Schulkritik und Reformvorschläge


Hausarbeit, 2019

12 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Schulentwicklung im Zuge der Reformpädagogik

3 Bildungsreform 2000 - 2010 - 2020
3.1 Reformvorschläge für die Primarstufe
3.2 Reformvorschläge für den Sekundarbereich
3.3 Überprüfung jüngster Reformideen mit Hilfe des Bildungsberichts 2018

4 Ist Schule eine Bildungseinrichtung oder eine Institution zur Informationsvermittlung?..

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Der radikale Schulkritiker Ivan Illich, der sich in erster Linie auf die Ungleichbehandlung der ,Armen‘ und ,Reichen‘ in Nord- und Lateinamerika bezieht, nimmt die Position ein, dass durch eine allgemeine Schulpflicht keine Gleichheit entstehe und durch das Vorhandensein von Schule die Heranwachsenden entmutigt und daran gehindert werden eigenständig zu Lernen.1 Illich ist folglich der Auffassung, dass Schule kein Ort der Bildung sei, sondern eine Institution in der Schülerinnen und Schüler lediglich lernen das politische System zu akzeptieren2, wodurch er eine schulkritische Position einnimmt.

Schulkritik selbst gibt es seit es Schule gibt und kann verschiedene Varianten haben. Die Kritik soll dazu dienen für eine öffentliche Diskussion sensibel zu machen und keinesfalls die Schulrealität ersetzen.3 Aufgabe der verschiedenen Akteure, worunter Lehrkräfte fallen, istesden heranwachsenden Kindern und Jugendlichen eine bestmögliche Bildung zu bieten, denn wie bereits Humboldt erkannt hat, ist eine gute Bildung entscheidend für die Weiterführung der Menschheit.4 Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich miteiner kritischen Auseinandersetzung des deutschen Bildungssystems. Insbesondere sollen die Herausforderungen, denen das deutsche Bildungssystem und die Heranwachsenden im Zuge der Globalisierung gestellt sind, verdeutlicht werden. Aus diesem Grund wird zunächst auf die Reformen der 1970er eingegangen, die eine implizite Schulkritik darstellen, um aufzuzeigen, welche Sachverhalte bereits in der Vergangenheit diskutiert und kritisiert wurden und welche Entwicklungen als Fortschritt beurteilt werden können. Im Nachhinein werden mit Hilfe des Jahresgutachtens 2011 des Aktionsrats Bildung aktuelle Reformideen illustriert. Es liegt eine Eingrenzung der Schulformen nahe, sodass in der vorliegenden Arbeit auf die Reformvorstellungen im Primarbereich und Sekundarbereich I und II eingegangen wird. Nachfolgend wird mit Hilfe des Bildungsberichts 2018 auf weitere aktuelle Probleme und Entwicklungen der Bundesrepublik im Schulsystem hingewiesen, sodass überprüft werden kann, welche Reformideen seit 2011 umgesetzt wurden. Im vierten Kapitel wird ein eigener Zugang zur aktuellen Situation im deutschen Bildungswesen geschaffen. Der Fokus liegt dabei besonders auf der Frage, ob der heutige kompetenzorientierte Unterricht tatsächlich seinen Zweck erfüllt, nämlich Kindern und Jugendlichen dabei zu helfen das Gelernte handlungsfähig zu machen, Wissen aufzubauen und Bildung in erster Linie zu ermöglichen oder ob aufgrund der ,Zeitkompression‘ lediglich Informationen gelehrt werden, statt den Schülern dabei zu helfen Wissen aufzubauen. Demzufolge soll im vierten Kapitel die radikale Frage ,Ist die Schule eine Bildungseinrichtung oder lediglich eine Institution zur Informationsvermittlung, die uns daran hindert, gebildet zu werden?‘ versucht geklärt zu werden. Bei der Beantwortung dieser Frage werden Beiträge von Roland Reichenbach, Jürgen Oelkers und Johannes Baumann herangezogen. Folglich kann Illichs These, ob Schule kein Ort der Bildung ist, bestätigt oder abgelehnt werden. Das Fazit am Ende der Arbeit fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen.

