romanorum reliquiae verfügbar29 und werden im weiteren Verlauf der Arbeit als mögliche Quellengrundlage für die später schreibenden Autoren überprüft.

Überdies könnten mögliche Quellen für Plutarch, Appian und Cassius Dio die Schreiber Sempronius Asellio30 und P. Rutilius Rufus31 gewesen sein. Asellio zum einen, welcher um 158 v.Chr. geboren und nach 91 v.Chr. gestorben ist, schrieb ein Geschichtswerk. In diesem Werk befasste er sich in erster Line mit seiner eigenen Lebenszeit und dies war somit ein deutlicher Kontrast zu den meisten anderen Autoren der Zeit, die zumeist mit der Gründung Roms begannen. Die wenigen überlieferten Fragmente finden sich in der Historicorum Romanorum reliquiae[32]. Eines der bis heute überlieferten 15 Fragmente von Asellios erläutert die Sicht desselben über den Zweck einer historischen Darstellung.33 Sein Anspruch, sowohl Fakten als auch die Ursachen wie Motivationen von Taten und Ereignissen zu schildern, kann heute nicht mehr auf die Umsetzung überprüft werden. Dennoch scheint Asellios den pragmatischen Aspekt der Geschichtsschreibung präferiert zu haben. Cicero nämlich bemängelt genau diese Art der Schreibung wie sie ebenfalls bei Polybios zu finden ist34 auch bei Asellio. So findet sich bis ins 2. Jahrhundert n.Chr. nur eine weitere direkte Erwähnung des Geschichtswerkes und dies bei Vergil35, wobei die späteren Autoren, welche auf Asellio verweisen, ihn wohl eher aufgrund von sprachlichen Besonderheiten zitierten und nicht wegen der beschriebenen historischen Ereignisse.

Zuletzt möchte ich noch den griechischen Historiker Polybios herausstellen, da dieser, im Gegensatz zu den anderen genannten möglichen Quellen, ebenso wie Plutarch, Appian und Cassius Dio aus dem griechischen Sprachraum stammt.

Polybios, geboren vor 199 v.Chr. und gestorben um 120 v.Chr.36, galt als Mann mit umfassender Bildung, welcher im Militär und in der Politik aktiv war, wobei er ebenso die Geschehnisse als Historiker festhielt.37 Als Hauptwerk gilt eine umfassende Universalgeschichte, welche den Titel Historien[38] trägt.39 Dieses Werk umfasst vierzig Bücher. Inhaltlich widmete sich Polybios vor allem dem Aufstieg Roms zur Weltmacht, wobei die Zeitspanne von 220 bis 167 v.Chr. ursprünglich vorgesehen war. In den letzten Büchern, wobei diese als Erweiterung zu verstehen sind, wird die Zeit bis 144 v.Chr. beschrieben.40 Diese Zeitspanne lässt nur eine geringe Bedeutung für die Aktivität der Gracchen vermuten, was aber deutlich verneint werden muss. Zum einen zeigt Polybios den Verlauf der Schwächung des römischen Reiches mit seinen vielfältigen Problemen auf41, was dazu führt, dass bei ihm mögliche Indizien für das politische Handeln der Gracchen zu finden sein könnten. Zum anderen lässt sich an einigen Stellen herauslesen, dass er ebenfalls Kenntnis über die Gracchen und deren Wirken gehabt haben muss.42 Polybios setzte sich wie kaum ein Vorgänger vor ihm mit den Vorgängen auf dem Gebiet der Geschichtsschreibung auseinander43, sodass er sich selbst zur Wahrheit[44] verpflichtet45 und vorsätzliche Verfälschungen verurteilt.46 Mit seiner gewählten universalgeschichtlichen Betrachtungsweise47, wobei er dieser Form die alleinige Möglichkeit zuschreibt, das Ziel der Geschichtsschreibung, also die Feststellung der Wahrheit, zu erreichen48, versucht Polybios möglichst alle Irrtümer zu vermeiden.49 Dennoch spricht er sich nicht gänzlich von diesen frei, wobei sie in dieser Form der Geschichtsschreibung verzeihlicher wären, als bei einer Spezialgeschichtsschreibung.50

Vorsätzliche Verfälschung wirft man Polybios kaum vor, sodass seine Zuverlässigkeit allgemein als hoch eingeschätzt wird.51 Dies ist unter der Berücksichtigung seiner griechischen Herkunft als besonders bedeutend anzusehen, weil er in einem gewissen Maße persönlich betroffen ist und über direkte Gegner der Griechen wie über den Aufstieg Roms schreibt, was zu einem erheblichen Einschnitt in die griechische Geschichte führt.52

Ein direkter Verweis auf Polybios als Quelle ist bei Plutarch, Appian und Cassius Dio, ebenso wie bei den anderen vorgestellten Autoren, zwar nicht zu vermuten, dennoch besteht die Möglichkeit, dass diese als Quellen gedient haben könnten, sodass innerhalb der Analyse explizit auf derartige Stellen hingewiesen werden wird.

