Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was bedeutet Outdoor Education?
2.1. Verwandte Assoziationen von Outdoor Education
2.2. Konzepte von Outdoor Education
3. Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern
3.1. Kognitive Entwicklung
3.1.1. Grundvoraussetzungen für kognitive Aktivierung
3.1.2. Multisensorisch Lernen
3.1.3. Kognitive Aktivierung durch Bewegung
3.1.4. Kreatives Denken und Fantasie
3.1.5. Planungs- und Problemlösefähigkeit
3.2. Physische und sensomotorische Entwicklung
3.2.1. Koordinative und konditionelle Fähigkeiten (Motorik)
3.2.2. Sinneswahrnehmung
3.2.3. Gesundheit
3.3. Psychosoziale Entwicklung
3.3.1. (Selbst)wahrnehmung und Selbstbewusstsein
3.3.2. Verantwortung, Selbstständigkeit und Selbstvertrauen
3.3.3. Selbstachtung
3.3.4. Teamgeist
3.3.5. Kommunikation
3.3.6. Konfliktmanagement
3.3.7. Beziehungsebene
3.3.8. Emotionen und Wohlbefinden
3.4. Einflüsse der Natur
3.5. Alle Lerntypen finden ihren Platz
4. Best Practise Beispiel
4.1. Der Lehrausgang
4.2. Fächerübergreifender Zusammenhang
5. Das Wort der Schüler und Schülerinnen zu einer Studie
6. Kritikpunkte
7. Projektbeispiele aus der Praxis
8. Zusammenfassung
9. Literatur- und Quellenverzeichnis
10. Abbildungsverzeichnis
11. Anhang
Abstract
Diese Arbeit zeigt die Wichtigkeit von Outdoor Education in unserer Zeit, was sich hinter diesem Begriff verbirgt und welchen schulischen Zusammenhang es gibt.
Kinder in der Primarstufe sollen eine Vielzahl an Kompetenzen entwickeln und individuell gefördert werden. Unterricht außerhalb des Klassenzimmers schafft hier Freiraum, um dieses Ziel zu erreichen und fördert die kognitive, physische, sensomotorische und psychosoziale Entwicklung in vielerlei Hinsicht.
Eine positive und gemischte Form des Unterrichts ist nicht nur für die Entwicklung der Kinder dieser Altersstufe besonders wichtig, sondern hat nachhaltige Auswirkungen auf ihr gesamtes, weiteres Leben.
This thesis not only reflects the importance of Outdoor Education nowadays, but also displays the definition of the term itself and how it relates to the curriculum of primary education.
Students in primary classrooms are set up to develop a number of various competences individually with the support of their teacher. The outdoor classroom has much more space to offer in order to achieve those goals and end up with better success in cognitive, physical, sensomotoric and psychosocial development.
Although a positive and blended method of teaching is absolutely important for the students’ development, the long-term effect is even more substantial relating to their future.
Vorwort
Das Lernen im Freien birgt unglaubliche Abenteuer und sie warten nur darauf von Kindern entdeckt zu werden. Ich wuchs in einer kleinen Stadt, umringt von Bergen und Natur auf. Wenn ich an die Zeit zurückdenke, die ich in der frischen Luft verbrachte, wird mir ganz warm ums Herz. In jener Zeit konnte ich viel über mich selbst erfahren und lernen. Ein Geschenk, das unbezahlbar ist und heute kaum noch gelebt wird. Erschreckend, wie sich die Welt und die Kinder in so kurzer Zeit verändert haben. Technologie überströmter Alltag, stundenlanges Fernsehen und Reizüberflutung durch IPads, Mobiltelefone etc. verursachen, dass sich viele Kinder kaum noch bewegen, ständig krank sind und dadurch den Unterricht versäumen. Kinder scheinen heutzutage einen schwächeren Körperbau mit einhergehendem, schwächeren Immunsystem zu haben. Ich war selten krank als Kind und bin überzeugt davon, dass es damit zusammenhängt, viel in der Natur gewesen zu sein und mich dort auf Forschungs- und Entdeckungsreise begab. Das Klettern auf Bäume, Experimentieren mit Naturmaterialien und so weiter, haben mich nachhaltig beeinflusst und in meiner Entwicklung gefördert.
