Alzheimerkrankheit in Anbetracht des demographischen Wandels


Bachelorarbeit, 2018

40 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Alzheimer Krankheit – Epidemiologie
2.1 Diagnose und Differentialdiagnose
2.2 Ätiopathogenese – Entstehung der Krankheit
2.2.1 Amyloid-Plaques
2.2.2 Neurofibrilläre Tangles
2.2.3 Weitere Faktoren
2.3 Krankheitsverlauf
2.3.1 Krankheitsverlauf des Gehirns
2.3.2 Krankheitsverlauf des Wesens
2.3.3 Geschlechterunterschiede
2.4 Pharmakologie
2.4.1 Pharmakotherapie – Behandlung durch Arzneimittel
2.4.2 Nichtmedikamentöse Behandlung
2.4.3 Prävention.

3. Gesellschaftliche Relevanz
3.1. Demographische Wandel
3.2 Experteninterview mit Dr. Angela Klädtke
3.3 Versorgung von Demenzkranken
3.4 Stationäre und Ambulante Pflege
3.4.1 Stationäre Pflege
3.4.2 Ambulante Pflege
3.5 Prognose ausgehend vom Pflegemangel

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

5.1 Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

„Über die ganze Rinde zerstreut, besonders zahlreich in den oberen Schichten findet man miliare Herdchen, welche durch Einlagerung eines eigenartigen Stoffes in die Hirnrinde bedingt sind.“ (Urmoneit, B. 1996a).

So berichtete es der deutsche Psychiater und Neuropathologe Alois Alzheimer 1906 auf einer Tagung der Südwestdeutschen Irrenärzte in Tübingen. Genauer betitelte er so eine von ihm entdeckte und als eigenartig deklarierte Erkrankung der Hirnrinde.

Der Name verrät bereits, dass die Krankheit folglich nach ihrem Entdecker benannt wurde: Alois Alzheimer (1864-1915). Nach Abschluss seines Medizinstudiums war Alzheimer ab dem Jahr 1888 an der Frankfurter „Anstalt für Irre und Epileptische“ angestellt. Im deutschen Gebiet war diese Krankheit ein Novum: denn psychisch kranke Menschen galten hier als heilbar und wurden nicht wie anderorts eingesperrt oder als Narren abgestempelt. In der Anlage am Main gewährte man den Patienten viel Freiraum und legte großen Wert auf die Erhaltung der menschlichen Würde. Um die Jahrhundertwende hatte es Alzheimer in der Frankfurter Klinik mit der Patientin Auguste Deter zutun, die in ihrem Wesen ganz unterschiedlich zu anderen Demenzkranken agierte. Mal packte sie der Bewegungsdrang, dann wiederrum kauerte sie sich regungslos zusammen. Teilweise redete sie wirres Zeug und konnte sich nicht an Dinge aus der näheren Vergangenheit erinnern. Dann wiederum war sie ganz klar und konnte ihr eigenes Empfinden über die Krankheit wiedergeben. Diese ungewöhnliche Art der Verwirrung erstaunte Alzheimer so sehr, dass er sich gezielt damit beschäftigte. Einige Verhaltensweisen seiner Patientin ließen ihn zunächst auf eine senile Demenz schließen. Jedoch war Auguste Deter erst um die fünfzig Jahre alt. Ähnlich bekannte Demenzen traten eher im höheren Alter auf. Trotz seines großen Interesses an den Anomalien der Kranken, sollte es noch weitere fünf Jahre dauern, bis er 1906 seine Forschung fortsetzen konnte. Nach dem Tod Deters untersuchte Alzheimer das Gehirn der Verstorbenen. Bei der Arbeit unter dem Mikroskop entdeckte er dabei Amyloid-Plaques, die wie hirsegroße Herdchen als Ablagerung weite Teile des Gehirns durchdrungen hatten. Außerdem entdeckte er zahlreiche Tau-Fibrillen, die als gedrehte Fasern aus den abgestorbenen Nervenzellen herausragten. Basierend auf diese abnormen Veränderungen kam er zu der Erkenntnis, dass das Gehirn nahezu funktionslos geworden war. Zu diesem Zeitpunkt nahm aber kaum jemand Notiz von den Ergebnissen aus den Alzheimer- Studien, so selten war der Fall. Die Wissenschaft beschäftigte sich gerade mit anderen Forschungen und deren Ergebnisse, wie beispielsweise den „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“, vom dem in Wien praktizierenden Neurologen Siegmund Freud. Darüber hinaus war das Erkranken an der Alzheimer-Demenz vor rund hundert Jahren eine absolute Seltenheit. Nur fünf von hundert Menschen erreichten zu der Zeit das 65 Lebensjahr. Da die Krankheit erst im höheren Lebensalter, also bei den meisten erst ab dem 65. Lebensjahr, vermehrt erscheint, trat Alzheimer kaum in wissenschaftliche und gesellschaftliche Erscheinung. Dennoch wurde die Entdeckung dieser Demenzentwicklung im Jahr 1910 nach ihm benannt, wodurch er für seine Forschung eine gewisse Würdigung erhielt. Obwohl zu diesem Zeitpunkt noch unklar war, ob es sich um eine früher auftretende Form der senilen Demenz handelte oder vielleicht um eine gänzlich unentdeckte Krankheit. Aber Alzheimer gelangte durch seine Forschung noch zu einer weiteren Erkenntnis: nämlich, dass organische Ursachen für psychische Schäden verantwortlich sind. Ganz anderer Meinung war der bereits erwähnte Sigmund Freud, der wiederum behauptete, dass solche Erkrankungen auf persönliche Erlebnisse zurückführen seien. Der wohl wahre Grund, weshalb die Krankheit mit Alzheimers Namen instituiert wurde, war der, dass dadurch die frühe Form der Psychiatrie gestärkt werden konnte und diese neue Krankheitsform in die Medizin eingeführt werden sollte. Als Alzheimer fünf Jahre später stirbt, wird ihm jedoch vor allem aufgrund seiner Verdienste auf dem Gebiet der Syphilis Krankheit Tribut gezollt (Müller, W., Dal-Bianco, P. 2014a; Weis, S. 1997a).