3. Untersuchung der Quellen

3.1 Plutarch

3.1.1 Autorenvita

Plutarch wurde um 45 n.Chr. vermutlich in Charoneia geboren und verstarb vor 125 n.Chr.53, höchstwahrscheinlich in der Regierungszeit Hadrians,54 wobei Delphi als möglicher Ort genannt wird. Plutarch verfasste eine sehr große Anzahl von Schriften und gehört zu den „produktivsten Schriftstellern der griechisch-römischen Antike“55. Als ein Anhaltspunkt für seine überaus große Zahl an niedergeschriebenen Werken kann der Lampriaskatalog[56] herangezogen werden, welcher eigentlich ein Bibliothekskatalog war und insgesamt 227 Werke des antiken Schreibers benennt.57 Diese Liste, die im 3. oder 4. Jahrhundert n.Chr. entstanden ist, führt die Werke Plutarchs einzeln auf. Dennoch ist hierbei zu beachten, dass diese nicht vollständig ist, da teils heute erhaltene Werke nicht benannt werden. Überdies referiert die Liste auf zahlreiche Schriften, welche für die heutige Forschung als verloren gegangen gelten.58 Innerhalb der heutigen Altertumsforschung werden die Schriften des Polyhistors59 Plutarch in zwei Hauptgruppen eingeteilt: Die philosophischen Schriften und die historisch-biographischen Schriften.60 Im gewählten Kontext werden die vitae parallelae,61 also die parallelen Lebensbeschreibungen, im Fokus stehen.

Hierbei hat Plutarch eine Reihe von historisch bedeutungsvollen Personen verglichen, wobei immer ein Grieche, hierzu zählen ebenso die Makedonen, und ein Römer innerhalb einer parallelen Lebensbeschreibung gegenübergestellt werden.62 Somit entsteht ein Überblick über die römische und griechische Geschichte, wobei zumeist aus der Perspektive der jeweiligen Persönlichkeit über die Ereignisse berichtet wird.63 Ein besonderes Doppelpaar bildet die zentrale Quelle für diese Arbeit: Das „Doppelpaar Agis, Kleomenes mit den Gracchi [gemeint sind Tiberius und Gaius Gracchus]“64. Die Analyse dieser und weiterer wichtiger Quellen findet im nächsten Arbeitsschritt statt. Zuvor soll das Verständnis des Plutarchs von seiner Arbeit selbst kurz beleuchtet werden.

Plutarch selbst sieht sich keineswegs als Historiker, sondern eher als Biographen. Er formulierte seine Tätigkeit wie folgt:

„Denn ich bin nicht Geschichtsschreiber, sondern Biograph, und es sind durchaus nicht immer die großen Heldentaten, in denen sich die Tüchtigkeit oder die Verworfenheit offenbart. Oft sagt ein unbedeutender Vorfall, ein Ausspruch oder ein Scherz mehr über den Charakter eines Menschen aus als die blutigsten Schlachten, die größten Heeresaufgebote und die Belagerungen von Städten.“65

Plutarch stellt somit in seinen geschriebenen vitae parallelae die Geschichte der Römer und Griechen wie auch anderer Völker dar und dient uns heute als wichtige Quelle, um Ereignisse zu rekonstruieren oder Strömungen in Politik und Gesellschaft zu erforschen. Dennoch war dies nicht sein primäres oder sein einziges Ziel. Er möchte den Charakter der jeweiligen Person beleuchten, die Tüchtigkeit, die Verworfenheit dem Leser präsentieren. Durch diese Präsentation sollte sicherlich das lesende Publikum unterhalten werden, aber ebenso sollte die moralische Qualität des Charakters herausgestellt und die Leser wie auch er selbst zur Nachahmung angeregt oder von dieser abgeschreckt werden. Plutarch drückt dieses Ziel folgendermaßen aus:

„[Biografien haben den Sinn] die Geschichte gleichsam als Spiegel benutzend, mein Leben zu ordnen und den Tugenden jener Männer anzugleichen.“66

Zusätzlich mag auch die Verbindung von römischer und griechischer Kultur für Plutarch eine Rolle gespielt haben, da durch die Gegenüberstellungen zwar einige Unterschiede und Kontraste der Völker zum Vorschein treten, aber auch ebenso Ähnlichkeiten erkennbar gemacht werden. Aus dem Ziel des Plutarchs ergibt sich für diese Arbeit ein weiterer wichtiger Fakt: Er legt größeren Wert als viele andere Schreiber auf das Privatleben und den persönlichen Umgang der beschriebenen Personen. So widmet er sich in größeren Abschnitten dem Familienleben, dem Heranwachsen der Brüder Tiberius und Gaius und beschreibt Cornelia in ihrer Figur als Mutter und Frau.67 Die Fokussierung auf die Charaktereigenschaften, die Lebensumstände wie auch auf die Tugenden und Laster der Personen macht diese Art der Geschichtsschreibung, beziehungsweise diese Biografien, für die Arbeit sehr interessant.

