Was sind die Determinanten der Platzierungsquote von Crowdinvesting-Kampagnen?

Eine empirische Studie


Masterarbeit, 2017

93 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Gang der Untersuchung

2 Grundlagen von Crowdinvesting
2.1 Begriffsbestimmung
2.1.1 Crowdsourcing
2.1.2 Crowdfunding
2.1.3 Crowdinvesting
2.2 Funktionsweise von Crowdinvesting
2.3 Akteure im Crowdinvesting
2.3.1 Kapitalsuchende
2.3.2 Investoren
2.3.3 Plattformen
2.4 Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen beim Crowdinvesting in Deutschland
2.5 Beteiligungsverhältnisse beim Crowdinvesting
2.5.1 Stille Beteiligungen
2.5.2 Genussrechte
2.5.3 Partiarische Nachrangdarlehen
2.6 Crowdinvesting Markt in Deutschland
2.6.1 Entwicklung des Marktvolumens
2.6.2 W ettbewerbssituation

3 Stand der bisherigen empirischen Forschung

3.1 Studien Crowdinvesting
3.2 Studien Crowdfunding

4 Grundlagen der empirischen Studie
4.1 Modellvariablen
4.1.1 Definition der Modellvariablen
4.1.2 Wirkungsrichtung der Modellvariablen
4.2 Hypothesenbildung
4.3 Modellformulierung
4.4 Datenbasis und Stichprobe

5 Ergebnisse der empirischen Studie
5.1 Deskriptive Statistik
5.2 Ergebnisse des logistischen Regressionsmodells
5.2.1 Wald-Stati stik
5.2.2 Likelihood-Quotienten-Test
5.3 Interpretation der Modellparameter
5.4 Beurteilung der Modellgüte
5.4.1 Devianz und globaler Likelihood-Quotienten-Test
5.4.2 Akaikes Informationskriterium (AIC) und Bayes Informationskriterium (BIC)
5.4.3 Pseudo-R-Quadrat-Statistiken
5.4.4 Konfusionsmatrix und Gütekriterien
5.4.5 ROC-Kurve und AUC-Wert
5.4.6 Liftwerte und Liftkurve

6 Schlussbetrachtung und Ausblick auf weiterführende Themen
6.1 Schlussbetrachtung
6.2 Ausblick auf weiterführende Themen

Anhangsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Ausgewählte Crowdinvesting Studien/ Literatur

Tabelle 2: Übersicht der unabhängigen und abhängigen Modellvariablen

Tabelle 3: Aufstellung der Null- und Alternativhypothesen

Tabelle 4: Bereinigung des Ursprungdatensatzes

Tabelle 5: Deskriptive Statistik der Modellvariablen I

Tabelle 6: Deskriptive Statistik der Modellvariablen II

Tabelle 7: Ergebnisse der logistischen Regression

Tabelle 8: Ergebnisse des Likelihood-Quotienten-Tests

Tabelle 9: Ergebnisse der Odds Ratios

Tabelle 10: Ergebnisse der Devianz und des globalen Likelihood-Quotienten-Tests

Tabelle 11: Ergebnisse der Gütekriterien AIC und BIC

Tabelle 12: Ergebnisse der Pseudo-R-Quadrat-Statistiken

Tabelle 13: Ergebnisse der Konfusionsmatrix sowie die Gütekriterien

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ausprägungen des Crowdsourcings

Abbildung 2: Ausprägungen des Crowdfundings

Abbildung 3: Volumen finanzierter Crowdinvesting Projekte in Mio. EUR nach Anlageklassen im Zeitraum 2011 - 2015

Abbildung 4: Anzahl finanzierter Crowdinvesting Projekte nach Anlageklassen im Zeitraum 2011 - 2015

Abbildung 5: Marktanteile der Plattformen nach Anlageklassen in 2015

Abbildung 6: Ergebnisse der ROC-Kurve und AUC-Wert

Abbildung 7: Liftkurve

1 Einleitung

Für junge Unternehmen mit innovativen Ideen ist es von elementarer Bedeutung, an be­nötigtes Kapital für die Realisierung ihrer Projekte zu gelangen.1 Ein Problem, mit dem Initiatoren zu Beginn eines Projektvorhabens regelmäßig konfrontiert sind, ist die Außen­finanzierung. Traditionelle Finanzierungen, wie Bankkredite, sind aufgrund der Erman­gelung von Sicherheiten und ausreichend Cashflow häufig nicht möglich. In Anbetracht dieser Schwierigkeit haben sich Unternehmer in der jüngeren Vergangenheit vermehrt alternativen Finanzierungen zugewendet. Eine Finanzierungsvariante, die in der öffentli­chen Wahrnehmung dabei in den Vordergrund getreten ist, ist das Crowdfunding.

Mithilfe zahlreicher Mikroinvestoren trug Crowdfunding dazu bei, dass eine Vielzahl von Projekten und Ideen finanziert und realisiert werden konnten. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Kontext die Ausprägungsform des Crowdinvestings, die den Kapitalgebern, im Vergleich zu den weiteren Crowdfunding Ausprägungen, eine eigenkapitalähnliche Be­teiligung ermöglicht. Investoren haben hierbei die Gelegenheit an der zukünftiger finan­ziellen Entwicklung der Unternehmen zu partizipieren.2 Während in der Vergangenheit solche Investitionen aufgrund gesetzlicher Hürden ausschließlich professionellen Anle­gern, die u.a. als Business Angels auftraten, vorenthalten waren3, erlaubt diese Anlage­form aufgrund der geringen Geldmittelbereitstellung auch privaten Investoren sich an jungen, nicht börsennotierten Unternehmen zu beteiligen.

Den kapitalsuchenden Unternehmen bietet sich durch diese spezielle Form der Schwarm­finanzierung eine unkomplizierte Möglichkeit der Geldmittelbeschaffung. Eine entschei­dende Größe beschreibt dabei die Platzierungsquote, die Auskunft darüber gibt, inwieweit das Fundingziel (angestrebte Kapitalemission), mit Hilfe der Mikroinvestoren erreicht werden konnte, um anvisierte Wachstums-, Investitions- oder Gründungsvorhaben zu re­alisieren.4 Die Einflussgrößen der Platzierungsquote zu kennen, ist von maßgeblicher Be­deutung, damit sich Unternehmen erfolgreich am Markt platzieren können.

