Welche Bedeutung hat Spiritualität für die Pädagogik? Wie Lehrkräfte spirituelle Praktiken im Unterricht einsetzen können


Livre Spécialisé, 2020

66 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Bezugnahme zum Studienprojekt (2018/19)

2 Theorien, Methodik und Definition der im Kontext relevanten Begriffe
2.1 Evolution und Spiritualität
2.2 Theorien
2.3 Methodik

3 Spiritualität – was ist das?
3.1 Spiritualität und Bildungsarbeit – eine kurze Retrospektive
3.2 Spiritualität, ein Grundbedürfnis?
3.3 Spiritualität als Sinn
3.4 Spiritualität als Verbundenheit

4 Spiritualität in der Pädagogik
4.1 Spirituelle Praktiken als Unterrichtsmittel

5 Zusammenfassung und Beantwortung der Forschungsfrage

6 Schlussbetrachtungund Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

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Impressum:

Copyright © Science Factory 2020

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Abstract

Diese hier vorliegende Arbeit widmet sich der Relevanz des Phänomens der Spiritualität für die Bildungsarbeit aufgrund dessen kulturhistorischen Verflechtung mit der Pädagogik. Die Frage nach einem zeitgemäßen Verständnis der Spiritualität und dessen allfällige Verwertbarkeit für die Bildungsarbeit in einer hochtechnisierten neoliberalen Gesellschaft werden einer philosophischen Betrachtung unterzogen. Hierzu werden Ergebnisse aus Humanmedizin, Psychologie, Biologie, Bio- und Quantenphysik sowie deren Relevanzbezüge zur Thematik aufgegriffen und zueinander in Kontext gesetzt. Eine grundlegende Definition wird aus diesen abgeleitet und die zentralen Komponenten in den Fokus genommen.

Auf Basis eines an der klassisch-idealistischen Epoche angelehnten und aus der Aufklärung jener Zeit hervorgegangenen Welt- und Menschenbildes, werden die Ergebnisse eines 2018/19 durchgeführten Forschungsprojektes und deren Relevanz für die Bildungsarbeit skizziert und durch natur- und geisteswissenschaftliche Theorien auf transdisziplinärer Ebene analysiert. Die sich daraus abzeichnenden Deutungsrahmen für Fragen nach der Sinnhaftigkeit der menschlichen Existenz sowie die Erkenntnis der kollektiven Vernetzung und Abhängigkeit jeglichen Lebens innerhalb und außerhalb des Ökosystems Planet Erde werden verdeutlicht. Die Ergebnisse dürfen in weiterer Folge als Diskussionsgrundlage für die Erweiterung der aktuellen Lehrpläne und deren Inhalte durch die exemplarisch beschriebenen Methoden und Interventionen dienen und für die Begegnung mit aktuellen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen von Nutzen sein.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Seit der griechischen Antike sind Philosophen und Gelehrte der Spur nach der Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Daseins bereits hinterhergewandert. Eine reichhaltige Fülle möglicher Antworten ließ sich inzwischen zutage fördern, wovon viele auf die Existenz eines höheren, gemeinsamen Geistes hinweisen. Je weiter der Mensch in der Evolution vorangeschritten war, umso mehr verhalfen ihm die Errungenschaften der Wissenschaften seine eigene Existenz sicherer, komfortabler und mehr auf die Zukunft ausgerichtet zu gestalten.

Aus diesen immer kontrollierbareren Entwürfen für ein gelingendes Leben in einer intakten Gesellschaft erschloss sich die Menschheit Wissen und Erkenntnis über die Mechanismen der Natur von der Erscheinung der Formen bis in die kleinsten Einheiten organischen Lebens. Auf dem Weg zu diesem höheren, gemeinsamen Geist wurden Krankheiten überwunden und Kriege geführt, aber auch Spezies verdrängt und Arten ausgelöscht. Dennoch erkennt sich der Mensch heute noch als vernunftbegabtesWesen (Oscar Wilde), wobei es immer augenscheinlicher wird, dass die etablierten Maßstäbe von Vernunft die Menschheit und das gesamte Gefüge des Organismus Erde an eine entscheidende Weggabelung geführt haben.

Die Frage nach dem Sinn scheint entweder in den Hintergrund getreten oder durch die vorgegebenen Maximen eines „Schneller, Höher, Weiter“ der letzten zwei Jahrhunderte in einem Höchstmaß verblasst. Der Mensch des 21. Jahrhunderts sieht sich konfrontiert mit einer Vielzahl an Herausforderungen und darüber hinaus integriert in einem umfassenden systemischen Kontext, in welchem er nur mehr stark eingeschränkt in der Lage ist ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Er sieht sich den zunehmenden Verwerfungen aus Wirtschafts- und Finanzsystem „alternativlos“ ausgeliefert und ist gleichzeitig konfrontiert mit einer Spaltung durch Ideologien, welche wie unüberwindbare Graben mitten durch die Gesellschaft führen. Die Möglichkeit sich davon abzuwenden und sich nur um die persönlichen Belange zu kümmern ist kaum mehr gegeben.

In der zivilisierten westlichen Gesellschaft, in welcher es jedem offen steht aus einer Fülle an Möglichkeiten für jegliche Bedürfnisse zu wählen, ist die Frage nach dem Sinn zu einer entscheidenden Orientierungsmarke für die psychische und physische Befindlichkeit geworden. Auch wenn prognostiziertes Wachstum Verbesserungen unbegrenzten Ausmaßes in Aussicht stellt, so spürt der Einzelne von diesen Entwicklungen oftmals nur die negativen Auswirkungen.

