Argentinische Kriminalliteratur. Kapitalismus- und Sozialkritik in dem Roman "Blanco nocturno" von Ricardo Piglia

Spiegel der argentinischen Lebenswirklichkeit


Trabajo Escrito, 2019

18 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Romangeschehen

3. Die zeitgenössische Lebenswirklichkeit in Argentinien.

4. Blanco nocturno: Kapitalismus- und Sozialkritik
4.1. Manifestation der Kapitalismus- und Sozialkritik im Roman hinsichtlich der argentinischen Lebenswirklichkeit
4.1.1. Erste Szene – Das Dorf und seine Bewohner
4.1.2. Zweite Szene – Indigene Hochkulturen. 10
4.1.3. Dritte Szene – Der Peronismus und die Weltwirtschaftskrise 2001
4.1.4. Vierte Szene – Korruption

5. Fazit

Bibliographie

1. Einleitung

„Soy de aquí [...], pero me puedo imaginar perfectamente la vida de este muchacho. Parecía venir de otro lado [...] [pero] no hay otro lado, todos estamos en la misma bolsa“1 – Bereits zu Beginn des Romans Blanco nocturno lässt Ricardo Piglia einer seiner Hauptcharaktere Kommissar Croce verdeutlichen, dass das skizzierte Leben in der argentinischen Pampa im kapitalistischen Regime zum Alltag der Industriegesellschaft gehört. Das gemeinsame Schicksal der argentinischen Gesellschaft scheint wie ein Teufelskreis zu sein, aus dem es kein Entrinnen gibt. Ricardo Piglia bildet somit eine grundlegende Referenz in der lateinamerikanischen Literatur, da er durch die Verarbeitung der zeitgenössischen Lebenswirklichkeit sowohl sein theoretisches als auch sein kritisches Wissen miteinander verknüpft. 2 V or allem die kapitalistische Entwicklung, die in wirtschaftlich fortgeschrittenen Ländern zu einer Herausbildung verschiedener Bevölkerungsschichten führte, hat zur Folge, dass es zur Etablierung einer neuartigen Gesellschaftsordnung kam. Dementsprechend äußert der Autor in seinem Werk Blanco nocturno unterschwellig und bedeckt seine Kritik am herrschenden System Argentiniens und die damit verbundene Kritik an der argentinischen Gesellschaft.

In dieser Seminararbeit soll daher die Frage geklärt werden, inwiefern sich die Kapitalismus- und Sozialkritik im Roman Blanco nocturno von Ricardo Piglia als ein Spiegel der argentinischen Lebenswirklichkeit manifestieren lässt. Zur Klärung der Fragestellung wird zunächst das Romangeschehen skizziert, um einen Überblick über die Handlung zu erhalten. Anschließend wird die zeitgenössische Lebenswirklichkeit Argentiniens, in der sich die Handlung abspielt, veranschaulicht und ein Bezug zu den im Roman erwähnten Aspekten hergestellt, um somit das Werk in seinem allgemeinen Entstehungskonzept einzuordnen. Im weiteren Verlauf wird anhand ausgewählter Szenen die Manifestation der Kapitalismus- und Sozialkritik im Roman hinsichtlich der argentinischen Lebenswirklichkeit verdeutlicht, indem in den jeweiligen Schauplätzen unterschiedliche Themengebiete aufgegriffen werden, anhand dessen die Kritik Piglias letztendlich ersichtlich wird.

