Partikeln als Indikatoren für Höflichkeit in WhatsApp-Kommunikation


Hausarbeit, 2017

32 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theorien zur sprachlichen Höflichkeit

3. WhatsApp-Kommunikation
3.1 Allgemeine Merkmale der WhatsApp-Kommunikation
3.2 Aktueller Forschungsstand

4. Partikeln als Indikatoren für Höflichkeit

5. Empirische Untersuchung
5.1 Die Mobile Communication Database (MoCoDa)
5.2 Auswertung der Modalpartikel ja
5.3 Auswertung der Modalpartikel doch
5.4 Auswertung der Modalpartikel mal

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Auswahl Emoticons und Piktogramme (Quelle: WhatsApp)

Abbildung 2: Aktive WhatsApp-Nutzer (Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung WhatsApp)

Abbildung 3: Zusätzliche Filterfunktionen der MoCoDa (Quelle: MoCoDa)

1. Einleitung

Die Verbreitung des Messenger-Dienstes WhatsApp wächst seit Jahren im Rekordtempo: Anfang des Jahres 2016 waren rund eine Milliarde Nutzer bekannt, zwei Jahre zuvor lag die Zahl gerade einmal bei 450 Millionen. Demnach stieg die Nutzerzahl innerhalb von 24 Monaten um mehr als 200 % an (WhatsApp 2016). Der Messenger-Riese nimmt eine zentrale Rolle im kommunikativen Alltag ein, sei es, um Verabredungen zu vereinbaren, Geburtstagswünsche zu senden oder Beziehungskommunikation zu führen. WhatsApp bietet durch technischen Fortschritt kaum Grenzen und kann durch den Versand von Bildern, Audio- oder Videodateien im Vergleich zur mittlerweile veralteten SMS vielerlei Vorteile bieten. Die Linguistik hat sich solchen handyvermittelten Kurznachrichten bereits aus verschiedenen Perspektiven genähert. Von den morphologischen und grammatischen Veränderungen zur Schriftsprache einmal abgesehen, bietet die WhatsApp-Kommunikation zusätzlich eine Untersuchungsplattform für Mündlichkeit in der schriftsprachlichen Kommunikation, denn der synchrone Dialogcharakter dieser Textform animiert die anfangs v.a. jungen Schreiber zu einem legeren Schreibstil, der sich weniger um korrekte Schreibweise oder Zeichensetzung sorgt. Die schriftsprachlichen Normen der Rechtschreibung und Interpunktion sind in dieser Kommunikationsform eher nebensächlich. Doch wie sieht es mit Höflichkeitsmarkern der mündlichen Sprache aus? Es ist bekannt, dass Höflichkeit neben Anredeformen u.a. auch durch den Gebrauch von Partikeln gesteigert werden kann (Held 2003: 3ff., Hentschel 2003: 57ff.). Höflichkeit nimmt seit Jahrhunderten eine entscheidende Rolle in der Gesellschaft ein und auch heute ist ein soziales Miteinander ohne höfliches Verhalten ausgeschlossen. Im Laufe der Zeit haben sich die Ausdrucksformen und -normen von höflichen Umgangsformen zwar verändert, doch heute wie damals gilt: Mit Höflichkeit wird ein guter Umgangston und Zuvorkommenheit vorausgesetzt, die den Respekt vor dem Gegenüber zum Ausdruck bringen (Braun 1993: 535). Auf diesen Bereich der WhatsApp-Wissenschaft hat sich die linguistische Forschung bisher weniger konzentriert. Die folgende Arbeit bietet eine grobe Orientierung zum Verhältnis zwischen sprachlicher Höflichkeit durch Partikelgebrauch und der modernen Kommunikationsplattform. Zusammenfassend ergibt sich folgende Forschungsfrage: „Treten Partikeln auch in WhatsApp-Kommunikation als Indikatoren für Höflichkeit auf und welche Auffälligkeiten zeigen sich?“