Ein sinnerfülltes Dasein bedeutet in der heutigen Zeit nicht mehr nur das tägliche Überleben und ein Dach über dem Kopf. Das Bedürfnis, seine eigenen Fähigkeiten sinn-bringend mit der Gesellschaft zu teilen und daraus nicht nur monetären, sondern vor allem ideellen Nutzen zu ziehen, wird zusehends wichtiger. Die Qualität des eigenen Daseins lässt sich nicht mehr nur in quantitativen Maßstäben messen, dem Menschen verlangt es nach Bedeutung und Zweck der von ihm für die Gemeinschaft eingebrachten Lebenszeit. Der Begriff der Work-Life-Balance ist zum Synonym geworden dem täglichen Voranschreiten auch qualitative Bedeutung beizubringen, und diese vor allem, aber nicht nur zum Wohle des Ganzen.

Qualitäten wie Fürsorge, Großzügigkeit, Nächstenliebe scheinen als leere Worthülsen vermehrt wieder mit Hingabe, Aufopferung, Mut und Zuversicht gefüllt zu werden, um den absehbaren Fehlschlägen eines mechanistisch und materialistisch geprägten Gesellschaftssystems zu begegnen. Auch wenn die lenkenden Instanzen unseres westlichen Wertesystems weder fähig noch willens zu sein scheinen, möglichen und nötigen Veränderungen verantwortungsvoll zu begegnen und diese zur Umsetzung zu bringen, entstehen an der Wurzel der Gesellschaft vermehrt Bewegungen und Initiativen. Gemeinschaften, welche sich dem verantwortungslosen Treiben nicht länger anschließen wollen, sondern sich ihrerseits um alternative Handlungsstrategien bemühen und zukunftsfähige Strukturen für eine nachhaltige gemeinsame Zukunft zu verwirklichen beginnen.

Diese Modelle und Methoden für eine zukunftsfähige und moderne Gesellschaft, getragen von Respekt für alles Lebendige und der notwendigen Resilienz, existieren nicht erst seit gestern. Sie sind nicht nur bereits seit Jahrzehnten in der Probephase, sondern vielfach schon in der Anwendung angekommen. Dennoch lassen sich die bestehenden Strukturen nicht ohne weiteres ablösen oder gar ersetzen. Alle tragenden Bereiche der Gesellschaft sind, ähnlich dem Beispiel des Organismus Erde, komplex ineinander verwoben und voneinander abhängig. Dennoch ist der Mensch in der Lage, wie schon so oft, aus gemachten Fehlern zu lernen und sich den notwendigen Veränderungen zu stellen.

So wie der Mensch und das Menschenbild sich verändern, so tut es auch die Welt und das Abbild von ihr und je weiter wir voranschreiten, desto mehr wird offensichtlich, wie sehr die Menschheit als Gesamtes voneinander abhängig ist. Ein zeitgemäßes Bewusstsein in den heranwachsenden Gesellschaften zu inspirieren und zu etablieren ist die Aufgabe der Pädagogik.

Seit jeher ist es das Metier dieses Wissenschaftsbereiches, aktuelle Erkenntnisse aus anderen Disziplinen in dessen Welt- und Menschenbild zu implementieren, gleichzeitig aber auch die nötigen Maßnahmen zu setzen, um den Fortbestand der Gesellschaft durch die Formung fähiger und williger Teilnehmer an den Prozessen dieser modernen Welt sicherzustellen. Oftmals scheint es eine schwierige Herausforderung, da die entwickelten Bildungskonzepte ja offensichtlich dem Zeitgeist stets hinterher zu hinken scheinen. Gleichzeitig ist ein steigendes Maß an Energieaufwand nötig, um die bestehenden Verhältnisse aus Verwaltung und Konsum weiter in die Zukunft zu führen. Und immer mehr sehen wir die heranwachsenden Mitglieder unserer Gesellschaft verwirrt und verloren zwischen Sucht und Depression.

Ein Gefühl der Ohnmacht und des Nicht-Gewachsen-Seins der aktuellen Elterngeneration und die immer wiederkehrenden Forderungen nach Erfolg bei gleichzeitigem Lebensglück scheinen zumeist als unvereinbare Gegensätze. Der Mensch von heute hat sich ständig zu entscheiden. Er wird gedrängt, immer weiter voranzuschreiten und immer mehr zu leisten, ohne jemals die Frage nach dem Wofür zu stellen. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Tuns und der Wunsch nach Beständigkeit des Seins, fordern wie seit jeher ihre Antwort.

Es mag befremdlich erscheinen, sich als Akademiker mit derartigen Belanglosigkeiten zu beschäftigen. Bewegt man sich als Praktiker im sozialpädagogischen Feld, werden hierin aber nicht nur menschliche Defizite und pathologische Symptome deutlich. Immer mehr lässt sich auch erkennen, dass das systematische Gefüge, in welchem wir alle eingebettet sind und welches wir dadurch auch mittragen, dem aktuellen Bild des Menschen nicht mehr ausreichend gerecht werden kann.

„Wer ein Problem erkannt hat, jedoch nichts zu seiner Lösung beiträgt, wird selbst Teil des Problems“, soll einst der große Albert Einstein gesagt haben. Es soll uns an dieser Stelle eine Erinnerung sein, dass es uns immer auch möglich ist die Wahl zu treffen, wenn wir nur den Mut zur Veränderung aufbringen können. Welche Optionen der Wahl uns zur Verfügung stehen, ist immer auch eine Frage des zugrundeliegenden Wissens über diese Wahl. Vieles, woran einst geglaubt wurde, ist inzwischen durch empirische Ergebnisse widerlegt worden. So finden sich auch in den verschiedenen wissenschaftlichen Feldern Indizien, die ein Umdenken nicht nur ermöglichen, sondern dringend erforderlich machen. Die Basis für Veränderungen ist meist in einer Erweiterung des Wissens durch neue Informationen begründet, die eine andere Art des Voranschreitens erfordern. Impulse und Inhalte für derartige Veränderungen, sollen im Folgenden näher behandelt werden.