All diese Gründe haben mich zu meinem Bachelorthema geführt. Wenn Kinder nicht mehr rausgehen, beziehungsweise es ihnen niemand vormacht, kann man ihnen kaum einen Vorwurf machen, aber ich als Lehrperson kann ihnen die Natur und andere Erfahrungsgebiete, wie zum Beispiel den Bahnhof oder eine Burg als erweitertes „Klassenzimmer“, anbieten. Eltern haben neben ihrem Job kaum Zeit, um mit ihren Kindern in den Wald zu gehen oder Ausflüge zu machen. Ich möchte, dass Kinder die Möglichkeit erhalten, mit Spaß und Motivation, außerhalb des Klassenzimmers zu lernen und glaube dadurch ihre Entwicklung positiv beeinflussen und ihre Kompetenzen individuell, stark fördern zu können.
1. Einleitung
Früher hielten sich Kinder ständig im Freien auf, legten Fußmärsche zur Schule und nach Hause zurück, gingen auf Entdeckersreisen im Garten ihrer Oma oder halfen den Eltern am Bauernhof. Kinder waren kaum krank oder übergewichtig.
In der heutigen Zeit wird die kindliche Entwicklung durch den massiven Einfluss digitaler Medien, Bewegungsmangel und schlechter Ernährung stark beeinträchtig. Die Folgen sind große gesundheitliche Probleme, wie Übergewicht, Depressionen, Unausgeglichen-heit, Konzentrationsschwäche etc., welche sich nicht nur auf den Schulerfolg, sondern auf die gesamte Entwicklung von Kindern auswirken.
Neben diesen Aspekten sind Kinder individuelle Lerntypen und bringen verschiedene Erfahrungen und Vorkenntnisse mit in die Primarstufe, auf welche Klassenzimmerunterricht häufig nicht eingehen kann. Die einzig logische Schlussfolgerung ist, den Unterricht nach draußen zu verlagern. Häufig hört man bereits den Begriff „Outdoor Education“ und die Notwendigkeit, dass Kinder an die frische Luft sollen, um wieder aufnahmefähiger zu werden.
Aufgrund dieser Aspekte hat sich für diese Arbeit folgende Forschungsfrage ergeben: „Welche Bedeutung hat Outdoor Education und wie wirkt es sich auf die Entwicklung von Kindern im Alter der Primarstufe aus?“
Um auf die Entwicklung eingehen zu können, muss zunächst die Erläuterung des Begriffes von Outdoor Education erfolgen. Nachdem die Definition klar ersichtlich ist, werden anhand wissenschaftlicher Studien und Forschungen Faktoren aufgezeigt, welche die Entwicklung von Kindern außerhalb des Klassenzimmers positiv beeinflussen. Die Natur spielt dabei eine wesentliche Rolle, aber auch andere Außengebiete können als Lernort genutzt werden. Ein Beispiel wird zeigen, dass der Unterricht im Klassenzimmer in Verbindung mit dem Konzept von Outdoor Education, Unterricht neu definiert.
Die Evaluation von Eltern, Schülern und Schülerinnen einer Studie trägt ebenso zu den Erkenntnissen dieser Arbeit bei.
Abschließend werden auch die Schattenseiten dieses Themas in die Erkenntnisgewinnung miteinbezogen.
2. Was bedeutet Outdoor Education?
Übersetzen wir den Begriff „Outdoor Education“, so bedeutet „Outdoor“ – „im Freien“ (Duden, o.J.) und „Education“ – „Unterricht“ (dict.cc, o.J.). Zusammengesetzt heißt dies “Unterricht im Freien”. Der Begriff „Outdoor Education“ wird in dieser Arbeit verwendet, weil er der häufigste verwendete Begriff in der internationalen Literatur is(Au & Gade, 2016, S. 14).