Dass Plutarch sich nicht als Historiker versteht, konnte nun beleuchtet werden. Zusätzlich soll an dieser Stelle noch ein Blick auf den Umgang Plutarch mit seinen Quellen geworfen werden. Seine Arbeiten und den Umgang mit Material beschreibt er selbst folgendermaßen:

„Die Ergründung der Wahrheit in der Vergangenheit ist wahrlich ein schwieriges und mühsames Unterfangen, da den nachgeborenen Geschichtsschreibern bei der Prüfung der Ereignisse die Länge der verstrichenen Zeit im Wege steht, während die Berichte der Zeitgenossen über das Leben und die Taten eines Menschen oft entweder durch Neid und Feindschaft oder durch Wohlwollen und Schmeichelei entstellt und verdreht werden.“68

Plutarch scheinen, nach dieser eigenen Aussage, einige Problematiken bei der Betrachtung von Quellen bewusst gewesen zu sein. Den zeitliche Abstand, welchen er auch selbst zu den allermeisten geschilderten Ereignissen hat, sieht er als ebenso problematisch wie die Berichte und Überlieferungen von Zeitgenossen an, welche, nach der Meinung des Plutarchs, häufig durch Wohlwollen oder Abneigung verfälscht seien. So hatte bereits Plutarch mit teils widersprüchlichen Überlieferungen zu kämpfen, wobei er über lange Zeit griechischsprachige Autoren vorzog.69 Dies mag zum einen an seinen erst spät erworbenen Lateinkenntnissen gelegen haben oder daran, dass er teils nicht in der Lage war anspruchsvolle Texte auf Latein zu lesen.70 Die Dienlichkeit muss ihm aber bewusst gewesen sein, was seine Bemühungen zeigen, die lateinische Sprache noch in hohem Alter zu erlernen. Aus diesem, nicht sicher zu beantwortenden Punkt, ergibt sich für die Betrachtung der Überlieferung ein wichtiger Aspekt für die anstehende Analyse. Plutarch schreibt aufgrund seiner Vorlieben und der sprachlichen Barriere höchstwahrscheinlich auf Basis von überwiegend griechischen Quellen, sodass vorwiegend die Perspektive der griechischen Schreiber auf die römischen Persönlichkeiten eingenommen wird.

Die Vorsicht, mit welcher bei der nachfolgenden Arbeit mit den Überlieferungen des Plutarchs umgegangen werden muss, zeigt sich beispielhaft bei der Beschreibung des Pompeius. Bei diesem verschweigt Plutarch teils Fakten, welche ihm eigentlich hätten bekannt sein müssen, aber weniger in das propagierte Charakterbild des römischen Staatsmannes gepasst hätten.71 Ein ähnliches Vorgehen ist demzufolge in der Parallelbiografie der Gracchen nicht auszuschließen.

3.1.2 Tiberius Gracchus und Gaius Gracchus

3.1.2.1 Zu Person, Charakterzügen und familiärem Umgang

Eine „Betrachtung nicht minder tragische[r] Schicksale“72 steht uns bevor. So leitet Plutarch diesen Teil seiner vitae parallelae ein. Nachdem zuvor die Geschichte von Agis und Kleomenes geschildert wurden, schließt er in seinem Werk die Betrachtung der beiden Gracchen an.

Tiberius und Gaius waren Söhne des Tiberius Sempronius Gracchus, welcher „zweimal das Konsulat verwaltete und zwei Triumphe gefeiert hatte“73, was die mächtige und herausgehobene Stellung der Familie innerhalb der römischen Gesellschaft untermauert. Doch starb Tiberius Gracchus der Ältere bereits 154 v.Chr., sodass die Brüder vor allem von ihrer Mutter Cornelia erzogen wurden. Hierbei ist zu beachten, dass sich die römische Erziehung74 in zwei Bereiche aufgliederte: Der eine Teil der Erziehung fand im Elternhaus statt, wobei in den verschiedenen Entwicklungsphasen Ammen, Sklaven oder Erzieher wie auch die Eltern selbst sich um die Entwicklung des Kindes kümmerten.75 Der andere Bereich der Erziehung fand in der Schule statt.76