Um einen Überblick über die aktuelle Höflichkeitsforschung zu schaffen, wird zu Beginn der Arbeit auf das maßgebliche Werk von Brown/Levinson (1987) Politeness. Some universals in language usage eingegangen. Das darin beschriebene face- Modell dient in der heutigen Höflichkeitsforschung als Basis für gesellschaftliche Untersuchungen und fungiert auch in dieser Arbeit als Ausgangspunkt der Analyse. Anschließend wird der aktuelle Forschungsstand der WhatsApp-Kommunikation skizziert und betrachtet, welche Merkmale dieser Textform zuzuordnen sind. Um sich der Thematik zu nähern, wird anschließend im Detail auf Partikeln und ihre Bedeutung als Indikatoren von Höflichkeit eingegangen. Daran anschließend beginnt der empirische Teil der Arbeit: Zunächst wird ein Blick auf die Datenplattform Mobile Communication Database geworfen, auf der die folgende empirische Analyse basiert. Anschließend werden die Modalpartikeln ja, doch und mal im Rahmen des zugrundeliegenden Korpus betrachtet und untersucht, welchen Einfluss sie auf Höflichkeit innerhalb WhatsApp-Kommunikation besitzen. In diesem Zuge werden zur Veranschaulichung qualitative Beispiele herangezogen, die jedoch nur als Exempel zu betrachten sind und aufgrund des kleinen Datenkorpus keine Allgemeingültigkeit beanspruchen. Schließlich werden die Ergebnisse der Analyse zusammengefasst und ein abschließendes Fazit gezogen.

2. Theorien zur sprachlichen Höflichkeit

Die heutige Höflichkeitsforschung ist international universal ausgerichtet. Trotz einer unüberschaubaren Menge an Überlegungen, existieren keine bedeutenden soziokulturell isolierten Höflichkeitstheorien, vielmehr dominieren interkulturell vergleichende Untersuchungen diesen Forschungsbereich. Maßgebend für den heutigen Forschungsstand sind die beiden Linguisten Brown und Levinson, die im Jahr 1978 mit dem umfassenden Aufsatz Politeness: Some Universals in Language Usage ihr wegweisendes Höflichkeitskonzept einführten und seither als Begründer der modernen Höflichkeitstheorie gelten. Letztlich sind sich, trotz dieser scheinbaren gemeinsamen Grundlage, die meisten Linguisten über den Umfang des Untersuchungsgegenstandes und bezüglich der Terminologie weiterhin uneinig. „A main problem, we suggest, is the lack of agreement among investigators about how politeness should be defined as an object of study.” (Janney/Arndt 2005: 22, zitiert nach Ankenbrand 2013: 26).

Das face-Modell nach Brown/Levinson (1978) gilt als zentrale Theorie und als eine der wichtigsten Grundlage der heutigen Höflichkeitsforschung. Die beiden Sprachwissenschaftler gelten als „founding fathers of modern politeness research“ (Eelen 2001: 23). In Anlehnung an den Goffmanschen face -Begriff (1967) nehmen Brown und Levinson an, dass es während einer Interaktion neben dem maximal effizienten Informationsaustausch auch darum geht, die eigene Identität zu wahren, zu bilden oder zu stärken (Brown/Levinson 1987: 61). Jedes Individuum besitzt ein so genanntes positive face und negative face, die entscheidend für diese Identitätsbildung sind (Lüger 2002: 5). Die zwei ‚Gesichter‘ werden als der positive soziale Wert einer Person betrachtet, den jedes Individuum von seinem Gesprächspartner respektiert und bestätigt bekommen möchte. Levinson und Brown weisen darauf hin, dass allzeit die Gefahr besteht, eines der beiden faces des Adressaten zu verletzen und das eigene zu schädigen. „Thus face is something that is emotionally invested, and that can be lost, maintained, or enhanced, and must be constantly attend to the interaction.“ (Brown/Levinson 1987: 61) Die Problematik, die Brown/Levinson (1987: 59f., 66-68) in sprachlicher Höflichkeit sehen, ist, dass in verbalen Interaktionen kontinuierlich gesichtsbedrohende Handlungen (face-threatening acts = FTA) entstehen. Unterschieden werden sie danach, ob sie den Hörer (H) oder den Sprecher (S) bedrohen und ob sie das negative oder das positive Gesicht gefährden. Bestimmte Höflichkeitsstrategien dienen dazu, diese FTAs zu vermeiden bzw. abzuschwächen und das jeweilige face zu schützen. Koch (2015) kategorisiert folgende FTAs:

(1) Bedrohung des negativen Gesichts von H

i. Äußerungen über zukünftige Handlungen von H (Aufforderungen, Ratschläge usw., also ›direktive Sprechakte‹);
ii. Äußerungen über positive zukünftige Handlungen von S gegenüber H (Angebote, Versprechen);
iii. Ausdruck von Begehrlichkeiten gegenüber H [’s Besitz] (Komplimente; Ausdruck negativer Emotionen gegenüber H);
iv. Anreden als solche

(2) Bedrohung des positiven Gesichts von H

(negative Bewertung von H; Missachtung von H’s positivem Gesicht).