In jüngster Zeit wird jede Form einer demenzartigen Veränderung von den meisten Menschen als Bedrohung der Lebensqualität empfunden. Die mit dem Fortgang der Krankheit verbundenen Einschnitte in die eigene Lebensführung werden von den Betroffenen, Angehörigen und der Gesellschaft sorgenvoll beäugt. Insbesondere der Verlust der eigenen Identität, von Autonomie und Kontrolle, sowie der Wegfall von selbstverantwortlicher Lebensgestaltung bereiten den meisten Menschen – gesund oder erkrankt – große Sorgen.

Auf Grundlage von erläuterten Forschungsergebnissen in der Literatur soll diese Arbeit sich mit unterschiedlichen Fragestellungen - bezüglich Alzheimer - beschäftigen. Zum einen, was unterscheidet die Alzheimer-Krankheit von einer Demenz? Obgleich der Begriff vielen geläufig ist, setzt die Gesellschaft eine Demenz häufig gleich mit Morbus Alzheimer. Zwar handelt es sich bei der Erkrankung zweifelsfrei auch um eine Demenz, dennoch darf diese Bezeichnung nur als Überbegriff verstanden werden. Im Verlauf dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, warum es so immens wichtig ist, zwischen den einzelnen Typen von Demenz zu differenzieren. Im gesellschaftlich wichtigen Fokus steht die Alzheimer-Krankheit schon deshalb, weil sie heute, im Vergleich zur Jahrhundertwende, prozentual am zahlreichsten auftritt. Im ersten Kapitel soll definiert werden, wie die Krankheit entsteht und wie ihr genereller Verlauf ist. Ergänzend dazu wird dargestellt, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um entweder gegen die Erkrankung vorzugehen oder wie sie möglicherweise durch präventive Maßnahmen erst gar nicht zum Ausbruch kommt.

