Selbst- und Fremdbeurteilung mit dem Portfolio im Fremdsprachenunterricht der Grundschule


Proyecto/Trabajo fin de carrera, 2006

72 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Die Entwicklung des frühen Fremdsprachen-unterricht

2. Fremdsprachendidaktik in der Grundschule
2.1 Theoretische Begründungen des frühen Fremdsprachenunterrichts
2.2 Aufgaben und Ziele des frühen Fremdsprachenbeginns
2.2.1 Aufbau von Selbstbewusstsein
2.2.2 Sprachbewusstheit
2.2.3 Kulturelle Bewusstheit und interkulturelle Kompetenz
2.3 Stellenwert der vier Sprachfertigkeiten
2.3.1 Das Hörverstehen
2.3.2 Das Sprechen
2.3.3 Das Lesen und Schreiben
2.4 Didaktische Prinzipien
2.4.1 Ganzheitliches Lernen
2.4.2 Spielbetontes Lernen
2.4.2.1 Sprache und Bewegung
2.4.2.2 Lieder, Reime und Chants
2.4.2.3 Geschichten
2.4.3 Einsprachigkeit
2.4.5 fächerübergreifende Aspekt

3. Selbst- und Fremdbeurteilung in der Grundschule
3.1 Der Leistungsbegriff im Fremdsprachenunterricht der Grundschule
3.2. Neue Lernkultur
3.2.1 Selbstständigkeit und Eigenverantwortung
3.2.2 Prozessorientierung
3.2.3 Lernen in komplexen Situationen
3.2.4 Demokratisierung der Lernorganisation
3.3 Selbstbeurteilung
3.3.1 Kompetenzen der Schüler
3.3.2 Die Lehrerrolle und Anforderung an den Grundschulunterricht
3.3.3 Kompetenzraster
3.3.3 Vorteile der Selbstbeurteilung

4. Das Portfolio für den Fremdsprachenunterricht der Grundschule
4.2.1 Typen von Portfolios
4.2.2 Erstellung eines Portfolios und dessen Inhalte
4.2.3 Voraussetzungen für eine erfolgreiche Portfolioarbeit
4.2.4 Vorteile der Beurteilung mittels Portfolio
4.3 Das Konzept des Fremdsprachenportfolios
4.3.1 Allgemeines
4.3.2 Bestandteile des ESP
4.3.3 Doppelfunktion
4.3.4 Zielsetzung beim Einsatz in der Grundschule
4.4 Analyse der Portfoliokonzepte der Länder Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen
4.4.1 Vorstellung der Konzepte
4.4.1.1 Hessen
4.4.1.2 Mecklenburg-Vorpommern
4.4.1.3 Niedersachsen
4.4.2 Analyse der Konzepte
4.4.2.1 Hessen
4.4.2.2 Mecklenburg – Vorpommern
4.4.2.3 Niedersachsen

5. Resümee und Ausblick

6. Literatur

7. Anhang
Gemeinsame Referenzniveaus: Globalskala
Gemeinsame Referenzniveaus: Raster zur Selbstbeurteilung
Gemeinsame Referenzniveaus: Qualitative Aspekte des mündlichen Sprachgebrauchs

0. Einleitung

Die Begegnung mit fremden Sprachen wird aufgrund der europäischen Einigungsprozesse und weltweiten Veränderungen immer selbstverständlicher und notwendiger. Der Fremdsprachenunterricht ist deshalb bereits in der Grundschule Realität. Es kann jedoch nicht Sinn und Zweck sein eine bloße Vorverlegung des bislang in der Sekundarstufe beginnenden Fremdsprachenunterrichts vorzunehmen. Vielmehr gilt es auf der Grundlage allgemeiner grundschuldidaktischer Überzeugungen, den Fremdsprachenunterricht nach denselben Kriterien zu gestalten, wie sie auch für die andere Bereiche der Grundschule gültig sind.

