Leseprobe
Inhalt
1 Hinführung zum Thema
2 Überblick über Change Management
3 Widerstände in Veränderungsprozessen
3.1 Motive und Erklärungsversuche von Widerstand
3.2 Erscheinungsformen von Widerstand
4 Umgang mit Widerständen im Change Management
4.1 Kommunikation bei Widerständen
4.2 Unternehmenskultur des Wandels
4.3 Darstellung an einem Beispiel
5 Weitere Erfolgsfaktoren im Change Management
6 Zusammenfassung und Reflexion
Literaturverzeichnis
1 Hinführung zum Thema
„Veränderung ist oft unbequem, schmerzhaft und anstrengend. Veränderung kann zunächst Angst und Unbehagen hervorrufen. Aber auf Veränderung zu verzichten, kann noch viel schmerzhafter werden.“
Heinz Fischer, österreichischer Bundespräsident von 2004 bis 20161
Veränderungen kommen nicht nur in persönlichen Lebenswelten vor, sondern zunehmend verstärkt in der Wirtschaftswelt. Klimawandel, Arbeiten 4.0 und Digitalisierung sind dabei einige Stichworte, die zu wesentlichen Veränderungen (Change) in Unternehmen führen werden. In der Systemtheorie werden Unternehmen als offene Systeme betrachtet, da sie in Wechselwirkung mit ihrer Umwelt stehen. So können externe Einflüsse, wie die oben genannten Beispiele, Anpassungen im System und somit Wandel auslösen. Diese Veränderungen können in der Aufbau- und/oder Ablauforganisation oder im sozialen Gefüge stattfinden. Die Anpassung an die dynamische Umwelt ist auf langfristige Sicht zwingend notwendig für den Erfolg eines Unternehmens – so beschreibt das auch der ehemalige österreichische Bundespräsident Heinz Fischer. Wandel im System kann aber ebenso durch interne Einflüsse ausgelöst werden. Verschiedene Modelle beschreiben eine Art Lebenszyklus von Unternehmen. Grob können dabei drei wesentliche Phasen unterschieden werden: Pionierphase (Gründung des Unternehmens), Differenzierungsphase (Verantwortungsübergabe und Aufbau von Spezialisten im gewachsenen Unternehmen) und die Integrationsphase (interne und externe Beziehungspflege). Jede dieser ersten zwei Phasen mündet in einer internen Krise, bevor eine Weiterentwicklung der Organisation stattfinden kann. Genauso führt das Burn-out-Syndrom auf Unternehmensebene zu Veränderungen. Erschöpfung der Organisation durch übermäßigen Erfolg ist hier der Auslöser.2 Externe oder interne Einflüsse können große und kleine Änderungen verursachen: von Prozess- oder Strukturänderungen in einzelnen Abteilungen bis hin zur Reorganisation des gesamten Unternehmens oder Änderungen im Arbeitsverhalten.3 Schwerpunkt dieser Arbeit soll Widerstand durch Mitarbeitende in Veränderungsprozessen sein. Begleitende Fragestellungen sind: Wie kann sich Widerstand äußern und wodurch ist er begründet? Wie kann im Change Management damit umgegangen werden? Ein Praxisbeispiel soll die Thematik verdeutlichen.
