Die informellen und formellen Rechte des amerikanischen Präsidenten


Seminararbeit, 2020

26 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Wesen der Präsidialdemokratie

3. Die Stellung des Präsidenten im politischen System der USA

4. Die Stellung des Kongresses im politischen System der USA

5. Die Rolle des Vizepräsidenten und des Kabinetts im amerikanischen

Politiksystem

6. Die Stellung des Supreme Court im Verfassungssystem der USA

7. Das Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

"In den USA ist der Präsident die Regierung. Das amerikanische Regierungssystem weist im Gegensatz zu der für die konstitutionelle Monarchie oder das parlamentarische System typischen dualen Spitze der Exekutive eine monistische Exekutive auf. Der U.S.-Präsident ist als Regierungschef zugleich Staatsoberhaupt" (Semmler 2002: 22).

In den USA herrscht ein präsidentielles Regierungssystem. Diese Form der Regierung ist vorrangig durch die Vormachtstellung der Exekutive gekennzeichnet. Die Präsidialdemokratie steht im Kontrast zur parlamentarischen Regierung. Die amerikanische Verfassungsordnung gilt als klassisches Musterbeispiel dieser staatlichen Organisationsform (vgl. Lorz 2001: 106). Daraus ergibt sich zunächst das Bild einer übermächtigen Präsidentenrolle. Damit ist ein dominanter Präsident gemeint, der die Aufgaben des Regierungschefs und des höchsten Repräsentanten der amerikanischen Nation auf sich vereint. Jedoch wird bei sorgfältiger Untersuchung des politischen Systems der USA offensichtlich, dass der Präsident keinesfalls die alleinige Führungsfigur der Vereinigten Staaten darstellt (vgl. Hübner 2007: 132-133).

Es wird sogar von zahlreichen deutschen Staatswissenschaftlern die Gegenthese aufgestellt, dass es dem amerikanischen Präsidenten wesentlich an Autorität fehlt. Aus deutscher Betrachtungsweise verfügt die amerikanische Exekutive bzw. der Präsident nicht über ausreichende Machtmittel, um Ordnung zu gewährleisten (vgl. Lerg 2011: 237). Allerdings lehnt die amerikanische Verfassung gleichzeitig die legislative Gewalt als obersten Willen des Volkes ab. Vielmehr installiert das politische System der USA eine starke Exekutive, um den Einfluss des Kongresses zu reduzieren (vgl. Adorf/Decker/Horst 2018: 76).

Zusammengefasst lautet die konkrete Fragestellung: Hat der amerikanische Präsident durch das präsidentielle System nahezu unbegrenzte Machtbefugnisse oder sind diese durch die politischen Grundstrukturen der USA durchaus beschränkt?

Diese Frage steht im thematischen Mittelpunkt der Arbeit. Um zu einem begründeten wissenschaftlichen Fazit zu gelangen, widmet sie sich mehreren relevanten Teilbereichen. Insbesondere gilt es, sich mit der gegenseitigen verfassungsrechtlichen Abhängigkeit von Kongress und Präsident zu befassen. Als Erstes ist es sinnvoll, den Begriff Präsidialdemokratie näher zu bestimmen. Hierbei liegt das Augenmerk auf der Gestaltung der Zusammenarbeit und der antagonistischen Partnerschaft dieser beiden Organe. Außerdem ist es notwendig, die Wechselbeziehungen zwischen Exekutive und Legislative genauer zu untersuchen. Dazu ist es auch erforderlich, die Funktionen des Kongresses zu diskutieren. In dieser Arbeit werden in der Argumentationsabfolge unterschiedliche Blickwinkel aufgezeigt, die für oder gegen den Machteinfluss des Präsidenten sprechen. Das umfangreiche Literaturverzeichnis zeigt auf, wie hoch die Publikationsdichte und (internationale) Aufmerksamkeit zu dieser Aufgabenstellung ist. Der durch die vielfältigen Print- und Internetquellen vermittelte Überblick dient dazu, eine möglichst objektiv-ausgewogene und differenzierte Abbildung darzustellen. Dazu soll auch eine große Bandbreite demokratischer und republikanischer Interpretationen hinsichtlich der (unbegrenzten bzw. beschränkten) Machtbefugnisse des amerikanischen Präsidenten beitragen.

