Der "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" in den Verfassungsschutzberichten Berlins und des Bundesministeriums des Innern


Seminar Paper, 2018

15 Pages, Grade: 1,7


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Der VRBHV
1.2 Quellenlage, Forschungsstand und Methodik
1.3 Die Quellengattung „Verfassungsschutzbericht“

2. Analyse ausgewählter Verfassungsschutzberichte bezüglich des VRBHV
2.1 Die Gründungsphase 2003-
2.2 Erste Rückschläge und Solidarität
2.3 Die „Holocaust-Konferenz“ in Teheran
2.4 2007 – Erstarken oder faktischer Untergang?
2.5 Das Verbot

3. Schluss

4. Literaturverzeichnis
4.1 Quellen
4.2 Forschungsliteratur

1. Einleitung

1.1 Der VRBHV

Da der „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ (VRBHV) einen Untersuchungsgegenstand darstellt, der wenig allgemeinen Bekanntheitsgrad hat, sollen zu Beginn der Arbeit einige allgemeine Erläuterungen vorangestellt werden. Am 09. November 2003, dem 65. Jahrestag der antisemitischen November-Pogrome 1938, wurde in Vlotho der VRBHV gegründet. Die Gründer waren namhafte Vertreter der internationalen Holocaustleugner-Szene, darunter Imke Barnstedt, Robert Faurisson, Jürgen Graf, Gerd Honsik, Horst Mahler, Anneliese Remer (Witwe des Holocaustleugners Otto Ernst Remer), Frank Rennicke, Manfred Roeder, Germar Rudolf, Wilhelm Stäglich, Hans-Dietrich Sander, Fredrick Toben und Ernst Zündel.1 Vorsitzender wurde Bernhard Schaub und seine Stellvertreterin Ursula Haverbeck-Wetzel. Diese und der Gründungsort Vlotho verbanden den Verein unmittelbar mit dem dort ansässigen rechtsextremistischen Vereinen „Collegium Humanum“2 und dem „Bauernhilfe e.V.“, mit denen er letztendlich 2008 zusammen verboten wurde.

Im Vorfeld der Gründung des VRBHV war 2002 ein Aufsatz des damaligen Spiegel- Redakteurs Fritjov Meyer namens „Die Zahl der Opfer von Auschwitz“ erschienen.3 Darin setzt er die Opfer-Zahlen des Konzentrationslagers Auschwitz deutlich niedriger an als bisher angenommen, nämlich um 20-30% weniger. Um die strafrechtliche Relevanz zu prüfen, erstattete Horst Mahler Anzeige.4 Die Ermittlungen wurden jedoch wegen mangelnden Tatverdachts eingestellt, vor allem aufgrund des letzten Satzes der Arbeit: „Dieses Ergebnis relativiert nicht die Barbarei, sondern verifiziert sie - eine erhärtete Warnung vor neuem Zivilisationsbruch.“5 Auf diesen Aufsatz bezog sich Mahler auch bei der Pressemitteilung, die er im Auftrag des Vorstandes anlässlich der Gründung des Vereins gab.6 Als Ziel des Vereins nannte er die "Wiederaufnahme von Strafprozessen, die zur Verurteilung wegen Leugnung bzw. Verharmlosung des Holocausts gemäß § 130 StGB Abs. 3 und 4 StGB geführt haben".7

1.2 Quellenlage, Forschungsstand und Methodik

Das Verbot des VRBHV erschwert das Sichten von Selbstaussagen der Mitglieder und vom Verein getätigter Pressemitteilungen. Diese sind meist nur indirekt über Zitate zugänglich, die sich meist in Zeitungsartikeln aus dem jeweiligen Jahr finden lassen. Der damalige Internetauftritt und damit auch die Gründungserklärung des Vereins ist durch ein deutsches Gesuch an Google von der Suchergebnisliste entfernt worden. Des Weiteren fehlt ein zentrales Organ, wie beispielsweise eine Zeitschrift.8 Neben den genannten Zeitungsartikeln eignen sich außerdem Rundfunkbeiträge und Verfassungsschutzberichte als Quellen für die Forschung zu diesem Verein. Letztere sollen in dieser Arbeit eine zentrale Rolle spielen. Forschungsliteratur zum VRBHV ist kaum vorhanden und geht nicht über einen Handbuchartikel hinaus.9 Die Gründe für diese Tatsache können unterschiedlich sein – seien es die Aktualität des Themas oder die mangelnde Öffentlichkeitswirksamkeit. Nichtsdestotrotz soll im Fazit dieser Arbeit beurteilt werden, wie berechtigt diese Vernachlässigung des VRBHV in der Forschung ist.