1.1 Problemstellung

In der Anfangszeit, seit seiner Verbreitung im Jahr 2009, war Crowdinvesting vor allem durch rechtliche Einschränkungen und Pflichten geprägt.5 Als Folge konzentrierten sich die meisten der durchgeführten Untersuchungen auf die erforderlichen oder potentiellen rechtlichen Anpassungen und deren Auswirkungen. Zwar sind die juristischen Einschrän­kungen und Pflichten durch die jeweiligen Regierungen in der Zwischenzeit größtenteils aufgehoben bzw. an die Finanzierungsalternative angepasst worden, trotzdem zeigen sich auch heutzutage noch viele Themengebiete, wie z.B. die allgemeine Rolle des Crowdin­vesting innerhalb der Finanzierungslandschaft, als weitgehend unerforscht.6 Sofern au­ßerhalb der rechtlichen Aspekte empirische Studien stattgefunden haben, befassten sich diese vorrangig mit der Investorensicht und prüften, welche Determinanten Einfluss auf die Investitionsentscheidung von Kapitalgebern haben7, oder welche charakteristischen Merkmale Investoren von Crowdinvesting Initiativen aufweisen. Untersuchungen, die sich auf die Unternehmenssicht beziehen, oder sich auf die Einflussfaktoren, die Auswir­kungen auf den Platzierungserfolg von Crowdinvesting Kampagnen haben, konzentrie­ren, finden sich in der wissenschaftlichen Literatur dagegen bis heute nicht.

1.2 Zielsetzung

Ausgehend von der gegenwärtigen wissenschaftlichen Forschungslage werden in der vor­liegenden Masterarbeit divergierende Erfolgsfaktoren von Crowdinvesting Kampagnen zunächst identifiziert bzw. aus unterschiedlichen Studien und Forschungsbereichen abge­leitet und anschließend mit Hilfe eines binär-logistischen Regressionsmodells empirisch untersucht. Ziel der Untersuchung ist es, durch die Prüfung aufgestellter gerichteter Hy­pothesen, Aussagen dahingehend treffen zu können, ob und mit welcher Wirkungsrich­tung die identifizierten bzw. abgeleiteten Determinanten signifikant auf die Wahrschein­lichkeit zur Erfüllung der Platzierungsquote (Platzierungsquote = 100%) wirken, d.h. Pro­jektinitiatoren eine verbesserte Möglichkeit für eine erhöhte Platzierungschance bieten, oder nicht.

Die übergeordnete zu untersuchende Forschungsfrage formuliert sich daher wie folgt:

Wirken die identifizierten bzw. abgeleiteten Determinanten/ Kennzahlen signifikant auf die Wahrscheinlichkeit zur Erfüllung der Platzierungsquote ?

1.3 Gang der Untersuchung

Zur Erklärung der zu untersuchenden Einflussgrößen widmet sich der zweite Abschnitt zunächst den Grundlagen von Crowdinvesting. Die Arbeit beginnt daher mit einer Be­griffsbestimmung bzw. Begriffsabgrenzung. Anschließend erfolgt eine Darstellung der Funktionsweise, der partizipierenden Akteure, der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Beteiligungsformen. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einem Überblick über die Entwicklung des Marktvolumens und der Wettbewerbssituation in Deutschland.

Im dritten Kapitel erfolgt ein Einblick in den bisherigen empirischen Crowdinvesting Forschungsstand und die dazugehörigen Ergebnisse. Drei der aufgeführten Crowdinves­ting Studien werden in diesem Kontext detailliert vorgestellt und betrachtet. Darüber hin­aus findet eine Darstellung weiterer empirischer Untersuchungen statt, die außerhalb des zentralen Themengebietes liegen, jedoch Ergebnisse dahingehend liefern, dass sich aus ihnen für das Crowdinvesting wichtige Erkenntnisse ergeben.

Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit dem Studiendesign. D.h. es werden relevante Mo­dellvariablen abgeleitet und beschrieben sowie einzelne zu prüfende gerichtete Hypothe­sen aufgestellt. Im Anschluss findet eine konkrete Darstellung des in dieser Arbeit zum Tragen kommenden Modells statt. Abschließend werden die vorliegende und zu untersu­chende Datenbasis und Stichprobe veranschaulicht.

Das fünfte Kapitel enthält die eigentliche empirische Untersuchung. Begonnen wird diese mit einer Beschreibung und Bewertung der vorliegenden deskriptiven Statistik. Anschlie­ßend wird das in Kapitel 4 formulierte Regressionsmodell, die binär-logistische Regres­sion durchgeführt, bevor in weiteren Schritten die bestimmten Modellparameter interpre­tiert und die zu Grunde liegende Modellgüte mit Hilfe unterschiedlicher statistischer Gü­temaße geprüft wird.

Das letzte Kapitel stellt die Schlussbetrachtung dar. In dieser wird das Ergebnis der in der Einleitung aufgestellten übergeordneten Forschungsfrage kritisch betrachtet und bewer­tet. Der finale Blick des Kapitels richtet sich anschließend auf weiterführende Themen, die sich aus den Erkenntnissen der vorliegenden empirischen Untersuchung ergeben und einen dazugehörigen Ausblick.

2 Grundlagen von Crowdinvesting

2.1 Begriffsbestimmung

2.1.1 Crowdsourcing

Crowdsourcing, das erstmals durch Jeff Howe und seinen im Wire Magazine veröffent­lichten Artikel „The Rise of Crowdsourcing“ Bekanntheit erlangte8, stellt eine Wortneu­schöpfung dar, die sich aus den Worten Crowd und Outsourcing zusammensetzt und sei­nen prozessualen Ursprung im Bereich der Open Innovation hat.9 Während unter Out­sourcing eine Ausgliederung von Wertschöpfungsaktivitäten an Externe verstanden wird, um vorrangig Personal und Kosten zu sparen, adressiert die Auslagerung beim Crowd­sourcing eine undefinierte Masse an Personen, die Crowd.10

Die Autoren Leimeister und Zogaj definieren Crowdsourcing wie folgt:

„Crowdsourcing bezeichnet die Auslagerung von [..] Aufgaben durch ein Unternehmen oder im Allgemeinen eine Institution an eine undefinierte Masse an Menschen mittels eines offenen Auf­rufs, welcher zumeist über das Internet erfolgt. In einem Crowd­sourcing Modell gibt es immer die Rolle des Auftraggebers [...] sowie die Rolle der undefinierten Auftragnehmer, also die Crowd [...]. Die Durchführung von Crowdsourcing Initiativen erfolgt über eine [..] Plattform, die intern aufgesetzt werden kann oder von einem Crowdsourcing Intermediär bereitgestellt wird.“11

Die in der Definition angesprochene Masse besteht gelegentlich aus fachspezifischen Ex­perten, oftmals jedoch ausschließlich aus interessierten Laien, die Unternehmen ihr Wis­sen und ihre Zeit aus unterschiedlichen Motiven zur Verfügung stellen und im Gegenzug eine Belohnung, finanzieller oder nicht-finanzieller Art, erhalten. Die übertragenden Auf­gaben weisen für gewöhnlich eine mittelmäßige Komplexität mit geringfügigem Ausmaß auf, d.h. es handelt sich bei den zu lösenden Funktionen zumeist um Einzelaufgaben und nicht um vollständige Projekte oder Aufgabenketten. Die Gründe hierfür sind einfach er­klärt. Ganze Projekte nehmen viel Zeit in Anspruch und lassen sich nur mit erheblichen Fachwissen lösen. Beide Faktoren sind beim Crowdsourcing nicht zwingend gegeben, da es sich nicht um Angestellte des Unternehmens, sondern um externe Freiwillige handelt, deren Präferenzen sich schnell verändern können.