Aufgrund der Tatsache, dass es zu einem schnellen Wandel in vielen Lebensbereichen kommt, wandelt sich auch der Unterricht, da er ständig den neuen Anforderungen angepasst werden muss. Einhergehend mit dieser Veränderung geht die Frage nach der Erfassung und Beurteilung von Leistungen. Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte ging hin zu einer Öffnung des Unterrichts und individuellem und schülerzentriertem Lernen. Diese Öffnung bezieht sich sowohl auf die Lerninhalte als auch auf die Methoden. Der Begriff des lebenslangen Lernens verdeutlicht, dass die Schüler[1] auch nach der Schulzeit noch dazu in der Lage sein sollten Wissen aufzunehmen und zu erweitern. Um dies zu gewährleisten, muss die Schule die Lernenden vorbereiten und ihnen Kompetenzen vermitteln, die es ihnen ermöglichen, die benötigten Prozesse in Bewegung zu setzen, sprich selbstständiges und eigenständiges Lernen. Dies bedeutet allerdings, dass sich der Unterrichtsinhalt und –verlauf sowie die Unterrichtsdurchführung besonders an den Interessen, Wünschen und Fähigkeiten der Schüler orientieren müssen.

Das Portfolio und diesem speziellen Fall das Sprachenportfolio ist ein geeignetes Werkzeug, um diese veränderte pädagogische Praxis zu unterstützen. Es soll „Schüler ermutigen, regelmäßig eine auf den aktuellsten Stand gebrachte Aussage über die von ihnen selbst beurteilte Kompetenz in jeder ihrer Sprachen einzufügen.“ (Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen der Sprachen 2001, 31)

Nach einem kurzen historischen Überblick über die Entwicklung des frühen Fremdsprachenunterrichts werde ich in der vorliegenden Arbeit verschiedene theoretische Begründungen präsentieren, die für einen Fremdsprachenfrühbeginn sprechen.

In einem zweiten Schritt werden die Aufgaben und Ziele des frühen Fremdsprachenunterrichts näher erläutert. Dabei wird im Speziellen auf den Aufbau von Selbstbewusstsein, Sprachbewusstheit und kulturelle Bewusstheit eingegangen. Anschließen werden die vier Fertigkeitsbereiche Hörverstehen, Sprechen, Lesen und Schreiben in Bezug auf ihren Stellenwert innerhalb des Unterrichts untersucht An diesen Punkt schließt direkt die Vorstellung der didaktischen Prinzipien des grundschulgemäßen Fremdsprachenunterrichts an. Hieraus lässt sich die Relevanz einer Öffnung des Unterrichts erkennen, die den Anknüpfungspunkt für den dritten Teil dieser Arbeit darstellt.

Durch die Gegenüberstellung von Selbst- und Fremdbeurteilung wird das Dilemma zwischen traditioneller und neuer Lernkultur verdeutlicht. Zunächst wird der Leistungsbegriff im Fremdsprachenunterricht der Grundschule näher bestimmt. In einem weiteren Schritt wird auf Teilelemente einer neuen Lernkultur eingegangen. Anschließend wird die Fähigkeit der Selbstbeurteilung vorgestellt und daraus resultierende Kompetenzen der Schüler und Anforderungen an den Grundschulunterricht herausgearbeitet.

Da das Portfolio eine wichtige Funktion in einem didaktischen Gesamtkonzept erfüllt, das ganzheitliches, schülergerechtes und selbstständiges Lernen zum Ziel hat, wird dieses Konzept im nächsten Schritt vorgestellt. Die Portfoliobeurteilung macht die Schüler für ihr eigenes Lernen verantwortlich und gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Lernfortschritte zu dokumentieren.

Nach einem kurzen Überblick über die Entstehung und Geschichte des Portfoliokonzepts wird das Sprachenportfolio vom allgemeinen Portfolio abgegrenzt. Anschließend werden die Portfoliokonzepte der Länder Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen zunächst vorgestellt und schließlich in Bezug auf deren Eignung zur Selbst- und Fremdbeurteilung analysiert. In einem letzten Schritt wird versucht die Chancen und Grenzen des Portfolios aufzuzeigen.

1. Die Entwicklung des frühen Fremdsprachenunterricht

Englisch bereits in der Grundschule zu unterrichten wird seit einigen Jahren vermehrt diskutiert, doch ist diese Idee an sich nicht neu. Kurz nach dem ersten Weltkrieg wurden in den USA bereits erste Versuche mit Fremdsprachenunterricht in der Grundschule unternommen. Zur Zeit der Weimarer Republik wurde auch in Deutschland über diese Idee nachgedacht und die privaten Waldorfschulen führten 1920 Englisch und Französisch als Unterrichtsfächer ab der 1. Klasse ein. (Gompf 1995, 436).

