Möglichkeiten der Angehörigenintegration auf einer Intensivstation und deren Umsetzung in Deutschland


Hausarbeit, 2018

31 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Die Intensivstation
2.1.1 Setting Intensivstation
2.1.2 Geschichte der Intensivmedizin
2.1.3 Zahlen und Fakten
2.2 Der Intensivpatient
2.3 Die Angehörigen
2.3.1 Definition Angehörige
2.3.2 Bedeutung der Angehörigen
2.3.3 Bedürfnisse der Angehörigen
2.3.4 Gesetzliche Rahmenbedingungen

3 Methodik
3.1 Ergebnisse der Datenbankrecherche
3.2 Ergebnisse der Recherche in der Deutschen Nationalbibliothek

4 Ergebnisse
4.1 Bauliche Voraussetzungen
4.2 Besuchsregelung
4.2.1 Besuchszeitmodelle
4.2.1.1 Offene Besuchsmodell
4.2.1.2 Restriktionsmodell
4.2.1.3 Vertragsmodell
4.2.2 Kinder als Besucher
4.3 Informationsbroschüre
4.4 Intensivtagebuch
4.5 Familienkonferenz
4.6 Aktives Angehörigentelefonat
4.7 Anwesenheit von Angehörigen während einer Reanimation
4.8 Zertifikat der Stiftung Pflege

5 Diskussion

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Das Ziel der vorliegenden Hausarbeit war es, die Möglichkeiten der Angehörigenintegration auf einer Intensivstation aufzuzeigen sowie deren bisherige Umsetzung auf deutschen Intensivstationen darzulegen. Neben der Betreuung der Patienten sind es die Angehörigen, die im pflegerischen Fokus stehen. Die zunehmende Professionalisierung der Intensivpflege­kräfte, die Verknappung zeitlicher Ressourcen sowie das Nichtvorhandensein von Konzepten oder Leitlinien erschweren die Bemühungen um die Integration und Begleitung von Angehörigen. Im Ergebnis zeigt sich, dass Konzepte zur Familienkonferenz oder dem aktiven Angehörigentelefonat bisher keinen oder nur geringen Zugang auf deutschen Intensivstationen gefunden haben, während Empfehlungen zur angehörigenfreundlichen baulichen Ausstattung durchaus umgesetzt und Konzepte des Intensivtagebuchs oder der Informationsbroschüre bereits implementiert sind.

Abkürzungsverzeichnis

Anwesenheit von Angehörigen während der kardiopulmonalen Reanimation Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Ergebnisse der Datenbankrecherche

Tabelle 2: Ergebnisse der Recherche in der Deutschen Nationalbibliothek

Tabelle 3: Empfehlungsgrade

1 Einleitung

Die essentielle Bedeutung der Angehörigen für den Genesungsprozess ist den behandelnden Pflegekräften und Ärzten seit Langem bewusst. Gemäß einer Umfrage des Deutschen Krankenhaus Instituts e.V., veröffentlicht im Krankenhausbarometer 2007, gehören Patientenzufriedenheit, eine hohe Qualität der Leistungserbringung sowie ein gutes Image der Einrichtung zu den drei wichtigsten Unternehmenszielen von Krankenhäusern in Deutschland (Blum, Offermanns & Perner, 2007, S. 6). Dahingehend ist eine bedürfnisorientierte und vernünftige Betreuung auch von Angehörigen notwendig. Dies ist zum einen zur Gewährleistung einer ganzheitlichen Versorgung der Patienten, zum anderen aus Image- und Marketingaspekten in Betracht zu ziehen. (Bless, 2008, S. 523). Jedoch sind die Pflegekräfte - bedingt durch die zunehmende Spezialisierung, Technologisierung und Ökonomisierung - in verstärkten Maße gezwungen, ihre tägliche Arbeit auf den Patienten zu fokussieren, um den anspruchsvollen pflegerischen Aufgaben gerecht werden zu können (Kornberg, 2015, S. 93). Laut dem Pflegethermometer 2012 sind fast 86 % der Intensivpflegenden für die Regulierung der Insulingabe, nahezu 85 % für die kurzzeitige Steuerung der Katecholamintherapie und fast 91 % für die Einstellung der Sedierung zuständig. Diese Tätigkeiten standen bis vor wenigen Jahren noch in ärztlicher Verantwortung. Die Folge der beschriebenen Professionalisierung der Intensivpflege verschärft die an sich schon begrenzten zeitlichen und personellen Ressourcen. (Isfort, Weidner & Gehlen, 2012). Trotz dieser Gegebenheiten zeigt sich ein hohes Interesse und Bedürfnis der Intensivpflegenden in Bezug auf die Begleitung von Angehörigen. Dies zeigt sich in einer Umfrage im Jahr 2005 von 1497 Intensivpflegekräften aus insgesamt 240 unterschiedlichen Weiterbildungsstätten für Intensivpflege in Deutschland. 50,7 % der Befragten halten die Anwesenheit von Angehörigen auf Intensivstationen für „sehr wichtig“ und 41,9 % für „wichtig“. Lediglich 6,6 % der Befragten antworten „weniger wichtig“ sowie 0,8 % „gar nicht wichtig“. (Abt-Zegelin, Juchems, Laible & Mayer, 2006). In der gleichen Befragung kommt zum Vorschein, dass 52,2 % angeben, dass es keine Leitlinien gibt, die Pflegende bei der Begleitung von Angehörigen unterstützen.

