Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation
1.2 Ziel der Arbeit
2 Was ist ein Dialekt?
2.1 Abgrenzung von Dialekt und Hochsprache
2.2 Der Weg vom Dialekt zur Standardsprache
2.3 Sprachliche Variation
2.4 Kommunikative Funktionen des Dialekts im Unterricht
3 Rolle von Dialekten in Schulen
3.1 Chancen und Risiken für Grundschüler mit Dialekt
3.2 Dialekt im Bildungsplan Baden-Württemberg
3.3 Möglichkeit der Integration des Themas „Dialekt“ in den Deutschunterricht
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
1 Einleitung
In der Einleitung werden die Ausgangssituation des Themas „Dialekt“ und das Ziel der Arbeit, die Beantwortung der Frage „Dialekt in der Grundschule – Chance oder Hindernis?“, genauer erläutert.
1.1 Ausgangssituation
„Dialekt macht schlau“, so lautet der Titel eines Artikels der Süddeutschen Zeitung 2010. Der Autor Hans Kratzer beschäftigt sich dort mit den Pisa-Ergebnissen von 2010 und führt das gute Abschneiden von Bundesländern, wie Bayern und Baden-Württemberg auf den Dialektbezug der Regionen zurück (vgl. Kratzer 2010).
Dies war jedoch nicht immer so. Ulrich Ammon hat 1978 gegenteilige Behauptungen aufgestellt. Bei seinen Untersuchungen von Kindern der Klassenstufe 3 und 4 kam er zu dem Ergebnis, dass Dialektsprecher in allen untersuchten Kategorien, wie beispielsweise der Rechtschreibung, schlechter abschnitten (vgl. Ammon 1978, 241).
Seit einigen Jahren ist die Dialektthematik wieder in den Vordergrund gerückt. Das Bundesland Bayern hat im Jahr 2015 eine Handreichung an alle Schulen und Lehrkräfte verteilt, in welcher das Bayrische Staatsministerium für Unterricht und Kultus unter anderem Unterrichtsmaterial und Aufsätze zum Thema „Dialekt“ ausgearbeitet hat (vgl. Bayrisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus).
1.2 Ziel der Arbeit
In der nachfolgenden Hausarbeit soll die Frage geklärt werden, ob Dialekt für Grundschüler eher eine Chance oder ein Hindernis darstellt. Dabei werden zunächst die Begriffe Dialekt und Standardsprache definiert und voneinander abgegrenzt. Weiterhin wird der historische Kontext näher erläutert und auf die Entstehung der Standardsprache eingegangen. Die sprachlichen Variationen werden nachfolgend unterschieden und genauer erklärt. Um die Fragestellung der Arbeit besser beantworten zu können, werden die kommunikativen Funktionen des Dialekts im Unterricht definiert. Das letzte Kapitel befasst sich direkt mit dem Dialekt bei Grundschülern. Dabei wird besonders auf mögliche Chancen und Risiken eingegangen sowie die Dialektthematik im Bildungsplan Baden-Württemberg 2016. Abschließend wird gezeigt, wie man diese Erkenntnisse im Unterricht umsetzen kann.
2 Was ist ein Dialekt?
Im folgenden zweiten Kapitel dieser Arbeit werden die Begriffe „Dialekt“ und „Hochsprache“ definiert und historisch eingeordnet. Weiterhin werden Funktionen und Wirkungsweisen von Dialekt beschrieben und wie diese Anwendung im Schüler-Lehrergespräch finden.
2.1 Abgrenzung von Dialekt und Hochsprache
Ziel dieses Abschnittes ist es, die Begriffe „Dialekt“ und „Hochsprache“ zu definieren und voneinander abzugrenzen. Dabei wird auf die Herkunft sowie auf verschiedene Abgrenzungskriterien eingegangen.
Das Wort Dialekt kommt vom griechischen Wort διάλεκτος (dialektos), was zu Deutsch Redeweise bedeutet. Es handelt sich hierbei um eine Sprachvarietät mit räumlicher Begrenzung (vgl. Bußmann 2002, 162). Das bedeutet, dass man in einer bestimmten Region eine bestimmte Sprache spricht, beispielsweise in Nürnberg Fränkisch.
Die Standardsprache, auch als Hochsprache bezeichnet, ist die seit den 70er Jahren verwendete mündliche und schriftliche Sprachform, welche laut Bußmann als historisch legitimiert und überregional gilt (vgl. ebd., 648).