(3) Bedrohung des negativen Gesichts von S

(Dank, Entschuldigungen, Annahme von Angeboten; u. a. m.).

(4) Bedrohung des positiven Gesichts von S

(Entschuldigungen, Selbsterniedrigung, Eingeständnisse; u. a. m.).

Das positive face ist das Selbstbild des Einzelnen, das die Anerkennung von Mitmenschen sucht und auf einer gewissen Vertrautheit durch eine „gemeinsame, emphatische Basis“ (Ankenbrand 2013: 29) aufbaut. Simon spricht positiven Höflichkeitsstrategien einen „allgemein-solidaritätsstiftenden Charakter“ (2003: 68) zu, denn durch positive Höflichkeit (positive politeness) bestätigt man den Adressaten in seinem Selbstbild und stärkt folglich das positive Gesicht des Gesprächspartners. Thaler fasst diese Art der face- Wahrung als „Strategien der Nähe“ (2012: 90) zusammen. Dies kann mithilfe von Ironie, Witz, Smalltalk, Komplimenten oder ähnlichen Zusprüchen stattfinden, denn „[j]oking is a basic positive-politeness technique, for putting H [Hörer] ‚at ease’.“ (Brown/Levinson 2008: 124).

Ausgleichend dazu versucht das negative face die eigene persönliche Handlungsfreiheit vor gesellschaftlichen Zwängen zu schützen. „[T]he want of every 'competent adult member' that his actions be unimpeded by others“ (Brown/Levinson 1987: 62). Negative Höflichkeit (negative politeness) hat demnach die Intention, die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Gegenübers zu respektieren und zu schützen. Dies gelingt mithilfe von Vermeidungsstrategien, wie beispielsweise Untertreibungen, Umschreibungen, zurückhaltende Passivkonstruktionen oder indirekten Sprechakten. Der Sprecher setzt bestimmte sprachliche Mittel ein, um seinem Interaktionspartner zu vermitteln, dass dessen Wunsch nach Privatsphäre und Handlungsspielraum respektiert wird. Nicht selten werden Formulierungen von „großer syntaktischer Komplexität“ (Ankenbrand 2013: 30) genutzt.

„Damn, I‘m out of cash, I forgot to go to the bank today. (Brown/Levinson 1987: 69) dient als indirekte Aufforderung, dass der Gegenüber dem Sprecher Geld leihen soll. Mittels solcher indirekten Formulierungen wird ein respektvoller Abstand erzeugt, ohne taktlos oder verletzend zu erscheinen. Thaler fasst solche Handlungen als „Strategien der Distanz“ (Thaler 2012: 159) zusammen. Besch bezeichnet diese Art der Respektmarkierung auch als „Stachelschwein-Höflichkeit“ (1998: 151f.). Die Sprecher halten voneinander genügend Abstand, um sich gegenseitig nicht zu verletzen. Brown/Levinson definieren die negative politeness als die „prototypische Höflichkeitsform des westlichen, angloamerikanisch dominierten Kulturkreises“ (Ankenbrand 2013: 30).

Zusammenfassend lässt sich Höflichkeit nach dem Prinzip von Brown/Levinson als eine wechselseitige Interaktionsstrategie beschreiben, die das negative Gesicht des anderen schützt und das positive Gesicht stützt.

In der sprachwissenschaftlichen Forschung sind die beiden Linguisten Brown und Levinson eng mit dem Begriff Höflichkeit verwoben. Doch ebenso oft wie sie rezipiert werden, geraten sie scheinbar auch in die Kritik der Wissenschaft. Hauptkritikpunkte an ihrem Modell sind zum einen der Anspruch auf universelle Gültigkeit und die „Prägung durch den angloamerikanischen Kulturraum […] sein Eurozentrismus [respektive]“ (Ankenbrand 2013: 31). Dies steht wiederum im direkten Widerspruch zum Universalitätsanspruch. Zudem wird auch der „reduktionistisch-utilitaristischer Ansatz“ des Modells sowie die Annahme, dass jede Interaktion eine potentielle face- Bedrohung darstellt und notwendigerweise eine abmildernde Strategie erfordert, als bedenklich betrachtet. (Ankenbrand 2013: 30f.) Warum der face -Theorie aus dem Jahr 1987 trotz dieser kritischen Töne dennoch weiterhin eine signifikante Dominanz anheftet, liegt Ankenbrand zufolge daran, dass ein einheitlicher „Generalschlüssel zur Dekodierung komplexer kommunikativer Handlungszusammenhänge“ (2013: 30f.) gefordert wird und das Modell von Brown und Levinson scheinbar trotz kritischer Aspekte einen Ansatz zur Universalentschlüsselung des Interaktionssystems Höflichkeit bietet.