Durch die aktive Rolle der Außenstehenden wandelt sich der Produktionsprozess zu einer Co-Kreation des resultierenden Produkts12, mit der für die auslagernden Unternehmen im Wesentlichen erhebliche Vorteile einhergehen. Einerseits verschwinden auf diese Weise bestehende Grenzen zwischen Unternehmen und Konsumenten, weswegen die Autoren Voß und Rieder die Involvierten auch als arbeitende Kunden, die interaktiv an der Wert­schöpfung partizipieren13, bezeichnen. Andererseits sind Experten im Unternehmen teuer und ggfs. in ihrem Erfahrungshorizont gefangen, während die Crowd die Sachverhalte dezentral betrachtet und von außen alternative Lösungsansätze hervorbringt.

Über die Jahre haben sich aus dem Crowdsourcing unterschiedlichste Ausprägungen ent­wickelt, die sich wie folgt darstellen lassen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Ausprägungen des Crowdsourcings

(Quelle: eigene Abbildung nach: Leimeister, J. M. (2012), S. 390)

Crowdwisdom beruht auf dem Leitgedanken „der Weisheit der Vielen“, einer von James Surowiecki im Buch „Wisdom of crowds“ publizierten Argumentation, dass die Kumu­lation von Informationen zu besseren Entscheidungen führt als die individuellen Lösungs­ansätze Einzelner, sofern bestimmte Bedingungen wie Ideenvielfalt, Unabhängigkeit, De­zentralisierung und Aggregation gegeben sind.14

Beim Crowdcreation steht der Produktionsprozess im Vordergrund. Die Masse wird hier­bei zu Einfallsreichtum ermutigt, beispielsweise für das Generieren von Innovationen, das Entwickeln neuer Designs, oder auch das Anfertigen neuer Konzepte, aus denen sich im Zeitverlauf idealerweise „etwas Großes“ entwickelt.15 Eines der bekanntesten Praxis­beispiele dieses Konzeptes stellt die Online-Plattform Wikipedia dar, bei der die Crowd aktiv mitarbeitet, indem sie Beiträge verfasst oder auch bestehende Beiträge anpasst.

Crowdvoting bezeichnet Verfahren, bei denen das Urteil der Masse genutzt wird, um In­halte oder Produkte zu ranken, da deren kumulierte Meinung als signifikanter angesehen wird als die von einzelnen Akteuren.16 Marginal angepasst bzw. erweitert lässt sich diese Ausprägung auch als eine kostengünstige Alternative zu gewöhnlichen Marktstudien nut­zen. Amazons „Fünf-Sterne-Bewertung“ zur Benotung von Produkten lässt sich als pro­minentes Beispiel dieser Ausprägung benennen.

Die vierte Ausprägung ist das Crowdfunding. Eine detaillierte Darstellung dieses Begriffs erfolgt im anschließenden Unterkapitel „Crowdfunding“.

2.1.2 Crowdfunding

Der Begriff Crowdfunding tauchte in Deutschland erstmals im Jahr 2010 auf.17 Anders als bei der Schwarmauslagerung wird bei der Schwarmfinanzierung die Masse nicht dazu genutzt um Informationen, Wissen oder Lösungen beizusteuern, sondern vielmehr um Kapital, direkt oder indirekt, zu beschaffen.18 In der Praxis findet diese Gewinnung zu­meist indirekt, d.h. über spezielle Online-Portale statt, auf denen sich die kapitalsuchen­den Unternehmen der Crowd präsentieren. Die Autoren Schwienbacher und Larralde de­finieren in ihrem Werk „Crowdfunding of small entrepreneurial ventures“ Crowdfunding daher auch als internetbasierte Methode zur Beschaffung von Kapitalmitteln, bei der Per­sonen Beiträge für Projekte auf speziellen Plattformen erbitten.19

Im Laufe der Zeit haben sich durch die unterschiedliche Verwendung von Crowdfunding divergierende Ausprägungen entwickelt, die sich durch die Art ihrer Vergütung differen­zieren und wie folgt darstellen lassen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Ausprägungen des Crowdfundings

(Quelle: eigene Abbildung nach: Beck, R. (2014), S. 60.)

Beim „donation-based“ Crowdfunding (Spenden-Modell) wird mit Hilfe einer möglichst hohen Anzahl von Mikroinvestitionen ein Projekt ohne Gegenleistung finanziert. Anstelle eines finanziellen Entgelts erhalten Spender lediglich ein Dankeschön in Form von Wid­mungen oder kleinen Präsenten, wie zum Beispiel Grußkarten.20 Der Antrieb für die Ka­pitalüberlassung unterliegt somit ausschließlich philanthropischen Gründen und der Überzeugung, dass eine Realisierung eines Projekts lohnenswert bzw. erforderlich ist.

Auch beim „reward-based“ Crowdfunding, zu Deutsch Belohnungs-Modell, erhalten In­vestoren lediglich ein Dankeschön und keine finanzielle Belohnung.21 Anders als bei der vorangegangenen Ausprägung geht die Verbundenheit bei diesem Modell über eine ein­fache Danksagung hinaus. Kapitalgeber erhalten eine direkte nichtfinanzielle Entschädi­gung, zumeist in Form von Dienstleistungen oder Produkten, die mit Hilfe der finanziel­len Mittel realisiert werden konnten.22

Fremdkapitalbasiertes („lending-based“) Crowdfunding stellt eine Finanzierungsvariante dar, bei der die Anleger einen festen Prozentsatz als Verzinsung und eine Rückzahlung am Ende der Laufzeit erhalten23, die auch dann weiterhin Bestand hat, sofern das Unter­nehmen Verluste auslöst. Im Gegensatz zu klassischen Kreditverträgen, die zwischen Kunden und Banken geschlossen werden, dienen bei dieser Ausprägung Internetnutzer als Kapitalgeber, indem sie Mikrokredite zur Verfügung stellen. Die Abwicklung und die Bewertung der Rückzahlungsfähigkeit der Kapitalempfänger erfolgt analog zu den bei­den zuvor darstellten Methoden über spezielle webbasierte Plattformen.24

Die vierte Ausprägung, die sich über die Jahre aus dem Crowdfunding entwickelt hat, ist das eigenkapitalbasierte („equity-based“) Crowdfunding. In Deutschland wird diese Aus­prägung auch unter den der Bezeichnung Crowdinvesting geführt. Eine detaillierte Dar­stellung dieses Begriffs erfolgt im anschließenden Unterkapitel „Crowdinvesting“.