Beschäftigt man sich mit der menschlichen Befindlichkeit, so ist es notwendig so dicht als möglich am Individuum anzusetzen. Jene Wissenschaftsdisziplinen, welche sich damit beschäftigen, sind die Biologie und die Psychologie. Die inneren Prozesse des Menschen, sein Denken und Fühlen und die sich daraus ableitenden Handlungen sind nach wie vor zentralerAnsatzpunkt in der Psychologie. Die Frage nach dem Warum und Wofür lässt sich hier am ehesten stellen. Doch was bringt den Menschen in die Situation überhaupt danach zu fragen? Ist es nicht offensichtlich, dass sich der Mensch der westlich zivilisierten Welt in einer äußerst privilegierten Situation befindet?

Auf Basis der Einsicht über diese privilegierte Situation darf sich die Wissenschaftsdisziplin der Erziehungs- und Bildungswissenschaften die Frage stellen, inwieweit das aktuelle Welt- und Menschbild den Anforderungen der aktuellen Stufe der Evolution gerecht werden kann. Die Verantwortung hierfür liegt begründet in der Tatsache, dass das gesellschaftlich vorherrschende Welt- und Menschenbild durch die in den einzelnen Bildungsetappen tätigen Pädagogen an die heranwachsenden Generationen weitergegeben und vermittelt wird. Weiters orientieren sich die Lehrpläne und Schulformen an den Anforderungen der gesellschaftlichen Strukturen, in denen sie eingebettet sind.

Seit der Epoche der Aufklärung und den dadurch begründeten Individualisierungsprozessen findet eine sich stets beschleunigende Entwicklung in Technologie und Ökonomie statt. Diese hat zu jenem Niveau an Wohlstand und Sicherheit geführt, in welchem sich die westlich-industrialisierten und neoliberalistisch geprägten Gesellschaften heute befinden. Gleichsam werden allerdings auch erhebliche Defizite und Probleme wie beispielsweise die vieldiskutierte Klimaerwärmung, die steigende Umweltverschmutzung, der stets wachsende Energiebedarf und die nicht enden wollenden Konflikte in vielen Regionen des Planeten immer offensichtlicher. Diese lassen sich anhand statistischer Daten den erwähnten Entwicklungen zuschreiben und machen deutlich, dass eine Fortführung des Wirtschaftens entlang der Maximen des grenzenlosen Wachstums bei begrenzten Ressourcen nicht nur den Fortbestand dieser hochentwickelten Gesellschaft, sondern der Menschheitsfamilie als Ganzes gefährdet.

Welche Veränderungen im Welt- und Menschenbild notwendig sind, um zu einer gedeihlichen Weiterentwicklung des einzelnen Menschen und der Menschheitsfamilie als Ganzes beizutragen, kann im Rahmen dieser Arbeit nur unzureichend beantwortet werden. Dennoch kann ein neues Verständnis des Phänomens Spiritualität Impulse liefern, um Zusammenhänge und Wirkmechanismen auf gesellschaftlicher und globaler Ebene aus anderen Perspektiven zu betrachten.

Zum einen, um allgemeinere Mechanismen des Ökosystems Planet Erde in welchem der Mensch eingebettet ist, zu verdeutlichen. Zum anderen, um das aktuell vorherrschende Menschenbild des Homo oeconomicus und das mechanistische Weltbild der Natur und des Planeten als verwertbare Ressourcen abzulösen und dadurch zukunftsfähigere Visionen für ein gedeihliches Miteinander als global verbundene Menschheitsfamilie zu verwirklichen.

Das zentrale Thema der vorliegenden Arbeit ist die Relevanz des Phänomens Spiritualität und dessen Verwertbarkeit für die pädagogische Arbeit. Ziel dieser Arbeit ist es, zu einem erweiterten Verständnis des Phänomens der Spiritualität beizutragen. Hierzu werden aktuelle Forschungsergebnisse aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen herangezogen, miteinander in Bezug gesetzt und durch die Ergebnisse eines in den Jahren 2018/19 vom Autor dieser Arbeit durchgeführten Forschungsprojektes und dessen Ergebnissen ergänzt.

Durch die Komplexität der dargestellten Themenbereiche und den beschränkten Rahmen dieser Arbeitist eine tiefergehende Analyse in allen Einzelheiten nicht möglich, und die Arbeit erhebt daher auch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Die Vernetzung der grundlegenden Ansätze zu einem für das Thema relevanten Gesamtbild öffnet jedoch den Raum für weiterführende Forschung und Diskussion.

Bezugnahme zum Studienprojekt (2018/19)

Die Ergebnisse eines in den Jahren 2018/19 durchgeführten Studienprojektes decken sich mit den bisher vorliegenden Forschungsergebnissen zum Phänomen der Spiritualität aus den unterschiedlichsten Disziplinen (Warnke 2017, Bucher 2014, Büssing 2011). In dieser Erhebung wurden qualitative Leitfadeninterviews zum Verständnis von Spiritualität mit Repräsentantinnnen und Repräsentanten unterschiedlicher Altersgruppen durchgeführt. Die TeilnehmerInnen unterschiedlichen Alters (25, 31, 34, 42, 52, 70) wiesen alle einen akademischen Hintergrund aus unterschiedlichen Bereichen auf und sprachen über ihr aktuelles Verständnis des Phänomens.