An den staatlichen Schulen wurden in den 20er Jahren vereinzelt Versuche mit Englisch oder Französisch ab der 3. Klasse durchgeführt. Der Unterricht wurde bereits damals den inhaltlichen und methodischen Bedürfnissen der Grundschule angepasst. Mit dem Beginn des Dritten Reiches wurden aus politischen Gründen jedoch alle Versuche eingestellt.

Die Freien Waldorfschulen nahmen ihr bis heute noch aktuelles Konzept bereits 1945 wieder auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der frühe Fremdsprachenbeginn erneut in den USA wieder belebt. In Europa wurde dieses Konzept zunächst Mitte der 50er Jahre von Schweden aufgegriffen. Zeitgleich führte in den 50er Jahren auch die damalige DDR Russischunterricht für leistungsstarke Schüler ab Klasse 3 ein. In gesonderten Klassen erhielten die Schüler fünf und später vier Wochenstunden Russischunterricht. Ab Beginn der 60er Jahre zogen Frankreich und England mit Projekten nach. Jedoch waren zahlreiche Versuche nicht erfolgreich und wurden nach kurzer Zeit wieder eingestellt.

Durch Konferenzen der UNESCO und die intensiven Bemühungen des Europarates wurde auch von anderen europäischen Ländern der frühe Fremdsprachenunterricht aufgegriffen. Schweden führte 1972 Englisch für alle Schüler ab der 3. Klasse ein, Finnland und Norwegen folgten mit wahlweise Englisch oder Russisch ab der 3. Klasse. In Österreich wurde Englisch ab dem dritten Schuljahr 1978 zum verpflichtenden Unterrichtsfach und auch Ungarn zog mit, wobei dort vorerst in Klasse 4 mit dem Fremdsprachenunterricht begonnen wurde.

1992 führte Italien wahlweise Englisch, Deutsch oder Französisch obligatorisch für alle Grundschüler ein. In Spanien konnten die Grundschüler der 3. Klasse ein Jahr später zwischen Englisch oder Französisch wählen. Ab 1995 wurde auch in Frankreich flächendeckend Fremdsprachenunterricht ab der 3. Klasse angeboten. In der Bundesrepublik begannen in den 60er Jahren die ersten Versuche mit Fremdsprachenunterricht in der Grundschule in den Bundesländern Berlin, Nordrhein-Westfalen und Niedersachen. Jedoch waren diese nicht von langer Dauer. (Christ 2004, 449) In den 70er Jahren kam es durch eine Empfehlung der Kultusministerkonferenz von 1970 zu einer Intensivierung der Versuche. Aufgrund negativer Resultate einer britischen Studie über Französischunterricht ab der 3. Klasse in Großbritannien wurde die Reform Ende der 70er Jahre bzw. Anfang der 80er Jahre beendet.

Einen neuen Aufschwung erhielt die Diskussion über einen Fremdsprachen-Frühbeginn europaweit mit Beginn der 90er Jahre. Neben pädagogischen und lernpsychologischen Überlegungen spielte hier vor allem die veränderte politische Situation in Europa eine Rolle. Das Zusammenwachsen Europas forderte vermehrt fremdsprachliche Kompetenzen. (Christ 2004, 450) Überdies war die bisher muttersprachlich geprägte deutsche Grundschule durch den Zuzug von Ausländern und Umsiedlern zunehmend zu einem Ort multikultureller Erziehung geworden. Aber nicht nur das Zusammenwachsen Europas brachte die Notwendigkeit mit sich Englisch zu lernen, allgemein nahm die Kommunikation zwischen den Ländern und Kontinenten zu.

Im Zuge dieser Veränderungen begannen die Bundesländer, eigene Modelle des Fremdsprachenlernens in der Grundschule zu erarbeiten. Mit dem Schuljahr 2004/2005 wurde der frühe Fremdsprachenbeginn flächendeckend eingeführt. Bis auf Baden-Württemberg, wo der Unterricht bereits mit Klasse 1 beginnt, wird der Frühbeginn ab der 3. Klasse angeboten. Punktuell gibt es aber auch in den übrigen Bundesländern Unterricht ab Klasse 1.