2 Schulentwicklung im Zuge der Reformpädagogik

Im Folgenden wird illustriert, welche Reformideen in den 1970ern fehlgeschlagen sind und welche Entwicklungen sich in den deutschen Bildungsinstitutionen etabliert haben. Picht veröffentlichte 1964 das Buch ,Die deutsche Bildungskatastrophe‘, sodass das größte Hauptziel der Ära der Bildungsreform in den 1970ern die Verhinderung dieser Bildungska­tastrophe war. Kritisiert wurden von Picht die Struktur, Funktion und die Effizienz im Bil­dungswesen. Im darauffolgenden Jahr publizierte Dahrendorf das Werk ,Bildung ist Bürger­recht‘, das zahlreiche Argumente einer Expansion beinhaltete. 1 967 brachte Peisert eine Ver­öffentlichung zu den nicht ausgeschöpften Bildungsreserven heraus, sodass die drei publi­zierten Bücher den Anstoß zur Bildungsreform darstellten.5

Weitere Hauptzieleder Bildungsreform waren der Abbau von Ungleichheit im Bildungswe­sen, die Stärkung der Partizipation, Demokratisierung im Sinne der Mitwirkung aller am Bildungswesen Beteiligten, Wissenschaftsorientierung des Curriculums in allen Schularten, Humanisierung des pädagogischen Umgangs und die Reform der Schulstrukturen im Sinne der Integration unterschiedlicher Bildungsgänge.6 Zu den Misserfolgen der Bildungsreform der 1970er gehören7:

- Chancengleichheit wurde nicht ansatzweise erreicht
- „die Abstimmung zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem sei schwieriger ge- worden8
- die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schulformen blieb wie zuvor sehr gering
- statt Partizipation zu stärken, kam es zu einer Erhöhung der staatlichen Kontrolle
- dies brachte zur Folge, dass Schule zunehmend „einefremdbestimmte, bürokratische durchorganisierte und ritualisiere staatliche Anstalt9 wurde

Als größter Erfolg kann die Einführung von Gesamtschulen seit 1967 gewertet werden, trotz parteipolitischer Kontroversen. Zum Ziel wurde die Verringerung von Chancenungleichheit gesetzt, sodass sich Gesamtschulen, wenn auch anfänglich erst in den SPD-regierten Län­dern, etabliert haben.10 Die Einführung der Gesamtschulen hat veranschaulicht, dass einige Reformvorstellungen durchsetzbar sind. Dazu gehören die Vorstellungen einer Schule bei­nahe ohne Klassenwiederholungen, gemeinsames Lernen, Förderung von leistungsschwa­chen Schülern11 ohne Diskriminierung und einen Abbau von autoritären Lehrstilen.12 Eine positive Entwicklung hat ebenfalls in der Verschiebung der Bildungsnachfrage stattgefun­den, da Hauptschulen geringer besucht und Realschulen sowie Gymnasien gestärkt wur- den.13 Folglich wurden ebenfalls die Hochschulen ausgebaut, um künftige Lehrer auf die zunehmende Anzahl der Abiturabsolventen, aber auch auf die geburtenstarken Jahrgänge vorzubereiten und die steigende Mehrheit an Studierenden aufzunehmen.14

Das Ende der Reformphase kann mit der Auflösung des Deutschen Bildungsrats im Jahr 1975 angesehen werden. Daraus gezogen wurde, dass sich die Bildungskatastrophe und Chancenungleichheit durch „ Bildungsexpansion und dem Ausschöpfen von Begabungsreserven15 zu bestehen seien.16 Zwar brachte die Bildungsexpansion Erfolge mit sich, jedoch stimmen heute Meinungen überein, dass dies nicht zum Abbau von Chancen­ungleichheit sorgt.17

3 Bildungsreform 2000 - 2010 - 2020

Der Aktionsrat Bildung stellt in seinem fünften Jahresgutachten Bildungsreform 2000 - 2010 - 2020 gegenwärtige und künftige Herausforderungen für das Bildungssystem und schlägt gleichzeitig zur Entwicklung und Umsetzung bildungspolitscher Veränderungen Re­formvorschläge vor. Gegenwärtige sowie künftige Herausforderungen sind18:

- Demographische Entwicklung und die damit verbundenen sinkenden Schülerzahlen
- Migration und bessere Integrationsbedingungen für heterogene Zielgruppen
- Technologischer Wandel
- Die Arbeitsmarktsituation und der expandierender Weiterbildungsbedarf für alle Al­tersgruppen
- Globalisierung und Regionalisierung (PISA und Bologna)
- Wandel der Einstellungen und Werte
- Geschlechterdifferenz: Abbau der Geschlechterunterschiede Generationenverhältnis: Klärung der Rollen der Akteure im Bildungssystem
- Stärkung des Partizipationsgefühl aller Bürger

