Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit. Bereicherung oder Ballast?


Term Paper (Advanced seminar), 2016

14 Pages, Grade: 2,3

Anonymous


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sprache: Überblick
2.1 Was ist Sprache und die Wichtigkeit der Sprache
2.2 Spracherwerb
2.2.1 Allgemein: Spracherwerb
2.2.2 Die kindliche Sprachentwicklung

3. Zur Mehrsprachigkeit
3.1 Definition: Mehrsprachigkeit
3.2 Zweitspracherwerb, Doppelspracherwerb
3.3 Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit: Bereicherung oder Ballast?

4. Fazit

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Sprache ist seit Anbeginn der menschlichen Epoche eines der bedeutendsten Elemente der zwischenmenschlichen Kommunikation und Interaktion. Es ist die Sprache, die dem menschlichen Zusammenleben einen Bedeutungsgehalt verleiht. Bereits in den 60er Jahren wurden Diskussionen hinsichtlich der Wichtigkeit des Spracherwerbs, insbesondere des Erstspracherwerbs geführt. Die Sprachbarrierendiskussion in den 60er Jahren wies daraufhin, dass der erfolgreiche Erstspracherwerb bedeutsam für die sprachliche Entwicklung für den Schulerfolg ist. (Vgl. De Cillia, 2011:3) Doch auch die Zuwanderung nach dem zweiten Weltkrieg führte dazu, dass die Diskussion einen neuen Charakter einnahm. So gewann die Diskussion eine neue Komponente, und zwar die Komponente der „Mehrsprachigkeit“. In Anbetracht dessen, das nach dem zweiten Weltkrieg die Zuwanderung nach Deutschland stark zunahm, ist zu beobachten, dass die zugewanderten Familien ihr Sprachspektrum erweiterten. So sprachen sie nicht nur ihre eigene Muttersprache, sondern waren dazu gezwungen, die Sprache des Aufnahmelandes, wenn auch nicht so gut, zu erlernen. Dies wirkte sich folglich auch auf die Migrantenkinder und auf Kinder aus Migrantenfamilien aus. Doch nicht nur der Prozess der Migration führte dazu, dass in den Familien mehrsprachig gesprochen wurde. Grundsätzlich ist stets von mehrsprachiger Entwicklung die Rede, wenn Elternteile aus verschiedenen Kulturkreisenstammen. Bedeutsam ist im Kontext der Mehrsprachigkeit vor allem auch die PISA-Studie aus dem Jahr 2000. Kinder, die mehrsprachig aufgewachsen sind, standen mitunter auch im Fokus, denn die Ergebnisse der PISA-Studie zeigten auf, dass ein Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und den schulischen Leistungskompetenzen, mitunter auch Sprachkompetenzen besteht. In diesem Kontext stellt sich der Erziehungswissenschaft die Frage, welche Auswirkungen die Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit auf das Kind hat und wie der Prozess der mehrsprachigen Entwicklung eigentlich verläuft. Ist ein Kind kognitiv in der Lage, mehrsprachig aufzuwachsen? Ist Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit eine Bereicherung oder doch eher Ballast?

Im Folgenden soll es nun um das Thema der Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit gehen. Dabei soll zuallererst die Sprache ganz allgemein in den Fokus genommen werden: die Definition der Sprache und ihre Wichtigkeit (2.1) und der Spracherwerb (2.2), mit dem Fokus auf den Spracherwerb in der kindlichen Entwicklung. Anschließend soll es dann auch um die Definition der Mehrsprachigkeit (3.1) und um die Begrifflichkeiten „Zweitspracherwerb“ und „Doppelspracherwerb (3.2) gehen. Im Anschluss dazu soll auf die Frage eingegangen werden, ob Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit Bereicherung oder Ballast ist

2. Sprache: Überblick

2.1 Was ist Sprache und die Wichtigkeit der Sprache

Vorerst ist zu klären, was unter dem Begriff Sprache eigentlich zu verstehen ist und welche Bedeutung diese für die Gesellschaft hat. Prof. Dr. Herbert Günther, der sich im Bereich der Bildung im Kindes – und Jugendalter spezialisierte, sagt in eines seiner Veröffentlichungen, Sprache sei…

