Die Haltung der DDR zu Israel in der Frage der Wiedergutmachung


Hausarbeit, 2005

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung.

2. Frage der Wiedergutmachung 1945-1949

3. Außenpolitische und Innenpolitische Rahmenbedingungen
3.1. Außenpolitische Aspekte – die Sowjetunion setzt auf die Araber
3.2. Innenpolitische Aspekte

4. Wie antisemitisch war die DDR?

5. Diplomatie und Abgrenzung in den 50er Jahren
5.1. Israelische Reparationsforderungen gegenüber beiden deutschen Staaten
5.2. Luxemburger Abkommen und die Reaktion Ostberlins.
5.3. Erste Gespräche zwischen der DDR und Israel in Moskau.

6. Nahostpolitik und der Einfluss der Hallstein-Doktrin.
6.1. Bemühung um die arabischen Staaten.
6.2. Besuch Walter Ulbrichts in Ägypten

7. Schlussfolgerungen

8. Literatur

1. Einleitung

Bei der Betrachtung des Umgangs mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und dem Holocaust in den beiden deutschen Staaten nach der Aufteilung Deutschlands stehen oft Analysen über den Westen Deutschlands im Vordergrund. Doch auch die DDR muss sich im Besonderen daran messen lassen, wie sie sich zu ihrer eigenen Vergangenheit verhalten hat und welche Konsequenzen daraus gezogen wurden.

Eine wichtige Rolle spielt dabei die Frage der Wiedergutmachung Deutschlands gegenüber Israel. Die „Arisierung“ jüdischen Vermögens, der erzwungene Verkauf von Unternehmen und Immobilien und die staatliche Einziehung der materiellen Hinterlassenschaft derjenigen, die in die Emigration getrieben worden waren, ist zwar intensiv, aber nicht abschließend erforscht worden. Noch weniger ist darüber bekannt, wie man seit dem Ende des Dritten Reiches mit dem enteigneten jüdischen Vermögen umgegangen ist. Über die Westzonen liegen vergleichsweise mehr Informationen vor, während die Entwicklungen in der sowjetischen Zone und der DDR aus politischen Gründen unterbelichtet geblieben sind und erst vor kurzem, durch Arbeiten unter anderem von David Kessler, Angelika Timm, Constantin Goschler, etwas erhellt werden konnten.

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen der DDR und Israel unter besonderer Berücksichtigung der Frage der Wiedergutmachung. Dabei wird der Schwerpunkt der Untersuchung auf die 50er bis Mitte der 60er Jahre gelegt. Die Zeit von 1945 bis 1949 wird jedoch kurz erwähnt, für das bessere Verständnis der späteren Ereignisse.

Als erstes wird auf die die Frage der Wiedergutmachung und die mögliche Versuche, diese zu leisten, in den Jahren von 1945 bis 1949 eingegangen. Es war auch eine deutschlandpolitisch relevante Frage, inwieweit die DDR bereit war, für die Schuld des Deutschen Reiches aufzukommen. Deswegen sollen sowohl innenpolitische als auch außenpolitische Aspekte nicht außer Acht gelassen werden. Sie werden in den weiteren beiden Abschnitten der Arbeit behandelt.

Die DDR behauptete immer, es gebe keinen Antisemitismus auf ihrem Territorium. War das wirklich der Fall? Welchen Einfluss hatte die Sowjetunion auf seine Entwicklung und Verbreitung? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das vierte Kapitel.

Als nächstes wird auf die Versuche der diplomatischen „Nicht-Beziehung“ eingegangen: wie reagierte die Bundesrepublik auf die Forderungen Israels nach der Wiedergutmachung und welche Begründungen hatte die DDR für ihre Ablehnung der Entschädigung. Im letzten Teil der Arbeit werden die erneuten Bemühungen der DDR um die arabischen Staaten dargestellt und die Ziele, die damit verbunden waren. Außerdem wird auf den Besuch Walter Ulbrichts in Ägypten eingegangen und auch darauf, welche Folgen für die DDR er hatte.

2. Frage der Wiedergutmachung 1945-1949

Bevor man zur Frage der Wiedergutmachung nach der Gründung Israels 1948 und der DDR 1949 übergeht, sind die Richtlinien und die Verordnungen zur Wiedergutmachung in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) in den Jahren 1945 bis 1948 darzulegen. Noch im Jahre 1945 wurden in den Ländern bzw. Provinzen der SBZ solche Verordnungen über die Versorgung und Betreuung der „Opfer des Faschismus“ (OdF) (später als Verfolgte des Naziregimes bezeichnet) erlassen. Dabei war allerdings eine unterschiedliche Herangehensweise festzustellen. Zum Beispiel lagen die Richtlinien in der Provinz Brandenburg bezüglich der Anerkennung und Betreuung der OdF seit dem 24. August 1945 vor, in der Provinz Sachsen gab es eine Verordnung zur Wiedergutmachung für die OdF, und in Thüringen wurde am 14. September 1945 ein Wiedergutmachungsgesetz erlassen (vgl. dazu unten), während es in Mecklenburg-Vorpommern bis Juni 1946 keine entsprechende Verordnung gegeben hatte.[1]