Ich finde diese Fragestellung interessant und wissenschaftlich bedeutsam, weil die Ambivalenz zwischen parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystemen ein zentrales Diskussionsthema in der Politikanalyse westlicher Demokratien darstellt.

2. Das Wesen der Präsidialdemokratie

"Das von den amerikanischen Verfassungsgründern so sehr gewünschte System der checks and balances zwischen den politischen Institutionen hat zu einem faszinierenden Machtspiel zwischen dem Kongress und dem Präsidenten geführt" (Sebaldt 2001: 69).

Ein Präsidialregime liegt vor, wenn der Präsident sowohl die Aufgaben des Staatsoberhaupts und des Regierungschefs als auch des militärischen Befehlshabers ausübt. Im System des "unified government" übernimmt der Präsident ganz klar die politische Führung (vgl. Holtmann/Patzelt 2008: 52). Zudem wird im Präsidialsystem von der Verantwortung der Regierung gegenüber der gesetzgebenden Kraft abgesehen, um auf diese Weise das Prinzip der Gewaltenteilung und wechselseitigen Gewaltenhemmung deutlicher hervorzuheben. Daraus folgt eine konsequente Abgrenzung zwischen Exekutive (Regierungsgewalt) und Legislative (Gesetzgebungsgewalt). Beide Gewalten sind aber zu permanenter Kooperation verpflichtet (vgl. Sebaldt 2001: 69). Ein weiteres Kennzeichen der Präsidialdemokratie ist die Unvereinbarkeit eines Regierungsamts mit einem Abgeordnetensitz im Parlament. Darüber hinaus darf der Präsident nicht das Parlament (den Kongress) auflösen. Seit seiner Inkraftsetzung beruht das amerikanische Regierungssystem auf dem Grundsatz der Volkssouveränität (vgl. Fraenkel 1960: 39). Dies besagt im Fallbeispiel der USA, dass der Präsident direkt vom Volk gewählt wird. Er ist diesem gegenüber in seinem Tun und Handeln verantwortlich (vgl. Dupré 2013: 116). Der Präsident hat vornehmlich die Aufgabe, Gesetze durchzusetzen.

Die Verfassung der Vereinigten Staaten wurde 1787 ratifiziert und beabsichtigt eine föderale Republik. Die Geschichte des Förderalismus hat ihren Ursprung in der Unabhängigkeitserklärung vom 04. Juli 1776. Der amerikanische Förderalismus basiert auf nebeneinander bestehenden und sich gegenseitig blockierenden Institutionen in allen politischen Feldern (vgl. Gellner/Kleiber 2012: 128). Neben Exekutive und Legislative umfasst die dreiteilige Gewaltenteilung einen Obersten Gerichtshof als Judikative (vgl. Knapp 2018: 152). Diese dreigliedrige Teilung der Gewalten wird auch "horizontale Gewaltenteilung" genannt, weil die drei Teilbereiche rechtlich gleichberechtigt sind (vgl. Wasser 1993: 100). Das Verständnis der amerikanischen Gründungsväter von der Gewaltenteilung entspricht dem von Montesquieu (vgl. Semmler 2002: 35). Die Verfassung legitimiert zum einen gewisse Eingriffsoptionen des Präsidenten in den Gesetzgebungsprozess und zum anderen manche Befugnisse des Kongresses im Rahmen der Gesetzesanwendung.1 In gewissem Maße konkurrieren die unterschiedlichen Gewaltinstanzen sogar miteinander.

Das präsidentielle System der USA ist in Abgrenzung zu absolutistischen Regimen gegründet worden. Zwischen Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kultur und Bürokratie findet ein aktiver und lebhafter Austausch statt, der die Zugänglichkeit des Verwaltungsapparates für Außeneinflüsse und die Offenheit gegenüber Interessengruppen bestärkt hat (vgl. Haas/Jäger/Welz 2007: 337). Zahlreiche Akteure sind über vielfältige formelle und informelle Schnittstellen in den politischen Prozess involviert. Das Politikschema der USA ist von Komplexität geprägt (vgl. Milosevic 2018: 200). Im Jahre 1789 reklamierten die einzelnen Bundesstaaten den Verbleib ihrer Kompetenzen über juristische Angelegenheiten innerhalb ihrer jeweiligen Grenzen. Nur in den Bereichen, in denen die Verfassung explizit der Bundesregierung (Federal Government) die Zuständigkeit zuspricht, wie z.B. in der Außenpolitik, ist diese auch befugt, Gesetze zu erlassen (vgl. Delany/Kohlert/Regier 1999: 144). Somit existieren in den USA verschiedene Träger der Gesetzgebung: einerseits die Union mit dem gesetzgebenden Kongress, andererseits die Länderparlamente der 50 Gliedstaaten (vgl. Pinheiro 2019: 45).