„...kein homogener, sondern ein höchst komplexer Gegenstand, der in seiner Begriffsbestimmung Schwierigkeiten bereitet. […] Sprache ist ein konventionell systemati­siertes und gesellschaftlich-kulturell entstandenes Symbolsystem, […]. (Vgl. Günther, 1994: 120)

Demnach gilt Sprache als ein komplexes System, nach dem sich die Menschen richten. Da jeder Mensch ein soziales Wesen ist und den Interaktionen mit anderen Menschen ausgesetzt ist, ist die Sprache zwangsläufig zu erlernen. Die Sprache gilt somit als Mittel zum Informationsaustausch mit der Außenwelt. (Vgl. Hofstätter, 2005:8)

Bereits nach der Geburt kommt das Individuum mit Sprache in Berührung. Es versucht sich mit seiner Umwelt, vor allem mit seinen Eltern zu verständigen. Doch ein Kind, welches Interaktionen ganz neu entdeckt, weiß wegen mangelndem Wissen und Erfahrung nicht genau, nach welcher Struktur die Sprache denn wirklich funktioniert. Erst durch Sozialisationsinstanzen, Familie und Schule, lernt das Kind die Strukturen der Sprache kennen und wird vertraut mit deren Bestandteilen. Eines dieser Bestandteile ist unter anderem die grammatikalische Fähigkeit, die gefördert und unterstützt werden muss, um sich in dem jeweiligen Kulturkreis, Schule oder unter Freunden verständlich äußern zu können.

2.2 Spracherwerb

2.2.1 Allgemein: Spracherwerb

Unter Spracherwerb ist das Erlernen einer Sprache zu verstehen, es ist das…

„Erlernen der Regeln der jeweiligen Sprache, […] und zu lernen, wie mit Sprache eigene Gedanken und Gefühle ausgedrückt, wie Handlungen vollzogen und die von anderen verstanden werden können. Hierbei sind auch nonverbale Signale wie Mimik und Gestik bedeutsam.“ (Klann-Delius, 1999: 22)

Um Sprache erlernen zu können, ist ein Symbolbewusstsein notwendig. Das lernende Individuum muss in der Lage sein, die sprachliche Struktur zu erkennen und sie angemessen anzuwenden. Dabei ist vor allem auch zu erwähnen, dass Denken und Sprechen in ständiger Wechselwirkung sind. (Vgl. Hofstätter, 2005:9) Nach der Auffassung von Wilhelm von Humboldt gilt die Sprache sogar als Medium des Denkens und der Weltauffassung. (Vgl. Borsche, 1990: 107) Der Spracherwerb ist ein wichtiger Bestandteil des Sozialisationsprozesses.

In der Regel besitzt jeder Mensch die notwendigen Ausstattungen für das Erlernen einer Sprache, sowohl körperliche als auch geistige. Doch für den Erwerb sind nicht nur interne Faktoren wie die biologische Ausstattung von Relevanz. Auch externe Faktoren sind von Bedeutung:

„Zu den externen Faktoren gehören die Art und Menge des Zugangs zur Zielsprache sowie der Umfang und die Qualität des Umgangs mit der Zielsprache und die Motivation, sie zu lernen.“ (Vgl. Rösch, 2011: 14)

Der Spracherwerb wird in drei Arten unterteilt: Erstsprache, Zweitsprache, Fremdsprache. Die Erstsprache beginnt mit der Geburt, nach einigen sprachwissenschaftlichen Theorien sogar in der pränatalen Phase. Auch ist der Erstspracherwerb unter der Bezeichnung „Muttersprache“ bekannt. Die Erstsprache geschieht teilweise unbewusst, es ist ein natürlicher Vorgang. Die Kerngrammatik der Erstsprache wird bis zum Schuleintrittsalter erworben, allerdings wird die Erstsprache hinsichtlich der Grammatik, des Lexikons, der Pragmatik und Orthographie durch schulische Sozialisation präzisiert. Der Z weitspracherwerb ist das Erlenen einer zweiten Sprache, welcher nicht mit der Erstsprache gleichzeitig erlernt wird. Häufig wird die Zweitsprache erlernt, nach dem die Kerngrammatik der Erstsprache erworben wird. Auf den Zweitspracherwerb soll im nächsten Kapitel noch mal genauer eingegangen werden. Die Fremdsprache, auch bekannt unter der Bezeichnung „gesteuerter Zweitspracherwerb“, ist das bewusste Erlernen einer Sprache in der Schule. (Vgl. ebd.) In Deutschland sind es im Regelfall die englische, französische oder die lateinische Sprache.