2. Das Romangeschehen

Ricardo Piglia unterteilt das Romangeschehen in zwei Teile und bezieht sich dabei im ersten Teil auf die Ermordung des US-Amerikaners, puerto-ricanischer Abstammung, Tony Durán, um dem Leser im weiteren Verlauf zu verdeutlichen wie es zur Aufklärung des Verbrechens durch den im Dorf lebenden Kommissar Croce und gleichzeitig zur Verhinderung dessen kommt. Im Fokus stehen vor allem der unschuldig verhaftete Hotelportier, japanischer Abstammung, Yoshio Dazai, der Mörder Duráns, der sich im Verlauf des Geschehens selbst zu erkennen gibt und der Staatsanwalt Cueto, der das Bekenntnis des Mörders nicht als geltend sieht. Im zweiten Teil wird jedoch Luca Belladonna zur Hauptfigur des Geschehens. Dabei spielt die Fabrik, die er gemeinsam mit seinem Bruder Lucio Belladonna aufgebaut hat und seine Entscheidung im Fall von Yoshio Dazai eine entscheidende Rolle.3

Die Handlung findet in einem namenlosen Dorf in der Provinz von Buenos Aires statt, dass in Mitten der feuchten Pampa liegt. In der Nähe des Dorfes befindet sich eine Eisenbahnstrecke, dessen Erbauung im 20. Jahrhundert der Grund für die Entstehung der Siedlung war. Cayetano Belladonna und seine Familie besitzen einen hohen Rang innerhalb des Dorfes. Dabei handelt es sich um einen 70-jährigen Mann, der einst als Ingenieur tätig war und durch seinen Vater Bruno Belladonna ein begüterter Landbesitzer in der westlich liegenden Gegend von Carhué wurde. Aufgrund dessen fährt er jeden Monat einmal in die Hafenstadt Quequén, um einen Überblick über den Transport seines Getreides zu erhalten.4

Di e Handlung erstreckt sich über knapp drei Monate, vom März bis Mai 1972, und beginnt damit, dass am neunten März der Leichnam von Tony Durán im Hotel Plaza gefunden wurde, in dem er sich seit Anfang Januar befindet. Durán pflegt den Kontakt zu der Belladonna Familie und hat eine ménage à trois mit den Belladonna-Schwestern Ada und Sofía. Das Romangeschehen endet schließlich mit der Beerdigung von Luca Belladonna, der Sohn von Cayetano Belladonna, der einst gemeinsam mit seinem verstorbenen Bruder Lucio Besitzer eines Fabrikgebäudes war. Dabei handelt es sich um eine Produktionsstätte für die Automobilindustrie, die sich auf einem begehrten und verkehrsgünstigen Stück Land befindet und in der sie gemeinsam mit einem befreundeten Mechaniker und einem Sekretär leben.5

3. Die zeitgenössische Lebenswirklichkeit in Argentinien

Im Juni 1946 übernahm Juan Domingo Perón durch freie Wahlen die Regierungsgewalt in Argentinien und stützte dabei seine peronistische Regierung, wie alle vorherigen argentinischen Militärregierungen, auf die Streitkräfte. Die Gewerkschaften, die einen hohen Anteil in der Bevölkerung ausmachten und für dessen wirtschaftliche und politische Interessen er sich einsetzte, machten dabei seine Anhängerschaft aus. Dabei basiert Peróns politisches Konzept auf der Integration der Unterschichten und dessen politische Partizipation, die jedoch durch autoritäre Organisationsstrukturen wiederum eingeschränkt wurde. Die Intention, die er dabei verfolgte, war primär der Abbau der Unterschiede zwischen den sozialen Schichten und deren nationale Aussöhnung.6 Durch die wachsende Unzufriedenheit der Streitkräfte mit der Regierungsführung Peróns, bahnten sich erste Anzeichen einer Krise an, die schließlich 1955 mit dem Sturz seiner Präsidentschaft endete.