Im zweiten Kapitel soll der demographische Wandel erörtert werden und wie dieser mit der Alzheimer-Krankheit korreliert. Die Bevölkerung wird immer älter, wodurch eine enorme Steigerung der Zahl an Alzheimer Erkrankten, zu erwarten ist. Bereits anhand der letzten acht Jahre wird deutlich: während 2010 noch 21,3 Millionen Menschen in Deutschland 60 Jahre und älter waren - was in etwa 26% der Bevölkerung entspricht - wird bereits 2030 mit einem Anstieg dieser Altersgruppe auf 34% der Gesamtbevölkerung gerechnet (Douma, E. 2006).

Im Experteninterview mit einer Fachärztin für Psychiatrie & Psychotherapie soll ermittelt werden, was aus Sicht der Expertin für die Pflege von Alzheimer-Kranken essentiell ist und wie zukünftig gegen die Krankheit vorgegangen werden kann. Um die Zusammenhänge deutlich zu machen, wird das Unterkapitel „Versorgung von Demenzkranken“ an dieser Stelle erläutert, obwohl es auch ins erste Kapitel passen würde. Die weiteren Unterkapitel beschäftigen sich mit der stationären und ambulanten Pflege. Was gilt es neben der medikamentösen und therapieartigen Betreuung zu beachten? Es soll hingeschaut werden, ob die Pflegesektoren den Ansprüchen der Patienten gerecht werden und was es dafür zu beachten gilt. Besonders soll hervorgehoben werden, wie falsche Pflege die Situation negativ beeinflussen kann. Der Fachkräftemangel im Pflegesektor wird ebenfalls thematisiert in dieser Arbeit. Gegenwärtig ist bereits ein gravierender Mangel an ausgebildetem Pflegepersonal zu verzeichnen. Noch immer haben die Berufe der Sozialen Arbeit, Gesundheit und Pflege, Erziehung und Bildung (SAGE-Berufe) einen Arbeitsmarktanteil von nur knapp 18 Prozent. Während also die für die Versorgung zur Verfügung stehenden Ressourcen rückläufig sind, steigt die Zahl der auf Pflege angewiesen Menschen an. Davon besonders betroffen ist der Sektor Langzeitpflege von chronisch-kranken Patienten, wie eben Alzheimer-Kranke. Dabei soll untersucht werden, ob und wie dem demografischen Wandel entgegengewirkt wird. Besonders zur Entstehung und dem Verlauf der Krankheit ist reichlich Literatur vorhanden. Zu den Themen des zweiten Kapitels, rund um den Pflegesektor verhält sich dies anders. Spezifisches für die Alzheimer-Krankheit gibt es wenig. Daher wurden auch Werke hinzugezogen, die sich allgemein mit der Betreuung von Demenzpatienten oder der Altenpflege beschäftigen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung von männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.

2. Alzheimer Krankheit –Epidemiologie

2.1 Diagnose und Differentialdiagnose

Eine konkrete Diagnose der Alzheimer Demenz lässt sich schwer von einem Hausarzt diagnostizieren. In einem direkten Gespräch zwischen Arzt und Patient kann der Betroffene kompetent und normal erscheinen. Daher ist es wichtig, sich über die aktuelle Lebenssituation des vermeintlich Betroffenen im Klaren zu sein und mit Angehörigen zu sprechen. In einer solchen Anamnese können durch die professionelle Befragung wichtige Fakten bei der Erfassung der Krankengeschichte festgestellt werden. Hierzu bietet sich die Eigenanamnese mit dem Patienten selbst oder die Fremdanamnese mit Angehörigen an (Supprian, T. 2011a). Die eigentliche Diagnose erfolgt durch einen Facharzt der Neurologie und/oder Psychiatrie. Sowohl bei der Diagnose als auch der medikamentösen Behandlung können Fehler auftreten, weshalb hohes Fachwissen in der Diagnose und Behandlung essentiell sind. Durch ein Ausschlussverfahren der Differentialdiagnose kann die Alzheimer-Krankheit von anderen Demenzen abgegrenzt werden. Ebenso unerlässlich ist ein Blutbild, um andere Erkrankungen auszuschließen. Hinzukommend ist eine körperliche Untersuchung, eine Computer- oder Kernspintomographie des Schädels. Hierdurch können atrophische Veränderungen nachgewiesen werden, um möglicherweise behebbare Ursachen der Beschwerden aufzudecken (subdurale Hämatome, Tumore oder Normaldruckhydrozephalus) sowie zerebrovaskuläre Ursachen. Eine Untersuchung der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor) kann bei der Früherkennung und Differenzialdiagnose helfen. Im Hinblick auf beta-Amyloid- und TAU- Proteine kann die funktionelle Bildgebung mittels der Single-Photon-Emissions-Tomographie (SPET) oder der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) Auskunft geben über neurodegenerative Krankheiten. Nach und nach werden durch diese Methoden unterschiedliche Ursachen für eine Demenz überprüft. Dadurch können zerebrale und neuronale Veränderungen systematisch aufgezeigt werden, um Maßnahmen zu ergreifen, wie medikamentös und therapeutisch gegen die Erkrankung vorgegangen werden kann. Im Anschluss an die „neuropathologische Diagnose“ herrscht mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% Gewissheit, um welche Form einer Demenz es sich handelt (Schwarz, G. 2009a; Werheid, K. Thöne-Otto, A. 2010).

