Menschen mit Demenz in der Späten Phase. Begleitung von Ehefrauen von Menschen mit Demenz


Term Paper, 2020

22 Pages


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Inhalt

Einleitung

1. Spätes Stadium Demenz

2. Das Gedächtnis
2.1 Das Leibgedächtnis

3. Veränderungen der Ehebeziehung
3.1 Die Ehefrauen von Menschen mit Demenz in der späten Phase in der stationären Einrichtung
3.1.1 Umzug im Pflegeheim
3.1.2 Besuch im Pflegeheim

4. Begleitung von Ehefrauen von Menschen mit Demenz in der späten Phase in der stationären Einrichtung
4.1 Entwicklung einer positiven Tagesstruktur für der Ehemann
4.2 Das SMEI Konzept
4.2.1 Die Grundhaltung

5. Reflexion

Literatur

Einleitung

Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner berufsbegleitenden Weiterbildung zur gerontopsychiatrischen Pflegefachkraft. Hiermit werde ich mich mit dem Thema „Menschen mit Demenz in der Späten Phase“ mit dem Schwerpunkt „Begleitung von Ehefrauen von Menschen mit Demenz in der späten Phase in der stationären Einrichtung“ beschäftigen. Nach meiner Erfahrung ist die Institutionalisierung von Partnern oft eine Folge der Diagnose von Demenz und in den meisten Fällen, die ich erlebt habe, werden Männer institutionalisiert.

Die Art und Weise, wie ich zu diesem Thema kam, war nicht linear und es lag hauptsächlich an der Tatsache, dass, nach meiner Erfahrung, oft werden Ehefrauen von Männern mit Demenz, in der stationären Pflege, missverstanden und für ihre „unnötigen Sorgen“ und häufige Besuche beurteilt.

Für mich ist die Ehe viel mehr als der Aufstieg zum Altar und die Verheißung der ewigen Liebe. Sie ist der Beginn eines gemeinsamen Projekts zum Aufbau des Glücks. Es ist die Vereinigung zweier unvollkommener Menschen, die es ablehnen, sich gegenseitig aufzugeben. Deshalb frage ich mich häufig: Wie wäre es, wenn bei meinem Mann, Demenz diagnostiziert würde? Ich bewundere die Stärke der Ehefrauen und beneide sie um ihr Lächeln; denn, obwohl die Diagnose einer Demenz, widmen sie sich weiterhin ihrer Zeit, um ihre Liebe für der Ehemann zu zeigen. Ich vermute jedoch, dass die Zukunft der Ehe, in Frage gestellt wird, und sicherlich trotzen nicht alle Ehen dieser Krise.

Für die vorliegende Arbeit fand ich es notwendig, zwei Ehefrauen von Menschen mit Demenz in der späten Phase, mein Thema vorzustellen:

Ehefrau 1: Häufigkeit der Besuche: jeder zweite Tag. Angespannte Beziehung mit Pflegekräften aufgrund ihrer zahlreichen Anforderungen sowie Ablehnung von Ratschlägen von Pflegefachkräfte in Bezug auf das Wohlergehen ihres Mannes. Sie zeigt Verständnis und Kenntnisse über den Demenz Verlauf. Ehemann in der späten Phase der Alzheimer-Krankheit: Sprachgestört, Bewegungsgestört, leidet unter Inkontinenz;

Ehefrau 2 – Häufigkeit der Besuche: tägliche. Gutes Verhältnis zu den Fachkräften; hilft bei der Gesundheitsversorgung ihres Mannes und zeigt Größe Verständnis für die Arbeit den Pflegekräften. Vorweist keine Kenntnisse über den Demenz Verlauf. Ehemann in der späten Phase der nicht näher bezeichnet Demenz; aktueller Zustand: Bettlägeriger; Sprach- und schluckgestört; leidet unter Inkontinenz und an Muskelverspannung.

Beide Frauen berichteten, dass das Leben mit einem Mann mit Demenz in der späten Phase, eine große Herausforderung ist: für sich selbst, aber auch für ihren Ehemann. Um diese Herausforderung aus der Perspektive der Ehefrau zu erkennen, und dadurch sie besser in meine tägliche Arbeit begleiten zu können, habe ich mich entschlossen, die vorliegende Arbeit weiterzuentwickeln. Ich erhoffe mir, durch die Beschäftigung mit diesem Thema, die Anstrengungen und Belastungen, mit denen diese Frauen nach der Institutionalisierung ihres Lebenspartners konfrontiert sind, zu verstehen; und somit Hilfestellungen und Möglichkeiten zu finden, die zu einer besseren Beziehung zwischen sie und Pflegekräften beitragen: was ich für eine bessere Lebensqualität des Bewohners mit Demenz für unwiderlegbar halte.