Nach zahlreichen weiteren Putschversuchen des Militärs und den damit verbundenen Studentenunruhen im Jahre 1969 in Córdoba, der zweitgrößten Industriestadt des Landes, kam es zu zahlreichen gewalttätigen Protesten, die zur Folge hatten, dass der Wunsch nach einem Rückzug der Militärregierung und die Forderung nach neuen Wahlen stieg.7

Im März 1973 gewann schließlich Hector Cámpora aus der peronistischen Partei die Wahl, bei dem jedoch bereits zu Beginn deutlich geworden war, dass er als Übergangspräsident diene bis Perón aus seinem spanischen Exil zurückkehren könne.8 So zeigt auch Piglia, dass die Bewohner aus dem Dorf „[quieren] estar en Buenos Aires cuando vuelva Perón.“9 Diese Herrschaft hielt jedoch nur zwei Monate, weshalb es zu neuen Wahlen kam bei den Perón letztendlich selbst kandidierte und gewann. Er machte deutlich das seine Unterstützung künftig den Rechtsperonisten galt und leitet somit eine Reorganisation der peronistischen Bewegung unter konservativen Vorzeichen ein.

Mit dem Tod Peróns im Juli 1974 nahm die innenpolitische Situation eine bürgerkriegsähnliche Wendung an, was zur Folge hatte, dass zahlreiche Entführungen, Bombenanschläge sowie Ermordungen von Politkern, Intellektuellen und Arbeitern vonstattengingen. Als die Regierung schließlich nicht mehr in der Lage war die innenpolitischen Probleme zu lösen, noch den exponentiellen Verfall der Wirtschaft aufzuhalten, dessen Folgen die Warenverknappung sowie die mehrmalige Abwertung des Pesos waren, erhöhte sich der Wunsch nach dem Sturz der herrschenden Präsidentin Isabel Perón. Als sich schließlich die Lage weiter verschlechterte und es zu einer rapiden Lebensmittelverknappung sowie zu gewaltsamen Demonstrationen kam, führten die Streitkräfte ein Militärputsch gegen die Regierung aus. Im März 1976 übernahm schließlich das Militär unter General Jorge Videla die Macht.10

4. Blanco nocturno: Kapitalismus- und Sozialkritik

In den folgenden Kapiteln soll diskutiert werden, inwieweit sich eine Kapitalismus- und Sozialkritik im Roman Blanco nocturno manifestieren lässt. Dies geschieht anhand der Auswahl von konkreten Szenen, die im Bezug zur zeitgenössischen Lebenswirklichkeit in Argentinien diskutiert und interpretiert werden. Anhand dessen kann die Gesellschaftskritik sowie der Aspekt, auf dem sie fußt, veranschaulicht werden.

4.1. Manifestation der Kapitalismus- und Sozialkritik im Roman hinsichtlich der argentinischen Lebenswirklichkeit

In den Jahren zwischen 1970 und 1980 wurden die Länder des lateinamerikanischen Kontinents durch eine Welle diktatorischer und neokonservative Regime verwüstet, was zur Folge hatte, dass einer der größten politischen und kulturellen Exilprozesse losgetreten wurde. Seit jeher beschäftigt sich die ficción literaria mit einer tiefgreifenden, neuartigen sowie kritischen Überprüfung der historiographischen Diskurse des Landes, mit dem Ziel, die Krise und Gesellschaften der betroffenen Länder zu erklären und zu verstehen. Von diesem Moment an gewann die novela histórica an neuer Bedeutung und Vielfalt. Besonders im Bezug auf die argentinische Literatur wurde das Verhältnis zwischen Fiktion und Geschichte sowie zwischen Literatur und Erinnerung auf einer neuen Weise definiert.11