2. Fremdsprachendidaktik in der Grundschule

Durch das Zusammenwachsen Europas gewinnt die Kenntnis von Fremdsprachen immer mehr an Bedeutung. (Rahmenplan 1995, 242; Christ 2004, 450 ). Entsprechend den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz soll die Grundschule die Möglichkeit zur Begegnung einer fremden Sprache anbieten. Die einzelnen Bundesländer folgen dieser Empfehlung zwar auf unterschiedliche Art, gemein ist jedoch allen Projekten, dass die Schüler für fremde Sprachen sensibilisiert werden sollen.

Kinder im Grundschulalter begegnen täglich sowohl in der Schule, als auch in ihrer Freizeit anderen Kulturkreisen und Sprachen. Auch die Medien haben einen großen Anteil daran, dass fremde Sprachen fester Bestandteil der schulischen und außerschulischen Wirklichkeit der Kinder sind. Die Kinder erfahren immer mehr über fremde Länder und Kulturen, sie konsumieren Waren aus fremden Ländern oder fahren dorthin in den Urlaub. Aus all diesen Sprachbegegnungen lassen sich Begründungen für einen frühen Fremdsprachenunterricht ableiten. Diese werde ich nun im kommenden Kapitel erläutern.

2.1 Theoretische Begründungen des frühen Fremdsprachenunterrichts

Kinder haben heutzutage bereits früh Kontakt zu Anglizismen oder auch reinen englischen Lexemen, sei es durch Medien, Werbung, Computerspielen, Sport oder die Umgangssprache (Schmid-Schönbein 2001; Klippel 2000). Diese sind zum Teil direkter Bestandteil der kindlichen Erlebniswelt. Zahlreiche dieser Begriffe sind ein fester Bestandteil des deutschen Wortschatzes und sind zudem im Rechtschreibduden fest verankert (z.B. Computer, Mountainbike, Cheeseburger, Inlineskates oder Playstation®), ohne dass den Kindern bewusst ist, dass es sich dabei um Anglizismen handelt.

Fast in allen Lebensbereichen tauchen heute fremde Sprachen auf. Auf Lebensmitteln findet man Beschriftungen in mehreren Sprachen, die Namen der Lebensmittel sind oft international wie beispielsweise Popcorn, Hamburger, Pizza oder Cornflakes und zahlreiche Bezeichnungen und Begriffe wie Computer, Mp3-Player oder downloaden und chatten sind nicht mehr wegzudenkende Bestandteile schriftlicher und mündlicher Alltagskommunikation. Somit werden Kinder bereits von klein auf mit fremden Sprachen konfrontiert.

Ein weiteres Argument findet sich in der Europäische Einigung und Globalisierung. Mehrsprachigkeit gilt als eine der Schlüsselqualifikationen, um in der heutigen Zeit auf die Aufgaben im Beruf und in der Gesellschaft ausreichend vorbereitet zu sein. Mit der Öffnung des Europäischen Binnenmarktes ist der Bedarf an qualifizierten mehrsprachigen Arbeitskräften gestiegen. Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich in Europa bewegen und die sich für die Sicherung ihres Arbeitsplatzes engagieren, brauchen Fremdsprachenkompetenz. Mehrsprachigkeit muss für uns Alltag werden, denn Europa als Wertegesellschaft und Lebensraum benötigt mehrsprachige Bewohner, die sich untereinander verständigen können (Klippel 2000). Das bedeutet nicht, dass jeder möglichst viele Sprachen aktiv beherrschen muss – es bedeutet, dass rezeptive Sprachkenntnisse erworben und entwickelt werden: wir müssen lernen, uns zu bemühen, einander zu verstehen (Gogolin 2003, 106).

Mit dem Frühbeginn des Fremdsprachenunterrichts werden aber auch pädagogische Ziele verfolgt. Kinder begegnen in ihrer Lebenswelt einer Vielzahl von Kulturen und Sprachen. Durch den Anteil ausländischer Mitschüler oder Freunde haben die meisten Kinder direkten Kontakt zu fremden Sprachen. Auf diesem Weg erhofft man sich eine Erziehung zur Weltoffenheit, Toleranz und Kontaktfreudigkeit gegenüber fremden Kulturen (Klippel 2000). Somit führt der Fremdsprachenerwerb zum Kennen lernen fremder Kulturen und unterstützt somit bereits früh Verständnis und Toleranz.