Des Weiteren findet man in der Literatur eine Reihe von Definitionen zu Outdoor Education, welche unter Punkt 2.1. genauer erläutert werden.
Es beschreibt Unterrichtsformen, die im Freien beziehungsweise außerhalb des Schulgebäudes stattfinden und welche in den regelmäßigen Schulalltag integriert werden sollen. Das heißt, dass es vom Klassenzimmerunterricht abzugrenzen ist, jedoch im engeren Zusammenhang steht. Der Unterricht soll nicht ersetzt, sondern bereichert werden.(Au & Gade, 2016, S. 15)Die Lerninhalte beziehen sich dabei auf den Lehrplan der Volksschule.
Ein norwegischer Wissenschaftler, Arne N. Jordet, gilt als Präger der skandinavischen Outdoor-Konzepte. Seine Theorie besagt, dass Lernen im Freien den Kindern die Chance gibt, mit all ihren Sinnen und dem Einsatz ihres Körpers, die Realität 1:1 kennenzulernen und individuelle persönlichkeitsentwickelnde Erfahrungen zu sammeln. Auch bietet es neben einem reichen Angebot an schulbildnerischen Aktivitäten, Raum für Kommunikation, Soziales Lernen, Experimentieren und Erforschen, Spontanität, Spiel, Neugierde und Fantasie.(OUTLiNES, 2009, S. 7)
Jordet verfasste zu seiner Theorie eine der häufigsten zitierten Definitionen von Outdoor Education.
„[In outdoor schooling] pupils learn about nature in nature, about society in the society and about the local environment in the local environment.“ (Beim Outdoor-Unterricht lernen Schülerinnen und Schüler über die Natur in der Natur, über die Gesellschaft in der Gesellschaft und über die lokale Umgebung in der lokalen Umgebung).“ (Jordet 1998 in OUTLiNES 2009, S. 7 inAu & Gade, 2016, S. 16)
In der englischsprachigen Literatur findet man vermehrt auch den Terminus „ real world learning“ (Lernen in der wirklichen Welt). Darunter wird verstanden, dass Kinder leichter lernen, wenn sie sich in realitätsnahen Lebenssituationen befinden, welche ihrem alltäglichen Leben angleichen.(Au & Gade, 2016, S. 16)Im Lehrplan der Volksschule steht wiederkehrend, dass der Unterricht an die Lebensumwelt der Kinder beziehungsweise an den Alltag der Kinder angepasst werden sollte. Hierzu zwei Zitate aus dem Lehrplan der Volksschule.
„Die Grundsätze der Lebensbezogenheit und der Anschaulichkeit verlangen von der Lehrerin bzw. vom Lehrer, dass der Unterricht nach Möglichkeit von der konkreten Erlebniswelt des Kindes ausgeht und zu dieser auch wieder zurückführt. Veranschaulichung verlangt von der Lehrerin bzw. vom Lehrer, dass sie bzw. er die Lehrstoffe den Erfahrungen der Kinder zugänglich machen soll.“(Wolf, 2012, S. 26)
„Die Lehrerin bzw. der Lehrer soll Lerngelegenheiten arrangieren bzw. aufgreifen, die das soziale, kulturelle und naturhafte Umfeld des Kindes und der Schule, die Alltagssituationen oder aktuelle Ereignisse bieten.“ (Wolf, 2012, S. 27)
Es wird deutlich, dass der Lehrplan Outdoor Education befürwortet. Des Weiteren erkennt man, dass innerschulisch nur ein begrenztes Lehr- und Lernangebot zur Umsetzung der im Lehrplan verankerten didaktischen Grundsätze möglich ist(Wolf, 2012, S. 25ff). Dahingehend sei das folgende, weit verbreitete, Zitat erwähnt.