Die Fragestellung, der sich diese Untersuchung widmet, stellt die Verfassungsschutzberichte in den Vordergrund. Wie wurde der VRBHV vom Verfassungsschutz wahrgenommen und inwiefern trug diese Wahrnehmung zum Verbot des Vereins bei? Zur Beantwortung dieser Frage wurde die Geschichte des Vereins in fünf Phasen eingeteilt, die mit den sechs Bestandsjahren beinahe kongruieren, jedoch trotzdem durch einschneidende Ereignisse zustandekommen, wie beispielsweise die „Holocaust-Konferenz“ in Teheran. Auf die Auswahl der entsprechenden Verfassungsschutzberichte soll im Folgenden näher eingegangen werden, wenn diese Quellengattung definiert wird.

1.3 Die Quellengattung „Verfassungsschutzbericht“

Im Folgenden soll die Quellengattung des Verfassungsschutzberichtes charakterisiert und die Auswahl der zur Analyse herangezogenen Berichte begründet werden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat seinen Hauptsitz in Köln. Das ist insofern relevant, als sich Vlotho, der Gründungsort des VRBHV, – etwa zweihundert Kilometer entfernt – ebenfalls in Nordrhein-Westfalen befindet. Die Aufsichtsbehörde des Verfassungsschutzes ist das Bundesministerium des Innern (BMI) mit Hauptsitz in Berlin und einer zweiten Dienststelle in Bonn, das ebenfalls in NRW liegt.10 Jährlich gibt jedes Bundesland einen Verfassungsschutzbericht über das Vorjahr heraus und das BMI verfasst den bundesweiten Bericht in Köln.11

Alle Verfassungsschutzberichte sind in der Regel gleich aufgebaut. Sie werden eingeleitet durch ein „Vorwort“, „Statement“ oder eine „Rede“ des jeweiligen Innenministers. Darin geht er meist auf aktuelle Ereignisse ein, die die konkrete Bedrohtheit der inneren Sicherheit durch verfassungsfeindliche Gruppierungen bestätigen. Dazu zählen seit 2001 vor allem (islamistische) Terroranschläge, bevor er auch auf Neuigkeiten aus dem Rechts- und Linksextremismus eingeht.12 Anschließend folgt beim BMI stets das Kapitel namens „Verfassungsschutz und Demokratie“. In den Landesberichten findet sich meist ein ähnliches Kapitel, das jedoch je nach Bundesland einen eigenen Namen hat.13 Darin werden die Existenzberechtigung und Aufgabengebiet Dem Verfassungsschutz liegt das Prinzip der „wehrhafen Demokratie“ zugrunde. Dieses lässt sich in verschiedenen Artikeln des Grundgesetzes wiederfinden. Die Kernaufgabe besteht in der „Sammlung und Auswertung von Informationen“.14 Gegenstand dieser Informationen sind insbesondere „Bestrebungen [...] gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ und „gegen den Gedanken der Völkerverständigung“.15 Die Quellen, auf die die Autoren der Verfassungsschutzberichte zurückgreifen, werden größtenteils am Ende des Berichts offengelegt. Dort befinden sich v.a. die Fußnotenangaben für die Zitate. Es wird außerdem darauf verwiesen, dass die Informationen „in erster Linie aus offen zugänglichen Quellen“ stammen.16 Daraus lässt sich schließen, dass die Einschätzungen des Verfassungsschutzes die öffentliche Meinung miteinbeziehen, wenn meinungsbildende Medien wie namhafte Zeitungen konsultiert wurden. Außerdem dürfen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit nachrichtendienstliche Mittel verwendet werden und 2002 kamen nach dem Anschlag vom 11. September 2001 noch weitere Befugnisse hinzu.17

Das Ziel des jährlichen Verfassungsschutzberichts ist die „Unterrichtung und Aufklärung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland“.18 Der Bericht des BMI versteht sich dabei vor allem als eine Zusammenfassung der wesentlichen Punkte aus der Arbeit der Landesbehörden. Außerdem sollen „maßgebliche Entwicklungen und Zusammenhänge“ herausgearbeitet werden.19 Am Ende des einleitenden Kapitels wird stets darauf verwiesen, dass „Verfassungsschutz durch Aufklärung“ eine wesentliche Säule des Verfassungsschutzes darstellt, was durch verschiedene Projekte umgesetzt wird. Anschließend folgen Kapitel über die jeweiligen Ideologien, wobei sich der VRBHV selbstredend im Bereich des Rechtsextremismus befindet.20

Für die vorliegende Arbeit sollen die Verfassungsschutzberichte des BMIs und Berlins herangezogen werden. Erstere deshalb, weil der VRBHV eine bundesweite Organisation war, die gleichzeitig ihren Gründungsort unweit des Herausgabeortes der BMI-Berichte hatte und Letztere, da der VRBHV in Berlin seinen Hauptsitz hatte21 und der Verein letztlich auch von dem in Berlin ansässigen Bundesinnenminister Schäuble verboten wurde.22

[...]