Im Gegensatz zum Zweitspracherwerb und Fremdspracherwerb hat der Erstspracherwerb eine besondere Bedeutung für die sprachliche und kognitive Entwicklung des Kindes, insbesondere auch für den Schulerfolg. Aus einer Ausarbeitung vom Prof. Dr. Rudolf de Cillia ist auch zu entnehmen:

„Die Aktualisierung und Förderung der für den Menschen spezifischen Spracherwerbsfähigkeit im Erstspracherwerb und das gleichzeitige Hineinwachsen in eine bestimmte sprachliche und kulturelle Welt legen den Grundstein für den Erwerb von weiteren Zweit-/Fremdsprachen.“ (Vgl. De Cillia, 2011:3)

2.2.2 Die kindliche Sprachentwicklung

Spricht man vom Erstspracherwerb, so geht es grundsätzlich um die kindliche Sprachentwicklung. Denn die erste Sprache wird wie bereits erwähnt nach der Geburt im Laufe der Zeit erworben. Kinder lernen die Sprache nicht alleine, sondern brauchen für diese Entwicklung im Gegensatz zu der biologischen Entwicklung Unterstützung, und zwar von seinen Eltern. Nach der Geburt, noch bevor das Kind sprechen kann, beginnt der Spracherwerb durch die sprachliche Zuwendung des Umfelds. Somit hängt der Spracherwerb sehr stark vom Umfeld und seiner Zuwendung zum Kind ab. Dabei geht es nicht darum, dass das Kind Vokabeln auswendig lernen soll oder den Prozess bewusst wahrnimmt. Vielmehr speichert das Kind durch all seine Sinne die Reize seines Umfelds. (Vgl. Hessisches Sozialministerium, 2012: 7)

In den ersten Lebensmonaten gibt das Kind lediglich (spielerische) Laute von sich, um sein Wohlbefinden zum Ausdruck zu bringen. Das laute Schreien gehört ebenfalls zu eines der sprachlichen Äußerungen des Kindes. Erst mit vier Monaten produziert das Kind mehr Vokale als Konsonanten. Mit ungefähr sechs Monaten ist das Kind dann schließlich auch in der Lage, die Laute anderer Personen nachzuahmen. Das Kind bemerkt außerdem mit acht Monaten, dass es über Laute Kontakt zu seinem Umfeld aufbauen kann. Die Sensibilisierung für die Muttersprache entwickelt das Kind zwischen 6-12 Monaten. Erst ab dem ersten Lebensjahr beginnt das Kind Wörter zu erlernen und anzuwenden. Der Wortschatz wächst mit anderthalb bis zwei Jahren sehr stark an. Im Laufe der Jahre bis zum Einschulungsalter entwickelt sich die sprachliche Kompetenz und das Kind präzisiert sein Sprechen und hat ein besseres Sprachverständnis. Essentiell für den kindlichen Spracherwerb ist, dass das Kind im ersten Lebensjahr wichtige Entwicklungsstufen und Lernerfahrungen sammelt. Diese Lernerfahrungen bauen sich im Laufe der Monate durch Wahrnehmungstätigkeiten auf. (Vgl. ebd. 8)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kinder grundsätzlich durch Nachahmung, Analogiebildung und Rückmeldung die Erstsprache erlernen. Der Lernvorgang ist so gegliedert, dass das Kind zuallererst die ihm angebotenen Informationen aufnimmt, verarbeitet und bewertet. Diese Informationen werden im Gedächtnis gespeichert und werden dann für Handlungs – bzw. Verhaltensentscheidungen genutzt. (Vgl. ebd.)