3.1 Reformvorschläge für die Primarstufe

Eine verstärkte Investition in früh-kindliche Bildungsprozesse sowie eine bedarfsgerechte Ressourcenzuweisung sollen der Chancengerechtigkeit, den bedeutsamen frühkindlichen Bildungsprozesse sowie der Sicherung von Grundbildung entgegenwirken. Der Ausbau des Ganztagsschulangebots wird als lohnend bewertet in denen nicht lediglich Hausaufgabenbe­treuung und Freizeitangebote vorhanden sind, sondern ebenfalls lern- und förderrelevante Bereiche eingebaut werden. Ebenfalls sollte die internationale Anschlussfähigkeit - in Be­zug auf eine ausreichende Grundausstattung, wozu zeitgemäße Materialien und Technolo­gien zugehören - stärker in den Blick genommen werden, da an dieser Stelle ein Investiti­onsbedarf herrscht. In Bezug auf Professionalisierung und die damit einhergehende Lehrer­ausbildung in Deutschland soll künftig ausgebaut werden. Zu den strukturellen und inhaltli­chen Reformierungen der Lehrerausbildung gehört eine heterogene Ausgestaltung der Grundschullehrerausbildung und eine Umsetzung von Standards an allen Universitäten. Diesbezüglich wird eine generelle Verabschiedung von Standards und ländergemeinsamen, inhaltlichen Anforderungen für die Lehrerbildungen in Deutschland gefordert. Es werden intensivere Praxisphasen während der Lehrerausbildung verlangt, sodass Theorie und Praxis stärker verknüpft werden können.19 Des Weiteren sollte jede Lehrkraft in der Primarstufe „ in der Lage sein, flexibel in unterschiedlichen fachlichen und methodischen Arrangements einen auf die eigene Schülerklientel zugeschnittenen, kognitiv anregenden Unterricht zu ge- stalten20. In Zukunft ist es außerdem nötig dem inneren Prozess von Schule mehr Aufmerk­samkeit zu widmen, d.h. dem Unterricht. Die Übergangsgestaltung und Anschlussfähigkeit sollten ebenfalls in Zukunft optimaler gestaltet werden. Dabei wären standardisierte Lern­ausgangslagentests möglicherweise eine Lösung, da Lehrkräfte besser über die Stärken und Schwächen ihrer Schüler informiert wären und „ sich positive Effekte im Sinne einer Stärkung von diagnostischen Kompetenzen auf Seiten der Lehrkräfte vermuten21 lassen. Die Bil­dungspläne müssen außerdem in den pädagogischen Alltag einbezogen werden, wobei an dieser Stelle das Augenmerk auf der Institutionalisierung der Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Grundschule sowie Grundschule und Sekundarbereich liegt.22