„Outdoor Education is an approach that aims to foster learning through the interplay between experience and reflection, based on practical observation in authentic situations (Outdoor Education ist ein Ansatz, der Lernen gezielt durch das Zusammenspiel von Erfahrung und Reflexion fördert. Der Ansatz basiert auf praktischen Beobachtungen in authentischen Situationen).“ (Dahlgren und Szczepanski in Gustafsson et al. 2011, S. 3 inAu & Gade, 2016, S. 16)
Die Reflexion ist ein weiterer wichtiger Grundsatz, auf welchen im Punkt 4.1. näher eingegangen wird.
2.1. Verwandte Assoziationen von Outdoor Education
In der Literatur finden sich sehr viele verschiedene Definitionen zu Outdoor Education, welche von der Gesellschaft falsch assoziiert werden und in ein schlechtes Licht gerückt werden. Spiel, Spaß und Abenteuer sind häufig verwendete Schlagworte. In der englischen Sprache findet man teilweise die Gleichsetzung mit „Adventure Education“, welche auf Herausforderung und Abenteuer, statt auf schulische Hintergründe basiert. In Deutschland und in Österreich wird der Ausdruck mit Erlebnispädagogik verwechselt. Kurt Hahn, einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der Erlebnispädagogik, würde hier aufklären, dass die Grundprinzipien der Erlebnispädagogik vorrangig auf Gruppenbildungsprozessen, Persönlichkeitsförderung und sportlicher Herausforderung aufbauen. Diese Aspekte sind zwar Teil der kindlichen Entwicklung jedoch ist kein direkter, schulbildender Anker gesetzt. Schließlich findet sich auch der Begriff „außerschulischer Unterricht“ in Bezug auf Outdoor Education. Obwohl es ähnlich klingen mag, bedeutet außerschulischer Unterricht, dass Unterricht außerhalb der Unterrichtszeit stattfindet und somit keine Verbindung zum Regelunterricht aufweist.(Au & Gade, 2016, S. 13-16)
2.2. Konzepte von Outdoor Education
Draußen-Unterricht besteht immer aus einer Kombination von mehreren Zielbereichen, beziehungsweise Dimensionen. Vier Prinzipien seien im Folgenden erwähnt. Das „Drei Dimensionen Modell“ oder „Purpose Modell“ von Higgins & Loynes (1997, in Higgins & Nicol 2002 in Au & Gade, 2016, S. 18), der „Outdoor Education Tree“ von Priest (1986), das „Learning Combination Lock Model“ von Beard & Wilson (2002, in Neill 2008 in Au & Gade, 2016, S. 18) und das „Outdoor Education-Windrosenmodell“. (Au & Gade, 2016, S. 17-24)
Das „Purpose Modell“ wird in einem Ven Diagramm dargestellt. Es erschließt sich aus den drei Dimensionen „Outdoor Activities“, „Environmental Education“ und „Personal und Social Development“ (Higgins & Loynes 1997 in Au & Gade, 2016, S.18).
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Abb.1: Drei Dimensionen von Outdoor Education (Higgins & Loynes 1997 in Au & Gade, 2016, S.18)
Bezieht man dieses Modell auf die Schule und nimmt beispielsweise „Environmental Education“ (Umweltbildung) als behandelndes Schulthema, so könnte das Ziel, die fachliche Weiterbildung zum Thema Umwelt sein. Dazu könnte ein Besuch bei einer Müllbereitungsanlage gemacht werden. Bei solch einem Lehrausgang werden neben den fachlichen Kompetenzen, automatisch auch personale und soziale Kompetenzen gefordert. Eine Beispielssituation könnte sein, dass es einen Konflikt zwischen den Schülern und Schülerinnen mit anderen Fahrgästen auf dem Weg zur Exkursion gibt, welcher anschließend aufgegriffen und besprochen wird. Verbildlicht dargestellt, könnte man sich ein großes Stück „Outdoor-Kuchen“ vorstellen, welches man sich herausschneiden kann. Die drei Dimensionen stehen immer in irgendeiner Form miteinander in Verbindung. (Au & Gade, 2016, S. 18)
Das zweite Modell ist der „Outdoor Education Tree“ von Priest (1986) (Au & Gade, 2016, S. 18f).