Neben der bekannten Form der Alzheimer-Demenz treten auch weitere dementielle Krankheiten auf. Häufig leiden Menschen an zwei Formen von Demenz. Die Alzheimer- Demenz tritt dabei korreliert mit durchblutungsbedingten Demenzen auf. Der Demenztyp lässt sich daher diagnostisch schwer zuordnen und hängt von vielen Diagnosekriterien ab.

Schlussendlich lassen sich von allen Patienten rund 60-70% der Alzheimer-Krankheit zuordnen. 10-20% entfallen auf Durchblutungsstörungen, die eine fortschreitende geistige Beeinträchtigung (vaskuläre Demenz) zur Folge haben. Ausprägen tun sich diese Störungen durch eine Wandverdickung von kleinen Blutgefäßen, die tiefere Strukturen des Gehirns mit Blut versorgen. Durch diese Gefäßveränderungen kommt es zu kleinen Infarkten (Lakunen) und einer Schädigung der Nervenfasern (Marklagerschäden). Genau wie bei der Alzheimer- Krankheit verlieren die Nervenzellen ihre Funktionsfähigkeit. Auch im Krankheitsverlauf gleicht die vaskuläre Demenz der Alzheimer Demenz enorm. Beide Krankheiten verlaufen anfangs schleppend und schreiten sukzessiv voran. Allein aufgrund verschiedener Symptome lassen sich die Krankheiten voneinander differenzieren. Anders als bei der Alzheimer- Krankheit macht sich die Erkrankung nicht durch Gedächtnisstörungen kenntlich, sondern aufgrund von Verlangsamungen, Stimmungsschwankungen oder Denkschwierigkeiten. Mit einhergehend sind außerdem Depressionen und neurologische Auffälligkeiten, wie Sprachstörungen oder schmerzhafte Lähmungen. Je nachdem, wo die Durchblutungsstörungen lokalisiert sind, können die Symptome zeitlich unabhängig voneinander auftreten. Medikamente, die bei einer Alzheimer Erkrankung wirksam sind, lassen sich auch bei einer möglicherweise parallel verlaufenden vaskulären Demenz einsetzen. (Schwarz, G. 2009b). Circa 5-15% der dementiellen Patienten leiden an einer Frontotemporalen Demenz oder einer Lewy-Körperchen-Demenz.