1 Insgesamt umfasste der Verein durchschnittlich etwa 120 Mitglieder (vgl. Verfassungsschutzbericht Berlin 2008, S. 207).

2 Dieser Verein war erstaunlicherweise zunächst in der Ökologiebewegung tätig, bevor er sich erst in den 1980er-Jahren dem Rechtsextremismus zuwandte, u.a. weil der damalige Vorsitzende Werner Georg Haverbeck 1981 das „Heidelberger Manifest“ unterzeichnete. Nach seinem Tod übernahm Ursula Haverbeck-Wetzel 1999 den Vorsitz des Verein.

3 Meyer, Fritjof: Die Zahl der Opfer von Auschwitz. Neue Erkenntnisse durch neue Archivfunde, in: Osteuropa - Zeitschrift für Gegenwartsfragen des Ostens 2002, S. 631-641.

4 N.N.: Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten. Neues von ganz rechts – November 2003, http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/neues-von-ganz- rechts/archiv/november-2003/verein-zur-rehabilitierung-der-wegen-bestreitens-des-holocausts- verfolgten (Stand: 19.01.18).

5 Meyer (2002), S. 641.

6 Vgl. N.N. (2003).

7 Vgl. ebd.

8 Das Collegium Humanum hatte ein solches Organ namens „Stimme des Gewissens“. Der VRBHV brachte dagegen nur vereinzelt Schriften heraus (vgl. Verfassungsschutzbericht Berlin 2008, S. 207).

9 Benz, Wolfgang: Der Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten, in: Ders. (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus, Bd. 5 (Organisationen, Institutionen, Bewegungen), Berlin/Boston 2012, S. 627-629.

10 Die Tätigkeiten des BfV werden durch ein parlamentarisches Kontrollgremium, die unabhängige G10- Kommission und durch den Bundesbeauftragten für Datenschutz kontrolliert. Außerdem müssen seine Maßnahmen gerichtlich bestätigt werden. Das ist auch der Grund, warum Vereinsverbote o.Ä. erst mit einer gewissen Verzögerung rechtskräftig werden.

11 In den Bundesländern ist jeweils die Abteilung für Verfassungsschutz der Innenministerien zuständig. Diese haben zuweilen unterschiedliche Namen. Beispielsweise heißt die Behörde in Berlin „Senatsverwaltung für Inneres und Sport“, in Bayern „Bayerisches Staatsministerium des Innern für Bau und Verkehr“ und in NRW „Ministerium für Inneres und Kommunales“.

12 Seit wenigen Jahren wird meist auch noch die Flüchtlingsthematik angesprochen und Ausländerfeindlichkeit verurteilt.

13 In Bayern heißt es z.B. „Informationen zum Verfassungsschutz“ und in NRW „Vorbemerkungen“. In Berlin ist ein solches Kapitel gar nicht vorhanden. des Verfassungsschutzes erläutert.

14 S. beispielsweise Verfassungsschutzbericht des BMI 2003, S. 15.

15 Vgl. ebd.; Zitat ebd.

16 Vgl. Verfassungsschutzbericht des BMI 2003, S. 15.

17 Vgl. ebd., S. 15f.

18 Vgl. ebd., S. 17; Zitat ebd.

19 Vgl. ebd., Zitat ebd.

20 Die Anordung dieser Kapitel über die Zeit hinweg und bei den verschiedenen Bundesländern wäre auch einer Untersuchung wert. Beispielsweise beginnen die meisten Länder mit dem Rechtsextremismus, während Bayern stets den „Islamismus“ voranstellt und es in Berlin je nach Aktualität wechselt.

21 Vgl. z.B. den Verfassungsschutzbericht Berlin 2005, S. 240.

22 Die Verfassungsschutzberichte NRWs aus dieser Zeit waren der Verfasserin leider nicht vorlägig.Gleiches gilt für die Verfassungsschutzberichte Berlin 2003 und 2004.

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Details

Title
Der "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" in den Verfassungsschutzberichten Berlins und des Bundesministeriums des Innern
College
LMU Munich  (Geschichts- und Kunstwissenschaften)
Course
Vertiefungskurs: Der Nationalsozialismus. Die zweite Geschichte
Grade
1,7
Author
Year
2018
Pages
15
Catalog Number
V502941
ISBN (eBook)
9783346044006
ISBN (Book)
9783346044013
Language
German
Keywords
Holocaust, Holocaustleugner, VRBHV, BMI, Innenministerium, Verbot, Schäuble, Europäische Aktion
Quote paper
Tanja Otto (Author), 2018, Der "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" in den Verfassungsschutzberichten Berlins und des Bundesministeriums des Innern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/502941

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