Ist die Quellenlage zu Frauen in der römischen Antike zumeist dürftig77, schreibt Plutarch gleich in mehreren wichtigen Kontexten über Cornelia.78 Die überaus relevante Rolle der Cornelia für die Erziehung der beiden Söhne sei, obwohl die zwei beschriebenen Bereiche der römischen Erziehung isoliert erscheinen, laut Plutarch keineswegs zu unterschätzen. In Bezug auf Art und Weise wie sie die Aufgaben der Erziehung und die Führung des Hauses ausübt, lobt Plutarch Cornelia in höchsten Tönen.79 Insgesamt habe „mehr als Naturanlage […] die mütterliche Erziehung beide Söhne, welche allgemein als die begabtesten unter allen Römern galten, zu edlen und tüchtigen Männern gemacht.“80 Cornelia ist also laut Plutarch ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger, als die Abstammung aus einer der einflussreichsten römischen Familien. Dies erklärt, dass die als Mutter der Gracchen81 titulierte Frau nach ihrem Tod zur tugendhaften Matrona82 stilisiert wurde und aufgrund ihres hohen Ansehens als erste Frau in Rom eine Statue erhielt.83 Diese überaus besondere Erhöhung der Person Cornelias kann durch den Fund des Sockels bestätigt werden, auf welchem ihr vollständiger Name erhalten ist.84

Die großartigen Leistungen, welche Plutarch der Cornelia innerhalb der Erziehung zuschreibt, haben dennoch zwei, in ihrem Auftreten und ihren Charaktereigenschaften, teils sehr unterschiedliche Söhne hervorgebracht. Gelten beide Brüder durch ihre Erziehung und die edle Abstammung als hochangesehen, zählt Plutarch sie zudem zu den „begabtesten unter allen Römern“85 wie auch zu den „edlen und tüchtigen Männern“86. Ebenso sind beide Brüder gleichermaßen durch ihre Tapferkeit, Besonnenheit, Beredsamkeit, ihren Freimut und ihrer adligen Gesinnung zu charakterisieren.87 Die grundlegenden und parallelen Eigenschaften beider Brüder sieht Plutarch somit als durchweg positiv, wobei er noch einige differierende anführt: Tiberius sei vom Äußeren her sanfter, sein Blick und die Bewegungen fließender und stetig.88 Durch das hohe Maß an schulischer Bildung entspräche er zudem den rhetorischen Normen der Römer.89 Denn er sei beherrscht, seine Reden seien durchdacht, sparsam und bescheiden und durch die angelegte Emotionalität wurde oft Mitleid erweckt.90 Der jüngere Bruder Gaius hingegen wäre feurig, voller Leidenschaft und weniger beherrscht.91 Er redete häufig mit überbordendem Pathos und ging auf der Rednerbühne hin und her. So galt er, im Gegensatz zu seinem Bruder, als heftig und aufbrausend. In Bezug auf die rhetorischen Fähigkeiten der Söhne wird Cornelias Einfluss ebenfalls und eben nicht der der Schule, bei Tiberius noch mehr als bei Gaius92, als besonders beispielhaft betont.93 Dies scheint passend zum differierend beschriebenen Auftreten der beiden Brüder durch Plutarch und kann somit als glaubhaft angenommen werden.

Des Weiteren sind noch die Charaktereigenschaften zu nennen, in welchen sich die beiden Brüder nach Plutarch ebenbürtig sind: „Mannhaftigkeit vor dem Feind, ihre[r] Gerechtigkeit gegen Untergebene, ihre[r] Sorgalt in der Amtsführung, ihre[r] Selbstbeherrschung allen Vergnügungen gegenüber“94. Hier widerspricht sich Plutarch teils, führt er doch zuvor an, dass Gaius „eine jugendliche Neigung für überflüssige Dinge“ gehabt habe, wobei diese nicht gegenüber allen auffällig wäre, sondern nur im Kontrast zu seinem noch anspruchsloseren und eine noch strengere Lebensweise verfolgendem Bruder.95

Das Bild der Familie ist somit durch den frühen Tod des Vaters und das hohe Ansehen der Mutter bestimmt. Zentrale Figur ist hier Cornelia, welche als Mutter ihre Pflichten, folgt man Plutarch, mustergültig und noch darüber hinaus ausführt, wodurch sich die Stilisierung zur Matrona96 erklären lässt sowie die vielmalige Nennung als gängiges exemplum.97 Das Bild der beiden Söhne ist in Bezug auf ihre Eigenschaften und Charakterzüge, bei Tiberius noch etwas mehr als bei Gaius, zum größten Teil als tadellos und vollkommen präsentiert. Wobei Gaius gerade bei der Art und Weise der rhetorischen Fähigkeiten dem Tiberius unterlegen scheint.

3.1.2.2 Einfluss Cornelias auf die Politik der Söhne

Der enge Bezug zwischen Cornelia und ihren beiden Söhnen wirft ein Problem innerhalb der Quellen des Plutarchs auf: Inwiefern hat Cornelia Einfluss auf die Politik ihrer Söhne genommen? Wenn ja, war ihre Einflussnahme bei beiden Söhnen ähnlich? Stand sie dem politischen Streben gegenüber wohlgesonnen oder ablehnend gegenüber?