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Abb.2: Der „Outdoor Education Tree“ (Priest 1986 in Au & Gade, 2016, S.19)
In der Wurzel des Baumes befinden sich Wahrnehmungsdimensionen und in der Baumkrone werden Ausprägungsformen von Outdoor Education aufgezeigt. Eine Darstellung der Verbindung zwischen Wurzel und Krone gibt es nicht. Der gute Ertrag des Outdoor-Education-Baumes geht verloren. (Au & Gade, 2016, S. 19)
Das „Learning Combination Lock Model” kann man sich wie ein Zahlenschloss vorstellen. Anstelle der Zahlen finden sich hier verschiedene Faktoren, welche in Verbindung mit Outdoor Education stehen. Kombiniert man diese miteinander, zeigt das eine mögliche Lösung auf, wie Outdoor Education gelingen kann. Es wird jedoch nicht aufgezeigt, wie groß der Anteil einer Dimension ist.(Au & Gade, 2016, S. 19f)
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Abb.3: Das „Learning Combination Lock Model“ von Beard & Wilson (2002, in Neill 2008 in Au & Gade, 2016, S.19).
Das vierte und letzte Modell ist das Outdoor Education-Windrosenmodell(Au & Gade, 2016, S. 24).
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Abb.4: „Outdoor Education-Windrosenmodell“: Kategorialmodell, das das Verständnis von Outdoor Education in diesem Buch beschreibt (Au & Gade, 2016, S.24).
Prinzip dahinter ist, aufzuzeigen, dass verschiedene Zieldimensionen durch schulnahen und regelmäßigen Unterricht im Freien angestrebt werden können. Zunächst setzt sich die Lehrperson ein Ziel für den Draußen-Unterricht. Dieses kann einer Kategorie in diesem Modell zugeschrieben werden, zum Beispiel „nachhaltigkeitsorientierte Outdoor Education“.(Au & Gade, 2016, S. 24)
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Abb.5: „Outdoor Education-Windrosenmodell“ am Themenbeispiel „Boden und Bodenlebewesen“ des Heidelberger Outdoor Education-Projekts (Au & Gade, 2016, S.25).
Die Fragezeichen an den Rändern symbolisieren Platz für weitere Zieldimensionen, denn bei Outdoor Education können immer unvorhersehbare und wertvolle Lernsituationen entstehen, welche verschiedene Kompetenzen der Schüler und Schülerinnen anregen und verknüpfen. Die Wörter in den vier Wörterboxen stellen die Eckpunkte für guten Unterricht dar.(Au & Gade, 2016, S. 25)
All diese Modelle zeigen verschiedene Ansätze von Outdoor Education auf, jedoch ist das letzte Modell aus schulischer Sicht das Beste, denn man kann ein Unterrichtsthema praktisch „einspinnen“ und erkennt sofort, welche Kompetenzen beziehungsweise Zieldimensionen zusammenspielen. Auf diese Weise kann der Gesellschaft (z.B. den Eltern, der Bildungsdirektion, …) einfach aufgezeigt werden, wie guter Unterricht im Freien funktioniert. Besonders für den schulischen Bereich, ist die Vernetzung der Gütekriterien für guten Unterricht.(Au & Gade, 2016, S. 13 - 25)
Zusammenfassend lässt sich erschließen, dass Outdoor Education eine auf die Umwelt fokussierte Bildungsmethode, charakterisiert durch handlungs- und themenzentrierte Lernprozesse ist, welche darauf abzielt, Lernen durch das Zusammenspiel von Emotionen, Handlungen und Gedanken, anhand von praktischem Tun und Beobachten in realitätsnahen Lebenssituationen, zu fördern. Unterricht im Klassenzimmer schränkt diese Möglichkeiten ein. Deshalb sollte Schülern und Schülerinnen der wertvolle Zugang zum Lernen im Freien, geöffnet werden.(Gustafsson, Szczepanski, Nelson, & Gustafsson, 2011, S.7f)
3. Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern
In diesem Kapitel wird detailliert aufgezeigt, welche Effekte Outdoor Education auf die Entwicklung von Kindern im Alter der Primarstufe haben kann. Es findet nicht nur kognitive Aktivierung statt, sondern wirkt sich zusätzlich positiv auf sozialer, emotionaler, körperlicher und sensomotorischer Ebene aus.