2 Überblick über Change Management
Thomas Lauer definiert Change Management wie folgt: „Change Management ist damit, in Abgrenzung zur strategischen Unternehmensführung, die eine optimale Anpassung an die Umwelt sucht, eine Aufgabe, die sich vor allem nach innen richtet, also auf die Mitglieder der zu wandelnden Organisation bzw. des sich in Veränderung befindlichen Unternehmens. Ziel ist es dabei, die im Rahmen des strategischen Managements abgeleitete optimale Anpassung umzusetzen.“4
Change Management meint hierbei ein Überbegriff für spezielle Managementtechniken zur Steuerung von Veränderungsprozessen in einer Organisation. Change Management fokussiert sich auf den Weg zum Ziel, nicht auf die Zielplanung der Organisation. Dabei stehen die Mitarbeitenden der sich verändernden Organisation im Mittelpunkt. Ihre Begleitung ist die zentrale Aufgabe des Change Managements und verursacht zugleich eine hohe Komplexität. Denn Mitarbeitende sind nicht nur in den formal festgeschriebenen Strukturen aktiv, sondern auch in informell entstandenen Systemen.5
Change Management setzt vor allem an drei Punkten an: Individuen, Unternehmensstrukturen und Unternehmenskultur. Jeder einzelne Mitarbeitende ist verantwortlich für den Erfolg des Veränderungsprozesses. Change Management versucht daher, die Fähigkeiten der einzelnen Personen und eine positive Einstellung gegenüber den neuen Herausforderungen zu fördern. Auf der nächsten Ebene setzt Change Management bei den Strukturen der Organisation an. Diese sind zwar formal festgeschrieben, können informell aber völlig frei gestaltet sein. Es ist wichtig, die informellen Strukturen und die Unternehmenskultur im Besonderen zu kennen und während des Wandels miteinzubeziehen und zu begleiten. Change Management muss somit unterschiedliche Interessen der einzelnen Ebenen zusammenführen. Das ist oftmals mit erheblichen Schwierigkeiten, wie zum Beispiel Widerstände, verbunden.6
3 Widerstände in Veränderungsprozessen
Studien des Hernstein-Instituts belegen, dass 38% der Change Projekte scheitern. Ursächlich sind dafür in absteigender Reihenfolge:
- Widerstand von Mitarbeitenden (30%)
- Mangelhafte Prozesssteuerung (25%)
- Zu schnelles Veränderungstempo 20%)
- Unklare Zielsetzungen (12%).7
Dass Widerstand durch Mitarbeitende eine tragende Rolle in Veränderungsprozessen spielt, belegen auch andere Studien. Die Unternehmensberatung Capgemini fand heraus, dass vor allem ausführende Mitarbeitende und das Mittel-Management kritisch gegenüber den geplanten Änderungen stehen.8 Eine weitere Studie zeigt auf, dass auch die Motivation für Change Projekte erst in den oberen Führungsebenen überwiegend positiv ist.9
In der Psychologie wird Widerstand folgendermaßen definiert:
„Widerstand gegen Veränderungen; die Tendenz einer Person, sich Vorschlägen, Anordnungen (Macht) oder empfohlenen Handlungen zu verweigern (Reaktanz); verbreitetes Phänomen bei Innovationen, Umstrukturierungsmaßnahmen u.a. Veränderungen bedeuten immer ein mehr oder weniger großes Maß an Anpassungsleistung, Verunsicherung und Angst (Gewohnheit, Reaktanz, Innovation, Kreativität)“10. Widerstand meint dabei auch eine Art von Feedback. „Feedback ist, wie Kritik, ein Versuch, dem Streben nach Veränderung neue Impulse, beziehungsweise eine neue, bestmögliche Richtung zu geben.“11 Widerstand gegen Wandel kann folglich auch als dysfunktionales Feedback beschrieben werden.
3.1 Motive und Erklärungsversuche von Widerstand
Weshalb Mitarbeitende mit Widerstand auf Veränderungsprozesse reagieren, kann unterschiedlich erklärt werden. Hier werden fünf Dimensionen unterschieden: psychologisch-emotional, ökonomisch, sozial, politisch und kulturell. Widerstand lässt sich oftmals nicht nur auf eine Dimension begründen. Vielmehr sind die individuellen Beweggründe der Mitarbeitenden multidimensional.