Trotzdem wird in den USA die Gewaltenteilung tendenziell zugunsten des Präsidenten modifiziert (vgl. Klein/Krieger 2010: 212). Die Präsidialdemokratie war eine richtungsweisende Reaktion auf den fundamentalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturwandel (Masseneinwanderung, Urbanisierung, Industrialisierung) seit Ende des 19. Jahrhunderts. Die Schrecken der Weltwirtschaftskrise verhalfen dieser Demokratieform zum finalen Durchbruch (vgl. Holtfrerich 2000: 89).

Einige Verfassungskritiker bemängeln den Sachverhalt, dass die Verfassung der USA nicht explizit das Wort "demokratisch" beinhaltet (vgl. Fraenkel 1960: 39). Immerhin akzeptiert der Großteil der amerikanischen Bürger diese Form der Demokratie. Das bedeutet, dass dementsprechend die Machtsegmentierung (das Prinzip einer handlungsfähigen, aber nicht zu machtvollen Regierung) auf breite Zustimmung in der Gesellschaft trifft. Darüber hinaus haben in den USA traditionell die ausführenden Politiker ein schlechteres Ansehen als die Institutionen, für die sie arbeiten. Laut einer Umfrage sind mehr als drei Viertel der US- Bürger stolz auf ihre Regierungsform (vgl. Redelfs 1996: 97).

Die amerikanische Verfassung ist die historisch älteste geschriebene und noch heute gültige Verfassung der Welt (vgl. Friedrich 2000: 47).

3. Die Stellung des Präsidenten im politischen System der USA

"Der Präsident leitet seine gesamte Amtsgewalt vom Volk ab..." (Abraham Lincoln, erste Amtsantrittsrede, 1861).

"Der Präsident muss mehr sein als ein Verwaltungschef und ein Parteiführer. Er muss politische Führung im Namen der ganzen Nation ausüben" (Gellner/Horst 2016: 181).

Warum aber ist der US-Präsident die Symbolfigur der nationalen Einheit (vgl. Filzmaier/Plasser 1997: 91f)? Gemeinhin wird der amerikanische Präsident bei globaler Betrachtung oft als "der mächtigste Mann der Welt" bezeichnet. Tatsächlich symbolisiert auf den ersten Blick der Präsident gemäß der Verfassung der Vereinigten Staaten den politischen Machträger an vorderster Stelle (vgl. Diermann 2011: 132). Der Präsident stellt in der amerikanischen Gesellschaft und in der öffentlichen Wahrnehmung die Personifizierung von politischer Macht dar. Gleichwohl ist er mit einigen machtpolitischen Restriktionen konfrontiert. Außerdem sieht er sich starken rechtlichen Kompetenzen der einzelnen Bundesstaaten gegenüber (vgl. Rinke/Stüwe 2008: 550). Die machtvolle Skizzierung des Präsidentenamts muss also von verschiedenen Blickwinkeln aus relativiert werden. Nach internationalen Maßstäben steht das Staatsoberhaupt der USA auf der höchsten Stufe der Machthierarchie, da es der Vertreter des mächtigsten Staates weltweit ist. Ein derartiges eindimensionales Abbild der Macht ist jedoch zu einseitig (vgl. Höse 2012: 49), weil die US­Verfassung eine strikte Überprüfung des Präsidialamts vorschreibt, besonders durch den Kongress und die Gerichte. Somit hat der Präsident "Sorge zu tragen, dass die Gesetze gewissenhaft angewandt werden". Es ist also seine Pflicht, die vom Kongress erlassenen Gesetze umzusetzen. Der Präsident selbst hat keine Gesetzesinitiative. Er "kann keinen anderen Vertrag schließen als jenen, dem der Senat zugestimmt hat" (Wilzewski 1999: 177). Kongress und Exekutive sind in hohem Maße voneinander abhängig (vgl. Tornow-Godoy 2012: 22). Obendrein können amerikanische Gerichte den Vollzug von Gesetzten außer Kraft setzen, die nach ihrer Auffassung unvereinbar mit der Verfassung sind (vgl. Brodocz 2009: 106). Es existiert eine systematische, funktionale Vernetzung von Exekutive und Legislative. Diese Verbindung verstärkt zusätzlich die Machtbeschränkung der einzelnen Gewalten (vgl. Lehner/Widmaier 2005: 115).