3. WhatsApp-Kommunikation

Dem 2009 gegründeten Messenger-Dienst WhatsApp gelang es, die Mobilität der SMS und die quasi-synchrone Kommunikation von Internetchats und Instant Messaging-Programmen zu vereinen und damit eine Nische zu füllen, deren Popularität bis heute anhält. Im folgenden Kapitel werden die spezifischen Merkmale der App genauer betrachtet und ein sprachwissenschaftlicher Überblick über den aktuellen Forschungsstand geboten, denn durch die sehr schnelle und weltweite Verbreitung von Messenger-Diensten wuchs auch das linguistische Interesse an dieser neuen Kommunikationsform.

3.1 Allgemeine Merkmale der WhatsApp-Kommunikation

Die Entwickler von WhatsApp, die ehemaligen Yahoo -Mitarbeiter Brian Acton und Jan Koum beschreiben ihre App wie folgt:

Sende Freunden und Familie Nachrichten. WhatsApp verwendet die Internetverbindung deines Telefons um Nachrichten zu senden, es fallen also keine SMS-Gebühren an. […] WhatsApp begann als eine Alternative zu SMS. Unser Produkt unterstützt jetzt das Senden und Empfangen von einer Vielzahl von Medien: Texte, Fotos, Videos, Dokumente und Standort, sowie Sprachanrufe. […] Hinter jeder Produktentscheidung steht unser Wunsch, dass Menschen überall auf der Welt ohne Barrieren kommunizieren können. (A 2017)

Die Datenübertragung von Messenger-Systemen wie WhatsApp, Telegram oder Viber findet grundsätzlich nur mit einer ausreichenden Internetverbindung statt, dies setzt gleichzeitig die Benutzung eines Smartphones voraus und bindet den Nutzer in diesem Zuge nicht länger an eine Begrenzung von nur 160 Zeichen, wie es einst bei der SMS der Fall war. Mit bis zu 4000 Zeichen pro Nachricht ist die Zeichenzahl bedeutend umfangreicher. (Dürscheid/Frick 2014: 164) Auch das Versenden von verschiedenen Medien wird deutlich vereinfacht: Neben dem Übertragen von Textnachrichten können Fotos, Videos oder Audiodateien in die Unterhaltung eingebettet werden. Weiter verfügt der Dienst über die Option, den eigenen aktuellen Standort zu versenden, dafür muss lediglich die GPS-Funktion des Smartphones aktiviert werden (Dürscheid/Frick: 2014: 166). Sowohl der Versand als auch das Lesen einer Nachricht wird bei WhatsApp jeweils in Form von farbigen Häkchen angezeigt. Ergänzend dazu werden Nutzer darüber informiert, ob Gesprächspartner in diesem Moment schreiben oder wann sie zuletzt online waren. Dadurch wird der Faktor Synchronizität im Vergleich zum Chat zunehmend verstärkt (Imo 2015: 7). Ein innovatives Merkmal der meisten Messenger-Dienste besteht in der Option, Gruppenchats zu erstellen, bei denen bis zu 50 Teilnehmer eingeladen werden können (König/Bahlo 2014: 9). Obgleich es sich um eine Zweier- oder Gruppenunterhaltung handelt, wird ein kontinuierlicher Nachrichtenstrang angezeigt, sodass zuvor gesendete Nachrichten stets in einem Chatverlauf nachvollziehbar zu verfolgen sind. Zuletzt ist auch sicher die vielfältige Auswahl an Bildzeichen, den Emoticons und Piktogrammen, ein entscheidender Grund für die Beliebtheit von WhatsApp. Dazu steht jedem Nutzer kostenlos eine separate Emoji-Tastatur mit mittlerweile mehreren hundert Zeichen verschiedener Kategorien zur Verfügung. Smileys & Personen, Tiere & Naturobjekte, Essen & Trinken, Aktivitäten, Reisen & Orte, Objekte, Symbole und Flaggen (vgl. Abb. 1) können so die Textnachrichten bildhaft ergänzen oder ersetzen (Dürscheid/Frick: 2014: 166).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Auswahl Emoticons und Piktogramme (Quelle: WhatsApp)

Es handelt sich also um eine äußerst vielseitige Kommunikationsform, im Speziellen auch für Linguisten. Im Folgenden werden die wichtigsten Positionen der WhatsApp-Forschung in einem Überblick dargestellt.