Psychologisch-emotionale Motive
Wenn durch den Wandel und die daraus resultierenden neuen Anforderungen die Fähigkeiten und Kompetenzen einer Person in Frage gestellt oder gar übertroffen werden, entsteht Stress. Dieses Verständnis von Stress kann nicht nur auf Individuen übertragen werden, sondern auch auf soziale Systeme. Die Wahrnehmung von Stress ist dabei individuell und kann von einer Herausforderung (positiv bewertet), über einen Schaden bis hin zur Bedrohung des Selbstwerts (jeweils negativ bewertet) reichen. Um eine negativ bewertete Stresssituation abzuwenden, wird versucht, sie zu vermeiden und dadurch Widerstand gegen den Wandel geleistet. Gleichzeitig konfrontiert Stress auch auf emotionaler Ebene. Diese wahrgenommene Bedrohung löst Angstgefühle aus.12
Das sogenannte Not-invented-here-Syndrom lehnt kategorisch jegliche Ideen ab, die nicht dem eigenen Gedankengut entsprechen. Die eigene Position wird bei dieser Wahrnehmung durch die Vorschläge von KollegInnen in den Hintergrund gerückt. Das eigene Selbstwertgefühl sinkt, Stress entsteht. Auch durch die Inkongruenz der eigenen Ziele mit denen der Organisation kann Widerstand gegen Veränderungen bzw. gegen die neuen Ziele entstehen. Denn die eigenen Ziele geben der Arbeit einen Sinnzusammenhang und schaffen Befriedigung und Selbstverwirklichung. Wird Wandel als von außen aufgezwungen aufgefasst, wird er oft als Unmündigkeitserklärung der eigenen Person oder als Fremdbestimmung interpretiert und löst so Widerstand aus.13
Widerstand kann auch durch sachliche oder persönliche Machtinteressen begründet sein. FachopponentInnen haben Angst vor Überforderung, einem Arbeitsplatzverlust oder auch vor der Kritik an der eigenen bisherigen Arbeitsweise durch die neu eingeführten Anforderungen. MachtopponentInnen hingegen befürchten den Verlust an Einflussmöglichkeiten und an Ressourcen (finanziell, sachlich, personell), die indirekt ihren Status in der Organisation spiegeln.14
Das menschliche Gehirn neigt dazu, Neues zu klassifizieren. Das geschieht vor allem über wahrnehmbare Unterschiede. Diese fremden Unterschiede werden dann zunächst abgelehnt. Bedeutet der Veränderungsprozess also die Zusammenarbeit mit neuen Personen oder Gruppen, ist es sehr wahrscheinlich, dass diese ohne sachliche Begründung abgelehnt werden. Praxisbeispiele wären die Zusammenlegung zweier Teams oder die Inanspruchnahme eines externen Beraters. Der Psychologe Jack Brehm bestätigte das menschliche Phänomen, auf Freiheitseinschränkungen mit Widerstand zu antworten (sogenannte Reaktanz). Ziel des Widerstands ist die Wiederherstellung der alten Freiheit oder aber das Finden neuer Freiheiten. Wandel bringt neue Regeln und neue Verhaltensweisen mit sich. Diese werden nun als Einschränkung der bisherigen Freiheit aufgefasst. Gleichzeitig sind die alten Verhaltensweisen so attraktiv wie nie, da sie von Vorgesetzten ja nicht mehr gewollt sind.
Zudem ist Kommunikation unter Personen immer störungsanfällig, denn zwischen der gesendeten Nachricht und der empfangenen Botschaft gibt es viele Fehlermöglichkeiten. Zunächst können rein sachliche Missverständnisse über den Inhalt auftreten. In den meisten Fällen aber treten Missverständnisse auf der Beziehungsebene auf. Das Vier-Seiten-Modell von Schulz von Thun beschreibt diesen Aspekt deutlich. Eine Nachricht enthält demnach vier verschiedene Ebenen: den Sachinhalt, die Selbstoffenbarung, den Appell und die Beziehung zum Gegenüber. Diese kann nun vom/ von der EmpfängerIn auf einer anderen Ebene gedeutet werden, als sie gemeint ist. So gibt es ganz vielfältige Möglichkeiten, Botschaften falsch zu verstehen.15
Ökonomische Motive