Der Präsident übernimmt eine Art Doppelrolle. Als Staatsoberhaupt agiert er als überparteiliche Symbolfigur mit mannigfaltigen Repräsentationsfunktionen und als Regierungschef ist er vor allem Politiker, der als Parteimitglied seinen eigenen Kurs durchzusetzen versucht (vgl. König 2010: 428). Das Präsidialsystem der USA ist weder mit einem kollektiven Kabinettsprinzip ausgestattet noch hat es eine arbeitsteilige Exekutive vorzuweisen. Zeitgleich ist der Präsident auch -neben Regierungschef- Oberbefehlshaber der Streitkräfte in Friedens- und Kriegszeiten (vgl. Weibler/Schild 2010: 96). Die Führung der Exekutive ist vollständig in der Person des Präsidenten vereinigt. Dem Präsidenten unterstehen unmittelbar die Secretaries (die Leiter der Departments) sowie die Exekutivbehörden. Dementsprechend kann der Präsident quasi alleine gegen seine Minister (Secretaries) entscheiden (vgl. Röhrich 1999: 30). Der Präsident ist befugt, einzelne Bürger als Geschworene zu beauftragen. Überdies ist er der Bundesbeamte, der für die Beziehungen der Vereinigten Staaten zu den übrigen Staaten zuständig ist. Dazu kommt der Aufgabenbereich, dass der Präsident für den Schutz im Ausland lebender Amerikaner und der in den USA lebenden Ausländer verantwortlich ist. Weiterhin entscheidet der Präsident, ob er neue Regierungen anerkennt oder neue Verträge mit anderen Ländern unterzeichnet. Voraussetzung dafür ist aber, dass zwei Drittel des Senats zustimmen2. Zwar hat er prinzipiell nur das Recht, auf Empfehlung und im Einvernehmen mit dem Senat Verträge mit auswärtigen Staatsvölkern zu schließen. Allerdings kann diese Rechtslage umgangen werden, indem sogenannte "Verwaltungsabkommen"(Executive Agreements) mit anderen Nationen geschlossen werden, die einzig und allein der Haftung des Präsidenten unterliegen, ohne dass die Zustimmung des Senats erforderlich wäre (vgl. Lösche 1977: 20).

Die Amtszeit des Präsidenten ist auf vier Jahre limitiert, war zunächst ohne Obergrenze in Bezug auf eine Wiederwahl. Der Beschluss einer einmaligen Wiederwahl wurde im Jahr 1951 eingeführt und seit diesem Zeitpunkt sind also lediglich zwei Amtszeiten zulässig (vgl. Knapp 2018: 152).