Eine der frühesten Reibungspunkte zwischen Erwartungen und Realitäten im Leben der jüdischen Bürger in der SBZ und späteren DDR entstand bei der Bewertung der nationalsozialistischen Judenverfolgung und ihrer Einordnung als Opfer des Faschismus. Symptomatisch dafür war die Diskussion auf der ersten Vollsitzung des Hauptausschusses „Opfer des Faschismus“ in Berlin, auf dem den jüdischen Verfolgten zunächst die Anerkennung als „Opfer des Faschismus“ verweigert wurde. Die Begründung war: sie haben alle Schweres erlitten, aber sie haben nicht gekämpft. Trotz aller Proteste auch innerhalb des Kreises der „Opfer des Faschismus“ wurde am 28. Juni 1945 diese Entscheidung mit den Worten unterstrichen: „Damit ist entschieden, dass Juden, Mischlinge, Bibelforscher, die meisten Fälle der Wehrkraftzersetzung, nicht in den eng gezogenen Rahmen der „Opfer des Faschismus“ einbezogen werden können“.[2] In der Verordnung der Landesverwaltung Sachsen wurde der Begriff „Opfer des Faschismus“ folgendermaßen definiert:

1. Opfer des Faschismus sind alle Personen, die als Kämpfer gegen den Faschismus sich in Strafhaft, Untersuchungshaft oder sonstiger Haft befunden haben, dadurch in ihrer Gesundheit oder ihrem wirtschaftlichen Fortkommen geschädigt worden sind, und die auch während der Haft und nach der Entlassung aus der Haft ihre kämpferische Einstellung bewiesen haben und jetzt noch beweisen.
2. Als Opfer des Faschismus gelten außerdem alle Personen, die auf Grund der Rassengesetzte oder ihrer religiösen Einstellung verfolgt worden sind und dadurch Schäden gesundheitlicher und wirtschaftlicher Art erlitten haben.[3]

Nach Kriegsende bildeten sich in den größeren Orten der SBZ Ausschüsse für „Opfer des Faschismus“, welche mit der Sowjetischen Militäradministration zusammenarbeiteten und dabei die politische, kulturelle und soziale Betreuung der Bürger und deren Angehöriger, die betroffen waren, übernahmen. Sie verhalfen den anerkannten Opfern zu Soforthilfe in Form von mehr Lebensmittelkarten, Kleidung und Wohnungsversorgung.

In der SBZ gab es Ansätze zur Rückerstattung jüdischen Eigentums wie das Thüringer Wiedergutmachungsgesetz vom 14. September 1945. Dieses Gesetz war das erste in Deutschland und blieb das einzige wirkliche Gesetz (neben den oben erwähnten Verordnungen und Richtlinien in Sachsen bzw. Brandenburg) in der SBZ. Es regelte die Rückgabe beschlagnahmten ehemaligen Eigentums politisch, religiös und rassisch Verfolgter. Den früheren Eigentümern sicherte es ihre Besitzrechte bis zur weiteren Einigung. Das Gesetz beschränkte sich auf die im Land Thüringen gebundenen oder noch vorhandenen Vermögenswerte wie Grundstücke, Gebäude und Unternehmen. Die Rückerstattung sollte nicht entschädigungslos erfolgen, es war die Rückzahlung des damaligen Verkaufspreises vorgesehen.[4] Zwar erging das Gesetz formal auf Anordnung der SMA Thüringen, aber ein direkter sowjetischer Einfluss auf das Zustandekommen des Gesetzes ist nicht erkennbar. Spätestens ab 1948 wurde das Wiedergutmachungsgesetz in staatliches Eigentum unterwandert. Durch den SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 war Volkseigentum allen Wiedergutmachungsansprüchen entzogen. Das Thüringer Gesetz wurde außer Kraft gesetzt, die Wiedergutmachung beschränkte sich letztlich auf die Sozialfürsorge. Es blieb als einzige seiner Art in der SBZ. Mit dem SMAD-Befehl war klar, dass der weitere Weg zur Überwindung des Nationalsozialismus in der SBZ nicht über die Wiedergutmachung der durch den Nationalsozialismus angerichteten Schäden führte, sondern über die grundlegende Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse. Der in der SBZ eingeschlagene Weg brachte zugleich die Trennung von der Entwicklung in den Westzonen mit sich.[5]

3. Außenpolitische und Innenpolitische Rahmenbedingungen

3.1. Außenpolitische Aspekte – die Sowjetunion setzt auf die Araber

Das Verhältnis zwischen den beiden Staaten DDR und Israel kann nicht separat von den internationalen Rahmenbedingungen betrachtet werden. Die 1949 gegründete DDR befand sich in der sowjetischen Besatzungszone und bewegte sich deshalb im Rahmen der Außenpolitik der Sowjetunion und den restlichen Staaten des Warschauer Paktes. Die Richtlinien wurden in und durch Moskau bestimmt[6].