2.1.3 Crowdinvesting

Crowdinvesting beschreibt eine Finanzierungsart, bei der Mikroinvestionen für ihre Ein­lagen Anteile am Stammkapital eines Unternehmens erhalten und als Folge an Gewinn­ausschüttungen und Wertsteigerungen teilnehmen.25 Der Renditeaspekt spielt bei dieser Finanzierungsvariante folglich eine entscheidende Rolle, weswegen die Ausprägung auch klassischen Kapitalbeteiligungen, wie z.B. an börsennotierten Unternehmen, ähnelt. Un­terstrichen wird diese Ähnlichkeit durch die Abhängigkeit, die bei beiden Modellen zwi­schen dem betriebswirtschaftlichen Erfolg und potentiellen Rückzahlungen besteht. Die wesentlichen Unterschiede beider Varianten zeigen sich dagegen einerseits in der Tatsa­che, dass beim Crowdinvesting anders als bei Aktienbeteiligungen keine Stimmrechte erworben werden können, und andererseits in der besonderen Beschaffenheit der Anla­geobjekte und der Höhe der zu investierenden Beträge26, auf die im weiteren Verlauf die­ser Arbeit im Kapitel „Akteure im Crowdinvesting“ noch explizit eingegangen wird.

Die wissenschaftliche Literatur definiert Crowdinvesting wie folgt:

„Crowdinvesting ist das Sammeln von Finanzierungsbeiträgen ei­ner größeren Zahl von Investoren, die sich meist mit relativ klei­nen Beträgen über das Internet an der Finanzierung von Unter­nehmen beteiligen. Die Investoren erhalten einen Anteil am Un­ternehmenskapital mit einer Gewinnbeteiligung.“27

Die Definition veranschaulicht, dass von den vier im Vorgang dargestellten Ausprägun­gen einzig das „equity-based“ Crowdfunding als Crowdinvesting zu bezeichnen ist, da nur bei diesem Verfahren die Kapitalgeber mittels einer Beteiligung von Eigenkapital am Unternehmenskapital partizipieren. Nach umfangreicher Recherche und mit Blick auf die Praxis zeigt sich jedoch, dass sich auf den Finanzmärkten neben Finanzierungen, die ein­deutig abgrenzbar und einordbar sind, auch solche finden, mit denen unklare Bestimmun­gen einhergehen, wann z.B. konkret Eigenkapital vorliegt und/oder eine Beteiligung am Unternehmenskapital erworben wird. Demzufolge muss kritisch angemerkt werden, dass die aufgeführte Definition theoretisch zwar einwandfrei und eng gefasst ist, die in der Praxis auftretenden Finanzierungsformen von Crowdinvesting, wobei es sich zumeist um hybride Formen, die inmitten eines Kontinuums zwischen Eigen- und Fremdkapital lie­gen, wie z.B. partiarische Nachrangdarlehen28, nicht realitätsgetreu wiederspiegelt.

Um zu einer adäquaten Lösung zu gelangen, ist es daher notwendig die Betrachtungsper­spektive zu wechseln. Statt formaler Aspekte muss bzw. sollte die Investorensichtweise in den Fokus gestellt werden, da es sich nach Ansicht der Kapitalgeber bei ihren Einlagen immer um Unternehmensbeteiligungen handelt, unabhängig davon, ob diese einen Eigen­kapital-, Fremdkapital- oder Mischformcharakter haben. In der wissenschaftlichen Lite­ratur finden sich auf Basis von Praxiserfahrungen demzufolge auch weitergefasste Defi­nitionsauslegungen des Begriffs Crowdinvesting, u.a. solche, die Mikroinvestitionen dem Crowdinvesting zuordnen, obwohl mit diesen lediglich eigenkapitalähnliche Beteiligun­gen einhergehen, vorausgesetzt, dass die Investoren finanziell am Gewinn, am Unterneh­menswertwachstum sowie an potentiellen Exit-Erlösen beteiligt werden.29

2.2 Funktionsweise von Crowdinvesting

Die Funktionsweise von Crowdinvesting läuft für gewöhnlich nach einem bestimmten Muster ab, das sich wie folgt darstellen lässt:

Zu Beginn des Prozesses wenden sich die Initiatoren von Projektvorhaben an eine Crow­dinvesting Plattform und stellen dem Portal ein sogenanntes Pitch Deck zur Verfügung, das die Eckdaten des Unternehmens enthält. In der Regel handelt es sich hierbei um Un­ternehmenspräsentationen, Informationen, wie sich Wertschöpfungen nach Auffassung der Unternehmer erzielen lassen, Umwelt- und Konkurrenzanalysen sowie Angaben zur bisherigen Finanzierungslage.30 Entsprechen diese Daten dem Anforderungsprofil der je­weiligen Plattform findet im nächsten Schritt eine persönliche Vorstellung statt. In dieser wird neben der eigentlichen Präsentation festgelegt, welche Informationen über das Pro­jekt auf der Plattform publiziert werden sollen. Berücksichtigung muss hierbei vor allem die Geheimhaltungsbedürfnisse der emittierenden Unternehmen finden, da manche Ideen bereits wertlos sind, sofern sie vorzeitig öffentlich werden. Gleichzeitig dürfen aber auch nicht zu wenige Informationen präsentiert werden, da es ansonsten schwierig wird, genü­gend Interessenten zu finden, die ihr Geld investieren möchten.31 Existieren nach der per­sönlichen Vorstellung keine relevanten Gründe, warum das Vorhaben nicht präsentiert werden sollte, erfolgen anschließend konkrete Vereinbarungen zu den vertraglichen Rah­menbedingungen, Festlegungen hinsichtlich den Investorenbeteiligungen und ein Zusam­mentragen aller Informationen, damit sich ein Profil auf der Plattform erstellen lässt.32

Die vertraglichen Vereinbarungen und Investorenbeteiligungen beinhalten dabei u.a. die Funding-Schwelle und das Funding-Limit.33 Beide Werte stellen grundlegende Eckpfei­ler einer Crowdinvesting Initiative dar. Einerseits beschreiben sie in Form der Funding­Schwelle den Betrag, der durch die Investoren in einem festgelegten Zeitraum mindestens erreicht werden muss, damit eine Finanzierung zu Stande kommt, anderseits ergibt sich aus dem Funding-Limit der Wert, den sich die Initiatoren mit ihrer Platzierung erhoffen, um anvisierte Ziele realisieren zu können. Während in der Vergangenheit beide Funding-

Werte oftmals identisch waren, haben sich diese in der jüngeren Historie stark auseinan­der entwickelt. Relevante Gründe für diese Änderung finden sich im folgenden Unterka­pitel „Rechtliche Rahmenbedingungen beim Crowdinvesting“.