Innerhalb der Schriften des Plutarchs lässt sich hierzu ebenso wenig eine aussagekräftige Antwort finden wie in allen anderen Quellen.98 Die politische Richtung und die Art und Weise der Einflussnahme der Cornelia auf das politische Wirken ihrer beiden Söhne kann so nur mit größter Vorsicht, anhand von unterschiedlichen Stellen, als eine Möglichkeit präsentiert werden. So wird Cornelia auf der einen Seite als tatkräftige Helferin und Unterstützerin ihrer Söhne geschildert99, wobei dies wohl eher von den Gegnern der Gracchen geäußert wurde.100 Cornelia soll den Ehrgeiz der Söhne angestachelt haben, wurde sie doch lange Schwiegermutter des Scipio und nicht als Mutter der Gracchen bezeichnet.101 Doch ist diese Stelle nicht eindeutig. Es könnte sich um antigracchische Propaganda handeln, denn so wird unstrittig die Darstellung der Vorbildlichkeit der Mutter in Zweifel gezogen.102 Ein Argument für die geringe Glaubwürdigkeit dieser Stelle ist der frühe Erscheinungszeitpunkt, zu welchem Tiberius ungefähr dreißig Jahre alt gewesen sein sollte und somit von wichtigen Ämtern, also auch den entsprechenden Einflussmöglichkeiten auf die römische Politik, noch ausgeschlossen war.103 Die Einflussnahme von Cornelia auf ihren älteren Sohn kann somit als eher gering eingeschätzt werden. Wobei in Bezug auf Gaius, zumindest anhand von zwei überlieferten Stellen, dieses Bild, der politisch passiven Cornelia, hinterfragt werden muss. Zum einen überliefert Plutarch, dass Cornelia gegen den Gesetzesvorschlag Lex de abactis des Gaius, die Bitte aussprach auf diesen zu verzichten.104 Ein mögliches Motiv der Cornelia könnte gewesen sein, die angespannte politische Lage zu entschärfen und diesen „Racheakt“105 seitens ihres Sohnes zu unterbinden, um ihren Sohn zu schützen. Da Gaius als Begründung für die Rücknahme des Gesetzesvorschlages die Bitte der Mutter angibt und sich somit in der Öffentlichkeit als ein Sohn präsentieren kann, welcher „die Mutter pflichtschuldig respektiert“106 und für diese sogar auf politische Ziele, wobei in diesem Fall wohl eher von einem kleinen Verzicht auszugehen ist, da die Lex de abactis kein zentrales Element in seinem politischen Vorhaben gewesen sein sollte107, verzichtet. So könnte Stocktons Vermutung an dieser Stelle, das Ganze sei von Cornelia von Beginn an geplant gewesen, um ihren Sohn im öffentlichen Licht als respektablen, wohlerzogenen und respektvollen Mann und Sohn zu präsentieren, zutreffen108, wobei dies nicht endgültig zu belegen ist. Dennoch kann Gaius an dieser Stelle, durch das hohe Ansehen der Mutter in großen Teilen der Öffentlichkeit, sein Anliegen fallen lassen und wirkt durch dieses nicht schwach oder inkompetent, sondern kann das Zurücknehmen des Reformantrages für sein öffentliches Bild instrumentalisieren.109

[...]


1 Vgl. Mezgolits, Stefan Christian: Studien zu Leben, Wirken und Persönlichkeit des P. Cornelius Scipio Nasica Serapio, Wien 2012, S. 6.

2 Bringmann, Klaus: Geschichte der Römischen Republik. Von den Anfängen bis Augustus. München 2002, S. 188-189.

3 Vgl. Bringmann, Klaus: Geschichte der Römischen Republik. Von den Anfängen bis Augustus. München 2002, S. 190.

4 Vgl. Behm, Maylin: Die Agrarreform der Gracchen. In: Martinez (Hrsg.), Göttinger Onlinebeiträge zum Agrarrecht, Nr. 03/17 (2016), S. 29.

5 Vgl. Theodor Mommsen: Römische Geschichte. Berlin 1925, Bd. 2, S. 68-74.

6 Vgl. Bringmann, Klaus: Die Agrarrefrom des Tiberius Gracchus. Legende und Wirklichkeit, Stuttgart 1985 (Frankfurter Historische Vorträge, Heft 10), S. 7.

7 Vgl. Rieger, Hermann: Das Nachleben des Tiberius Gracchus in der lateinischen Literatur. Bonn 1991, S. 1.

8 Vgl. Bringmann, Klaus: Die Agrarrefrom des Tiberius Gracchus. Legende und Wirklichkeit, Stuttgart 1985 (Frankfurter Historische Vorträge, Heft 10), S. 7.