Im ersten Kapitel werde ich mich mit der späten Phase der Demenz und im Kapitel 2 mit ihrem Einfluss auf das Gedächtnis beschäftigen. Kapitel 3 befasst die Veränderung der Ehe aus der Sicht der Ehefrau eines Menschen mit Demenz in der säten Phase: vornehmlich nach der Institutionalisierung. Im Kapitel 4 werde ich mögliche Maßnahmen zur Begleitung von Ehefrauen in der stationären Einrichtung durchleuchten: insbesondere ihre Bedeutung für die Planung der Tagesstruktur ihres Manns, sowie die Vertiefung des SMEI-Konzepts.

1. Spätes Stadium Demenz

Demenz1 (lat. Dementia, von de mente = ohne Geist, von Sinnen) ist keine Krankheit, sondern eine Vielzahl von Symptomen („Syndrom“), die mit Gedanken-, Gedächtnis- und Kommunikationsstörungen einhergehen, die die Fähigkeit einer Person beeinträchtigen, alltägliche Aktivitäten auszuführen.2 Bei Demenz kommt es zu Veränderungen im Gehirn, die in unterschiedenen Bereichen des Gehirns auftreten können; und betrifft deswegen Menschen, je nach betroffenem Bereich, unterschiedlich.3 Die Veränderungen im Gehirn hängen von der Demenzformen ab. Die häufigste Demenzformen sind: Demenz bei Alzheimer Krankheit4, Vaskuläre Demenz5, Lewy-Body-Demenz6 und nicht näher bezeichnete Demenz7.

Die Schweregrad einer Demenz erfolgt in drei Phasen: Frühe Phase, Mittlere Phase und Späte Phase. Der Krankheitsverlauf ist individuell und jede Phase kann viele Monate, manchmal Jahre dauern; bis der Betroffene stirb8. Relevant für die vorliegende Arbeit ist die späte Phase einer Demenz.

Die späte Phase ist durch einen Kontrollverlust gekennzeichnet: tiefe Gedächtnisdefizite (u.a. Unfähigkeit die eigene Familie zu erkennen), Verlust verbaler und oft psychomotorischer Fähigkeiten (wie z.B. Gehen) und Unfähigkeit alltägliche Aktivitäten auszuführen. Die Hauptsymptomen, die die charakterisieren, sind: starken Stimmungsschwankungen, Sprachstörungen9, Inkontinenz10, Muskelverspannungen11, Bettlägerigkeit. Vertraute Personen, bzw. die Ehefrau, werden, in dieser Phase, häufig nicht mehr erkannt12 und Demenzerkrankter Menschen benötigen eine 24 Stunden Betreuung (Schiefer, 2017). Die Dauer diese Phase ist nicht kalkulierbar, da die Todesursache schwer vorhersehbar ist. Man kann nicht an einer Demenz sterben, aber in der späten Phase ist die Lebenserwartung oft verkürzt: Menschen sind anfälliger für Infektionskrankheiten. Die Lungenentzündung ist die häufigste Ursache, „(…), weil sich Menschen mit fortgeschrittener Demenz häufig verschlucken“.13

2. Das Gedächtnis

„Unter dem Gedächtnis verstehen wir für gewöhnlich unsere Fähigkeit, uns an bestimmte Erlebnisse in der Vergangenheit zu erinnern, sie also in der Vorstellung wieder zu vergegenwärtigen, oder uns Daten und Kenntnisse zu merken und sie wiederabzurufen“ (Fuchs, 2009: 46). In der späten Phase der Demenz hat das Gehirn die Fähigkeit verloren, neue Informationen zu speichern, sowie gespeicherte Informationen wiederabzurufen zu können. Dieser Vorgang wird als Gedächtnisstörung, bzw. Gedächtnisminderung, bezeichnet.