Ist es im Anschluss an einen Bieterverlauf zu einer Erreichung der Funding-Schwelle und zu einem erfolgreichen Vertragsabschluss gekommen, nehmen die Ideengeber den erziel­ten Finanzierungsbedarf entgegen. Die Anleger erhalten im Gegenzug über den gesamten Finanzierungszeitraum, der in der Regel bei fünf Jahren liegt34, Informationen über den Geschäftsverlauf des Unternehmens35. Sind die Projektinitiatoren im weiteren Verlauf erfolgreich und erzielen Gewinne werden den Anlegern die vereinbarten Erfolgsbeträge zuteil. Mittels eines Exits können die bestehenden Verträge bzw. Vereinbarungen wiede­rum aufgelöst werden.36 In diesem Fall bekommen die Kapitalgeber ihre bereitgestellten Investitionen samt einer Rendite ausbezahlt. Wird die Funding-Schwelle nach Ablauf des definierten Zeitraums dagegen nicht erreicht, erfolgt keine Finanzierung des Projektvor­habens. Als Folge erhalten alle Geldgeber ihre bereitgestellten Investitionsbeträge zu­rück, wodurch diesen keinerlei finanziellen Verlust entsteht.37

2.3 Akteure im Crowdinvesting

2.3.1 Kapitalsuchende

Bei den Kapitalsuchenden handelt es sich beim Crowdinvesting für gewöhnlich um en­gagierte Startups, die in Ermangelung eigener Ressourcen Kapitalmittel für Ideenumset­zungen oder das Generieren von Wachstumspotentialen benötigen.38 Die Gründe, warum es sich zumeist um Jung-Unternehmen und nicht um etablierte Unternehmen handelt, sind einfach erklärt. Startups brauchen im Vergleich zu etablierten Unternehmen für ihre Vor­haben eher geringe Finanzmittel, die sich mit Hilfe der Integration einer undefinierten Masse erzielen lassen. Millionenschwere Projekte, mit denen gestandene Unternehmun­gen dagegen partizipieren, wären indes nur schwer abbildbar, da hierfür Unmengen von Investoren akquiriert werden müssten, um den gewünschten Geldbedarf zu erzielen. Dar­über hinaus fehlen Gründern im Gegensatz zu etablierten Unternehmern häufig auch die erforderlichen Kapazitäten und Netzwerke, um alternativ Kapitalmittel zu generieren.39

Neben der Tatsache, dass alternative Finanzierungen für Startups ggfs. nur mit privaten Bürgschaften erreichbar wären, oder sich aufgrund fehlender Sicherheiten gar nicht rea­lisierbar zeigen, existieren weitere Motive, warum sich junge Unternehmen dieser Finan­zierungsform zuwenden. Eine Motivation besteht beispielsweise darin, dass Kapitalge­bern beim Crowdinvesting keine Mitsprachrechte zukommen, während z.B. Business An­gels, wobei es sich um institutionelle Investoren handelt, die finanzielle Unterstützung bieten, für gewöhnlich hohe Beteiligungsforderungen stellen und demzufolge die Projek­tinitiatoren bei der Umsetzung ihrer Pläne einschränken.40 Eine weitere Motivation er­klärt sich durch die Höhen fälliger Renditezahlungen. Verglichen mit vielen weiteren Fi­nanzierungen, bei denen sich die Emittenten häufig in eine vollständige finanzielle Ab­hängigkeit begeben und hohen Renditen verpflichtet sind, räumt Crowdinvesting den emittierenden Unternehmen eine Möglichkeit ein, den Grad ihrer zukünftigen finanziel­len Abhängigkeit selbst zu bestimmen.41 Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten. Gestalten sich die Konditionen für Investoren zu schlecht, finden sich nur schwer genügend Mikro­anleger, die am Projektvorhaben partizipieren wollen. Werden die Konditionen zu gut ausgelegt, leiden die Unternehmen langfristig unter den verbundenen Kapitalkosten, wodurch wiederrum ein potentieller Erfolg gefährdet wäre. Beim Crowdinvesting finden sich mit Blick auf die Reduzierung von Kapitalkosten jedoch begünstigende Faktoren. Einerseits liegt dies in der speziellen Art der Investorengewinnung, die nicht nur auf eine Integration von Vielen sondern auch global ausgerichtet ist, andererseits spielt auch die Motivlage der Anleger eine elementare Rolle. Das primäre Ziel der Investoren besteht bei dieser Anlageform nicht allein in der Erzielung einer möglichst hohen Rendite, sondern auch in einer erfolgreichen Projektrealisierung und dem Produkt an sich. Als Folge zeigt sich häufig, dass die kapitalsuchenden Unternehmen genau die Investoren erreichen, die die höchste Investitionsbereitschaft aufweisen und parallel die niedrigsten Renditeforde­rungen stellen.42

Für Gründer existieren neben finanziellen Aspekten auch nicht-finanzielle Motive, sich für Crowdinvesting als Finanzierungsform zu entscheiden. Eine Motivation basiert zum Beispiel auf der Resonanz der Investoren während des Bieterprozesses. Finden sich in­nerhalb kürzester Zeit viele Kapitalgeber, lässt sich dies als erstes Indiz verstehen, dass eine Idee grundsätzlich marktfähig ist.43 Gleichzeitig erhalten die Projektinitiatoren durch das Echo ein aussagekräftiges Feedback über den Auftritt des Unternehmens und zu mög­lichen Zielgruppen, wodurch ein „kalter Sprung ins Wasser“ bei Markteintritt vermieden werden kann44. Weitergehend lassen sich durch den Einsatz von einer Vielzahl an Perso­nen auch einfach Marketingeffekte generieren.45 Schließlich haben nicht nur die Startups, sondern auch die Kapitalgeber ein Interesse daran, dass die Projekte einer breiten Masse präsentiert werden, um so die Gewinnchancen der Unternehmen und folglich auch ihre eigenen Renditeaussichten zu verbessern.