Sie schilderten ihren Werdegang und den Entwicklungsverlauf ihrer spirituellen Genese und erzählten über ihre aktuelle Einschätzung betreffend der Wichtigkeit des Themas, mögliche Relevanzbezüge für den Bereich der Erziehungs- und Bildungswissenschaften sowie die Sichtbarkeit der Thematik in ihrem sozialen Umfeld und der Gesellschaft derer sie sich zugehörig fühlen. Entlang dieses Längsschnittes wurden sowohl die initialen Momente in der Auseinandersetzung, als auch progressive Entwicklung des Verständnisses der Thematik deutlich und bestätigten auch hierin die bisherige Forschungslage betreffend der Entwicklung der Spiritualität des Individuums.

Besonders in den Interviews mit den im psychosozialen Berufsfeld tätigen TeilnehmerInnen wurden Anhaltspunkte für weiterführende wissenschaftliche Auseinandersetzung für mich deutlich. Zum einen zeigt sich im Rahmen der Tätigkeit einer Psychotherapeutin die Frage nach dem Sinn, welche ihr in einer Therapiesitzung von einem jungen Mädchen gestellt wurde:

„…da wird es schon noch einmal hilfreich sich darüber hinaus zu bewegen auf einer geistigen Ebene und sich damit zu befassen was ist der Sinn, (…) der Sinn des Lebens hat mir einmal eine, (…) Patientin gesagt (…), eine Jugendliche. Hat sie (…) was macht denn das für einen Sinn, wir werden geboren dann leiden wir dahin dann werden wir, mehr oder weniger gut behandelt oder eben auch nicht, und dann sterben wir, setzen wir vielleicht noch dazwischen Kinder in die Welt oder eben auch nicht, was macht denn das alles für einen Sinn?“

(Anhang: IP4 141-148)

Weiters geben die Schilderungen einer Sozialpädagogin Einblick in die Lebenswelt ihrer Klienten im Alter zwischen 12 und 19 Jahren, welche ihr Bedürfnis nach analoger Verbundenheit mittels ihrer technologischen Hilfsmittel (Smartphones) auf verschiedenen Social Media Plattformen (Snapchat, Instagram, Facebook) durch ein hohes Maß an digitaler Verbundenheit zu kompensieren scheinen.

Diese Tendenzen zeigen, dass sich das spirituelle Bedürfnis nach Verbundenheit und der Generierung von Sinn im Leben als gewichtiges Thema in unserer heutigen Gesellschaft und der Lebenswelt der gerade heranwachsenden Generationen darstellt. Diesen Entwicklungen zu begegnen und den noch jungen Menschen entsprechende Skills und Rahmenbedingungen in der Auseinandersetzung mit aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu vermitteln ist die Aufgabe der Pädagogik. Daher sind wir alle aufgerufen, die gebotene Verantwortung für diese gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen zu erkennen, wahrzunehmen und gemäß den Möglichkeiten und Notwendigkeiten entsprechend zu handeln.

Theorien, Methodik und Definition der im Kontext relevanten Begriffe Um sich dem Phänomen der Spiritualität zu nähern und zu einem adäquaten Verständnis über dessen Bedeutung in der Menschheitsgeschichte zu gelangen, ist ein Rückblick auf die kulturelle Entwicklung der Menschheit und deren Zusammenhang zur Spiritualität naheliegend. Hierfür dienen uns sowohl archäologische Befunde als auch schriftliche Überlieferungen, welche sich in verschiedenen religiösen Traditionen finden lassen.

Ein weiter Bogen lässt sichvon dem kulturellen Vermächtnis des Steinzeitmenschen bis hin zu den vorliegenden Dokumenten der Jahrhunderte um Christi Geburt spannen. Vor allem die indischen Aufzeichnungen der Upanishaden 1 (700–200 v. Chr.) und die überlieferte Philosophie der griechischen Antike liefern einen Einblick in die komplexen Transzendenzvorstellungen jener Zeit. Eine Kosmologie, welche als Anstoß für so manche spirituelle Bewegung der Neuzeit Impulse geliefert und darüber hinaus eine Vielzahl von Strukturen des Denkens und der spirituellen Praxis bis in die heutige Zeit erhalten hat.

Im weiteren Verlauf zeigt sich die zunehmende Institutionalisierung der Religionen, insbesondere des Christentums, welche sich maßgeblich auf die Entwicklung der Gesellschaft im Mittelmeerraum und in weiterer Folge auf den gesamteuropäischen Raumund darüber hinaus auswirkte. Nicht nur gesellschaftspolitisch, sondern vor allem machtpolitisch haben die bis heute etablierten Religionen Einfluss auf Entwicklungen genommen, welche bis ins 21. Jahrhundert in ihren Auswirkungen spürbar sind. Vor allem die großen Religionsgemeinschaften wie etwa das Christentum, der Islam, der Buddhismus und der Hinduismus, vermögen es auch heute noch, in erheblichem Ausmaß zu sozialer Kohäsion beizutragen und gleichzeitig deutliche Rahmen im Welt- und Menschenbild für die Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaften zu zeichnen.

Die deutliche Unterscheidung zwischen Spiritualität und Religion ist daher unerlässlich, um nicht in religiöse Glaubensfragen zwischen Richtig und Falsch oder gar in ausgrenzende und intolerante Diskurse zu entarten. Die Essenz des Phänomens der Spiritualität kann anhand von natur- und geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen der aktuellen Zeit in ein adäquates Weltbild eingefügt werden, um als Katalysator für ein zeitgemäßes Verständnis zu dienen.

Die augenscheinlichste Gemeinsamkeit zwischen Spiritualität und Religion findet sich in der Tatsache, dass es sich um Glaubenssysteme und -muster handelt, welche nicht an konkrete oder empirisch erhobene Sachverhalte geknüpft sind, sondern sich einzig und allein durch die menschliche Fähigkeit des Glaubens und Vertrauens an die Existenz nichtphysischer Phänomene konstituiert. Somit findet sich hier auch der Verweis auf fundamentale kognitive Prozesse, welche durch Erziehung, Sozialisation und Prägung des Individuums durch sein Umfeld beeinflusst sind und gleichzeitig aber auch Veränderung und Weiterentwicklungen ermöglichen.