Zum Beispiel, eines der ersten Symptome der Demenz bei Alzheimer-Krankheit ist der Verlust biografischer Erinnerungen: die Vergesslichkeit der Ehepartnerin, des Zusammenlebens, der eigenen Familie. Diese Art von Erinnerungen wird als „explizite Erinnerung“ bezeichnet (Fuchs, 2018: 52). “On the other hand, there are many things that we do without thinking, things for which our memory provides routines: tying a shoe lace, cycling, recognising objects, finding a light switch in the dark. (…) So not only do we have memories, we are memory, without ever realising it.”14 Thomas Fuchs (2018: 52) nennt dies das Leibgedächtnis („Körpergedächtnis“): es betrachtet alle sensorischen, motorischen und emotionalen Erfahrungen. Dies erklärt, warum, obwohl explizite Erinnerungen („Knowing that“: Wie heißt die Ehefrau? Wer ist sie? Was macht sie beruflich? Wo haben sie sich kennengelernt? Woher kennen sie sich?) vergessen wurden; impliziten Erinnerungen15 („Knowing how“) ist noch lange, im Verlauf der Demenz, erhalten: diese Art der Erinnerung ist nicht bewusst, der ist ein unbewusstes Erinnerungsgedächtnis (Fuchs, 2009).

2.1 Das Leibgedächtnis

“In my thinking Leibgedächtnis – subjective body memory, is a concept that includes all kinds of significant experiences that you have made while interacting with the world and others that have influenced how you experience a present situation and how you deal with it. It will shape how you behave in that situation without having an explicit memory of what it reminds you of or how you learned what you are doing now“ (Fuchs et al., 2016: 9). In dem Buch „Das Kind in mir muss Heimat finden: Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme“, die Autorin Stefanie Stahl (2015) beschreibt wie seit der frühesten Kindheit die Unterschiede Erfahrungen und Gewohnheiten die Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen können. Diese Erfahrungen und Gewohnheiten werden im Gedächtnis des Herzens gespeichert. Persönlichkeitsmerkmale, Umgang mit unterschiedlichen Situationen sowie Reaktionen sind das Ergebnis des lebenslangen Lernens: ein Spiegel der vom Herzen empfundenen Erinnerungen.

Wenn wir versuchen, uns an Momente in unserem Leben vor einigen Jahren zu erinnern, die Momente, an die wir uns am leichtesten erinnern können, sind die mit starken Emotionen zusammenhängen: erste Liebesenttäuschung, der Abschlusstag, der Hochzeitstag. “Only cameras save beautiful moments for all time. Feelings, however, fade away. But not in the case of traumatic experiences (…)”16. Die sind Gefühle, Erinnerungen, die das Herz für die Ewigkeit geprägt hat: wie Fußabdrücke in feuchtem Zement.

Das Leibgedächtnis ist „(…) ein Gedächtnis, das noch bis in späteste Stadien der Erkrankung erhalten bleibt, und in dem sich die Lebensgeschichte eines Patienten manifestiert“ (Fuchs, 2018: 49). Es ist daher in der späten Phase der Demenz von äußerster Wichtigkeit, da “ (…) das Leibgedächtnis kann Brücken zum Gedächtnis des Denkens bauen. Dies umso leichter, je mehr das Herz berührt wird“ (Luitgard, 2005: 18). Durch die Anregung des Leibgedächtnisses, konnte somit auf das Gedächtnis des Denkens zugegriffen werden. In meiner Meinung nach, wenn die Pflegekräften, in der Stationäre Einrichtungen, Informationen über die Biografie (u.a. negative und positive Erfahrungen, Routinen, bemerkenswerte Erinnerungen) des Bewohners verfügen, können den besser betreuen. Für die Biographiearbeit besitzen, die Ehefrauen, eine zentrale Rolle: sie können eine Vielzahl von biographischen Informationen liefern, die dem Pflegekräften helfen können auf das Leibgedächtnis zuzugreifen: u.a. vertraute Umgebungen, Stimmen, Melodien, Gerüche mit ihren Konnotationen und Atmosphären. “Wird das Herz berührt, kann die Erinnerung über das zu Herzen Gedächtnis hinaus reichen und es werden Schritt für Schritt andere Regionen des Erinnerns aktiviert“ (Luitgard, 2005: 18).