Eine Frontotemporale Demenz lässt sich zu Beginn am deutlichsten von der Alzheimer- Demenz unterscheiden. Sie kennzeichnet sich dadurch, dass es insbesondere in vorderen Hirnarealen (Frontallappen oder Temporallappen) zu einem Untergang der Nervenzellen kommt, während bei der Alzheimer-Krankheit zunächst der Hippocampus betroffen ist. Durchschnittlich tritt die eine Frontotemporale Demenz im Alter von 60 Jahren oder früher auf, was sie damit stark von der Alzheimer-Demenz unterscheidet, die durchschnittlich im höheren Alter auftritt. Im direkten Vergleich zu Alzheimer treten deutlich andere Symptome auf. Das Kurzzeitgedächtnis funktioniert in der Regel weiterhin gut. Betroffene können sich gegenwärtige Ereignisse gut einprägen und sich gut in ihrer alltäglichen Umgebung orientieren. Vielmehr machen sich Beeinträchtigungen des Urteilsvermögens, ein schlechteres Sozialverhalten und ein Verlust des Einfühlungsvermögens bemerkbar, die durch die vorderen Hirnareale gesteuert werden. Betroffene wirken enthemmt, aggressiv oder sorglos oberflächlich. Taten werden von ihnen ohne Bedenken oder Reflektion umgesetzt und können aufgrund der Erkrankung nicht unterdrückt werden. Gefühlstechnisch wirken sie teils depressiv und labil, aber auch geladen und manisch. Sie weisen dabei einen gesteigerten als auch verminderten Antrieb auf. Ebenso zeigen sich ein gesteigerter Rededrang, das Nachahmen anderer oder Heißhungerattacken. Weiter untergliedern lässt sich die Erkrankung in zwei Formen: die semantische Demenz kennzeichnet sich durch den Verlust von Wissen um Wortbedeutungen und des Sprachverständnisses, wobei sich Betroffene immer noch grammatikalisch richtig ausdrücken können. Gegenteilig verhält es sich bei der zweiten Form, der Progressiven Aphasie. Hier treten neben Wortfindungsstörungen auch grammatikalische Fehler auf. Zur Behandlung lassen sich insbesondere Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) einsetzen, die zur Linderung von Unruhe, Ängsten und ähnlichem eingesetzt werden können. Antidementiv wirkende Medikamente lassen sich nicht wie bei anderen Demenztypen einsetzen, da sie nahezu wirkungslos sind. Der Einsatz von Neuroleptika, die bei Verhaltensauffälligkeiten zum Einsatz kommen, können dabei zu erheblichen Bewegungsstörungen und einer erhöhten Sterblichkeit führen (Schwarz, G. 2009b). Die Lewy-Körperchen-Demenz ist der Alzheimer-Krankheit sehr ähnlich und wird erst seit den 1990er Jahren von dieser unterschieden. Ursächlich für die Krankheit sind Nervenzellveränderungen, die weit im Gehirn verteilt sind. Ausdrücken tut sich die Krankheit durch Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, der Sprache, der Orientierung, der visuell- räumlichen Fähigkeiten, Verwirrtheitszuständen oder Halluzinationen. Ähnlich wie bei der Alzheimer-Krankheit treten die Beeinträchtigungen nicht kontinuierlich auf und können abwechselnd zu- oder abnehmen. Neuroleptika lassen sich zur Behandlung aus den gleichen Gründen wie bei einer vaskulären Demenz nicht einsetzen (Schwarz, G. 2009b).

Eine Demenz im Zusammenhang mit Morbus Parkinson tritt bei etwa 5% der Betroffenen auf. Ähnlich wie bei der Lewy-Körperchen-Demenz handelt es sich um Nervenzellveränderungen, die aber nicht im gesamten Gehirn verteilt auftreten, sondern auf das Hirnareal der Substantia beschränkt sind. Im direkten Vergleich zur Alzheimer-Krankheit verfügen Menschen, die unter der Parkinson’schen Krankheit leiden, über ein intaktes Kurzzeitgedächtnis und über ein deutlich emotionsloseres Verhalten. Beide Krankheiten können parallel zueinander auftreten, was die medikamentöse Behandlung erschwert. Wirksame Arzneien gegen die Parkinson’sche Krankheit können aufgrund ihrer Wirkung auf den Hirnstoffwechsel, Alzheimer demente Symptome verstärken (Schwarz, G. 2009b).

Die übrigen 5-10% der Demenzerkrankungen setzen sich untergliedert aus 70 sehr seltenen Erkrankungsformen und Ursachen zusammen, die aber gegenwärtig gut behandelt werden können (z.B. Demenzen ausgelöst durch einen Tumor oder Funktionsstörungen innerer Organe) (Schwarz, G. 2009c).