Ulrich Ammon ist der Meinung, dass eine allgemeine und auf den Sprachentyp bezogene Begriffsbestimmung von Dialekt und Einheitssprache in der Linguistik nicht möglich zu sein scheint (vgl. Ammon 1978, 50). Beim Versuch zur Definitionsfindung sollte man die gegensätzliche Beziehung zur Hochsprache nicht außer Acht lassen. Ohne diese Relation kann laut Ammon keine Begriffsbestimmung stattfinden (vgl. ebd., 49). Dieser Meinung ist auch Heinrich Löffler. Durch die nachfolgenden sechs Gesichtspunkte grenzt er den Dialekt gegenüber der Standardsprache ab (vgl. Löffler 2003, 3).
Nach dem linguistischen Kriterium ist der Dialekt eine Unterkategorie zu einem übergreifenden Sprachsystem. Die Verständlichkeit des Dialekts muss gewahrt bleiben. Sollte es zu viele Abweichungen geben, handelt es sich nicht mehr um Dialekt, sondern um eine andere Sprache. Wenn man von Dialekt spricht, nutzt man wenige grammatische Ebenen. Kategorien, wie beispielsweise das Präteritum der Verben, werden weggelassen. Oft werden im Dialekt Sätze gesagt, wie „Ich bin gerannt“ anstelle von „ich rannte“. Im Gegensatz dazu nutzt die Hochsprache, der Theorie nach, eine „optimale“ Grammatik. Das Inventar aller grammatischen Kategorien ist maximal. Jedoch wiesen Sprachwissenschaftler darauf hin, dass sich Hochsprache und Dialekt prinzipiell nicht unterscheiden, sondern lediglich in der Besetzung und Frequenz der Verwendung variieren.
Ein weiteres Abgrenzungskriterium ist der Verwendungsbereich. Der Ort spielt hierbei eine große Rolle. Im familiär-intimen Bereich sowie in der Region und am Arbeitsplatz spricht man häufig Dialekt. Im Gegensatz dazu findet in öffentlichen und überörtlichen Bereichen eher die Hochsprache Anwendung. Dies erfolgt sowohl in der mündlichen, als auch in der schriftlichen Rede. Weiterhin wird die Hochsprache unter anderem in der Literatur, der Kunst und der Wissenschaft verwendet.
Das Kriterium der Sprachbenutzer unterscheidet sich nach der Art des Personenkreises. Dialekt wird als Sprache der Unterschicht, wie Arbeiter und Bauern, verstanden. Hochsprache hingegen wird der Mittel- und Oberschicht zugeordnet. Allerdings spricht man im Norden Deutschlands auch in den untersten Schichten Hochsprache, während weiter südlich und auch in der Schweiz und in Österreich der Dialekt auch von gehobenen Schichten benutzt wird.
Als viertes Kriterium spricht Löffler die sprachgeschichtliche Entstehung an. Der Dialekt wird als zeitliche Vorstufe gesehen. Die Hochsprache ist die Vereinigungsform von früheren Dialekten als Verkehrs- oder Kultursprache. Durch Luthers Bibelsprache und deren Einheitswirkung entstand aus verschiedenen Dialekten eine Kultur- und Einheitssprache.
Wenn von Dialekt die Rede ist, ist das Kriterium der räumlichen Erstreckung das am häufigsten gemeinte. Hierbei wird der Dialekt als orts- und raumgebunden sowie landschaftsspezifisch angesehen. Die Hochsprache ist überörtlich und räumlich unbegrenzt. Außerdem ist sie nicht landschaftsspezifisch. Sprach- und Dialektgeographie wird häufig gleichgesetzt.
Das Kriterium der kommunikativen Reichweite ist eng verbunden mit dem der räumlichen Erstreckung. Bei der Verwendung von Dialekt spricht man von einer begrenzten und dadurch sehr geringen kommunikativen Reichweite. Hier ist der Verständigungsradius am niedrigsten. Unbegrenzte und optimale kommunikative Reichweite wird bei der Hochsprache erzielt. Der Verständigungsradius ist hier am größten (vgl. Löffler 2003, 3-7).
2.2 Der Weg vom Dialekt zur Standardsprache
Nachfolgend wird auf die Entstehungsgeschichte der Einheitssprache auf Grundlage der Dialekte eingegangen. Hierbei werden verschiedene historische Perioden betrachtet.