9 Berstein, Alivin Howell: Tiberius Sempronius Gracchus. Tradition and apostasy, Ithaca, London 1978, S. 231.

10 Berstein, Alivin Howell: Tiberius Sempronius Gracchus. Tradition and apostasy, Ithaca, London 1978, S. 231.

11 Vgl. Birley, A.R., s.v. . Cassius (III 3) L. Cl(audius) C. Dio Cocceiuanus. In: DNP, Bd. 2, Sp. 1014-1015.

12 Bringmann, Klaus: Die Agrarrefrom des Tiberius Gracchus. Legende und Wirklichkeit, Stuttgart 1985 (Frankfurter Historische Vorträge, Heft 10), S. 10.

13 Vgl. Meyer, Eduard: Untersuchung zur Geschichte der Gracchen. In: Meyer, Eduard (Hrsg.), Kleine Schriften, Bd. 1, 2. Aufl., Halle/Saale 1924, S. 365-421.

14 Vgl. Berstein, Alivin Howell: Tiberius Sempronius Gracchus. Tradition and apostasy, Ithaca, London 1978, S. 231-246.

15 Vgl. Stockton, David: The Gracchi, Oxford 1979, S. 1-5.

16 Stockton, David: The Gracchi, Oxford 1979, S. 3.

17 MRR, S. 516.

18 Cic., Brut. 99ff.

19 Vgl. Münzer, Friedrich: Die Fanniusfrage. In: Hermes 55, Komplettband, 1920, S. 427-442.

20 Vgl. Kierdorf, Wilhelm, s.v. F.M.f., C. In: DNP, Bd. 4, Sp. 424.

21 Plut., C. Gracchus 33,12.

22 Plut., C. Gracchus 33,12.

23 Sall., hist. frg. 1,4.

24 Vgl. Elevers, Karl-Ludwig, s.v. Caecilius (I 27) C. Metelus Macedonicus, Q. In: DNP, Bd. 2, Sp. 889.; Vgl. Münzer, Friedrich, s.v. Metellus (94) Q. Caecilius Metellus Macedonicus. In: RE, Bd. III, 1, Sp. 1213-1216.

25 Cic., Brut. 81.

26 Cic., Brut. 89.; Plut., Tib. Gracchus 14,4.

27 Vgl. Kierdorf, Wilhelm, s.v. Calpurnius (III 1) C. Piso Frugi. In: DNP, Bd. 2, Sp. 948-949; MRR I, Sp. 492 und 523.

28 Vgl. Kierdorf , Wilhelm, s.v. Calpurnius (III 1) C. Piso Frugi. In: DNP, Bd. 2, Sp. 949.

29 HHR I, 120-138.

30 MRR I, S. 491.

31 MRR I, S. 491.

32 HHR I, 179-184.

33 Gell., 5,18,7ff.

34 Cic., leg. 1,6.

35 Verg., georg. 3, 474.

36 Vgl. Dreyer, Boris, s.v. Ploybios (2) Polybios. In: DNP, Bd. 10, Sp. 41.

37 Vgl. Meister, Klaus: Die griechische Geschichtsschreibung. Von den Anfängen bis zum Hellenismus. Stuttgart/Berlin/Köln 1990, S. 153.

38 Originaler Titel im griechischen: „Ἱστορίαι“.

39 Vgl. Meister, Klaus: Die griechische Geschichtsschreibung. Von den Anfängen bis zum Hellenismus. Stuttgart/Berlin/Köln 1990, S. 155-156.

40 Vgl. Dreyer, Boris, s.v. Ploybios (2) Polybios. In: DNP, Bd. 10, Sp. 42.

41 Vgl. Dreyer, Boris, s.v. Ploybios (2) Polybios. In: DNP, Bd. 10, Sp. 42.

42 Pol. Historiae, 2,21; Pol. Historiae, 6,5-9; Pol. Historiae, 6,57,5.

43 Vgl. Meister, Klaus: Die griechische Geschichtsschreibung. Von den Anfängen bis zum Hellenismus. Stuttgart/Berlin/Köln 1990, S. 161.

44 Im griechischen bezeichnet mit „αλήθεια“.

45 Pol. Historiae, 1,14,6.

46 Pol. Historiae, 16,20,8.

47 Vgl. Meister, Klaus: Die griechische Geschichtsschreibung. Von den Anfängen bis zum Hellenismus. Stuttgart/Berlin/Köln 1990, S. 166.

48 Vgl. Meister, Klaus: Die griechische Geschichtsschreibung. Von den Anfängen bis zum Hellenismus. Stuttgart/Berlin/Köln 1990, S. 159.

