Wate und die Frauen - Beziehung zwischen Angst und Abhängigkeit


Dossier / Travail, 2004

17 Pages, Note: 2


Extrait


Inhalt

1. Wate: Ein Relikt aus alter Zeit

2. Wates Beziehung zu den Frauen
2.1 Der Krieger und seine Herrin
2.2 Kudrun als Gegenmodell zu Wate?

3. Wate als Typus

Literatur

1. Wate: Ein Relikt aus alter Zeit

Wate ist eine Figur, die in verschiedenen Quellen erwähnt wird aber deren Ursprung bis heute nicht eindeutig geklärt ist. Ihre wohl bedeutendste Rolle hat die Figur in der ‚Kudrun’.

Wate verkörpert in geradezu stereotypischer Weise das Bild des heroischen Kriegers. Treu steht er an der Seite seines Herrn, um ihm im Kampf zu dienen und die Ehre der Hegelingen zu verteidigen. Von den anderen Charakteren in der ‚Kudrun’ hebt er sich in besonderer Weise ab. Unter den Vasallen Hetels ist er der Stärkste, sowohl in bezug auf seine Leistungen im Kampf, als auch was seine Fähigkeit Schlachtstrategien zu entwickeln betrifft. Er ist zwar einer der wenigen tiefgründigen Charaktere, doch der Leser erfährt wenig über den Menschen Wate, welcher hinter dem kaltblütigen Krieger steckt. Sein ganzes Leben wird durch Kampf bestimmt, so dass wenig Raum bleibt, eine private Seite an ihm zu entdecken.

Gefühle wir Mitleid oder Vergebung sind Wate völlig fremd. Es geht ihm nicht um einzelne Personen, sondern um Erhalt und Ruhm seines ganzen Volkes. „Trotz aller heroischen Eigenschaften bleibt Wate immer ein Vasall, der stets bereit ist, seine eigenen Überzeugungen zurückzustellen, wenn es der Personenverband von ihm fordert.“[1] Er ist also jederzeit bereit, sein Leben den Hof zu riskieren und erwartet das in gleicher Weise von allen anderen Figuren. Wie wenig er sich um das Schicksal einzelner Personen sorgt, zeigt zum Beispiel sein Vorschlag, mit der Befreiung Kudruns zu warten, bis eine neue Generation herangewachsen ist. Es geht ihm einzig und alleine um Rache und die Wiederherstellung der Ehre seines Volkes.

Häufig wird Wate in der Forschung als Vertreter einer älteren Generation bezeichnet[2]. Diese These stützt sich zum einen auf das Attribut „alt“, welches Wate zugesprochen wird (an weit über 50 Stellen) und zum anderen auf seine kompromisslose, grausame Rache ohne Wunsch nach Versöhnung. Wenn Wate in der Schlacht kämpft, gerät er in einen wahren Blutrausch, der ihm etwas animalisches, unzivilisiertes verleiht, was einen krassen Gegensatz zu den höfischen Gebräuchen bildet. „Der Dichter arbeitet wohl eindrucksvoll Wates Unbarmherzigkeit heraus, die Unerbittlichkeit des Rachegeistes, dem er dient, doch er hält jeden Zug der Boshaftigkeit oder gar der Tücke von dem Charakterbild des grimmen Alten fern, ja, er kann diesen mit einem trockenen, sarkastischen Humor begraben, der sich gar wohl mit seiner Grausamkeit verträgt.“[3] So schreckt er zwar nicht davor zurück die Kinder in ihren Wiegen umzubringen, ermordet sie jedoch nicht aus bloßer Grausamkeit und Lust am töten, sondern handelt rein rational zu Gunsten seines Volkes. «du hâst kindes muot. die in der wiegen weinent, diuhte dich daz guot, daz ich si leben lieze? sollten die erwahsen, sô wollte ich niht mêre getrouwen einem wilden Sahsen.» ('Du denkst wie ein Kind. Fändest du es gut, wenn ich diejenigen, welche in ihren Wiegen weinen, leben ließe? Sollten sie erwachsen werden, so würde ich ihnen nicht mehr vertrauen, als einem wilden Sachsen.')[4] Wate will also einer späteren Rache der jüngeren Generation und somit einem ewig fortlaufenden Konflikt entgegentreten, der vielleicht den Untergang des ganzen Volkes bedeuten könnte.

Diese Kaltblütigkeit erschüttert zwar seine Mitmenschen, doch sie wissen auch sehr genau wie wertvoll es ist, Wate auf seiner Seite zu haben. Er ist ein Garant für siegreiche Schlachten und den Erhalt des Volkes der Hegelingen.

2. Wates Beziehung zu den Frauen

Für die These, dass zwischen Wate und den Frauenfiguren eine Verbindung besteht, spricht folgende Beobachtung von Schmitt: „Im Vergleich zu den ersten beiden Abschnitten des Textes treten im Kudrunteil einerseits die Frauenfiguren stärker in den Vordergrund, andererseits nehmen die Kampfschilderungen aber einen weitaus größeren Raum ein.“[5] Der Kampf und die Frauen bestimmen also den letzten und entscheidenden Teil der Erzählung. Es versteht sich von selbst, dass die Kampfschilderungen die Figur Wate implizieren, schließlich ist er von allen Kriegern der herausragendste. Trotzdem scheint es zunächst einmal abwegig, ausgerechnet Wate dem gefürchteten Krieger, Beziehungen zu den Frauenfiguren in der ‚Kudrun’ unterstellen zu wollen.