Diese Erkenntnis weist den Weg in die Disziplinen der Geisteswissenschaften, welche, wie der Name schon sagt, sich mit geistigen Prinzipien beschäftigen und als Orientierung für die Entwicklung moderner Gesellschaften und Hochkulturen erwiesen haben.

Evolution und Spiritualität

Richtet man den Blick zurück durch die Geschichte, findetmangenügend Anhaltspunkte dafür, dass das Phänomen der Spiritualität seit jeher von tragender Bedeutung für die Menschheit war. Belege hierfür finden wir nicht nur in den überlieferten Schriften der Religionen, sondern in weit älteren Relikten und Piktogrammen, welche im Rahmen archäologischer Ausgrabungen weltweit bisher gefunden wurden. Viele der zutage geförderten und entdeckten Artefakte zeigen Darstellungen von menschenähnlichen Wesen und ganzen Herden von Tieren wie am Beispiel der Höhle von Lascaux 2, aber auch Alltagsgegenstände, welche auf die kulturelle Beschaffenheit jener Zeit hinweisen.

Betreffend der spirituellen Welt- und Menschenbilder des damaligen Lebens liefern zumeist Begräbnisstätten und Kultplätze wertvolle Informationen, um Rückschlüsse zu ziehen und seriöse Befunde zu erheben. Auch Kunst- und Kulturwerke aus der Zeit des Jungpaläolithikums 3 ca. 40.000–10.000 v. Chr. wie beispielsweise der „Löwenmensch vom Hohlenstein“, eine aus Elfenbein geschnitzte Figur mit menschlichem Körper und dem Kopf und den Extremitäten eines Höhlenlöwen, weisen auf mögliche Kulthandlungen und eine spezifische Kosmologie hin (vgl. Höffgen, 2016, S. 12). Jüngere Ausgrabungen einer Begräbnisstätte, „Bestattung von Bad Dürrenberg“ 4, im heutigen Deutschland aus dem Mesolithikum (ca. 10.000–5.000 v. Chr.), zeigen aufwendige Arrangements an Bestattungsszenarien mit wertvollen Grabbeigaben und Alltagsgegenständen (ebd.) – Dinge, welche offensichtlich auf ein mögliches Leben nach dem physischen Tod hinweisen und in diesem Sinne dem Verstorbenen mit auf die Reise in eine andere Welt physisch mitgegeben wurden. Diese Hinweise auf einen möglichen Übergang eines existierenden unsterblichen Wesenskerns des Menschen lassen auf die damals bereits vorhandene Unterscheidung zwischen physischem und metaphysischem Weltbild schließen.

Bucher verweist in diesem Zusammenhang auf Spiritualität als Evolutionsvorteil, indem das Individuum durch rituelle, das Bewusstsein erweiternde Praktiken neurologische Prozesse wie etwa die Ausschüttung von Opiaten im Gehirn auslöst und somit Erfahrungen von Geborgenheit, Optimismus und Erfahrungen des Einsseins induziert. Diese Prozesse stärken das Immunsystem und unterstützen das Individuum in der Auseinandersetzung mit der Unausweichlichkeit der eigenen Vergänglichkeit. Hierin zeigt sich Spiritualität als komplexe Gehirnfunktion und liefert Erklärungsansätze für die Wirkungsweise schamanistischer Praktiken, welche zumindest seit 30.000 Jahren nachweisbar sind, und verdeutlicht, dass das Phänomen der Spiritualität als anthropologische Grundkonstante verstanden werden muss (vgl. Bucher, Anton A.: Psychologie der Spiritualität, Beltz Verlag, Weinheim Basel, 2. 2014, S.27).

In jüngerer Zeit zeichnet sich ein deutlicher Paradigmenwechsel ab in welchem die etablierten Religionsgemeinschaften zunehmend an Anhängern verlieren, da das Individuum sich vermehrt um persönliche spirituelle Erfahrungen und Eigenverantwortung in Glaubensfragen bemüht und somit auch die Wissenschaft aufgerufen ist, der Thematik entsprechende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Spiritualität ist somit nicht mehr nur das Feld der Theologie, sondern erfährt eine Art Renaissance in unterschiedlichen Fachbereichen von Humanmedizin über Biologie bis hin zu eher technischen Disziplinen wie etwa der Quantenphysik. (vgl. Heusser, Peter: „Europäische Geistesgeschichte, neuere Spiritualität und Wissenschaft“, in: Büssing, Arndt; Kohls, Niko (Hrsg.): Spiritualiät transdisziplinär: Wissenschaftliche Grundlagen im Zusammenhang mit Gesundheit und Krankheit, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg, 2011, S.13–21).

Theorien

Ausgehend von Wolfgang Klafkis Theorie der kritisch-konstruktiven Erziehungswissenschaft unternehme ich den Versuch der Herstellung notwendiger Relevanzbezüge durch die Verknüpfung mit weiteren Theorien der Natur- und Geisteswissenschaften:zum einen die Feldtheorie Kurt Lewins, welche die psychologischen Komponenten des Menschenbildes und dessen Bestrebungen fundierter beleuchten und im weiteren Schritt, durch Viktor Frankls Logotherapie und deren Ansätze des Willens zum Sinn erweitert werden.