Eine große Rolle spielt dabei die körperliche Bewegung. Sie beeinflusst unter anderem die Raumorientierung, Gefühl für Zeit, Einschätzung von Geschwindigkeiten, Abfolgen und Rhythmusgefühl, Handlungsplanung, Sprache und Sozialkompetenz, Kreativität, Selbstwahrnehmung, Selbstständigkeit, Selbstvertrauen und Problemlösefähigkeit. Wichtig ist auch die Welt- und Wirklichkeitserfahrung durch Bewegung außerhalb des Klassenzimmers.(Brägger, Hundeloh, Posse, & Städtler, 2017, S. 39)Abschließend wird am Beispiel Natur gezeigt, welchen wesentlichen Einfluss diese auf die Entwicklungen der in diesem Kapitel beleuchteten Kompetenzen hat.
3.1. Kognitive Entwicklung
Gegenwärtig wird anhand verschiedener Studien (z.B. Hattie Studie) ermittelt, wie bei Schülern und Schülerinnen kognitive Aktivierung erfolgt. Einige Methoden sind konstruktiv und andere beeinflussen das Lernverhalten der Kinder negativ.(Lotz & Liposwky, o. J., S. 98 ff)
3.1.1. Grundvoraussetzungen für kognitive Aktivierung
Pearce schreibt in ihrer Studie, dass Kinder am besten lernen, indem sie Dinge zuerst fühlen und angreifen, ehe sie auf der Metaebene kognitive Prozesse zur Erschließung von Konzepten abwickeln können. Lernen außerhalb des Klassenzimmers durch Ausflüge o.Ä. sei für Kinder im Grundschulalter eine großartige Methode in das Lernen einzusteigen. Weiterführend führe dies zu einer besseren und nachhaltigeren Bildung hin.(Pearce, 2015, S. 5)
3.1.2. Multisensorisch Lernen
Andere Untersuchungen haben ergeben, dass unterschiedliche Tätigkeiten verschiedene Bereiche im Gehirn stimulieren. Jedes Areal im Gehirn kann durch Zeichnen, Bewegungen des ganzen Körpers, durch Sprechen oder durch Schreiben intensiv angeregt werden. Laut Studien ist multisensorisches Lernen erfolgreicher als einseitiges Lernen. Das heißt, dass möglichst viele Gehirnbereiche zugleich aktiviert werden sollten, um den größtmöglichen Lernerfolg zu erzielen. Wissenschaftler sind der Meinung, dass dies außerhalb des Klassenzimmers einfacher umsetzbar ist.(Au & Gade, 2016, S. 35)Dies wird im Kapitel 3.4. klar ersichtlich.
Auch jene Lern- und Intelligenztypen, welche im Klassenzimmer nicht angesprochen werden können, machen beim Lernen im Freien positive Entwicklungen (Au & Gade, 2016, S. 35) . (siehe auch 3.5.)