Neben umfangreichen Motivationen existieren aber auch einige Risiken für die teilhaben­den Unternehmen. Ein Wagnis bilden dabei u.a. die von der Bundesregierung verabschie­deten und rechtlich verankerten Offenlegungspflichten, die garantieren tragen sollen, dass betrügerische Aktivitäten von Seiten der Marktteilnehmer verhindert werden. Für die Startups bedeuten diese Pflichten jedoch, dass sie sensible interne Informationen preisge­ben müssen, wodurch beispielsweise Konkurrenten Einsicht in konkrete Haftungsgrund­lagen und -abläufe gewährt wird.46 Ein weiteres Risiko zeigt sich auch in Form potentiell erhöhter Opportunitätskosten, die einerseits dadurch entstehen, dass der Finanzierungs­bedarf bei den Kapitalsuchenden akut ist, und andererseits durch die Integration einer Vielzahl an Personen, die neben finanziellen Unterstützungen keine zusätzlichen Werte, wie Informationen oder Wissen, in die Unternehmungen einbringen.47

2.3.2 Investoren

Investoren wandeln sich beim Crowdinvesting nicht nur vom Konsumenten zum Geber, sie nehmen in diesem Modell auch eine Schlüsselrolle ein, da sie allein durch ihre Inves­titionsanreize entscheiden, ob ein Projekt oder eine Plattformen erfolgreich ist.48 Die da­zugehörigen und für ihre Investitionsentscheidungen relevanten Informationen beziehen sie direkt von den Emittenten über spezielle Online-Portale. An dieser Stelle verdeutlicht sich, dass es sich bei den Kapitalgebern zumeist um im Netz erfahrene Investoren handelt, die einerseits risikoaffin gegenüber Online-Transaktionen sind und anderseits sich in der Lage fühlen, beurteilen zu können, ob ein Projekt Erfolgschancen aufweist, oder nicht.49 Derartige Selbsteinschätzungen spiegeln normalerweise nur erfahrene Investoren wider, weswegen es auch nicht verwundert, dass eine erhebliche Anzahl von Kapitalgebern ihren Ursprung im Venture Capital haben, einer Finanzierungsalternative, bei der sich Kapital­geber mit einschlägigen Anlageerfahrungen vornehmlich an Unternehmen beteiligen, die sich bereits in fortgeschrittenen Unternehmensphasen befinden.50

Neben professionellen Anlegern engagieren sich heutzutage auch immer häufiger private Investoren als Kreditgeber. Deren Motivation basiert u.a. darauf, dass sich mit konventi­onellen Investitionen aufgrund schwindender Informationsasymmetrien immer schwieri­ger lukrative Rendite erzielen lassen. Hidden Champions, wie es sie in der Vergangenheit häufig gab, finden sich heute kaum noch. Die beim Crowdinvesting partizipierenden Un­ternehmen und der Crowdinvesting Markt weisen angesichts ihrer kurzen Historie dage­gen starke Informationsasymmetrien auf, wodurch auf der einen Seite das Risiko für In­vestoren hoch ist und die Suche des richtigen Anlageobjekt erschwert wird, auf der ande­ren Seite sich diese Intransparenz aber auch in erhöhten Renditen widerspiegelt51.

Weitere Motivationen für diese Finanzierungsart ergeben sich auch aus den existierenden standardisierten Rahmenbedingungen, die garantieren, dass u.a. potentielle ex-anto Risi­ken und Verwaltungsaufwände reduziert werden.52 Gleichzeitig stellen auch die niedri­gen Mindestinvestitionsbeiträge, die zumeist bei fünf EUR beginnen53, und die sich dank moderner Online-Bezahlsysteme günstig gestalten, eine Motivation für Kapitalgeber dar, sich dieser Finanzierungsvariante zuzuwenden. Schließlich lassen sich neben der Tatsa­che, dass sich ein möglicher Verlust wertmäßig in Grenzen hält, potentielle Risiken an­gesichts der geringen finanziellen vertraglichen Verpflichtungen gut streuen.

Die geringen Mindestinvestitionsbeiträge stellen jedoch auch einen entscheidenden Risi­kofaktor dar, da Investoren schnell dazu verleitet werden, Risiken zu unterschätzen oder gänzlich zu ignorieren. Eine angemessene Due Diligence Prüfung bleibt als Folge häufig aus, da ihre Kosten potentielle Verluste kurzerhand überschreiten. Die Gefahr in falsche Projekte zu investieren oder Betrügern aufzusitzen, steigert sich dementsprechend. Ein weiterer Gefahrenpunkt findet sich in den Unternehmen selbst bzw. deren Management und der Tatsache, dass Investoren keine Stimmrechte zukommen. Gründer sind aufgrund ihrer Unerfahrenheit vor potentiellen eigenen Inkompetenzen nicht gewahrt, gleichzeitig verhindern die fehlenden Stimmrechte jedoch die Möglichkeit eines Entgegenwirkens von außen.

2.3.3 Plattformen

Spezielle Online-Plattformen, die erstmalig in 2007 in den USA in Erscheinung getreten sind, übernehmen beim Crowdinvesting die Funktion elektronischer Marktplätze und fun­gieren als Vermittler zwischen kapitalsuchenden Unternehmen und Investoren.54 Ähnlich wie klassische Handelsbörsen wirken die Portale indirekt, da sie allein mit ihrer Anwe­senheit die Grundlage für potentielle Zusammentreffen bilden. Neben dieser passiven Haltung bekleiden sie aber auch eine aktive Rolle, indem sie die Marktfähigkeit der Pro­jekte bewerten und Informationen dahingehend sammeln, um Transaktionskosten zu sen- ken.55 Gleichzeitig erleichtern sie die Kommunikation und bieten den partizipierenden Parteien passende Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich derartige Rechtsverhält­nisse abschließen lassen.56 Startups können über sie erforderliche Kapitalmittel erbitten und Investoren im Gegenzug für Renditeversprechungen in die Projekte der Gründer in­vestieren. Die Portale erhalten wiederum für jede über sie erfolgreich abgeschlossene Transaktion eine Provision in Höhe zwischen fünf und zehn Prozent des gehandelten Fi­nanzierungsbetrages.57 Einige Crowdinvesting Plattformen nehmen darüber hinaus noch Listing Gebühren, die Einstellungsgebühren gleichkommen.58 In der Praxis wird dies je­doch nur von wenigen umgesetzt, da die Gefahr hierdurch Kunden zu verlieren und einem schlechten Ruf zu unterliegen, sehr hoch ist.