Die USA haben kein singuläres "presidential government". Im präsidentiellen System der USA sind Kontrollinstanzen in sämtlichen Richtungen der politischen Entscheidungsfindung verankert. Das Präsidialsystem steht oftmals für schwierige Mehrheitsbildungen, für komplexe Kompromisse, für politische Entscheidungen, die in vielen Fällen hinter den Erwartungen der Anhänger oder Gegner einer bestimmten Politikgesinnung zurückbleiben (vgl. Hartmann 2005: 43). Das Hauptmerkmal der amerikanischen Politik sind rigoros getrennte Institutionen, die nur als Einheit Macht ausüben können (vgl. Brinkmann 1984: 68). Gleichwohl vertreten kritische Stimmen zur Präsidialdemokratie die Auffassung, "die Schöpfer der Verfassung wollten die wohlhabende und gebildete Minderheit gegen die gefürchtete Herrschaft der Demokratie schützen, indem sie ihr diese Veto-Funktion einräumten" (Brinkmann 1984: 68 ). Die Option des Präsidenten, ein Veto gegen Gesetzesvorhaben einzulegen, sowie die richterliche Überprüfung der Gesetze sind zwei anschauliche Musterbeispiele für die Begrenzung der gesetzgebenden Gewalt (vgl. Czempiel 1985: 11). Der Präsident hat durchaus die Möglichkeit, Gesetzesbeschlüsse zu hemmen. Das Vetorecht ist eine Verhinderungsmacht und in gewisser Hinsicht ebenfalls eine Verhandlungs- und Gestaltungsmacht. Doch über eine politische Führungsrolle verfügt das Veto in keiner Weise (vgl. Hartmann/Kempf 2011: 309). So kann das Veto des Präsidenten mit einer Zweidrittelmehrheit des Kongresses abgelehnt werden. Es herrscht keine allgemeine Einigkeit darüber, ob ein präsidentielles Veto als Signal der Stärke oder der Schwäche des Präsidenten zu deuten ist. Wenn der Präsident mit der Androhung des Vetos erfolgreich ist und der Kongress letztlich ein Gesetz zum Vorteil des Präsidenten reformiert, ist die präsidentielle Haltung ein Zeichen von Stärke. Damit demonstriert der Präsident sein politisches Geschick (vgl. Waldner 2013: 170). Nach der amerikanischen Verfassung nimmt der Präsident im Gesetzgebungsprozess aufgrund seines Vetorechts eine den beiden Kammern des Kongresses stark angepasste Rolle ein (vgl. Schwerdtfeger 2018: 351). Im Zusammenspiel der institutionellen Vetospieler (Präsident, Kongress, Parteien) ist ein Politikwechsel durchaus realistisch (vgl. Tsebelis 2002: 19).

Dem Präsidenten fehlt die Berechtigung, Neuwahlen zu beantragen (vgl. Hübner 2007: 109f.). Er ist also nicht befähigt, selbstherrlich zu regieren. Es herrscht eine Unvereinbarkeit (Inkompatibilität) von Regierungsamt und Kongressmandat (vgl. Röhrich 1999: 30). Im Wahlkampf hat der Präsident die Gelegenheit, sich wenigen substanziellen Programmpunkten (die aus seiner Perspektive am wichtigsten sind) zu widmen. Mit dieser Strategie hat er gute Erfolgsvoraussetzungen, indem er so die Wahlkampagne indirekt steuert (vgl. Shell 2004: 229).

Allgemein betrachtet hat er aber in der Außenpolitik einen größeren Handlungsspielraum als in der Innenpolitik. Zahlreiche Kritiker stellen die These auf, dass es sich um eine "imperiale Präsidentschaft" im außenpolitischen Raum handelt. Dieser Eindruck basiert auf der Beobachtung, dass die Präsidenten Truppen eigenständig in den Krieg führen können und sich dadurch die präsidialen Kompetenzen verschieben (vgl. Jäger/Welz 1995: 158f.). Das System der gegenseitigen Kontrolle (checks and balances) ist in der Außenpolitik offenkundig geringer ausgeprägt als in der Innenpolitik (vgl. Filzmaier/Plasser 1997: 107). Das Ausmaß der präsidentiellen Machtfülle zeigt sich insbesondere bei existenziellen Bedrohungsszenarien (z.B. Terrorismus). Die Befürchtung einer institutionellen Machtungleichheit wird sekundär, wenn akute Gefahren für die gesamte Nation bzw. Bevölkerung vorliegen. In derartigen ernsten Situationen steigt die Erwartungshaltung an den Präsidenten. Dann wird eine konsequente politische Führung vom Staatsoberhaupt erwartet, um das Land zu schützen und potenziell zu verteidigen. Somit ist der Präsident in beunruhigenden sowie gefährlichen Zeiten der Schutzpatron der Nation. Als Beispiel sind die Terroranschläge des 11. Septembers 2001 zu erwähnen. Nach diesem verheerenden Ereignis sahen drei von vier Amerikanern in ihrem Präsidenten einen starken Führer. Diese Einschätzung innerhalb der Bevölkerung war sicher auch für die Wiederwahl von George W. Bush im Jahr 2004 nützlich und hilfreich (vgl. Jäger 2011: 20).