Die ökonomische Dimension von Widerstand gegen Veränderungen bezieht sich hauptsächlich auf materielle Verluste von Individuen. Personen, die gute Aussichten auf eine Weiterbeschäftigung am Arbeitsmarkt haben, werden bei Veränderungsprozessen, die nicht mit ihren Zielen konform sind, die Organisation verlassen. Personen, die jedoch geringe Chancen auf einen erfolgreichen Arbeitgeberwechsel haben, werden sich mit jeglichen Mitteln den geplanten Änderungen in der Organisation widersetzen. Denn materielle Einbußen sind immer auch gleichzeitig eine Art Kritik an der eigenen Person und können Verluste am sozialen Status verursachen. So können Widerstände unterschiedlich stark ausfallen – je nachdem, wie stark der/die Mitarbeitende finanziell betroffen ist.16
Soziale Motive
Organisationen sind zweckorientierte soziale Systeme, die den Individuen auch dazu dienen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Jedes Mitglied der Organisation nimmt durch seine/ihre Stelle einen sozialen Status ein, der unternehmensintern wie -extern vorhanden ist. Dieser ist materiell sichtbar, unter anderem durch die Entlohnung und die Art der Büroausstattung. Er besteht aber auch immateriell durch die informelle Rolle und Position in der zugehörigen Organisationseinheit. Veränderungsprozesse beeinflussen aber solche sozialen Netzwerke und können diese gefährden. Die Gruppe wird versuchen, die Beziehungen untereinander zu erhalten. Begründet wird der Widerstand durch die Angst, die soziale Integration und den eigenen sozialen Status zu verlieren.17
Politische Motive
Eine Organisation besteht aus unterschiedlichen Interessensgruppen und AkteurInnen mit unterschiedlichen Werten und Zielvorstellungen, beispielsweise aus der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat. Zur Realisierung der eigenen Ziele ist also politisches Agieren notwendig. Das bedeutet ein ziel- und machtorientiertes Handeln, das auf die EntscheidungsträgerInnen des Veränderungsprozesses auch Einfluss übt. Widerstand entsteht dabei, wenn der Wandel mit gewissen Zielen der Interessensgruppen nicht vereinbar ist. „Die politische Dimension von Widerständen gegen Wandel stellt also die Frage nach einer hinreichenden politischen Durchsetzbarkeit der intendierten Veränderung.“18 Für einen erfolgreichen Wandel müssen die wichtigsten InteressensvertreterInnen die geplanten Änderungen unterstützen. Diese stehen oft nicht auf den oberen Hierarchieebenen, sondern haben ihre besondere Stellung in der informellen Struktur.
Kulturelle Motive
Der Begriff Kultur fasst alle charakteristischen Lebensformen, Denk- und Handlungsweisen sowie die Werte und Normen einer größeren Gruppe zusammen. In Organisationen arbeiten Menschen unterschiedlicher Kulturen zusammen. Widerstand kann bei Veränderungsprozessen entstehen, wenn sich eine oder mehrere der Kulturen mit dem Wandel nicht mehr vereinbaren lassen oder die kulturspezifischen Werte und Normen ignoriert werden. Die Ignoranz der Kultur einer Person oder einer Gruppe bedeutet auch die Ignoranz der Individualität und Identität. Denn Kultur ist ein Teil der persönlichen Identität eines Menschen. Auch innerhalb der Organisation entwickelt sich eine eigene sogenannte Unternehmenskultur. Veränderungen, die die zugrundeliegenden Werte und Normen der Organisation gefährden, können ebenfalls Widerstand auslösen.19
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1 https://zeitimblick.info/bundespraesident-heinz-fischer-bilanz-zum-absschied/; 19.07.2019
2 Vgl. Lauer, 2014. S. 13 ff.
3 Vgl. Stolzenberg, Heberle, 2006. S. 2
4 Lauer, 2014. S. 4
5 Vgl. Lauer, 2014. S. 3 ff.
6 Vgl. Lauer, 2014. S. 7 f.
7 Vgl. Schott/Wick, 2005. S. 196
8 Capgemini, 2003. S. 24 ff.
9 Vgl. Lauer, 2014. S. 47 f.
10 https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/widerstand/16825; 31.07.2019
11 Cacaci, 2006. S. 46
12 Vgl. Cacaci, 2006. S. 63 ff.
13 Vgl. Cacaci, 2006. S. 67 ff.
14 Vgl. Helmke et al. 2013. S. 280 ff.
15 Vgl. Schulz von Thun, 2008. S. 14
16 Vgl. Cacaci, 2006. S. 70 ff.
17 Vgl. Cacaci, 2006. S. 73 ff.
18 Cacaci, 2006. S. 78
19 Vgl. Cacaci, 2006. S. 60 ff.