So verbindet auch Ricardo Piglia Literatur, Literaturkritik und Literaturtheorie mit der Historie des Landes. Dementsprechend hat er bereits in seinem ersten Roman Respiración artificial (1980) die Literatur, Literaturtheorie und Geschichte mit Elementen des Kriminalromans auf politischer Weise in Beziehung gesetzt. Laut Spiller könne man somit sagen, dass sich Piglia dem unreinen Schreibstil Arlts, jedoch technisch bei Borges bediene. 12 T rotz dass der Roman Blanco nocturno zeitlich vor der Militärdiktatur 1976 angesetzt wurde, reichert Piglia den Leser mit Wissen über dieses historische Ereignis an, denn das skizzierte Leben in Blanco nocturno in der argentinischen Pampa 1972 gehört zum Alltag der Industriegesellschaft im Kapitalismus, „der durch seine vielfältiger werdenden Verflechtungen noch anfälliger für Ungemach durch plötzliche Ausfälle an Schnittstellen geworden ist.“13 Auf der einen Seite geraten somit viele Menschen in Not, während auf der anderen Seite einige andere ihr Vermögen, wenn auch auf illegaler Weise, vergrößert haben.14

In den folgenden Unterpunkten wird anhand von vier konkreten Szenen aus dem Roman Bl anco nocturno die Kapitalismus- und Sozialkritik veranschaulicht und anhand bereits erarbeiteter Aspekte interpretiert.

[...]


1 Piglia, Ricardo, Blanco nocturno, Barcelona: Anagrama 2010, 17.

2 Vgl. Zuñiga, María Carolina, „Ricardo Piglia: Entre La Certeza (Crítica) Y La Incertidumbre (Ficción)”, URL: https://revistas.userena.cl/index.php/logos/article/view/166 (04.03.2019).

3 Vgl. Helzel, Frank, „Es gibt kein ganz woanders, wir sitzen alle in einem Boot – Mit Ricardo Piglia Anfang der 1970er Jahre in der argentinischen feuchten Pampa“, URL: http://www.himmlers- heinrich.de/piglia.pdf (12.02.2019).

4 Vgl. ebd.

5 Vgl. Helzel, Mit Ricardo Piglia Anfang der 1970er Jahre in der argentinischen feuchten Pampa, 2013.

6 Vgl. Klimmeck, Barbara, Argentinien 1976 – 1983: Militärherrschaft, Medienzensur, Menschenrechtsverletzungen, Saarbrücken: breitenbach 1991, 26.

7 Vgl. ebd.

8 Vgl. ebd. , 36-37.

9 Piglia, Blanco nocturno, 130.

10 Vgl. Klimmeck, Argentinien 1976 – 1983, 40.

11 Vgl. Bracamonte, Jorge, „Consideraciones finales: historia, literatura, identidad narrativa, memoria. Una reflexión desde Argentina“, URL: https://www.jstor.org/stable/24717173?seq=1#metadata_info_tab_contents (27.02.2019).

12 Vgl. Spiller, Roland, Zwischen Utopie und Aporie: Die erzählerische Ermittlung der Identität in argentinischen Romanen der Gegenwart; Juan Martini, Thomás Eloy Martínez, Ricardo Piglia, Abel P o ss e und Rodolfo Rabanal, Frankfurt am Main: Vervuert 1993, 140.

13 Helzel, Mit Ricardo Piglia Anfang der 1970er Jahre in der argentinischen feuchten Pampa, 2013.

14 Vgl. ebd.

Final del extracto de 18 páginas

Detalles

Título
Argentinische Kriminalliteratur. Kapitalismus- und Sozialkritik in dem Roman "Blanco nocturno" von Ricardo Piglia
Subtítulo
Spiegel der argentinischen Lebenswirklichkeit
Universidad
University of Paderborn  (Institut für Romanistik)
Curso
Argentinische Kriminalliteratur
Calificación
1,7
Autor
Año
2019
Páginas
18
No. de catálogo
V505397
ISBN (Ebook)
9783346045959
ISBN (Libro)
9783346045966
Idioma
Alemán
Notas
Palabras clave
Kriminalliteratur Argentinien Ricardo Piglia Kapitalismus Gesellschaft Kritik
Citar trabajo
Antonia Dursun (Autor), 2019, Argentinische Kriminalliteratur. Kapitalismus- und Sozialkritik in dem Roman "Blanco nocturno" von Ricardo Piglia, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/505397

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