Die sich dauerhaft verändernde Gesellschaft stellt die Grundlage der Entwicklung der Einheitssprache dar. Ein wichtiger Bestandteil dieses Prozesses war der Buchdruck im 15. Jahrhundert. Der vorherige Zeitabschnitt war dadurch gekennzeichnet, dass „Deutsch“ allgemein alles außer Latein war (vgl. Hildebrandt 1978, 33). „Luthers Sprache in seinen Schriften signalisierte für uns die entscheidende Startphase zur Emanzipation des Deutschen als Einheitssprache.“ (Hildebrandt 1978, 33). Eine wichtige Rolle spielte hierbei auch der Bezug zu Gott, da Luther durch die Bibelübersetzung das Wort Gottes zum Volk brachte. Dies war für die Menschen ein Segen, denn der Glaube an Gott und Religion war damals sehr wichtig. Somit gestaltet sich dieses und das darauffolgende Jahrhundert als wichtige Zeitachse in Bezug auf eine Einheitssprache (vgl. Hildebrandt 1978, 33).
Mit dem Beginn der fränkischen Periode war die lateinische Sprache sehr dominant. Oft wurden im 8. und 9. Jahrhundert biblische Geschichten nacherzählt und somit die fränkische Sprache volksnah vermittelt. Unter den Nachfolgern Karl des Großen kam es zur Spaltung in einWest- und ein Ostreich und damit auch zur Verdrängung des Fränkischen zugunsten anderer Sprachen, wie dem Französischen (vgl. ebd., 34-35).
Die schwäbische Periode, um das Jahr 1200 herum, brachte neuen Schwung in die Entwicklung einer Einheitssprache. In dieser Zeit vollzog sich die Entwicklung vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen (vgl. ebd., 35).
Zusätzlich befand man sich damals in der „[...] Blütezeit mittelhochdeutscher höfischer Dichtung [...]“ (Hildebrandt 1978, 36). Historiker stellen sich die Frage, in wie weit die verwendete Sprache als Beginn einer Einheitssprache bezeichnet werden kann. Diese, zwischen Main und Neckar vorherrschende Form, stellte die mittelhochdeutsche Rittersprache dar. Hierbei wurde die Nutzung des Dialekts vermieden und überwunden. Der Vortragende sollte für den Zuhörer weltgewandt wirken und dem Französischen ebenbürtig sein. Die Rittersprache verschwand durch den Zerfall des staufischen Kaiserhauses und damit auch diese Form der Einheitssprache (vgl. ebd., 36-37).
Die Periode der Schriftdialekte begann mit dem Ende des Mittelalters. Große Veränderungen und Umstrukturierungen der Gesellschaft fanden statt. Weiterhin wuchs die Bevölkerung rasch an und das Bürgertum bekam immer mehr Bedeutung. Gleichzeitig wurde Geld als Zahlungsmittel immer wichtiger, wodurch die Wirtschaft gestärkt wurde. Durch die Vertreibung der Bauern auf ländliche Regionen und den Zuzug von Bürgern in die Stadt, entstand ein immer größerer Unterschied der Funktionalität von Sprache. In dörflichen Regionen verfolgte man eher einen konservativen Sprachstil, während man sich in städtischen Regionen mehr und mehr einer Einheitssprache annäherte. Die sich herausbildende Nationalitätssprache kann daher als eine Art Vorstufe zur späteren Nationalsprache bezeichnet werden.
Nach M. Guchmann ist als Bindeglied zwischen den Sprachen die Verschriftlichung zu sehen. Selbst geschriebene Texte enthielten, ohne den vorhandenen Buchdruck, stets individuelle Züge des Autors, auch wenn es sich um Abschriften handelte. Da aber der Drang nach Wissen immer stärker wurde, übersetzte man nun auch viele Texte vom lateinischen ins Deutsche und kam damit auf die Ebene der sogenannten „Translatio“ (vgl. Hildebrandt 1978, 37-38). Allerdings stellt dies auch heutzutage noch eine große Herausforderung für Linguisten dar, denn jedes einzelne Schriftstück zeichnete sich durch die „[...] regionalsprachliche Kompetenz des Schreibers [...]“ (Hildebrandt 1978, 38) aus. Auch ist der sprachliche Unterschied zwischen dem Lateinischen und dem Deutschen eine Hürde.
Diese Verschriftlichung trug dazu bei, dass sich die Texte immer mehr vom Mündlichen entfernten und dadurch gleichzeitig überregionale Ausdrucksformen entstanden (vgl. ebd., 39).