Besonders gut behandelbare und heilbare Demenzen können durch eine gründliche Diagnostik erkannt und therapiert werden. Solche behandelbaren Demenzformen drücken sich in der Regel durch Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit aus und können etwa durch Schilddrüsenhormonstörungen, Tablettenunverträglichkeit, Gehirnblutungen, gutartige Tumore, Organstörungen oder einen Vitamin-B Mangel begründet sein. Auch Formen von Depressionen weisen ähnliche Symptome auf, wie die der Alzheimer-Krankheit. Bei leichten geistigen Beeinträchtigungen müssen bei der Demenzdiagnostik auch psychodiagnostische Verfahren verwendet werden, da durch die technischen Methoden meist keine Veränderungen feststellbar sind. Hierzu dienen der DemTect oder der TFDD, um das Arbeitsgedächtnis hinsichtlich der kognitiven Flexibilität zu überprüfen. Ebenso hilft der sogenannte „Uhrentest“, bei dem die Patienten auf Anweisung das Ziffernblatt und die Zeigerstellung einer Uhr mit einer bestimmten Uhrzeit zeichnen sollen, um unter anderem visuell-räumliche Fähigkeiten zu überprüfen (Supprian, T. 2011a).

2.2 Ätiopathogenese –Entstehung der Krankheit

Eine Demenzerkrankung kann unterschiedlich basiert sein. Durch neurodegenerative Prozesse oder zerebrovaskuläre Erkrankungen kann es zu Beeinträchtigungen verschiedenster Art und Weise kommen. Eine Zustandsveränderung der Hirnrinde in ihrer Funktionsweise oder Unterbrechungen von Faserverbindungen sind einhergehend mit dem verminderten kognitiven Leistungsvermögen der Erkrankung. Bei der Neurodegeneration kommt es zu einer fehlerhaften Verarbeitung gewisser Proteine in den Nervenzellen des Gehirns. Gewisse Fragmente der Proteine ballen sich zu einem Komplex zusammen und bilden Ablagerungen im intra- und extrazellulären Raum. Diese Ablagerungen schädigen die Nervenzellen durch ihre toxischen Eigenschaften oder weil sie lebenswichtige Funktionen der Nervenzellen zum Erliegen bringen. Die ebenfalls benannten zerebrovaskulären Erkrankungen haben eine Schädigung der kleinen Blutgefäße zur Folge. Diese Blutgefäße versorgen in der Regel das Marklager des Gehirns und die tieferliegenden grauen Kerne, was durch die Erkrankung beeinträchtigt ist. Durch diese Beeinträchtigung der Blutversorgung, kommt es an diesen Stellen zu einer Schädigung der Faserverbindungen oder zum Untergang der zentralen Schaltstellen. Daraus wird die Informationsverarbeitung im Gehirn lahmgelegt (Werheid, K., Thöne-Otto, A. 2010).

Bezogen auf die molekularbiologischen Prozesse, die der Alzheimer-Demenz zu Grunde liegen, lässt sich festhalten, dass die Erkrankung zwangsläufig auf das Vorhandensein von Amyloid-Plaques, neurofibrilläre Tangles, den Verlust von Nervenzellen und den Untergang der Synapsen zurückzuführen ist.

2.2.1 Amyloid-Plaques

Das ß-Amyloid-Protein (Aß) fungiert als Hauptbestandteil der extrazellulären Plaques, die zur Alzheimer-Krankheit führen. Unter normalen Voraussetzungen lagern sich Aß-Peptide nicht in Blutgefäßen bzw. dem Gehirn ab. Die nervengiftartigen Varianten Amyloid-beta 40 bzw. 42 sind jedoch kennzeichnend für die senilen Plaques. Ausschlaggebend für die Entwicklung dieser Typen sind unter anderem die Veränderung des Vorläufer-Proteins Amyloid (engl.: Amyloid Preccursor Protein = APP) und der damit verbundene Spaltungsprozess. Die Ablagerungen sind besonders im Bereich des Striatums sichtbar (Urmoneit, B. 1996b; Weis, S. 1997b).

Das Aß-Protein ist ein proteolytisches (eiweißabbauendes) Spaltprodukt des APP. Dieses Vorläufer-Protein gehört zur Familie der 90-160 kDa (Kilodalton) großen, löslichen, integralen Membran-Glyko-Proteinen, die posttranslatierenden Modifikationen wie N- und O- Glykosylierung. Sulfatisierung und Phosphatisierung unterliegen. Lokalisiert ist dieses APP- Gen dabei auf dem langen Arm des Chromosoms 21.