3.2 Aktueller Forschungsstand

Nicht grundlos wird in einem Aufsatz von Dürscheid und Frick behauptet, dass „WhatsApp auf dem Vormarsch“ (2014: 161) sei. 2012 überwog in Deutschland noch die Anzahl der versendeten SMS-Nachrichten, im Jahr 2015 wurden weltweit täglich rund 667 Millionen WhatsApp-Nachrichten versendet (VATM 2015a). Im selben Jahr ging „[d]ie Zahl der SMS […] aufgrund der wachsenden Nutzung von Messaging-Diensten wie WhatsApp deutlich zurück – um 37 Prozent auf 39,8 Millionen Kurznachrichten pro Tag“ (VATM 2015b), so Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Torsten J. Gerpott. Wie aus Abb. 2 zu entnehmen, lag die weltweite Nutzungsrate im August 2013 noch bei etwa 300 Millionen aktiven WhatsApp-Nutzern, rund drei Jahre später wuchs die Anzahl der aktiven Teilnehmer bereits auf über 1 Milliarde an (WhatsApp 2017). Diese Statistiken zeigen, wie rasant sich die Messenger-App verbreitet und wie rasch das Volumen des Nachrichtenaustausches über WhatsApp noch immer ansteigt. Prognosen zufolge wird die Zahl der Nutzer von Messaging-Apps von 2016 bis 2019 von 1,61 zu 2,19 Milliarden um rund 36 % steigen (eMarketer 2015).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Aktive WhatsApp-Nutzer (Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung WhatsApp)

Dürscheid/Frick sehen den Grund warum gerade WhatsApp so erfolgreich ist, trotz der vielen alternativen Apps darin, dass das Programm gänzlich auf Werbung verzichtet und es eine sehr simple und verständliche Programmstruktur aufweist, sodass es intuitiv bedienbar ist. Als weiteren Grund vermuten sie den Nachahm-Effekt: „Je mehr Menschen eine spezifische Kommunikationsform nutzen, umso attraktiver wird sie.“ (2014: 162) Da das Unternehmen nach einer Fusion mit Facebook jedoch aufgrund von Nutzerdatenaustausch zunehmend in der Kritik von Daten- und Verbraucherschützern steht, könnten Dienste wie Telegram, Viber und Co. dem Marktführer bald stärker Konkurrenz machen. Im Januar 2017 kam es zu einer Klage der Verbraucherzentrale Bundesverband gegen den Messenger-Riesen (VZBV 2017). Ob die VZBV vor dem Landgericht Berlin Erfolg haben wird, ist zum Zeitpunkt des Verfassens der vorliegenden Arbeit noch unklar.

Der Name der Applikation nimmt Bezug auf ein simples Sprachspiel, denn er wurde von dem englischen What’s up („Wie geht’s“) abgeleitet und vermittelt dadurch die primäre Funktion der App: der Austausch von Smalltalk und Alltagsnachrichten. „So umstandslos, wie man sich mündlich nach dem Befinden von jemandem erkundigt, kann man es auch via WhatsApp tun.“ (Dürscheid/Frick 2014: 162) Die Gründer betonen selbst, dass es eine Plattform für Freunde und Familie sei. Indem Nutzer neben Textnachrichten auch die Möglichkeit haben, Bild-, Ton- oder Videoaufnahmen zu versenden und Gruppenchats zu führen, bietet WhatsApp im direkten Vergleich zur SMS ein deutlich erweitertes Nutzungsspektrum an.

Entsprechend des großen Zuwachses hat auch das Interesse der linguistischen Forschung an Messenger-Diensten zugenommen. Warum es aus sprachwissenschaftlicher Sicht sinnvoll und interessant ist, WhatsApp-Gespräche zu untersuchen, liegt vor allem daran, dass sich in diesem Zuge eine neue Kommunikationsform etabliert hat. Um den Grund dafür genauer zu betrachten, werden an dieser Stelle Dürscheids Überlegungen aus dem Jahr 2005 aufgegriffen. In Anlehnung an das Modell nach Koch/Oesterreicher (1985) stellt Dürscheid (2005) verschiedene Merkmale zur Untersuchung von Kommunikationsformen auf:

- Zeichentyp (schriftlich/mündlich)
- Kommunikationsrichtung (dialogisch/monologisch)
- Anzahl der Kommunikationspartner (one-to-one/one-to-many/many-to-many)
- Verfügbare Kommunikationskanäle (auditiv/visuell über Schrift/visuell über multimodale Kommunikation)
- Räumliche Dimension (Nähe/Distanz)
- Zeitliche Dimension (asynchron/quasi-synchron/synchron)
- Kommunikationsmedium (Computer/Mobiltelefon/Smartphone/etc.)