49 Vgl. Dreyer, Boris, s.v. Ploybios (2) Polybios. In: DNP, Bd. 10, Sp. 44.

50 Vgl. Dreyer, Boris, s.v. Ploybios (2) Polybios. In: DNP, Bd. 10, Sp. 44.

51 Vgl. Dreyer, Boris, s.v. Ploybios (2) Polybios. In: DNP, Bd. 10, Sp. 46.

52 Vgl. Dreyer, Boris, s.v. Ploybios (2) Polybios. In: DNP, Bd. 10, Sp. 46-47.

53 Vgl. Pelling, Christopher B.R., s.v. Plutarchos (2) Plutarchos. In: DNP, Bd. 9, Sp. 1159-1160.

54 Vgl. Binder, Carsten: Plutarchs Vita des Artaxerxes. Ein historischer Kommentar. Berlin 2008, S. 2.

55 Heller, André: Renzension zu: Binder, Carsten: Plutarchs Vita des Artaxerxes. Ein historischer Kommentar. Berlin 2008. In: H-Soz-Kult, 06.04.2009, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-12224>.

56 Vgl. Ziegler, Konrad: Plutarchos von Chaironeia, 2., ergänzte Auflage, Stuttgart 1964, Sp. 65.

57 Vgl. Pelling, Christopher B.R., s.v. Plutarchos (2) Plutarchos. In: DNP, Bd. 9, Sp. 1160.; Vgl. Ziegler, Konrat, s.v. Plutarchos (2) Plutarchos von Chaironeia. In: RE, Bd. XXI, 1, Sp. 697-701.

58 Vgl. Ziegler, Konrad: Plutarchos von Chaironeia, 2., ergänzte Auflage, Stuttgart 1964, Sp. 61-65.

59 Vgl. Mezgolits, Stefan Christian: Studien zu Leben, Wirken und Persönlichkeit des P. Cornelius Scipio Nasica Serapio, Wien 2012, S. 20-21.

60 Vgl. Pelling, Christopher B.R., s.v. Plutarchos (2) Plutarchos. In: DNP, Bd. 9, Sp. 1160.

61 Originaler Titel im griechischen: „οἱ βίοι παράλληλοι“; Vgl. Pelling, Christopher B.R. s.v. Plutarchos (2) Plutarchos. In: DNP, Bd. 9, Sp. 1160.

62 Vgl. Pelling, Christopher B.R., s.v. Plutarchos (2) Plutarchos. In: DNP, Bd. 9, Sp. 1160-1161.

63 Vgl. Pelling, Christopher B.R., s.v. Plutarchos (2) Plutarchos. In: DNP, Bd. 9, Sp. 1163.

64 Pelling, Christopher B.R., s.v. Plutarchos (2) Plutarchos. In: DNP, Bd. 9, Sp. 1161.

65 Plut., Alex. 1,2-3.

66 Plut., Aem. 1,1.

67 Plut., C. Gracchus 4, 2-4.

68 Plut., Per. 13,12.

69 Vgl. Strobach, Anika: Plutarch und die Sprachen, Stuttgart 1997, S. 33-34.

70 Vgl. Strobach, Anika: Plutarch und die Sprachen, Stuttgart 1997, S. 34.

71 Vgl. Heftner, Herbert: Plutarch und der Aufstieg des Pompeius. Ein historischer Kommentar zu Plutarchs Pompeiusvita, Teil 1, Kap. 1-45. Frankfurt am Main 1995, S. 14-22.

72 Plut., Tib. Gracchus, 1.

73 Plut., Tib. Graachus, 1.

74 Vgl. Marrou, Henri Irenee: Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum, Paris 1948, Übersetzung 3. Aufl. Paris 1955, Freiburg/München 1957, S. 377-340.; Vgl. Karras, Marget; Wiesehöfer, Josef: Kindheit und Jugend in der Antike: eine Bibliographie. Bonn 1981, S. 19-25.

75 Vgl. Rieger, Hermann: Das Nachleben des Tiberius Gracchus in der lateinischen Literatur. Bonn 1991, S. 5.

76 Vgl. Bolaffi, Enzo: Quintilian als Pädagoge und Lehrer, in: Johann, H. Th. (Hrsg.), Erziehung und Bildung in der heidnischen und christlichen Antike (Italienischer Originalartikel Latomus 16 (1957), S: 643-654), Darmstadt 1976, S. 442- 447.

77 Vgl. Dettenhofer, Maria H.: Reine Männersache? Frauen in Männerdomänen der antiken Welt. In: Ungern-Sternberg, Jürgen (Hrsg.), Römische Studien. Geschichtsbewußtsein – Zeitalter der Gracchen. Krise der Republik (Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 232), München/Leipzig 2006, S. 227.

78 Plut., Tib. Gracchus 1,4; Plut., Tib. Gracchus 1,5; Plut., Tib. Gracchus 8,4; Plut., Tib. Gracchus 4,1-2; Plut., Tib. Gracchus 13,1; Plut., Tib. Gracchus 19,1-2.

79 Plut., Tib. Gracchus, 1.

80 Plut., Tib. Gracchus, 1.

81 Vgl. Rieger, Hermann: Das Nachleben des Tiberius Gracchus in der lateinischen Literatur. Bonn 1991, S. 44.

82 Vgl. Schroff, Helmut , s.v. Matrona (3) Matrona. In: RE, Bd. XIV, 2, Sp. 2300-2305.

83 Plut., C. Gracchus 4,2-4.

84 Vgl. Kajava, Mika: Cornelia Africani f. Gracchorum. In: Arctos. Acta Philologica Fennica, Bd. XXIII, 1989, S. 119-131.