Doch nicht nur in der Schule, sondern auch im Freizeitbereich finden sich durch die Zunahme des Medienkonsums entsprechende Konfrontationen mit verschiedenen Sprachen. Die Kinder lesen Harry Potter™ oder diverse Comics, fahren Skateboard oder mit ihren Inlineskates und spielen mit Playmobil® oder mit dem Gameboy®

Auch die Entwicklung der modernen Medien spricht dafür, Kinder bereits früh mit fremden Sprachen vertraut zu machen. Schließlich haben Fernseher, Computer und Internet längst den Einzug in die Kinderzimmer gehalten.

Die traditionelle Grundschule mit alleiniger Konzentration auf die Muttersprache entspricht aus dieser Sicht nicht mehr der tatsächlichen Lebenswelt der Kinder.

2.2 Aufgaben und Ziele des frühen Fremdsprachenbeginns

Globales Ziel des Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule ist es, die Schüler zur „elementaren mündlichen Verständigung in Alltagssituationen“ zu befähigen (Die hessischen Fachberaterinnen und Fachberater für Englisch in der Grundschule 2004, 2). Aus diesem Grund wird der Unterricht so gestaltet, dass eine fremdsprachliche Handlungsfähigkeit systematisch aufgebaut werden kann und darüber hinaus die Schüler befähigt, mit Menschen anderer Nationalität, Sprache und Kultur umzugehen. Die fremde Sprache wird somit als Brücke zum Fremden erfahren. Um dieses zentrale Lernziel zu erreichen steht das Sprechen und Hörverständnis im Mittelpunkt des Unterrichts während das Lesen und Schreiben eher eine unterstützende Funktion verfolgt (Die hessischen Fachberaterinnen und Fachberater für Englisch in der Grundschule 2004; Schmid-Schönbein 2001).

Neben diesem zentralen Ziel sollen die Kinder aber auch interkulturelle Kompetenzen erwerben. Die Schüler entdecken im Fremdsprachenunterricht nicht nur Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Alltagskultur zweier Länder, sondern sie lernen auch, sich selbst und ihre Umgebung mit anderen Augen zu sehen. Die intensive und exemplarische Auseinandersetzung mit einer Fremdsprache und einer fremden Kultur führt bei den Schülern zu einem deutlich größeren Interesse und einer Offenheit für andere Sprachen und Kulturen. Die Schüler werden durch das frühe Fremdsprachenlernen für die Probleme ihrer ausländischen Mitschüler mit geringeren Deutschkenntnissen sensibilisiert. Den ausländischen Schülern wiederum fällt es leichter, ihre persönlichen Kulturerfahrungen und ihre Muttersprache bei interkulturellen Themen und Projekten einzubringen.

Ferner soll die Freude am Umgang mit anderen Sprachen geweckt werden und somit der Weg zu einem lebenslangen Sprachenlernen geebnet werden. Dafür ist es von großer Wichtigkeit, dass die Motivation und das Selbstvertrauen der Schüler gefördert wird (Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen 2001). Die positive Einstellung fremder Sprachen gegenüber soll „so weit gefestigt und damit erhalten bleiben[…], dass die […] Schüler in den Sekundarstufen davon profitieren (Schmid-Schönbein 2001, 52). Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden, wenn gleichzeitig der Aufbau von Selbstbewusstsein, Sprachbewusstheit und kultureller Bewusstheit erfolgt.

2.2.1 Aufbau von Selbstbewusstsein

Schmid-Schönbein (2001) empfiehlt die Schüler bereits in den ersten Stunden mit englischen Begriffen zu konfrontieren, die sie bereits kennen oder zumindest verstehen, um ihnen eine erste Selbstbestätigung zu vermitteln. „Damit ist gemeint, dass von Anfang an in den Lernenden die Gewissheit etabliert wird, das sie schon eine Menge Englisch „können“ (im Sinne von „kennen“) sowie verstehen […].“ (Schmid-Schönbein 2001, 54).