Um die Kategorie bzw. den Faktor der Verbundenheit aufzugreifen und auf eine nachvollziehbare Basis zu stellen, ziehe ich die Arbeiten des Biologen Rupert Sheldrake und seiner Theorie der Morphogenetischen Felder, Clemens G. Arvays Theorie des Biophilia-Effektes und Dieter Broers Arbeit zu elektromagnetischen Feldern und der Quantenphysik heran, welche durch weitere Inhalteaus Ulrich Warnkes Quantenphilosophie ergänzt werden und die Potentiale eines erweiterten Welt- und Menschenbildes verständlich zu machen vermögen. Die Bezüge zu diesen naturwissenschaftlichen Disziplinen sind insofern relevant, als dass sie auf Basis empirischer und gemessener Daten zum Verständnis von Verbundenheit abseits der schwermessbaren, emotionalen Prozesse beitragen.

Abgerundet werden diese Teilkomponenten durch eine Bezugnahme auf soziologische Aspekte, welche für die Skizzierung eines zeitgemäßen spirituellen Welt- und Menschenbildes für die pädagogische Arbeit Verwendung finden.

Methodik

Für die hier vorliegende Arbeit orientiere ich mich an folgender Forschungsfrage:

Worin liegt der potentielle Nutzen eines durch Spiritualität erweiterten Welt- und Menschenbildes für die pädagogische Praxis und als Ausgleich zur fortschreitenden Entfremdung des Menschen von der Natur?

Um auf diese Forschungsfrage eine adäquate Antwort zu liefern und Relevanzbezüge zur Arbeit in pädagogischen Tätigkeitsfeldern herzustellen, werden vorliegende Forschungsergebnisse aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen herangezogen und miteinander verglichen. Im Sinne der hermeneutischen Methodik nach Wilhelm Diltey werden diese Forschungsergebnisse auf deren Verwertbarkeit für die Bildungsarbeit und zur Erweiterung vorliegender Welt- und Menschenbilder beleuchtet und in Zusammenhang zur Forschungsfrage gesetzt.

Obwohl das Phänomen Spiritualität in seiner Beschaffenheit als eher subjektives Erfahrungswissen zu betrachten ist, lässt sich durch die allen Menschen immanente Befähigung zu spiritueller Erfahrung aus hermeneutischer Sicht eine adäquate Deutung über die Relevanz für die pädagogische Arbeit ableiten.

Folgende Begriffe werden in dieser Arbeit zur Herstellung wesentlicher Relevanzbezüge herangezogen und bedürfen der vorherigen Definition:

Glauben

Für-Wahr-Halten eines bestimmten Sachverhalts ohne wissenschaftlich-methodische Belege, auf kognitiver Wahrnehmung basierender Einsicht oder persönlicher Erfahrung sowie eine Grundhaltung des Vertrauens, des für möglich und wahrscheinlich Haltens5.

Wissen die Gesamtheit an Kenntnissen auf einem bestimmten Gebiet, welche für eine Person oder eine Gruppe verfügbar ist und auf Basis von Informationen, Fakten und Erfahrungen als gesichert gilt6.

Spiritualität das Verständnis und die Bewusstheit über die Verbundenheit des individuellen Selbst mit der sozialen Mitwelt, dem Kosmos und der Natur, respektive der Schöpfung in seiner Gesamtheit7 (tiefergehende Explikation im Folgekapitel ANM.)

Verbundenheit das Gefühl einer anderen Person oder Personengruppe zugehörig zu sein und in einer gegenseitig vertrauensvollen Beziehung zu stehen – dieses Gefühl gilt als eines der vier Grundbedürfnisse (Eigenwert, Freiheit, Bedürfnis, geliebt zu werden) nach Friedemann Schulz von Thun 8 .

Sinn das Erzeugen einer inneren Ordnung über die Komplexität der Welt durch das Individuum als System und das dadurch „laufende Aktualisieren der Möglichkeiten“ (Niklas Luhmann)9

Entfremdung der Zustand der fortschreitenden, aber auch finalen Auflösung, einer natürlich gewachsenen, ursprünglichen Beziehung zu sich selbst, anderen Individuen und Sachverhalten, sowie zur Natur10

Gesellschaft die auf Basis von zuvor festgelegten Regeln und Rahmenbedingungen bestehende Gesamtheit an natürlichen und juristischen Personen in einem auf eine bestimmte Region oder gemeinsame Strukturen begrenzten Raum11

Natur die Gesamtheit der Flora, Fauna und sonstigen, nicht vom Menschen manipulierten oder geschaffenen materiellen und immateriellen Komponenten des Ökosystems Planet Erde12

Gesamtgesellschaftliche Verwerfungen/Probleme/Herausforderungen zeigen sich in den aktuellen gesellschaftlichen Themen wie etwa der Klima-, Migrations- und Finanzkrise, zunehmendem Rassismus (nicht nur in Europa) und totalitärem Kapitalismus, militärischen Konflikten in ressourcenreichen Regionen, Nebenwirkungen der Digitalisierung bis hin zum uferlosen Konsumismus und den daraus sich generierenden Erschöpfungszuständen und gesellschaftlichen Zersetzungsprozessen einer auf Kosten des global vernetzten Ökosystems (Han 2014, 2018, 2019, Mausfeld 2018, 2019, Welzer 2018)

Spiritualität – was ist das?

Wenn von Spiritualität die Rede ist, kommen entweder Assoziationen mit Religionsgemeinschaften oder aber auch Vorstellungen von esoterischen und sektenähnlichen Gemeinschaften in den Sinn. Dass das Phänomen der Spiritualität zum einen eine äußerst lange Geschichte im Rahmen der Menschheitsgeschichte aufweist und gleichsam als Konstante im kulturellen Zusammenleben der Menschen bis zu den ältesten archäologischen Ausgrabungen zurück zu verfolgen ist, weist darauf hin, dass es sich hierbei um ein ernstzunehmendes Thema von hoher Relevanz handelt.