Damals ging man nach der Methode „Schreiben nach Sprechen“ vor (vgl. ebd., 40). Heutzutage ist ein umgekehrter Trend festzustellen. Viele Bundesländer sind von dieser Methode wieder abgekommen. Zwar herrscht im Unterricht oft didaktische Freiheit, dennoch ist die „Schreiben nach Sprechen“-Methode in Bayern und Baden-Württemberg sogar verboten worden. Die baden-württembergische Kultusministerin war nach dem schlechten Abschneiden der Schülerinnen und Schülern in Rechtschreibtests zu dem Entschluss gekommen, dass dieses Thema wieder explizit ab Klasse 1 behandelt werden muss. Die meisten Kinder würden nicht von allein lernen, wie man orthographisch richtig schreibt. Dies müsse man üben, um es sich anzueignen1 (vgl. Fritzen 2017).
Durch den Buchdruck wurde ein neues Zeitalter, die Periode der neuhochdeutschen Einheitssprache, eingeleitet. Texte konnten nun in Massen produziert werden. Dadurch waren diese Schriften nun nicht mehr individualisiert und einer breiten Masse zugänglich. Sprache wurde erstmals festgelegt und mit Regeln versehen. Forschungen zeigten, dass sich eine schreibsprachliche Norm herausbildete, die aus dem ostmitteldeutschen und ostfränkisch-oberdeutschen entstand. Dadurch wurden Dialekte immer mehr zugunsten einer einheitlichen Sprache verdrängt (vgl. Hildebrandt 1978, 40-41).
Auch ist festzuhalten, dass beide Sprachtypen unterschiedliche Funktionsbereiche haben. Um Informationen auszutauschen und alltägliche Themen anzusprechen, benutzte man weiterhin dialektale Formen. Begab man sich in die Öffentlichkeit oder hatte eine Unterhaltung offiziellen Charakter, so kam die Einheitssprache zum Einsatz. Auch wurden unterschiedliche Wörterbücher herausgebracht. Adelung konzipierte ein Deutsches Wörterbuch mit rein einheitssprachlichen Begriffen. Hingegen veröffentlichte Campe ein Wörterbuch, welches auch dialektale Wörter enthielt. Dieses Werk erfuhr jedoch keine allgemeine Zustimmung.
Dialekte werden heutzutage auch immer mehr zurückgedrängt. Durch die voranschreitende Globalisierung und Mobilisierung wird zur Verständigung großen Wert auf eine einheitliche Standardsprache gelegt (vgl. ebd., 42). Allerdings stellt Hildebrandt folgendes heraus: „Sofern jede moderne Gesellschaft ein kompliziertes Gefüge sozialer Gruppierungen bleiben wird, so sicher wird sie sich auch je spezifischer Varietäten von Sprache bedienen.“ (Hildebrandt 1978, 44).
2.3 Sprachliche Variation
In diesem Kapitel werden die Begriffe Variation, Variable und Varietät näher definiert. Dabei wird besonders auf die diatopische Variation eingegangen.
Die Grundlage der Variation findet sich im Kooperationsprinzip. In der Wissenschaft spricht man davon, dass Menschen gut kommunizieren können, indem dieses Prinzip zur Anwendung kommt. Hierbei passen sich die Gesprächspartner im Laufe der Unterhaltung aneinander an. Sie synchronisieren dabei ihr sprachliches Wissen und es findet laufend eine Rückkopplung der Gesprächspartner statt, welche der Unterhaltung eine Dynamik verleiht. Dabei spielt die Art der Rückkopplung eine wesentliche Rolle (vgl. Schmidt 2005, 19). Sie „[...] bewirkt eine Modifikation oder Stabilisierung der angewendeten Sprachproduktionsstrategie.“ (Schmidt 2005, 19). Darum entstehen immer wieder Variationen von Sprache.
„Unter sprachlicher Variation verstehen wir das Vorkommen von zwei oder mehr funktional äquivalenten sprachlichen Ausdrucksformen, sogenannten Varianten, in einer Sprachgemeinschaft bei einem Sprecher oder sogar in einem Text.“ (Szmrecsanyi 2013, 261)
Als Variable bezeichnet man jeweils die unterschiedlichen Varianten eines Wortes. Ein Beispiel für eine Variable ist eine Begrüßungsformel und Varianten davon sind unter anderem „Hallo“, „Servus“ oder „Guten Tag“. Die Menge von Varianten aus Variablen bezeichnet man als Varietät (vgl. ebd.).