2.2.2 Sprachbewusstheit

Der Begriff Sprachbewusstheit beschreibt vor allem das explizite Wissen über Sprache. Diese Bewusstheit kommt dann zustande, wenn die Muttersprache durch den Kontrast zu einer anderen fremden Sprache bewusst, verinnerlicht und erkannt wird (Schmid-Schönbein 2001, 55). Ein sprachbewusster Mensch ist in der Lage, die eigene Muttersprache genauestens zu analysieren und gleichzeitig eine fremde Sprache zu lernen. Somit bezeichnet die Sprachbewusstheit auch die Fähigkeit der Beherrschung der eigenen Muttersprache und die Bereitschaft zum Lernen anderer fremder Sprachen.

„Der wesentliche Gewinn des frühen fremdsprachlichen Lernens liegt demnach nicht beim Verfügen über Redemittel aus einer anderen Sprache, sondern darin, daß die Kinder zu einem differenzierteren Verhältnis zu Sprache überhaupt und zu ihrem eigenen Sprachgebrauch gelangen.“ (Gogolin 1995, 106).

2.2.3 Kulturelle Bewusstheit und interkulturelle Kompetenz

Das Leben der Kinder ist bereits von klein auf multikulturell. Bereits im Kindergarten oder in der Nachbarschaft treffen sie auf Kinder bzw. Familien aus anderen Kulturkreisen. Im Rahmen interkultureller Kompetenzentwicklung „sollen Kenntnisse, Einstellung und Fertigkeiten [erworben werden], die es ermöglichen […] mit Vertretern anderen Kulturen zu kommunizieren, ihre Sprache und Kultur zu respektieren […].“ (Schmid-Schönbein 2001, 60). Dies alles geschieht vor dem Hintergrund der eigenen kulturellen Bewusstheit, die zum einen die Erkenntnis der eigenen Werte und Traditionen und zum anderen den Respekt gegenüber fremd erscheinenden kulturspezifischen Werten und Traditionen zum Ziel hat. Daher soll der Unterricht zum „besseren Umgang mit sprachlicher Heterogenität und Pluralität […] befähigen, die zu den alltäglichen Spracherfahrungen der Menschen in der mehrsprachigen, multikulturellen Gesellschaft gehören.“ (Gogolin 1995, 108).

2.3 Stellenwert der vier Sprachfertigkeiten

Wie im Rahmenplan (1995) beschrieben, bilden das Hörverstehen und Sprechen die Grundlage des Fremdsprachenunterrichts, wohingegen das Schreiben und Lesen eher in den Hintergrund treten. Diese Fertigkeiten werden gerade in der Grundschule nicht isoliert geübt, sondern auf natürliche Weise miteinander verknüpft. Schließlich kann man nur mit jemanden sprechen, wenn man ihn auch versteht, und man kann nur etwas schreiben, wenn man auch lesen kann. (Klippel 2000). Ziel des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts soll zum einen die flüssige und zum anderen die korrekte Sprachverwendung sein. Jedoch weist Klippel (2000) ausdrücklich darauf hin, dass man sich nicht nur auf ein Ziel konzentrieren sollte, sondern beide Ziele in einem ausgeglichen Verhältnis im Unterricht zum Tragen kommen lassen sollte. Ansonsten läuft man Gefahr, dass sich entweder Fehler derart festigen, dass sie nur noch schwer auszumerzen sind, oder die Schüler durch zu häufiges Korrigieren die Motivation für das Fremdsprachenlernen verlieren. Sie schlägt daher vor, dass gerade bei Übungen zum flüssigen Sprechen Fehlerkorrektur eher in den Hintergrund tritt und dass bei Übungen zum korrekten Sprechen eine gezielte Fehlerkorrektur angewendet wird.