Betrachtet man das Phänomen von wissenschaftlicher Basis aus, sind es vor allem die Human- und Geisteswissenschaften, welche in puncto Forschung bisher die seriösesten Ergebnisse hervorgebracht haben. Diese sind vor allem die Humanmedizin und die Psychologie, aber auch naturwissenschaftliche Disziplinen wie die Biologie und deren Teilbereiche fördern vermehrt Forschungsergebnisse zutage, welche auf im Hintergrund wirkende und alles verbindende Mechanismen hinweisen. Der Fachbereich der Theologie sei an dieser Stelle natürlich auch nicht vergessen, wenngleich dieser sich stark an den überlieferten Schriften der etablierten Religionsgemeinschaften orientiert.

Eine Schwierigkeit, die hier bereits angedeutet wird, ist es, eine konsensfähige Definition des Phänomens Spiritualität herauszuarbeiten, an welcher tragfähige Theorien generiert und für weitere Forschungsarbeit verwertbar gemacht werden können. Weiters konnte bisher nicht ausreichend geklärt werden, welche Wissenschaftsdisziplin für die Erforschung und Vermittlung des Phänomens zuständig wäre (vgl. Wilkening, Karin: „Zur Begriffsbestimmung von Spiritualität – eine experimentelle, integrativ-abgleichende Gegenüberstellung von zwei Definitionen“, in: Büssing, Arndt; Kohls, Niko (Hrsg.): Spiritualität transdisziplinär: Wissenschaftliche Grundlagen im Zusammenhang mit Gesundheit und Krankheit, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg, 2011, S.37–51).

Dennoch finden sich in den genannten Disziplinen der Human- und Geisteswissenschaften ausreichend Befunde, um eine angemessene Definition zur Klärung der Relevanz der Spiritualität in der Erziehung und Bildung zu skizzieren und darzulegen. Der im weiteren Verlauf folgenden Auseinandersetzung mit der Thematik, liegt die vonWilkening ausgearbeitete Synthese (Definition C) zweier Definitionen (Definition A und B) zugrunde:

Definition A (Büssing/Ostermann 2004)

„Mit dem Begriff Spiritualität wird eine nach Sinn und Bedeutung suchende Lebenseinstellung bezeichnet, bei der sich der/die Suchende ihres „göttlichen Ursprungs bewusst ist (wobei sowohl ein transzendentes als auch ein immanentes göttliches Sein gemeint sein kann, z. B. Gott, Allah, JHW, Tao, Brahman, Prajna, All-Eines u. a.) um eine Verbundenheit mit anderen, mit der Natur, mit dem Göttlichen usw. spürt. Aus diesem Bewusstsein heraus bemüht er/sie sich um die konkrete Verwirklichung der Lehren, Erfahrungen oder Einsicht, was unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensführung und die ethischen Bezüge hat.“ (ebd.).

Hier finden sich der deutliche Hinweis auf eine Suche nach Sinn und Bedeutung als grundlegende Lebenseinstellung und weiters die Bemühungen um eine Erfahrung der Verbundenheit bzw. des Eingebunden-Seins in ein größeres Ganzes bestehend aus sozialen, ökologischen und transzendenten Komponenten. In der Umsetzung der Bemühungen finden sich die Orientierung an schriftlichen Regelwerken aber auch Erfahrungen und/oder Einsichten des Individuums und deren Auswirkungen auf dessen Habitus und Weltbild.

Definition B (Steinmann 2008)

„Spiritualität kann als positiver Grundwert, als eigene existentielle Dimension des Menschseins definiert werden, die getragen ist von Sehnsucht nach Lebenserfüllung und Sinnerfahrung jenseits von Leben und Tod. Sie manifestiert sich in einem individuellen dynamischen Entwicklungs- und Bewusstseinsprozess in allen Lebensphasen und Lebensbereichen, in verschiedenen Lebensweisen und Lebensorientierungen und verbindet über die innere Erfahrung einer transzendenten Wirklichkeit mit Umfeld und Umwelt.“ (ebd.).

In dieser von Steinmann skizzierten Definition finden sich überwiegend transzendente Komponenten und die Beschreibung der Spiritualität als Kondensat eines Entwicklungsprozess es der Bewusstwerdung,weiters als eine dem Menschsein zugeschriebene existentielle Dimension an Grundwerten, getrieben durch eine Sehnsucht nach Sinnerfahrung und Lebenserfüllung.

Diese verschmelzen in Wilkenings Gegenüberstellung und Synthese zu folgender:

Definition C (Wilkening 2011)

„Mit dem Begriff Spiritualität wird eine nach Sinn und Bedeutung suchende Lebenseinstellung bezeichnet, bei der sich der/die Suchende seines (…) ihres „göttlichen“ Ursprungs und Teilhabe (…) bewusst wird (…) (wobei sowohl ein transzendentes als auch ein immanentes göttliches Sein gemeint sein kann, z. B. Gott, Allah, JHWH (…), Tao, Brahman, Prajna, All-Eines u. a.) und eine Verbundenheit mit anderen, mit der belebten und unbelebten (…) Natur, mit dem Göttlichen , Absoluten, reinen Sein (…) usw. spürt. Aus diesem Bewusstsein heraus bemüht er/sie sich um die konkrete Verwirklichung der Lehren, Erfahrungen oder Einsichten, was unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensführung und die ethischen Bezüge in allen Lebensphasen und Lebensbereichen (…) hat . Damit verbunden ist ein individueller Entwicklungs- und Bewusstseinsprozess, in dem der/die Suchende sich der spirituellen Dimension seines/ihres Menschseins als universal, existentiell und sinngebend bewusst wird (…).“ (ebd.).