3.1.3. Kognitive Aktivierung durch Bewegung
Untersuchungen zeigten, dass körperliche Bewegung die Konzentrationsfähigkeit, die Aufmerksamkeitsfähigkeit, die Lerngeschwindigkeit, die Motivation, die Wahrnehmung und das kreative Denken fördert (Brägger et al., 2017, S. 39–44). Wie ist das möglich? Ausgangsposition ist eine verbesserte Durchblutung im Gehirn und im ganzen Körper, weil die Zellen in unserem Körper mittels körperlicher Aktivität mit mehr Sauerstoff und Glukose gefüllt werden(Brägger et al., 2017, S. 42). Bei diesem Vorgang werden Botenstoffe ausgeschüttet. Diese Neurotransmitter heißen Serotonin, Dopamin und Noradrenalin. Serotonin wirkt sich auf die Stimmung aus und beeinflusst das Wut-, Aggressivitäts- und Impulsverhalten sehr. Es ist zusätzlich auch ein Radar für das Gehirn, das seine Aktivitäten im Visier behält. Dopamin ist zuständig für eine bessere Konzentration und die darauf aufbauenden Lernprozesse. Es verbessert unter anderem die Speicherprozesse des Arbeitsgedächtnisses. Auch koordinative Übungen können dies positiv beeinflussen. Motivation, Aktivierung, Wahrnehmung und Aufmerksamkeit werden durch das Noradrenalin gesteigert.(Brägger et al., 2017, S. 43) All diese genannten Fähigkeiten sind der Schlüssel zu erfolgreichem Lernen (Brägger et al., 2017, S. 44).
Dank Bewegung kommt also vermehrt Sauerstoff in das Gehirn. Bedenkt man, dass Kinder in der Schule meist sitzen und das zusätzlich in geschlossenen Klassenräumen, so ist die logische Schlussfolgerung, dass das Gehirn niemals die maximale Leistung erbringen kann, da zu wenig Sauerstoff ins Gehirn geleitet wird. Studien haben gezeigt, dass in Klassenräumen meist zu wenig gelüftet wird. Der bestehende Sauerstoffmangel verursacht eine Senkung der Leistungsfähigkeit nicht nur von Schülern und Schülerinnen, sondern auch der Lehrpersonen. Die Sauerstoffaufnahme ist grundsätzlich viel besser im Freien, als in Räumen, denn dort erübrigt sich das Lüften und Bewegung ist ebenso integriert. Man könnte sagen, es ist eine „Win-Win-Situation“.(Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, o. J., S. 1)
3.1.4. Kreatives Denken und Fantasie
Beim Lernen im Freien erhalten die Kinder einen großen Pool an unterschiedlichen Eindrücken und Inspirationen, durch Pflanzen, Bäume, Früchte, Farben und all die weiteren wundervollen Schöpfungen der Natur sowie Gebäude, Straßennetzwerke, Bahnhöfe etc. im Stadtbereich oder Bilder, Statuen u.Ä. in Museen, Schlössern und Burgen.(Reyher & Beck, 1998, S. 3f)Divergentes Denken wird anhand dessen gefördert aber auch die Fantasie, welche für Kinder eine besondere Eigenschaft ist, wird stark angeregt und soll auch bestmöglich ausgelebt werden. Dies scheint besonders an Bedeutung zu gewinnen, als mit zunehmendem Alter und verstärktem Konsum digitaler Medien diese vermeintlich verloren geht.(Impuls Dialog, o. J., S. 1f)
3.1.5. Planungs- und Problemlösefähigkeit
Kinder finden es spannend und motivierend, wenn sie verschiedene Dinge wie zum Beispiel ein Haus aus Ästen, selbstständig erbauen können. Dabei müssen sie sich mit aufkommenden Problemen auseinandersetzen. Fragen wie beispielsweise, welche Materialien brauchen wir, wie gehen wir vor, was ist, wenn es einstürzt, müssen geklärt werden.(Kober, 2012, S. 40)Solch intensive Auseinandersetzungen mit der Natur kann das Klassenzimmer nicht bieten. Das Gehirn arbeitet auf Hochtouren, denn es versucht Strukturen zu erkennen und Zusammenhänge zu bilden während der ganze Prozess genau nachverfolgt wird. Dem Kind selbst fällt dieser enorme Lernprozess nicht auf, da der kindliche Entdeckungs- und Forschungsdrang die Begeisterung etwas selbst erschaffen zu haben, in den Vordergrund stellt. Es entwickelt dabei unbewusst komplexe Planungs- und Problemslösefähigkeiten, indem Versuche und Überlegungen stattfinden, welche widerlegt und erneut überarbeitet werden.
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