2.3.1 Das Hörverstehen

Zu Beginn des Fremdsprachenlernens steht die Entwicklung des Hörens und Hörverstehens im Mittelpunkt. Die Schüler lernen, sich auf den Klang der fremden Sprache einzulassen und trainieren so die Fähigkeit, Wörter aus dem Zusammenhang zu erschließen. Daher ist das Hörverstehen die Grundlage des Spracherwerbs (Schmid-Schönbein 2001, 63). Da diese Fertigkeit nicht wie das Sprechen gelernt werden kann, „können nur Situationen geschaffen und Materialien präsentiert werden, an denen die Schülerinnen und Schüler sich versuchen. […]. (Hermes 1998, 221). Gerade zu Beginn des Lernprozesses ist es wichtig, dass die Schüler sich zunächst an den Klang der „neuen“ Sprache gewöhnen. Das Hörverstehen ist jedoch nicht als passiver Prozess zu verstehen, sondern wird insbesondere durch Mimik, Gestik und Wiederholungen unterstützt. Eine sinnvolle Möglichkeit bieten in diesem Zusammenhang Aktivitäten, bei denen die Schüler ihr Sprachverständnis durch eine Handlung verdeutlichen. In Kapitel 2.4.2 werde ich auf diese Aktivitäten noch näher eingehen.

2.3.2 Das Sprechen

Neben dem Hörverstehen ist das Sprechen die bedeutendste Fertigkeit im kommunikativen Fremdsprachenunterricht der Grundschule, denn am Ende der 4. Klasse sollen die Schüler in der Lage sein, alltägliche Situationen in der Fremdsprache zu meistern (Klippel 2000, Die hessischen Fachberaterinnen und Fachberater für Englisch in der Grundschule 2004). Daher ist es wichtig, dass der Unterricht möglichst viele Sprechsituationen bietet, die alters- und kindgemäß sind.

Da es Kinder große Freude bereitet mit Sprache zu spielen und in fremde Rollen zu schlüpfen, sind beste Voraussetzungen für einen überwiegend mündlichen Unterricht gegeben. Außerdem gibt der Fremdsprachenunterricht vorrangig den Einstieg in die gesprochene Sprache, und somit hat die mündliche Kommunikation Vorrang vor der schriftlichen. (Rahmenplan 1995, 244). Für Kinder, die sich vor dem Gebrauch der neuen Sprache noch ein wenig hemmen, ist der Einsatz von Handpuppen sehr hilfreich.

2.3.3 Das Lesen und Schreiben

Lesen und Schreiben werden laut Rahmenplan (1995) nicht als eigenständige Fertigkeiten in den Unterricht mit einbezogen. Ihnen wird vielmehr eine das Lernen unterstützende Funktion zugeschrieben. (Klippel 2001, 125). Dies zeigt sich darin, dass obwohl der Unterricht überwiegend mündlich abläuft, Flashcards denjenigen Schülern helfen, die das Schriftbild als Lernhilfe benötigen. „Gelesen wird nur das, was als Lautbild bereits bekannt, in seinem Bedeutungsgehalt erfasst und vielfältig mündlich geübt wurde […]. An das Schreiben der Fremdsprache werden die Kinder durch Abschreiben einzelner Wörter und kurzer Sätze, die aus mündlicher Anwendung und durch Leseaufgaben vertraut sind, herangeführt.“ (Rahmenplan 1995, 247)

2.4 Didaktische Prinzipien

Der Fremdsprachenunterricht in der Grundschule bedeutet die bewusste Vernetzung und Integration grundschulpädagogischer und fachdidaktischer Aspekte. Der Fremdsprachenunterricht muss also so konzipiert und methodisch umsetzbar sein, dass die Kinder ihrem Entwicklungsstand entsprechend angesprochen werden. Aus diesem Grund folgen die didaktischen Prinzipien und die Inhalte und Ziele des Fremdsprachenunterrichts dem Rahmenplan für die Grundschule (Rahmenplan 1995, 245/246; Die hessischen Fachberaterinnen und Fachberater für Englisch in der Grundschule 2004).

Um dem Ziel eines lebenslangen motivierten und selbstständigen Fremdsprachenlernens nachzukommen, müssen Kinder schon in der Grundschule an entsprechende Lernstrategien herangeführt werden. In der Literatur wird stets betont, dass der Unterricht kindgemäß gestaltet werden sollte (Gogolin 2003, Klippel 2000).