Für den Spaltungsprozess essentiell ist dabei die Region von APP, die die Aß-Peptidsequenz vorweist. Dieser Teil ist ausschlaggebend zur Kodierung der Proteine. Verantwortlich dafür sind zwei Enzyme: ß- und y-Sekretase, die das Aß-Protein aus dem Vorläufer-Protein schneiden. Die ß-Sekretase spaltet als Proteaseenzym vornehmlich Proteine und Peptide. Bei diesem Prozess entstehen aus APP sowohl kleine und lösliche Aggregate von carboxyterminalen Aß-Fragmenten, als auch große fibrilläre Komplexe. Beide Formen haben eine toxische Wirkung auf Nervenzellen und neuronale Mitchondrien. Anschließend spaltet die y-Sekretase die restlichen Carboxyfragmente auf der Transmembrandomäne.

Die biochemische Grundlage für die Zusammenlagerung von Aß-Monomeren zu Polymeren liegt im Zusammenwirken der wasserunlöslichen 11-15 Aminosäureresten der Transmembran- Region. Das entstandene Aß-Peptid bzw. Protein besteht anschließend aus 39-43 Aminosäuren und weist zusätzlich eine ß-Faltblattstruktur auf. Diese unlösliche ß-Faltblattstruktur erhält größere fibrilläre Komplexe aus Aß-Proteinfragmenten beim Spaltungsprozess. Darüber hinaus handelt es sich beim Aß-Peptid um ein hydrophobes, höchst aggregierendes Protein, das in der Lage ist, unlösliche Polymerstrukturen zu formen, die schwer um- bzw. abzubauen sind. Dabei sind die unterschiedlichen Längen der Aß-Peptide zu beachten. Während Peptide mit einer Länge von 1-39 und 1-40 löslich sind, sind solche der Länge 1-42/43 unlöslich und sofort aggregierend, wobei diese sich an benachbarte Zellen andocken. Diese Verdichtungen treten im Neuropil auf und bestehen neben dem extrazelluären ß-Amyloid unter anderem aus Nervenfaserfortsätzen, abnormen Synapsen oder Astrocyten. Diese extrazellulären, kugelförmigen Ablagerungen außerhalb der neuronalen Synapsen sind Merkmale für die Alzheimer-Krankheit und haben toxische Wirkungen auf Nervenzellen sowie neuronale Mitochondrien (Urmoneit, B. 1996b; Wohlschläger, J. Weis, S. 1997a).

2.2.2Neurofibrilläre Tangles

Neben den extrazellulär auftretenden Amyloid-Plaques sind auch die intrazellulären neurofibrillären Tangles charakteristisch für die Krankheit. Diese bestehen aus umgewandelten Tau-Proteinen. Im Normalfall sorgt dieses Protein durch die Bindung für die Stabilisierung der intraneuronalen Transportstrukturen, den Mikrotubuli. Durch ein Ungleichgewicht von Phosphat und Enzymen, wie Proteinkinasen kommt es am Tau-Protein zu einer Überphosphorlisierung. Das Protein ist folglich nicht mehr in der Lage, sich an Transportstrukturen zu heften, sondern nimmt die Eigenschaft an, sich zu langen spiralförmigen Fibrillen zusammen zu lagern. Diese Aggregation führt dazu, dass die von den Nervenzellen Energieerzeugung zum Erliegen kommt und das umgewandelte Tau-Protein von anderen Zellen nicht abgebaut werden kann sowie andere Zellen chronisch schädigt, wodurch es zum Untergang der Zellen kommt. Der Mangel an Tau-Proteinen schädigt die Mikrotubul, wodurch sich Motorproteine nicht mehr einklinken können. Folglich verschwinden aufgrund der unzureichenden Versorgung die Synapsen, die für die chemische und elektrische Kommunikation zwischen den Nervenzellen essentiell sind. Daraufhin sterben auch die Axone und Dendriten, sowie schließlich das gesamte Neuron ab (Werheid, K., Thöne-Otto, A. 2010; Wohlschläger, J. Weis, S. 1997c).