Seine eigene Frau spielt in der Erzählung überhaupt keine Rolle und der Kontakt zu den anderen Frauen hält sich in Grenzen, denn Wate ist häufiger auf Schlachten, als am Hof anzutreffen. Lediglich an einer Stelle des Textes erfährt der Leser etwas über Wates familiäre Situation Dô sprach der recken einer: kínt únde wîp hât er in sînen landen. gúot únde lîp daz wâget er durch êre: daz ist an im wol erfunden. ('Da sprach einer der Helden: „Er hat Frau und Kinder[6] in seinen Landen. Besitz und Leben wagt er für die Ehre: Das ist bei ihm schon gut erprobt.')[7]

Außerdem erklärt er bei seiner ersten Begegnung mit Hilde selbst: «mir zimet einez baz. wan bî schœnen frouwen sô sanfte ich nie gesaz, ich <en>tæte einez lîhter, daz ich mit gueten knehten, swenne ez wesen sollte, in vil herten stürmen wollte vehten.» ('Mir gefällt schon etwas besser. Auch wenn ich noch nie bei so sanften und schönen Damen saß, so wäre mir doch eines lieber, nämlich mit guten Rittern in einer harten Schlacht zu kämpfen, wenn erforderlich ist.')[8]

Selbst wenn Wate nicht verheiratet wäre, könnte man sich bei ihm also keine Ambitionen auf die Minne vorstellen. Er respektiert die Frauen zwar in ihrer Position am Hof, doch auf dem Schlachtfeld haben sie seiner Ansicht nach nichts verloren. Wate sprach mit zorne: «her Herwîc, nu g ê t hin! Sollte ich nu frouen volgen, war t æte ich mînen sin? ('Wate sprach zornig: Herr Herwig, nun geht doch weg! Sollte ich nun auf Damen hören, wo ließe ich meinen Verstand?')[9] Die Bitte Kudruns um Schonung des Feindes betrachtet er als Schwäche. In seinen Vorstellungen gibt es keine Vergebung, die blutige Rache ist unvermeidbar um die Ehre des Volkes wieder herzustellen.

Es scheint also, als sei eine Beziehung zwischen Wate und den Frauen unvorstellbar, denn er ist gerade derjenige, der am wenigsten mit ihnen gemeinsam zu haben scheint. Dennoch soll in dieser Arbeit gezeigt werden, dass dieser kaltblütige Krieger mit Hilde und Kudrun, den beiden wichtigsten weiblichen Charakteren, in einem (teilweise sogar wechselseitigen) Abhängigkeitsverhältnis steht.

2.1 Der Krieger und seine Herrin

Als sich Wate und Hilde zum ersten Mal begegnen, ist die Situation für beide nicht ganz einfach. Wate soll Hetel bei der Brautwerbung helfen, obwohl diese Unternehmung gar nicht nach seinem Geschmack ist. Lieber würde er seine Stärke in einer Schlacht beweisen, doch aus Treue zu Hetel erklärt er sich schließlich doch bereit in das Land des gefährlichen Hagen zu reisen um Hilde zu entführen. Hetels Vasallen haben sich eine List ausgedacht und geben sich als Vertriebene aus um an Hagens Hof zu gelangen, so kommt es zu einer ersten Begegnung zwischen Wate und Hilde.

[...]


[1] Kerstin Schmitt. Poetik der Montage: Figurenkonzeption und Intertextualität in der „Kudrun“. Berlin 2002. Seite 262.

[2] Diese These und den daraus resultierenden Konflikt der Generationen möchte ich bei dieser Untersuchung allerdings weitgehend außer acht lassen.

[3] Adolf Beck. Die Rache als Motiv und Problem in der ‚Kudrun’. Interpretation und sagengeschichtlicher Ausblick. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift. Herausgegeben von Franz Rolf Schröder. Band VI 1956. Seite 318.

[4] Kudrun. Nach der Ausgabe von Karl Bartsch. Herausgegeben von Karl Stackmann. Tübingen 2000 (ATB 115). Strophe 1503.

[5] Schmitt, Str. 258.

[6] Aus der mhd. Form kint ist nicht ohne weiteres ersichtlich, ob es sich um den Singular oder den Plural handelt: „Die übrigen Wörter, die im Nhd. den Pl. auf – er bilden, haben im Mhd. noch überwiegend oder ausschließlich die ältere Bildung ohne -er, also diu kint , diu kleit usw., daneben allerdings auch schon diu kinder, diu kleider. “ (Paul/Schröbler/Wiehl/Grosse 1998, S. 194) Ich würde dem Plural an dieser Stelle den Vorzug geben aber allein aus der Überlegung heraus, dass es im Mittelalter wohl eher die Ausnahme war, wenn Familien nur ein Kind hatten. Für die weitere Interpretation ist dies aber nicht relevant.

[7] Kudrun, Str. 347, 1ff.

[8] Kudrun, Str. 344.

[9] Kudrun, Str. 1491,1f.

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Wate und die Frauen - Beziehung zwischen Angst und Abhängigkeit
Université
University of Tubingen
Cours
Nibelungenlied und Kudrun
Note
2
Auteur
Année
2004
Pages
17
N° de catalogue
V51121
ISBN (ebook)
9783638471718
ISBN (Livre)
9783638843652
Taille d'un fichier
535 KB
Langue
allemand
Annotations
Die Arbeit behandelt die Kriegerfigur "Wate" aus der "Kudrun".
Mots clés
Wate, Frauen, Beziehung, Angst, Abhängigkeit, Nibelungenlied, Kudrun
Citation du texte
Maria Benz (Auteur), 2004, Wate und die Frauen - Beziehung zwischen Angst und Abhängigkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51121

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