Hierunter werden vor allem methodische Arrangements wie die folgenden verstanden: Das Lehren soll kurze, über die Schulwoche großzügig verteilte Zeitsequenzen umfassen: es soll keine explizite sprachliche, sondern eine thematische Progression verfolgen werden, die inhaltliche Interessen der Kinder widerspiegelt; der Unterricht stützt sich hauptsächlich auf spielerische Elemente und soll ein Primat der Mündlichkeit einhalten; eine angstfreie Lernatmosphäre soll geschaffen werden, die unter anderem dadurch zustande komme, dass auf Hausaufgaben […] verzichtet wird. Zu den methodischen Arrangements des Unterrichts nach diesem Grundverständnis gehört auch die Organisation von grenzüberschreitenden Partnerschaften und ’Begegnungen’ zwischen Schulklassen, die jeweils die Sprache der anderen lernen.“ (Gogolin 2003, 107)

Im Folgenden möchte ich einige der hier genannten Aspekte näher erläutern.

2.4.1 Ganzheitliches Lernen

Im Rahmen eines ganzheitlichen Unterrichts sollen alle Sinne der Kinder für die Aufnahme der fremden Sprache nutzbar gemacht werden. Sinnliche Erfahrungen durch vielfältige Tätigkeiten können zum einen zu besseren Gedächtnisleistungen führen und zum anderen ermöglichen sie einen abwechslungsreichen Unterricht, der die Kinder zusätzlich motiviert (Leopold-Mudrack 1998, 97).

„Sprache und Handlung bzw. Bewegung werden miteinander verbunden, und es werden Situationen geschaffen, in denen eine entspannte, vertraute Atmosphäre entstehen kann mit Themen und Methoden, die die Kinder im umfassenden Sinne ansprechen und bewegen.“
(Mayer 2003, 66). Die Begegnung mit der Sprache wird als ganzheitlich aufgefasst, da es nicht nur um das Kennen lernen einer neuen Sprache geht oder deren Wahrnehmung, sondern zusätzlich auch um interkulturelles Lernen und Kommunikation. (Christ 2004, 451).

2.4.2 Spielbetontes Lernen

Spielerisches Lernen entspricht dem kindlichen Entwicklungsstand in der Grundschule. Da im Spiel die Konzentration auf das Spielziel gerichtet ist, lernen Kinder im Grunde nebenbei. Daraus ergibt sich, dass wenn das Spielziel motivierend ist, die Schüler die fremde Sprache völlig ungezwungen benutzen und sie auch gleichzeitig üben, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. (Klippel 2000, 129). Generell bietet das Spiel den Lernenden eine gute Möglichkeit in der Fremdsprachenumgebung zu handeln, ohne zwingend auf eine aktive Sprachproduktion angewiesen zu sein. Für Klippel (2000) nimmt das Spielen im Englischunterricht der Grundschule daher einen sehr großen Stellenwert ein. Sie weist aber auch darauf hin, dass es nicht immer leicht ist zwischen spielerischem und nicht-spielerischem Lernen zu unterscheiden. Solange die Kinder jedoch mit Freude bei der Sache sind, ist diese Unterscheidung ihrer Meinung nach auch nicht zwingend notwendig. Spiele ermöglichen dem Lehrer zusätzlich die Schüler in kommunikativen Situationen zu beobachten und ihr Sprachkönnen zu beurteilen. Aus diesem Grund stellen mündliche Spiele auch die wichtigste Kategorie dar. Durch sie können sowohl Sprechfertigkeit als auch Hörverstehen geübt und überprüft werden.

[...]


[1] Aus Gründen der Lesbarkeit wird in dieser Arbeit auf die Formulierung Schüler/Schülerin verzichtet. Gleichwohl sind aber beide Formen gemeint. Alternativ wird auch die neutrale Bezeichnung Lernende verwendet.

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Detalles

Título
Selbst- und Fremdbeurteilung mit dem Portfolio im Fremdsprachenunterricht der Grundschule
Universidad
Justus-Liebig-University Giessen  (Allgemeine Didaktik der Grundschule)
Calificación
1,0
Autor
Año
2006
Páginas
72
No. de catálogo
V52437
ISBN (Ebook)
9783638481526
ISBN (Libro)
9783656247142
Tamaño de fichero
2311 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Selbst-, Fremdbeurteilung, Portfolio, Fremdsprachenunterricht, Grundschule
Citar trabajo
Ute Geller (Autor), 2006, Selbst- und Fremdbeurteilung mit dem Portfolio im Fremdsprachenunterricht der Grundschule, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52437

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