85 Plut. Tib. Gracchus 1.

86 Plut. Tib. Gracchus 1.

87 Plut. Tib. Gracchus 2.

88 Plut. Tib. Gracchus 2.

89 Vgl. Christes, Johannes; Klein, Richard; Lüth, Christoph: Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike, Darmstadt 2006, S. 44.

90 Plut. Tib. Gracchus 2.

91 Plut. Tib. Gracchus 2.

92 Cic. Brut. 104-104.

93 Vgl. Bolaffi, Enzo: Quintilian als Pädagoge und Lehrer, in: Johann, H. Th. (Hrsg.), Erziehung und Bildung in der heidnischen und christlichen Antike (Italienischer Originalartikel Latomus 16 (1957), S. 643-654), Darmstadt 1976, S. 443.

94 Plut. Tib. Gracchus 3.

95 Plut. Tib. Gracchus 2-3.

96 Vgl. Schroff, Helmut , s.v. Matrona (3) Matrona. In: RE, Bd. XIV, 2, Sp. 2300-2305.

97 Vgl. Rieger, Hermann: Das Nachleben des Tiberius Gracchus in der lateinischen Literatur. Bonn 1991, S. 60.

98 Vgl. Rieger, Hermann: Das Nachleben des Tiberius Gracchus in der lateinischen Literatur. Bonn 1991, S. 54-55.

99 Plut. Tib. Gracchus 8,7.

100 Vgl. Rieger, Hermann: Das Nachleben des Tiberius Gracchus in der lateinischen Literatur. Bonn 1991, S. 54.

101 Plut. Tib. Gracchus 8,7.

102 Vgl. Dettenhofer, Maria H.: Reine Männersache? Frauen in Männerdomänen der antiken Welt. In: Ungern-Sternberg, Jürgen (Hrsg.), Römische Studien. Geschichtsbewußtsein – Zeitalter der Gracchen. Krise der Republik (Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 232), München/Leipzig 2006, S. 228.

103 Vgl. Dettenhofer, Maria H.: Reine Männersache? Frauen in Männerdomänen der antiken Welt. In: Ungern-Sternberg, Jürgen (Hrsg.), Römische Studien. Geschichtsbewußtsein – Zeitalter der Gracchen. Krise der Republik (Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 232), München/Leipzig 2006, S. 228-229.

104 Plut. C. Gracchus 4,1-3.

105 Dettenhofer, Maria H.: Reine Männersache? Frauen in Männerdomänen der antiken Welt. In: Ungern-Sternberg, Jürgen (Hrsg.), Römische Studien. Geschichtsbewußtsein – Zeitalter der Gracchen. Krise der Republik (Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 232), München/Leipzig 2006, S. 229.

106 Dettenhofer, Maria H.: Reine Männersache? Frauen in Männerdomänen der antiken Welt. In: Ungern-Sternberg, Jürgen (Hrsg.), Römische Studien. Geschichtsbewußtsein – Zeitalter der Gracchen. Krise der Republik (Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 232), München/Leipzig 2006, S. 230.

107 Vgl. Dettenhofer, Maria H.: Reine Männersache? Frauen in Männerdomänen der antiken Welt. In: Ungern-Sternberg, Jürgen (Hrsg.), Römische Studien. Geschichtsbewußtsein – Zeitalter der Gracchen. Krise der Republik (Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 232), München/Leipzig 2006, S. 230.

108 Vgl. Stockton, David: The Gracchi, Oxford 1979, S. 117.

109 Vgl. Dettenhofer, Maria H.: Reine Männersache? Frauen in Männerdomänen der antiken Welt. In: Ungern-Sternberg, Jürgen (Hrsg.), Römische Studien. Geschichtsbewußtsein – Zeitalter der Gracchen. Krise der Republik (Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 232), München/Leipzig 2006, S. 230-231.

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Historische Untersuchung zum Bild der Gracchen in der antiken Literatur
Untertitel
Plutarch, Appian und Cassius Dio
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Historisches Institut)
Note
2,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
67
Katalognummer
V501377
ISBN (eBook)
9783346040121
ISBN (Buch)
9783346040138
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Graachen, Römer, Appian, Plutarch, Cassius Dio, Tiberius, Gaius, römische Politik, Untersuchung, Bild, Politik, Senat, römische Repubik, Repulbik, Literatur, Griechen, griechische Geschichtsschreiber, Geschichtsbild, Propaganda
Arbeit zitieren
Thorsten Kade (Autor:in), 2017, Historische Untersuchung zum Bild der Gracchen in der antiken Literatur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/501377

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