3.2 Reformvorschläge für den Sekundarbereich

Bezüglich der Lehrerbildung in den Sekundarstufen I und II kann die Verabschiedung von Standards sowie ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen als Meilenstein gewertet werden. Jedoch werden die Umsetzungen nur ansatzweise an wenigen Hochschulen gerecht. Festzustellen ist, dass die Kultusministerien die Prozesse gering beeinflussen.23 Weitere Ver­änderungen, die geschaffen werden müssen, wären, dass die Universitäten mehr Problembe­wusstsein und Engagement aufbringen sollen. Für die zweite Phase der Lehrerbildung fehlen weiterhin „ Konzepte, Zielbeschreibungen, Standards und Evaluationsverfahren. Herausfor­derungen für die weitere Entwicklung der Lehrerfortbildung werden durch Hinweise auf effektive Bedingungen beschrieben [...]. Dementsprechend wären die Orientierung an den Erfahrungen und Problemwahrnehmungen der Lehrkräfte, die fachdidaktische Fundierung und Verbindung zu Lehrplänen und Standards sowie die Schulnähe und die Nutzung von Kooperationen in Zukunft weiter auszubauen.24. Die Schulstrukturdebatte ist ein diskussi­onsreiches Thema, vor allem für die Politik. Es zeigt sich, dass Hauptschulen immer weniger besucht werden, wobei sich dort zunehmend leistungsschwache Schülerinnen und Schüler und aus bildungsfernen sowie Einwanderungsfamilien befinden. Vermehrt werden Gesamt­schulen besucht und die Bildungsbeteiligung an Gymnasien steigt, was mit einer Beteili­gungsquote für andere Schularten einhergeht, was wiederum Anpassung verlangt. Diese Veränderungen hängen mit demografischen Veränderungen zusammen. Künftig sollten län­derübergreifende Anstrengungen stattfinden, sodass erkennbare und einheitliche Schulstruk­turen im Sekundarbereich entstehen. Bezüglich der Qualitätssicherung ist festzuhalten, dass die Einführung von Bildungsstandards, die in Kompetenzmodellen eingeordnet sind, positiv für die Weiterentwicklung und die Sicherheit der Qualität an Schulen sind und somit als Fortschritt gesehen wird. Allerdings besteht Handlungsbedarf in Bezug auf die Umsetzung und Interpretation der Bildungsstandard für Lehrerkollegien. SINUS-Transfer oder SINUS an Grundschulen sind Initiativen in denen Lehrende dies lernen können. Schulinspektionen dienen dem Zweck Qualität von Unterricht und Schulleben zu sichern, aber vor allem wich­tig für eine produktive Evaluations- und Reflexionskultur. Zielvereinbarungen und An­reizsysteme könnten für eine höhere Bereitschaft sorgen aus Evaluationen zu lernen sowie interne Evaluationen zu verbessern. Dementsprechend wäre eine erhöhte Einführung von Schulinspektionen von großem Vorteil. Zu beobachten ist überdies, dass die Bildungsbetei­ligung, insbesondere am Gymnasium, steigt. Schulen mit mehreren Bildungsgängen, aber auch Hauptschulen versprechen Möglichkeiten, um die mittlere Reife zu absolvieren. Nach wie vor wird vor allem durch internationale Vergleiche bewusst, wie hoch Heterogenität in der Bildungsbeteiligung ist, sodass Deutschland den Kindern und Jugendlichen in jeder Hin­sicht auf einem hohen Niveau qualifizieren muss. Das soziale Milieu und Geschlecht, kul­turelle Besitztümer und Bildungsanregungen der Eltern, die Muttersprache und Herkunfts­kultur sind beeinflussende Indikatoren, die Auskunft darüber geben, welche Chancen ein Heranwachsender auf einen anspruchsvollen weiterführenden Bildungsgang an einer Schule hat, selbst wenn dieser über vergleichbare kognitive Grundfähigkeiten verfügt. Diese Be­funde wurden durch PISA 2000 sichtbar. Zwar sind positive Entwicklungen zu finden, je­doch herrscht weiterhin eine Chancenungleichheit in Deutschland. Des Weiteren zeigt PISA in allen Runden, dass Klassenwiederholungen mit herkunftsbedingten Disparitäten korrelieren.25

[...]


1 Vgl. Illich, 1995, S. 25.

2 Vgl. Illich, 1972, S. 34.

3 Vgl. Diedrich & Tenorth, 1997, S. 218 f.

4 Vgl. Humboldt, 1986, S. 34 f.

5 Vgl. Bohl, Harant & Wacker, 2015, S.22.

6 Vgl. Timmermann, 1990 S. 178 ff.

7 Vgl. ebd., S. 181 f.

8 Ebd., S. 181.

9 Ebd., S. 182.

10 Vgl. Bohl, Harant & Wacker, 2015, S. 22.

11 Wenn im Folgenden männliche Substantivformen verwendet werden, so sind diese auf beide Geschlechter zu beziehen.

12 Vgl. Timmermann, 1990, S. 183.

13 Vgl. ebd., S. 182.

14 Vgl. Bohl, Harant & Wacker, 2015, S. 22.

15 Ebd. S. 25

16 Vgl. ebd.S. 25

17 Ebd. S. 26

18 Vgl. Blossfeld et al., 2011, S. 13 ff.

19 Ebd., S. 88 f.

20 Blossfeld et al., 2011, S. 89.

21 Ebd., S. 89.

22 Vgl. ebd., S. 89.

23 Vgl. ebd., S. 107.

24 Ebd., S. 107.

25 Vgl. Blossfeld et al., 2011, S. 106 ff.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Schulkritik und Reformvorschläge
Hochschule
Universität Paderborn
Note
1.0
Autor
Jahr
2019
Seiten
12
Katalognummer
V516733
ISBN (eBook)
9783346131959
ISBN (Buch)
9783346131966
Sprache
Deutsch
Schlagworte
schulkritik, reformvorschläge
Arbeit zitieren
Karina Stepin (Autor:in), 2019, Schulkritik und Reformvorschläge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/516733

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