Für die Plattformen ergeben sich demzufolge zwei wesentliche zu verfolgende Ziele. Ei­nerseits streben sie die Freigaben vieler hochwertiger Projekte an, um hohe Provisions­zuflüsse erzielen zu können, andererseits trachten sie nach einem positiven Ruf am Markt, der für das erst genannte Ziel die Grundlage bildet.59 Ausreichend Akteure, die an einem Vorhaben teilhaben wollen, finden sich in der Regel nämlich nicht, wenn das Portal einen schlechten Ruf genießt. Um einem solchen Szenario entgegenzuwirken, ist es für die Por­tale unerlässlich vor einer Veröffentlichung adäquate Vorauswahlen und Analysen von den Anlageobjekten, gerade mit Blick auf die generelle Marktfähigkeit, vorzunehmen.60 Hierdurch tritt für die Plattformen jedoch eine Problematik auf. Umfangreiche Studien vieler kleiner Unternehmen und Vorhaben sind nicht nur zeitaufwendig, sondern auch kostspielig und stehen dem betriebswirtschaftlichen Ziel entgegen, anfallende Verwal­tungskosten möglichst gering zu halten.61 Den Portalen kommt indes zu Gute, dass von Seiten des Gesetzgebers keine Regelungen existieren, die Prüfungen und deren Intensität verpflichtend vorschreiben.62 In der Praxis fallen die Prüfungen daher häufig rudimentär und kostenminimiert aus, sollten jedoch immer in einem angemessenen Verhältnis zu ei­nem möglichen Imageschaden stehen.

Neben einem potentiellen Imageverlust bestehen für die Plattformen noch weitere Gefah­ren, z.B. durch unübersichtliche oder fehlerhafte Webseiten, die potentielle Akteure ggfs. abschrecken. Gleichzeitig spielen aber auch rechtliche Risiken eine entscheidende Rolle, da die Portale für Inhalte, die sie auf ihren Webseiten präsentieren, haftbar gemacht wer­den können.63 Diesem Wagnis entgegnen die meisten jedoch, indem sie die Geschäftsbe­dingungen so auslegen, dass sich die Prozesse größtmöglich systematisiert gestalten und den Gründern trotzdem ausreichend Spielraum für eigene Entscheidungsfreiheiten inner­halb der gesetzlichen und vertraglichen Rahmenbedingungen bleibt.

2.4 Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen beim Crowdinvesting in Deutschland

Im Gegensatz zu den USA, wo eine klare Trennung zwischen „equity-based“ und „len- ding-based“ Crowdfunding existiert, wird in Deutschland der Begriff Crowdinvesting entgegen der strengen Begriffsdefinition nicht nur für eigenkapitalbasiertes Crowdfun­ding verwendet. Zurückzuführen ist diese unscharfe Abgrenzung auf die historischen ge­setzlichen Rahmenbedingungen, die bis 2012 die allgemeinen Regeln des Bank-, Kapi­talmarkt- und Gewerberechts und anschließend das Vermögensanlagegesetz (VermAnlG) bildeten.64 Deren Regelungen erlaubten zwar, dass Crowdinvestings für jedermann ge­mäß strenger Definition zulässig waren, darüber hinaus sahen sie jedoch vor, dass Unter­nehmen, die öffentlich Wertpapiere oder Vermögensanlagen anboten, bei Finanzierungen oberhalb von 100.000 EUR zur Erstellung von Prospekten verpflichtet waren, die vor Veröffentlichung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ge­prüft und genehmigt werden mussten.65 Da es sich bei den Unternehmen für gewöhnlich jedoch um relativ junge Firmen mit fehlendem Fachwissen handelt, führten diese Wei­sungen häufig dazu, dass sich die Prospekte sowie die damit verbundenen Anforderungen ausschließlich mit externer Unterstützung erstellen ließen, wodurch den Unternehmen neben einer hohen Arbeitsintensität auch empfindliche Kosten auferlegt wurden.66 Es existierten zwar auch Befreiungsmöglichkeiten von der Prospektpflicht, diese fanden al­lerdings lediglich bei Jahresemissionen unterhalb von 100.000 EUR Anwendung, oder wenn weniger als zwanzig Beteiligungen angeboten wurden, was jedoch der Kernidee von Crowdinvesting, die Masse zu integrieren, widerspricht.67

Eine weitere Ausnahme von der Prospektpflicht spiegelte sich auch in der Gestaltung der nicht in Wertpapieren verbrieften Vermögensanlagen wieder, auf die im Verlauf dieser Arbeit noch detaillierter eingegangen wird. Wurden diese Anlagen z.B. nicht als Genuss­scheine oder stille Beteiligungen, sondern als partiarische Nachrangdarlehen ausgegeben, wobei es sich um ein schuldrechtliches Vertragsverhältnis handelt, bei dem für die darle­hensweise Kapitalüberlassung eine Zinszahlung und ein gewinnabhängiger Anteil ver­einbart wird68, konnte die Prospektpflicht auch oberhalb von 100.000 EUR ausgesetzt werden. Gemäß der damals gültigen Rechtsvorschriften stellten partiarische Nachrang­darlehen keine Vermögensanlagen gemäß des Vermögensanlagegesetztes (VermAnlG) dar und unterlagen somit auch keiner Prospektpflicht. Gleichzeitig ließ sich diese Betei­ligungsform jedoch nur schwer auf die Belange von Crowdinvesting zuschneiden. In der Praxis zeigten sich die Darlehen daher häufig sehr verändert, wodurch eine klare Abgren­zung zu z.B. stillen Reserven verschwamm. Diese Abgrenzung trennscharf bzw. aufrecht zu halten, war unter den gegebenen Rahmenbedingungen jedoch elementar, da andern­falls bei Finanzierungen oberhalb von 100.000 EUR erneut die Prospektpflicht zum Trage gekommen wäre.69

Unbeachtet der schwierigen Gestaltung ermöglichte sich für die kapitalsuchenden Unter­nehmen durch diese Sonderform eine Durchführung von prospektfreien Emissionen in beliebiger Höhe.70 Da ein solches Finanzierungsvolumen jedoch im Konflikt zum Inves­toren- bzw. Kleinanlegerschutz stand und gleichzeitig die zunehmende dynamische Ent­wicklung des Crowdinvestings das Spannungsfeld zwischen Investorenschutz und För­derung der kapitalsuchenden Unternehmen erhöhte, verstärkte sich der Druck auf die po­litische Ebene, zu einem rechtlichen Klärungsbedarf beizutragen. Als Folge wurden Un­tersuchungen von Seiten der deutschen Bundesregierung angestoßen, bei denen u.a. Platt­formbetreiber befragt wurden, in welcher Form rechtliche Anpassung erforderlich wären und welche Auswirkungen diese auf das Geschäft und dessen Entwicklung hätten. Nach Ausarbeitung mehrerer abweichender Entwürfe, die den Plattformbetreibern vorab vor­gelegt wurden, wurde am 10. Juli 2015 mit in Kraft treten des Kleinanlegerschutzgesetzes die bestehende Rechtslage schließlich geändert.71