Noch 1948 hatte die Sowjetunion dem Teilungsbeschluss der Vereinigten Nationen über Palästina zugestimmt und dadurch die Gründung des Staates Israel unterstützt. Dieser Kurswechsel weckte zu dem Zeitpunkt nicht wenig Erstaunen, als Moskau vom Selbstbestimmungsrecht zweier Völker in Palästina, des arabischen und des jüdischen, sprach. In seiner Rede vor den Vereinten Nationen am 26. November 1947 begründete der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko diese These damit, dass „dies aus der Sicht unserer Delegation die einzige praktikable Lösung darstellt“, denn „die Erfahrung hat gezeigt, dass die Juden und die Araber in Palästina nicht wünschen oder nicht in der Lage sind, zusammen zu leben“[7]. Durch diese Zustimmung verfolgte die Sowjetunion ein konkretes und sehr realpolitisches Ziel: „dass ein weites Gebiet südlich von ihrer Grenze so sehr von Konflikten zerrissen würde, dass die Vorherrschaft einer anderen großen Macht dort unmöglich würde“[8]. Außerdem erhoffte sich die Sowjetunion durch einen Staat Israel langfristig in einer Region Einfluss zu gewinnen, in der die Mehrheit der arabischen Staaten feudalistisch strukturiert und in ihrer Außenpolitik auf den Westen ausgerichtet war. Doch bereits nach dem Waffenstillstandsabkommen von 1949 distanzierte sich die Sowjetunion von Israel, als dieses sich schrittweise wirtschaftlich und politisch nach Westen orientierte, indem es beispielsweise 1950 im Koreakrieg die USA unterstützt hatte.[9] Bereits im Herbst 1948 beginnt die sowjetische Propaganda „deutlicher zwischen dem israelischen Staat und seiner „bürgerlichen“ (= zionistischen) Regierung zu unterscheiden und die traditionelle antizionistische Propaganda wieder aufzunehmen“[10].

[...]


[1] Micha Brumlik, u.a. (Hrsg): Babylon. Beiträge zur jüdischen Gegenwart, Heft 10-11, 1992, S. 126-127.

[2] Günther B. Ginzel (Hrsg): Der Anfang nach dem Ende. Jüdisches Leben in Deutschland 1945 bis heute, Düsseldorf, 1996, S. 75

[3] Ed., S. 75

[4] Vgl.: Thomas Schüler: Das Wiedergutmachungsgesetz vom 14. September 1945 in Thüringen, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 2, S. 118-138, hier S. 118

[5] Angelika Timm: Der Streit um Restitution und Wiedergutmachung in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, in: Micha Brumlik (Hrsg): Babylon. Beiträge zur jüdischen Gegenwart, 1992, S. 133 ff.

[6] Vgl.: Angelika Timm: Ein ambivalentes Verhältnis. Juden in der DDR und der Staat Israel, in: Moshe Zuckermann (Hrsg): Zwischen Politik und Kultur. Juden in der DDR, Göttingen 2002, S. 22 und auch: Angelika Timm: Hammer Zirkel Davidstern. Das gestörte Verhältnis der DDR zu Zionismus und Staat Israel, Bonn 1997 (weiter zitiert als „Hammer Zirkel Davidstern“)

[7] Peter Dittmar: Die DDR und Israel (I) – Ambivalenz einer Nicht-Beziehung, in: Deutschland Archiv, Band 10, Nr. 7, 1977, S. 742 (weiter zitiert als „Die DDR und Israel – Ambivalenz einer Nicht-Beziehung“).

[8] Ebd.

[9] Gareth Windrow: East Germany, Israel and the Reparations Issue, in: Soviet Jewish Affairs, Vol. 20, Nr. 1, 1990.

[10] „Die DDR und Israel – Ambivalenz einer Nicht-Beziehung“, S. 742

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Haltung der DDR zu Israel in der Frage der Wiedergutmachung
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
22
Katalognummer
V50277
ISBN (eBook)
9783638465250
Dateigröße
575 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Haltung, Israel, Frage, Wiedergutmachung
Arbeit zitieren
Anna Morozova (Autor:in), 2005, Die Haltung der DDR zu Israel in der Frage der Wiedergutmachung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50277

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