3. Mehrsprachigkeit – Was bedeutet das?

3.1 Definition: Mehrsprachigkeit

In Anbetracht Zusammenstellung der heutigen Gesellschaft, ist festzuhalten, dass immer mehr Menschen zunehmend mehrsprachig aufwachsen. Mehrsprachigkeit meint in diesem Sinne, dass ein Individuum mit zwei oder mehreren Sprachen aufwächst und diese Sprachen auch nicht in zeitlich großem Abstand erlernt, wenn nicht sogar gleichzeitig erlernt. Grundsätzlich besteht keine Einigkeit hinsichtlich der Definition des Begriffs „Mehrsprachigkeit“. Es stellen sich nämlich die Fragen, wann genau ein Mensch als „mehrsprachig“ gilt. Ist man erst dann mehrsprachig, wenn alle Sprachen gleich gut beherrscht werden? Oder gilt man bereits als mehrsprachig, wenn man lediglich die Grundlagen der zweiten oder dritten Sprache erworben hat?

In Deutschland ist die mehrsprachige Entwicklung kein neues Phänomen. Schon nach dem zweiten Weltkrieg ist aufgrund migrationsspezifischer Lebensumstände zu beobachten, dass ein Teil der Gesellschaft mit mehreren Sprachen aufwächst. Doch nicht nur Familien mit Migrationshintergrund müssen ihren Kindern zwei Sprachen nahelegen, sondern auch Ehepaare, die grundsätzlich aus verschiedenen Kulturkreisen kommen:

„Es gibt zahlreiche Lebensbedingungen, in denen ein Kind im Laufe seiner Entwicklung zwei Sprachen erwerben kann. So kann z.B. ein Kind von der Geburt an zweisprachig erzogen werden, wenn seine Eltern jeweils eigene Muttersprache haben. Außerdem kann es auch vorkommen, dass beide Eltern zwar gleiche Sprachen sprechen, die sich aber vor der Umgebungssprache unterscheidet.“ (Vgl. Below, 2011: 2)

Das Thema der Mehrsprachigkeit wurde in der Vergangenheit nicht sehr positiv bewertet. Mehrsprachig aufzuwachsen wurde nicht als Chance oder Bereicherung gesehen. Vielmehr verlangte man von Familien, die eine andere Muttersprache als die deutsche Sprache hatten, ihre eigene Sprache zu „verlassen“:

„Viele Lehrkräfte haben den Eltern im Immigrantenmilieu empfohlen, ihre Sprache zu verlassen, weil sie dachten, dass die Verwendung dieser Sprache in der Familie ein Hindernis für das Lernen der Schulsprache des Gastlandes sei.“ (Vgl. De Rosa, 2007: 13)

Auch wenn der Mehrsprachigkeit heute kein negatives Bild zugeschrieben wird, so herrscht in Deutschland ein noch zu geringer Fokus auf andere Muttersprachen. Beispielsweise bieten deutsche Schulen noch bis heute keine sprachliche Förderung für andere Muttersprachen an. (Vgl. ebd.)

Doch mehrsprachig aufzuwachsen bleibt tatsächlich nicht ohne Folgen. Während die deutschen Kinder nur mit der deutschen Sprache aufwachsen und die Konzentration lediglich auf dieser Sprache liegt, müssen Kinder, die eine andere Sprache als ihre Muttersprache sprechen, sowohl ihre eigene Sprache, als auch die deutsche Sprache erlernen. Allerdings ist es in den meisten Fällen so, dass in solchen Familien die deutsche Sprache zu wenig Beachtung bekommt, vielmehr steht die eigene Muttersprache im Fokus. Dies begründet sich eventuell auch durch die folgende Überlegung der Logopädin Anne Meurer, die sie in ihrer eigenen Website zu stehen hat:

„Über die Muttersprache festigt sich die enge Beziehung zu den Eltern, sie unterstützt die emotionale Entwicklung […] und ist verknüpft mit dem Erwerb wichtiger sprachbegleitender Fähigkeiten (Rhythmus, Mimik, Gestik etc.).“

[...]

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Details

Title
Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit. Bereicherung oder Ballast?
College
University of Hamburg
Grade
2,3
Year
2016
Pages
14
Catalog Number
V515823
ISBN (eBook)
9783346111548
ISBN (Book)
9783346111555
Language
German
Keywords
Mehrsprachigkeit, Sprache, Erziehung, frühkindliche Entwicklung, Pädagogik
Quote paper
Anonymous, 2016, Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit. Bereicherung oder Ballast?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/515823

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