Verschiedene Faktoren beeinflussen das Entstehen von Variationen. Man unterscheidet hier die sprachinterne und die außersprachliche Dimension. Die sprachinterne Dimension besteht aus lautlichen, grammatischen, lexikalisch-semantischen, pragmatischen und Prozessierungsfaktoren (vgl. ebd., 263). Bei der außersprachlichen Dimension der sprachlichen Variation spricht man von diatopischen Varietäten, diaphasischen Sprechweisen, diachronen Sprachstufen und Stadien und Soziolekten bzw. diastratischen Sprechweisen.
Diaphasische Sprechweisen sind abhängig von der Kommunikationssituation und dem Medium. Die historische Sprachwissenschaft spricht von diachronen Sprachstufen oder Stadien, die bestimmten zeitlichen Abschnitten zugeordnet werden können. Verschiedene Sprechweisen können auch auf soziale Ursachen zurückgeführt werden. Hierbei spricht man von diastratischen Sprechweisen.
Auf dialektaler Ebene spricht man von der diatopischen Variation. Hierbei bezieht man sich auf die Dimension des Raums. Eine klare Abgrenzung zwischen den Begriffen „Sprache“ und „Dialekt“ ist mit Hilfe von linguistischen Kriterien kaum möglich. Sowohl Sprache, als auch Dialekt variieren bezogen auf den Ort, an dem man sich befindet. Um Dialekte räumlich zu verorten, wurden immer wieder vielfältige Kartierungstechniken und -methoden angewandt (vgl. ebd., 271).
Baden-Württemberg kann man beispielsweise grundsätzlich in zwei Dialektregionen einteilen: Fränkisch und Alemannisch. Diese Gebiete lassen sich allerdings nochmals unterteilen. Das Fränkische besteht aus Rheinfränkisch, Südfränkisch und Ostfränkisch. Entsprechend kann man das Alemannische in Oberrheinalemannisch, Schwäbisch, Südalemannisch und Bodenseealemannisch einteilen. Durch die häufigen Überschneidungen ist eine klare Abgrenzung der Dialekte nicht mehr so einfach möglich (vgl. Spiekermann 2008, 58-59).
2.4 Kommunikative Funktionen des Dialekts im Unterricht
Der folgende Abschnitt befasst sich mit den kommunikativen Funktionen des Dialekts im Unterricht. Hierbei wird speziell auf die Rolle des Lehrers eingegangen.
Merkmale, wie Intimität, Familiarität und Regionalität binden in den Dialekt die positiven Werte der sozialen und lokalen Zusammengehörigkeit und Identität ein (vgl. Ramge 1978, 201). Dialekt vermittelt des Weiteren, die sozial-lokale Identität des anderen zu akzeptieren und sich damit als Mensch mit gleicher lokaler Kultur zu solidarisieren. Somit sind die Basisfunktionen dialektgerichteten Sprechens Solidarisierung und Emotionalisierung (vgl. ebd., 201). Nachfolgend werden sieben kommunikative Grundfunktionen dialektgerichteten Sprechens erläutert (vgl. ebd., 213-218).
Sprechen mit Dialekt hat Veranschaulichungsfunktion. Es soll durch Verwendung des Dialekts signalisiert werden, dass es sich um alltägliche, natürliche Rede handelt. Das Gespräch soll den alltäglichen Gesprächen zwischen Schülern und Lehrern ähneln. Ramge zufolge wirkt dies solidarisierend.
Äußerungen im Dialekt haben außerdem eine Aktivierungsfunktion. Die Schülerinnen und Schüler sollen im Unterricht zur Mitarbeit aktiviert werden. Es erfolgt ein Appell zu gemeinschaftlich-partnerschaftlichem Handeln. Der Lehrer stellt sich dadurch scheinbar auf eine Ebene mit den Schülern.
Nehmen Lehrer im Laufe des Unterrichts Organisatorisches unter Verwendung des Dialekts vor, spricht man von der Bagatellisierungsfunktion. Es werden Aspekte besprochen, die belanglos erscheinen, aber für den reibungslosen Ablauf des Unterrichts zwingend erforderlich sind.
Durch die Abschwächungsfunktion werden Äußerungen von Schülerinnen und Schülern zurückgewiesen, allerdings unter der Maßgabe, den Betroffenen möglichst gering zu verletzen. Es stellt ein Tadel dar. Die Basisfunktion der Solidarisierung wird jedoch gewahrt.
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1 https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/schreiben-nach-gehoer-immer-mehr-bundeslaender-kehren-ab-15138342.html