„Das Leibgedächtnis ist der eigentliche Träger unserer Lebensgeschichte, unserer persönlichen Identität. Es enthält (…) Erinnerungs- und Sinneinschlüsse, die uns mit unserer biographischen Vergangenheit auf intensive Weise verbinden und die zugleich Quellpunkte neuer Entwicklungen und Impulse bilden können“ (Fuchs, 2009: 52). So wird das Schaffen einer Geborgenheit und Sicherheit Umgebung vermittelt: bestimmte Sinnesreize können Atmosphären, Gefühle und Fähigkeiten wecken, die mit vergangenen Lebensabschnitten verknüpft sind, selbst wenn die Erinnerungen daran schon verblasst ist (Fuchs, 2018: 56). Die Biographiearbeit ermöglicht es, meiner Meinung nach, die Pflegekräfte, die Dynamik der Paarbeziehung und die Auswirkung von Demenz in der Ehe besser zu kennen und zu verstehen.

3. Veränderungen der Ehebeziehung

Demenz ist eine verheerende, degenerative Störung des Gehirns, die das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen völlig verändert: Demenz führ zur einer entsprechende Beziehungsveränderung. „Die Auswirkungen der Demenz auf die Ehelassen sich analytisch gliedern in Veränderungen der Beziehung in ihrer Qualität als Ehebeziehung einerseits und in die allmähliche Verwandlung der Ehebeziehung in eine Pflegebeziehung andererseits“ (Luitgard, 2005: 123-124).

Luitgard (2005: 18) erläutert einer Studie von Chesla und Kollegen (1994), die die Reaktion der gesunden Familienangehörigen untersuchte: ich kam zu dem Schluss, dass eine gesunde Beziehung aufrechtzuerhalten und fortzusetzen möglich ist. Die Anpassung an diese neue Lebensphase hängt daher vom Verständnis der Beziehungsentwicklung im Verlauf der Demenz, und der Fähigkeit zum Umgang mit Grenzmehrdeutigkeiten ab.

„Im Falle der Krankheit eines Gatten stehe die Ehe wieder auf dem Prüfstand: zusammenbleiben, sich trennen? Die Überlegung, einen dementen Gatten zu verlassen, sei dabei keineswegs akademisch: Der Gesunde habe den Eindruck, der Kranke habe ihn bereits verlassen“ (Luitgard, 2005: 82). Beide Ehefrauen meiner Praxis haben sich entschlossen, die Ehegelübde zu respektieren und in dieser neuen Phase der Beziehung präsent zu bleiben. Laut beide Frauen meine Praxis spürten sie, sobald sie von der Diagnose erfuhren, einen Wirbel von Emotionen: Angst, Verwirrtheit, Frustrierung, Verpflichtung. Die Ehefrau 2 sagte, es sei wahrscheinlich das erste Mal, dass sie Angst habe, alt zu werden. Ich glaube, dass einige Ehen dieser Diagnose nicht widerstehen, zum Beispiel im Falle einer schlechten Beziehung, da „Für die Situation des gesunden Partners kann der allmähliche Verlust des Ehegatten eine Bedrohung des eigenen Selbst bedeuten, wobei die Schwere dieser Bedrohung einerseits von der psychischen Stabilität des gesunden Partners und andererseits von der Qualität der Ehebeziehung vor dem Auftreten der Demenz abhängt“ (Luitgard, 2005: 126). Beide Ehefrauen meiner Praxis sprechen positiv von ihrer Ehe und teilen ständig Erinnerungen an Glück und Liebe. Deshalb gehe ich davon aus, dass die beide Paare vor der Demenz-Diagnose glücklich verheiratet waren.

3.1 Die Ehefrauen von Menschen mit Demenz in der späten Phase in der stationären Einrichtung

Der Mann vergisst aufgrund der Demenz, dass er verheiratet ist; und dazu führt die Krankheit, dass er seine Emotionen nicht mehr angemessen ausdrücken kann. Ich stelle mir diese Phase als das schmerzhafte Kapitel im Leben einer Frau eines Mannes mit Demenz vor. Der Partner ihres Lebens lebt noch, aber er ist nicht mehr der Mann, der sie geheiratet hat: seine Persönlichkeit veränderte sich so sehr, dass sie nicht mehr wiederzuerkennen ist.

“Besonders drastische Persönlichkeitsveränderungen des Patienten, deutlich in problembehafteten Verhaltensweisen, scheinen die „Boundary ambiguity“ zu erhöhen“ (Luitgard, 2005: 57). Dies bedeutet, dass die Veränderung so ausgeprägt ist, dass der Begriff der Familie Gegenstand von Spekulation ist: besonders in der Zeit, in der der demenzerkranke Mann seine Ehefrau nicht mehr erkennt und somit die Rolle von Ehemann und Freund vergessen wurde. “ (…) Pauline Boss defines boundary ambiguity as a state, resulting from either nonnormative or normative stressor events, in which family members are uncertain about who is in the family and who is out, or about who is performing which roles and tasks within the family system (Boss 1977, 1987, 2002).“17 Das heißt, die Diagnose einer Demenz stellt ein Ereignis von familiären Stress dar, das drastische Veränderungen in der Beziehung, verursach. Die stressregulierende Fähigkeit des gesunden Partners ist somit ein entscheidender Faktor für die Aufrechthaltung der Grenzen der Familie (Luitgard, 2005).