2.2.3Weitere Faktoren

Zusätzlich zu den aufgeführten histopathologischen Merkmalen der Krankheit, können auch genetische Veränderungen oder Neurotransmitterveränderungen zur Erkrankung führen. Bei einer Erkrankung, die auf genetischen Veränderungen beruht, gibt es ebenfalls zwei Formen: die früh und die spät beginnende Form der Erkrankung. Bei der selteneren frühen Erkrankung, sind Strukturen des Amyloid-Vorläuferproteins oder y-Sekretase durch Mutationen der betroffenen Gene (Chromosomen 1, 14, und 21) denaturiert. Aus diesem Grund kommt es zu einer Überproduktion von Aß und einer erhöhten Ablagerung des Proteins. Bei der späteren und häufigeren Krankheitsvariante, sind die Ursachen der Plaque Ablagerung noch nicht weniger schlüssig. Vermutet wird, dass in diesem Fall Aß nicht überdurchschnittlich häufig produziert wird, sondern der Abbau des Proteins nur im geringen Maß stattfindet. Begünstig wird die Plaque Entstehung hierbei durch die Bindung von Aß an die E4-Variante des Cholesterin-Transporters Apolipoprotein E (Werheid, K., Thöne-Otto, A. 2010; Weis, S. 1997c).

Neueste Studien führten das sogenannte glymphatische System ein. Dieses funktioniert als fließendes Kreislaufsystem, das den Abtransport von schädlichen Stoffen, wie Amyloid-beta 40 bzw. 42 ermöglicht. Durch das Eintreten der Arterien des Zentralennervensystems in die Hirnhaut kommt es im Gefäßraum zwischen Schädeldecke und Gehirn zu einer Versorgung mit der Liquor-Flüssigkeit. Die Flüssigkeit sickert von den arteriennahen Bereichen durch das Gewebe, wobei schädliche Stoffe aufgenommen werden zu den Venengeflechten. Über die Außenwände der Venen tritt die Flüssigkeit aus und wird in das lymphatische System eingeschleust. Die Stoffe werden über den Blutkreislauf, die Leber und Niere verarbeitet bzw. entsorgt. Bei Personen die an der Alzheimer-Krankheit leiden wird nach der Studie davon ausgegangen, dass es zu einer Unterfunktion des glymphatischen Systems kommt und Amyloid-Plaques in nicht ausreichender Form abgebaut werden (Iliff, J. J. Thrane, A.S. Nedergaard M. 2017).

2.3 Krankheitsverlauf

2.3.1 Krankheitsverlauf des Gehirns

Durch die Neuropathologen Heiko und Eva Braak lässt sich die intrazelluläre Krankheit seit 1997 in sechs Stadien untergliedern. Ihnen ist es durch Studien gelungen, den stetigen Krankheitsverlauf mit der Häufigkeit und der Lokalisation der neurofibrillären Tangles zu begründen. Die Verteilung von beta-Amyloid-Plaques war für sie von geringer Bedeutung. Während der ersten Stufen kommt es zu einer mäßigen bis starken Veränderung der tranentorhinalen Schicht.

Anfangs breitet sich die Erkrankung vom unteren Hirnstamm und vom olfaktorischen System aus. Im besonderen Maße sind der dorsale motorische Kern des N. vagus in der Medulla oblongata und der vordere Nucleus olfactoris befallen. In der zweiten Stufe greift die Erkrankung auf die Raphe-Kernen und dem giganozellulären retikulären Nucleus der Medulla

[...]

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Details

Titel
Alzheimerkrankheit in Anbetracht des demographischen Wandels
Hochschule
Universität Bremen
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
40
Katalognummer
V539501
ISBN (eBook)
9783346170569
ISBN (Buch)
9783346170576
Sprache
Deutsch
Schlagworte
alzheimerkrankheit, anbetracht, wandels
Arbeit zitieren
Nik Dre (Autor:in), 2018, Alzheimerkrankheit in Anbetracht des demographischen Wandels, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/539501

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