Diese Merkmale auf WhatsApp angewendet, zeigt, dass der Zeichentyp sowohl schriftlich als auch mündlich (durch Sprachnachrichten) sein kann, wobei das Grundkonzept auf Schriftlichkeit aufbaut und nach wie vor häufiger genutzt wird. Die Kommunikationsrichtung ist grundlegend dialogisch ausgerichtet, die Anzahl der Kommunikationspartner kann jedoch variieren. Darin liegt ein weiteres zentrales Merkmal: Neben der klassischen Zwei-Personen-Kommunikation (one-to-one) können einzelne Nachricht auch an mehrere Empfänger geschickt werden (one-to-many). Der Gruppenchat, in dem mehrere Schreiber gleichzeitig miteinander in Kontakt treten können (many-to-many), ergänzt das WhatsApp-Konzept durch eine häufig genutzte Interaktionsmöglichkeit entscheidend. Dadurch, dass die Telefonnummer der Kommunikationspartner bekannt sein muss, bzw. Teilnehmer von Gruppenchats bewusst eingeladen werden müssen, lässt sich die App als eine private Kommunikationsform einordnen. Es kann quasi-synchron kommuniziert werden, denn ähnlich wie bei Internetchats erhalten die Gesprächspartner die Nachrichten bei bestehender Internetverbindung unmittelbar und können, falls gewünscht, ohne Zeitverzögerung antworten. Dürscheid/Brommer erläutern, dass durch quasi-synchrone Kommunikation auch in der schriftlichen Kommunikation „ein unmittelbares, interaktives Handeln“ (2009: 16) ermöglicht wird. Dazu können alle drei Kommunikationskanäle genutzt werden: Sowohl Sprachnachrichten (auditiv) als auch Text- und Bildnachrichten (visuell) sowie Videonachrichten (multimodal). Durch die Nutzung über das Mobiltelefon als Kommunikationsmedium sind die Nutzer mobil und räumlich unabhängig, sodass die Kommunikation vordergründig über große Distanzen, aber genauso auch in unmittelbarer Nähe zueinander möglich ist. (Imo 2015: 7, Dürscheid 2015: 5ff.) Ergänzend dazu ist die Interaktion durch Messenger-Dienste nach Dürscheid als konzeptionelle Mündlichkeit in medial schriftlicher Form einzuordnen (2006: 45).

4. Partikeln als Indikatoren für Höflichkeit

Der Analysefokus dieser Arbeit liegt in dem Gebrauch von Modalpartikeln. Dabei wird analysiert, inwieweit sie nicht nur in der mündlichen Kommunikation präsent sind, sondern wie sie sich innerhalb von WhatsApp-Interaktionen verhalten. Sie sind bekannt dafür, dass sie neben Anredekonventionen zu den wichtigsten Respekt- und Höflichkeitsmarkern der mündlichen Kommunikation zählen (Lüger 2002: 11ff., Thaler 2012: 162f.). Mit dem Einsatz verschiedener Modulationen kann ein Sprecher zum Ausdruck bringen, dass seine Äußerung beispielsweise nicht nur als Aufforderung, eine bestimmte Handlung zu vollziehen, interpretierbar ist, sondern gleichzeitig auch eine Wertschätzung des Hörers und die Rücksichtnahme auf dessen persönliche Sphäre darstellen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Partikeln als Indikatoren für Höflichkeit in WhatsApp-Kommunikation
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Germanistisches Institut)
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
32
Katalognummer
V538145
ISBN (eBook)
9783346144300
ISBN (Buch)
9783346144317
Sprache
Deutsch
Schlagworte
SMS, Partikeln, Füllwörter, Wertend, Höflichkeit, Freundlichkeit, Kurznachrichten, Emoticons, Smiley, Emojis, face-Modell, Goffman, face-threatening acts, FTA, Sprechakte, BROWN und LEVINSON, WhatApp
Arbeit zitieren
Sophie Hohmann (Autor:in), 2017, Partikeln als Indikatoren für Höflichkeit in WhatsApp-Kommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/538145

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