Während Ehefrau 2 ihre Ehe sich nicht in Frage stellt; die Ehefrau 1, angesichts die geistige Leitungsfähigkeitsverschlechterung und Persönlichkeitsveränderungen des Ehemannes, fühle sich nicht mehr wirklich verheiratet. Die Ehefrau 1 sagt jedoch, dass sie sich nicht als Witwe fühle. Der Trauer um eine Beziehung, die durch die Demenzdiagnose verhindert wurde, ist es für sie bis der Tot ihres Mannes nicht möglich. Die Dauer dieser Trauer ist unbestimmt und wird deswegen auch als chronische Trauer („chronic sorrow“) bezeichnet (Luitgard, 2005: 74). “Der Unterschied zwischen einem akuten Trauerprozess und chronischem seelischem Schmerz, der durch eine chronische Krankheit ausgelöst wird, liegt darin, dass die ständige Präsenz der Krankheit den Trauernden daran hindert, die Trauer durchzuarbeiten und abzuschließen (…)“ (Luitgard, 2005: 74). Dies könnte dann bedeuten, dass Ehefrauen wahrscheinlich erst nach dem Tod ihres Partners trauern.

„Neben Störungen der emotionalen Nähe führt die Demenz auch dazu, dass der Gesunde Partner allein steht mit vielen Entscheidungen und mit der Verantwortung, die er sonst gemeinsam mit dem Gatten getragen hätte“ (Luitgard, 2005: 52). Laut die Ehefrau 2, sind einige dieser Entscheidungen so schwierig, dass sie ihr eigenes Herz verletzen: insbesondere die Entscheidung, ihren Ehemann zu institutionalisieren. Wie jeder reagiert und mit dieser neuen Phase umgeht, hängt von unzähligen Faktoren ab; es ist jedoch gewiss, dass die pflegerische- und Betreuungsunterstützung18 der Ehemann in der späten Phase der Demenz benötigt, in der häuslichen Umgebung nicht mehr möglich ist. Die Institutionalisierung in der häuslichen Umgebung ist deswegen, die beste Entscheidung.19

3.1.1 Umzug im Pflegeheim

Der Wunsch, nicht institutionalisiert zu werden, sollte, in meiner Meinung nach, sorgfältig diskutiert werden: da die häusliche Pflege bei der späten Phase der Demenz äußerst kompliziert ist. Die Haltung der Ehefrauen am Tag der Institutionalisierung ihres Mannes spiegelt einer Entscheidung, die einem das Herz verletzt: “ (…) sie reagieren darauf mit Ängstlichkeit, Trauer, Wut oder Schuldgefühlen. Die Demenz konfrontiert sie auf einer existenziellen Ebene mit den Themen Tod, Einsamkeit, Freiheit und Sinn. An vorderster Stelle steht die Auseinandersetzung mit Verlust und Trauer, im Falle der Demenz ein chronischer Prozess ohne die Chance eines Abschlusses“ (Luitgard, 2005: 126).

Im Verlauf der Demenz, wie schon erwähnt, benötigt der Kranker zunehmende Pflege und Aufmerksamkeit, was oft zu einer Überlastung der Angehörige führt. Nicht zu vernachlässigen ist die Schwierigkeit zu erkennen, wenn ein Umzug ins Pflegeheim sinnvoll oder notwendig ist (Schwarz, 2006: 2). Ich vermute, dass die Befürchtung, dass sich der Ehemann in einer stationären Einrichtung nicht wohl fühlen würde, führt dazu, dass die Entscheidung verschoben wird. Die Ehefrau 2 hat, nach einer kurzen Institutionalisierung, entschlossen ihren Ehemann wieder nach Hause zu nehmen: ich glaube, dass diese Entscheidung spiegelt ihre Zweifel an der Entscheidung, ihren Ehemann zu institutionalisieren.

[...]