"The executive power shall be vested in a President of the United States of America" (Art . 2, Sect . 1 US-Verfassung). Sektion 1 von Artikel 2 definiert schlichtweg, dass die Funktion der Exekutive vom Präsidenten der USA ausgeführt wird, und Sektion 3 vervollständigt, dass der Präsident für den getreulichen (faithfully) Vollzug von Gesetzen zu sorgen hat. In dieser Hinsicht sind die Handlungsrichtlinien für den Präsidenten beträchtlich unschärfer und mit größerem Interpretationsspielraum formuliert als für die Legislative. Derartige Handlungsfreiheiten sind teilweise von Vorteil, weil sie eine dynamische Anpassung an veränderte Umweltbedingungen erleichtern. Auf der anderen Seite birgt genau diese Handlungsflexibilität ein Konfliktpotential, da die schwammigen Formulierungen ein breites Spektrum der präsidentiellen Machtausübung zulassen (vgl. Mauch 2018: 6/Einleitung). Kein US-Präsident wird sich daran hindern lassen, in letzter Konsequenz unilateral und außerhalb internationaler (vertraglicher) Beziehungen zu handeln, wenn das (politische, militärische) Überleben der USA in unmittelbarer Gefahr ist (vgl. Gärtner 2009: 79).

Letztlich ist die Bedeutung des Präsidialamts auch aus dem historischen Kontext der USA abzuleiten. Die Wurzeln für die exponierte Stellung des Präsidenten sind bereits im 19. Jahrhundert zu finden. Durch die damalige Demokratisierung des Wahlmodus wurde der Präsident praktisch zum Volkstribun. Der erste Präsident der präsidialen Republik war George Washington im Zeitraum von 1789 bis 1797. Nach achtjähriger Amtszeit übergab er seine Machtbefugnisse freiwillig an die Opposition. Damit setzte er für die Entwicklung der republikanischen Demokratie einen elementaren Meilenstein und schuf einen bedeutsamen Präzedenzfall. Die Verfassung der USA ist die älteste demokratische Verfassung der Welt (vgl. Wagner 2005: 106). Im 21. Jahrhundert steht das Präsidialamt im Fokus des allgemeinen Interesses, hoher Erwartungen sowie politikwissenschaftlicher Analysen.

Der US-Präsident wird von der Bevölkerung gewählt und zwar indirekt über die 538 Wahlmänner des Electoral College. Demnach verkörpert der Präsident die nationale Identität der Vereinigten Staaten.3 Dieser Umstand bedingt den präsidialen Machtzuwachs. Damit wurde der Präsident zum Sinnbild der nationalen Einheit. Damit war und ist er der Vertreter der Nation als Ganzes. Allerdings behaupten kritische Stimmen, dass die Wahlmänner in der jüngeren Vergangenheit zu "reinen Zählkandidaten" mutiert seien, die sich im Vorfeld auf einen Präsidentschaftskandidaten geeinigt haben (vgl. Scheuch/Scheuch 1992: 268). Der Präsident der USA ist oberster Repräsentant einer hochentwickelten demokratischen Industrienation, der weltweit stärksten Wirtschaftsmacht sowie einer militärischen Supermacht (vgl. Hartmann/Kempf 2011: 201). Die präsidentielle Ebene hat kein gültiges Organisationsmodell, auch wenn die organisatorische Struktur für den Politikfindungsprozess enorm wichtig ist. Die Organisation fußt stattdessen auf dem persönlichen Stil des Präsidenten (vgl. Shell 2004: 235).

[...]


1 Einzusehen auf <https://usa.usembassy.de/etexts/gov/bpb/body_i_199_1.html>

2 Einzusehen auf <https://usa.usembassy.de/etexts/gov/adexekutive.htm>

3 Einzusehen auf <https://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/10643/exekutive>

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die informellen und formellen Rechte des amerikanischen Präsidenten
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Institut für Politische Wissenschaft)
Note
1,7
Autor
Jahr
2020
Seiten
26
Katalognummer
V537419
ISBN (eBook)
9783346131195
ISBN (Buch)
9783346131201
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rechte, präsidenten
Arbeit zitieren
Julia Engels (Autor:in), 2020, Die informellen und formellen Rechte des amerikanischen Präsidenten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/537419

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