Darin enthalten waren zusätzliche Pflichten für das Anbieten von Vermögensanlagen. So wurde z.B. die Prospektpflicht konkretisiert und erweitert. Zudem müssen die Anbieter dem Markt fortan bestimmte Informationen auch nach der Beendigung eines öffentlichen Angebots mitteilen.72 Gleichzeitig wurde die bisweilen außerhalb des Fokus praktizie­rende Beteiligungsform des partiarischen Nachrangdarlehens rechtlich verankert. Auch die BaFin hat mit Inkrafttretens des Kleinanlegerschutzgesetzes erweiterte Kompetenzen erhalten. Ab sofort ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht berechtigt, den Vertrieb bestimmter Produkte einzuschränken oder zu verbieten und Maßnahmen, die sie gegen Marktteilnehmer getroffen hat, auf ihrer Homepage zu veröffentlichen.73

Die weiteren wesentlichen Änderungen bzw. Neuerungen lassen sich wie folgt zusam- menfassen74:

- Einführung einer Obergrenze von 10.000 EUR für Einzelinvestitionen von Privat­anlegern (keine Kapitalgesellschaften)
- ab einem Anlagebetrag von 1.000 EUR müssen Anleger eine Selbstauskunft ge­genüber den Plattformen tätigen, in der sie deklarieren, dass sie über ein frei ver­fügbares Vermögen von mindestens 100.000 EUR verfügen oder maximal zwei Netto-Monatsgehälter investierten
- ab einem Maximalbetrag von 2,5 Mio. EUR sind die Crowdfunding Projekte un­abdingbar prospektpflichtig (auch im Falle von partiarischen Nachrangdarlehen)

Die gesetzlichen Anpassungen zeigen, dass die Bundesregierung die besondere Finanzie­rungsform des Crowdinvestings, aber auch Crowdfunding als Ganzes, für innovative Un­ternehmen stärken möchte. Unternehmen sollen weiterhin die zusätzliche Finanzierungs­quelle neben klassischen Bankdarlehen oder Venture Capital nutzen können. Gleichzeitig sind die Portale durch die rechtlichen Anpassungen aufgefordert, Investoren während des gesamten Investitionsprozesses über Risiken zu informieren bzw. aufzuklären.75

[...]


1 Vgl. Cosh, A. et al. (2007), S. 1497.

2 Vgl. Beck, R. (2014), S. 58.

3 Vgl. Waider, C. (2013), S. 51.

4 Vgl. Dorfleitner, G. et al. (2014), S. 289.

5 Vgl. Waider, C. (2013), S. 51.

6 Vgl. Ebenda, S. 2.

7 Vgl. Löher, J. et al. (2015), S. 8.

8 Vgl. Howe, J. (2006).

9 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (2016a).

10 Vgl. Leimeister, J. M. (2012), S. 388.

11 Leimeister, J. M. et al. (2013), S. 20.

12 Vgl. Kleemann, F. et al. (2008), S. 33.

13 Vgl. Voß, G. G. et al. (2005), S. 16.

14 Vgl. Surowiecki, J. (2004), S. 10.

15 Vgl. Unterberg, U. (2010), S. 129.

16 Vgl. Leimeister, J. M. (2012), S. 389.

17 Vgl. Co:Funder et al. (2012), S. 9.

18 Vgl. Beck, R. (2014), S. 50.

19 Vgl. Schwienbacher, A. et al. (2010), S. 370.

20 Vgl. Das Crowdfunding Informationsportal (2016c).

21 Vgl. Ebenda.

22 Vgl. Green Rocket (2016).

23 Vgl. Beck, R. (2014), S. 57.

24 Vgl. Home Rocket (2016).

25 Vgl. Beck, R. (2014), S. 58.

26 Vgl. Seedmatch (2016).

27 Appelhoff, D. et al. (2013), S. 98.

28 Vgl. Home Rocket (2016).

29 Vgl. Beck, R. (2014), S. 60.

30 Vgl. Kalabota, M. (2014), S. 97.

31 Vgl. Schwethelm, C. (2014), S. 20.

32 Vgl. Seedmatch (2016).

33 Vgl. Hornuf, L. et al. (2015), S. 6.

34 Vgl. Fundsters (2016).

35 Vgl. Schwethelm, C. (2014), S. 21.

36 Vgl. Beck, R. (2014), S. 165.

37 Vgl. Ebenda, S. 41.

38 Vgl. Klöhn, L. et al. (2012), S. 240.

39 Vgl. Kalabota, M. (2014), S. 57.

40 Vgl. Für-Gründer.de (2016a).

41 Vgl. Beck, R. (2014), S. 222.

42 Vgl. Tober, N. (2014), S. 80.

43 Vgl. Beck, R. (2014), S. 230.

44 Vgl. Kohler, T. et al. (2015), S. 118.

45 Vgl. Gründerszene (2016a).

46 Vgl. Haufe.de (2016).

47 Vgl. Dorfleitner, G. et al. (2014), S. 299.

48 Vgl. Pfeiffer, H. (2015), S. 36.

49 Vgl. Beck, R. (2014), S. 281 f.

50 Vgl. Ebenda, S. 284.

51 Vgl. Agrawal, A. et al. (2013).

52 Vgl. Tober, N. (2014), S. 60.

53 Vgl. Companisto (2016).

54 Vgl. Kohler, T. et al. (2015), S. 121.

55 Vgl. Kortleben, H. et al. (2012), S. 21.

56 Vgl. Klöhn, L. et al. (2012), S. 245.

57 Vgl. Manager Magazin (2013).

58 Vgl. Beck, R. (2014), S. 377.

59 Vgl. Klöhn, L. et al. (2012), S. 245.

60 Vgl. Schwethelm, C. (2014), S. 19.

61 Vgl. Mäschle, O. et al. (2016), S. 5.

62 Vgl. Dorfleitner, G. et al. (2014), S. 286.

63 Vgl. Löher, J. et al. (2015), S. 36.

64 Vgl. Klöhn, L. et al. (2012), S. 246.

65 Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2015c).

66 Vgl. Beck, R. (2014), S. 125.

67 Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2012).

68 Vgl. Regierer, C. et al. (2015), S. 7.

69 Vgl. Beck, R. (2014), S. 134.

70 Vgl. Löher, J. et al. (2015), S. 34.

71 Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2015a).

72 Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2015a).

73 Vgl. Ebenda.

74 Vgl. Löher, J. et al. (2015), S. 38 f.

75 Vgl. Gründerszene (2015).

Ende der Leseprobe aus 93 Seiten

Details

Titel
Was sind die Determinanten der Platzierungsquote von Crowdinvesting-Kampagnen?
Untertitel
Eine empirische Studie
Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Köln
Note
2,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
93
Katalognummer
V511912
ISBN (eBook)
9783346093875
ISBN (Buch)
9783346093882
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Crowdinvesting, Crowdfunding, Determinanten, Platzierungsquote, Empirische Studie
Arbeit zitieren
Lars Engelhardt (Autor:in), 2017, Was sind die Determinanten der Platzierungsquote von Crowdinvesting-Kampagnen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/511912

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