1 Demenz (F00-F03) „ist ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf.“ Quelle: https://www.icd-code.de/icd/code/F00-F09.html

2 https://ptmedbook.com/estagios-da-demencia-como-a-doenca-muda-com-o-tempo/

3 https://demenz.behandeln.de/demenz-ursachen.html

4 ICD-10-Code-GM F00.-* – „Die Alzheimer-Krankheit ist eine primär degenerative zerebrale Krankheit mit unbekannter Ätiologie und charakteristischen neuropathologischen und neurochemischen Merkmalen. Sie beginnt meist schleichend und entwickelt sich langsam, aber stetig über einen Zeitraum von mehreren Jahren.“ Quelle: https://www.icd-code.de/icd/code/F00.-*.html

5 ICD-10-Code-GM F01.- – „Die vaskuläre Demenz ist das Ergebnis einer Infarzierung des Gehirns als Folge einer vaskulären Krankheit, einschließlich der zerebrovaskulären Hypertonie. Die Infarkte sind meist klein, kumulieren aber in ihrer Wirkung. Der Beginn liegt gewöhnlich im späteren Lebensalter.“ Quelle: https://www.icd-code.de/icd/code/F01.-.html

6 ICD-10-Code-GM F02.-* – „Formen der Demenz, bei denen eine andere Ursache als die Alzheimer-Krankheit oder eine zerebrovaskuläre Krankheit vorliegt oder vermutet wird. Sie kann in jedem Lebensalter auftreten, selten jedoch im höheren Alter.“ Quelle: https://www.icd-code.de/icd/code/F02.-*.html

7 ICD-10-Code-GM F03 – nicht näher spezifizierten Gründe, bzw. Erkrankung. Quelle: https://www.icd-code.de/icd/code/F03.html

8 https://demenz.behandeln.de/demenz-verlauf.html

9 „Die Beeinträchtigungen im Vermögen, durch korrekte artikulierte Lautverbindungen mit der Umwelt in Verbindung zu treten, werden seit Kußmauls Definition getrennt in Aphasien und dysarthrische Sprachstörungen. Bei den ersteren gilt eine Störung der Diktion, bei den letzteren eine solche der Artikulation als Voraussetzung“ (Appelt,1926: 532).

10 Unvermögen Harn oder Stuhl zu halten (Bannert & Felchner, 2018)

11 Auftretende funktionelle Beschwerden der Muskulatur. Quelle: https://flexikon.doccheck.com/de/Muskelverspannung

12 https://ptmedbook.com/estagios-da-demencia-como-a-doenca-muda-com-o-tempo/

13 http://www.klinikum.uni-muenchen.de/Klinik-und-Poliklinik-fuer-Palliativmedizin/download/de/aktuelles/Fortgeschrittene-Demenz-und-Lebensende.pdf

14 http://www.traumacenter.org/products/pdf_files/memory_SMART_Warner.pdf

15 Implizites Gedächtnis ist eine Art Gedächtnis, bei der frühere Erfahrungen bei der Ausführung einer Aufgabe helfen, ohne dass die Existenz dieser Erfahrungen bewusst wahrgenommen wird. (Schacter, 1987).

16 http://www.traumacenter.org/products/pdf_files/memory_SMART_Warner.pdf

17 https://www.encyclopedia.com/reference/encyclopedias-almanacs-transcripts-and-maps/boundary-ambiguity

18 Demenzkranke verlieren zunehmend ihre kognitiven und motorischen Fähigkeiten, was zu einem hohen Überlastungsgefühl in der Familie führt (Schulz et al., 2004).

19 https://www.navigator-medizin.de/demenz_alzheimer/die-wichtigsten-fragen-und-antworten-zu-demenz/verlauf-und-prognose/374-wie-aeussert-sich-eine-demenz-im-fortgeschritteneren-stadium.html

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Details

Title
Menschen mit Demenz in der Späten Phase. Begleitung von Ehefrauen von Menschen mit Demenz
Course
Weiterbildung zur staatlich anerkannten Fachpflegekraft in der gerontopsychiatrischen Pflege
Author
Year
2020
Pages
22
Catalog Number
V520005
ISBN (eBook)
9783346191304
ISBN (Book)
9783346191311
Language
German
Keywords
begleitung, demenz, ehefrauen, menschen, phase, späten
Quote paper
Salomé Laranjeira Soares (Author), 2020, Menschen mit Demenz in der Späten Phase. Begleitung von Ehefrauen von Menschen mit Demenz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/520005

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