Wilkening weist im Anschluss auf die Überlappungen und sich wechselseitig ergänzenden Komponenten, aber auch auf die zu kritisierenden Aspekte der dargestellten Definitionen und der von ihr vorgenommenen Synthese hin, welche die Notwendigkeit einer Eingrenzung des Phänomens auf die folgenden zentralen Komponenten für den weiteren Verlauf dieser Arbeit deutlich machen:

In der Gegenüberstellung von Religion und Spiritualität zeigen sich deutlich die unterschiedlichen Formen der Ausübung. Religion wird vermehrt in Gemeinschaften und gemeinsamen Aktivitäten gelebt, wohingegen Spiritualität stark an persönlicher Erfahrung und eigenverantwortlichem Praktizieren zu erkennen ist. Der Spiritualitätsbegriff und dessen Verständnis für die weiteren Ausführungen konstituiert sich somit aus den folgenden drei zentralen Komponenten:

1. Sinn-erfahrung
2. Verbundenheits-empfinden
3. Entwicklungsprozess der Bewusstwerdung und Erfüllung durch Handlungen

Ein weiterer wichtiger Impuls in Wilkenings Arbeit ergibt sich aus dem Hinweis, dass die Suche nach spirituellen Erfahrungen durchaus auch von nichtintendierten Ereignissen äußerer Einwirkung begleitet ist (Wilkening 2011 in Bezug auf Steinmann 2008 und Renz 2003). Wilkening beschreibt dies als „äußeres Wirken“ auf das „Innere“ des Suchenden (…), „ohne dass es aber einforderbar wäre.“, was auf mögliche Rückmeldungsschleifen durch die beschriebene „Verbundenheit“ aus der Umwelt bereits hinweist und im weiteren Verlauf anhand naturwissenschaftlicher Forschungsergebnisse aufgegriffen und verständlicher wird.

Um entsprechender Vollständigkeit und Klarheit betreffend Definition des Phänomens Spiritualität Rechnung zu tragen, ist hierin die Abgrenzung zur Religion bzw. Religiosität notwendig. Bucher weist in seiner Arbeit Psychologie der Spiritualität (2014) sowohl auf Überschneidungen als auch auf wesentliche Unterscheidungsmerkmale beider Konstrukte hin. Hierin zeigt sich deutlich, dass das Verständnis von Spiritualität maßgeblich auf individueller Erfahrung und Praxis beruht und als offene und integrierende Grundhaltung verstanden wird,wohingegen Religiosität mit Faktoren wie Institutionalisierung, Dogmatismus und Reglementierung in Verbindung gebracht und aufgrund postulierten exklusiven Wahrheitsansprüchen als eher unattraktiv empfunden wird. (vgl. Bucher, Anton A.: Psychologie der Spiritualität, Beltz Verlag, Weinheim Basel, 2. 2014, S.61–69).

Ruschmann weist in seiner Auseinandersetzung mit spirituelle n Erfahrungen und Konzepte n (2011) auf die strukturelle Beschaffenheit der Spiritualität als individueller Lebensphilosophie hin. Er empfiehlt die grundsätzliche Einbettung in die Philosophie aufgrund ihrer systematischen Beschaffenheit, welche als ein mit angemessenen Metakonzepten wie Ethik, Metaphysik, Anthropologie und Ontologie ausgestatteter Rahmen für Spiritualität und Sinnkonstitution geeignet sei.

„Metatheoretische Überlegungen sind vor allem deshalb bedeutsam, weil in Definitionen von „Spiritualität“ häufig Aspekte humanistischer Sinnkonstitution (z. B. Verbundenheit mit anderen Menschen sowie der Natur) mit einbezogen sind; insofern ist eine klare Abgrenzung von „Sinnressourcen“, die transzendenzbezogen sind, von solchen, die „horizontal“ („diesseitig“, „immanent“) ausgerichtet sind, von Bedeutung, und dafür bedarf es eines philosophischen/ideengeschichtlichen Hintergrundes“

(Ruschmann, Eckart: „Spirituelle Erfahrungen und Konzepte“ in: Arndt Büssing, Niko Kohls (Hg.): Spiritualität transdisziplinär: Wissenschaftliche Grundlagen im Zusammenhang mit Gesundheit und Krankheit, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg, 2011, S.93–106).

[...]


1 https://de.wikipedia.org/wiki/Upanishaden

2 https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6hle_von_Lascaux

3 https://de.wikipedia.org/wiki/Jungpal%C3%A4olithikum

4 https://de.wikipedia.org/wiki/Bestattung_von_Bad_D%C3%BCrrenberg

5 https://de.wikipedia.org/wiki/Glauben

6 https://de.wikipedia.org/wiki/Wissen

7 https://de.wikipedia.org/wiki/Spiritualit%C3%A4t

8 https://de.wikipedia.org/wiki/Verbundenheit

9 https://de.wikipedia.org/wiki/Sinn_(Philosophie)

10 https://de.wikipedia.org/wiki/Entfremdung

11 https://de.wikipedia.org/wiki/Gesellschaft_(Soziologie)

12 https://de.wikipedia.org/wiki/Natur

Fin de l'extrait de 66 pages

Résumé des informations

Titre
Welche Bedeutung hat Spiritualität für die Pädagogik? Wie Lehrkräfte spirituelle Praktiken im Unterricht einsetzen können
Auteur
Année
2020
Pages
66
N° de catalogue
V535407
ISBN (ebook)
9783964872050
ISBN (Livre)
9783964872067
Langue
allemand
Mots clés
Spiritualität, Wissenschaft, Glaube, Natur, Biophilia, Morphische Felder, Logotherapie, Feldtheorie, Wissen, Entfremdung, Menschenbild, Homo oeconomicus
Citation du texte
Nikolaus Ladner (Auteur), 2020, Welche Bedeutung hat Spiritualität für die Pädagogik? Wie Lehrkräfte spirituelle Praktiken im Unterricht einsetzen können, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/535407

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