In der Fachliteratur gibt es eine Vielzahl von Artikeln zu Möglichkeiten und Ideen der Integration von Angehörigen auf der Intensivstation. Die Hausarbeit gibt einen Überblick über eben diese und versucht herauszufinden, inwiefern eine Umsetzung in Deutschland bereits gelungen ist. Aus diesen Aspekten heraus wird folgende Fragestellung für die Hausarbeit formuliert: Welche Rahmenbedingungen und Konzepte zur Integration von Angehörigen auf einer Intensivstation gibt es und wie gelingt die Umsetzung auf Intensivstationen in Deutschland?

In der vorliegenden Hausarbeit beziehen sich Begriffe wie „Patient“ oder „Arzt“ explizit auf Personen jeglichen Geschlechts.

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Die Intensivstation

Als Einstieg in das Thema und zum besseren Verständnis der in der Einleitung beschriebenen Problematik wird die Intensivstation als Arbeitsfeld vorgestellt. Aspekte zur Geschichte der Intensivmedizin komplettieren dies.

2.1.1 Setting Intensivstation

Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) beschreibt eine Intensivstation als „personell speziell besetzte und ausgestattete Station, in der die medizinische Versorgung kritisch kranker Patienten gewährleistet wird.“ Darüber hinaus ist der „kritisch kranke Patient charakterisiert durch die lebensbedrohlichen Störungen eines oder mehrerer Organsysteme: Herz, Kreislauffunktion, Atemfunktion, zentrales Nervensystem, neuromuskuläre Funktion, Niere, Leber, Gastrointestinaltrakt, Stoffwechsel, Störungen der Temperaturregulation.“ (Jorch et al., 2010, S. 5). Die Patienten werden mit speziellen Maßnahmen überwacht, behandelt und gepflegt. Die Überwachung bezieht sich auf frisch Operierte und Schwerkranke bis zur Überwindung der lebensbedrohlichen Phase. Die Behandlung bezieht sich auf die Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen. (Rest, 2006, S. 261).

Eine hochentwickelte Technologie in der Intensivmedizin ist von großer Bedeutung. Zur Unterstützung von kritisch kranken Patienten werden verschiedene Gerätetypen eingesetzt. Auf Grund ihrer Funktion lassen sie sich in Kategorien einteilen. Dies sind zum einen Geräte zur Unterstützung der Körperfunktionen, z.B. Beatmungs,- Infusions- und Druck­entlastungsgeräte, zum anderen Geräte zur Überwachung des Patienten, wie EKG- oder Blutdruckmonitore. Computer, die in die Versorgungs- und Überwachungssysteme integriert werden, entlasten die Pflegenden und perfektionieren die maschinelle Versorgung. Die Pflegekräfte auf einer Intensivstation sind ein wesentlicher Bestandteil der Technologie. Sie interagieren sowohl mit dem Patienten als auch mit der ihn umgebenden Technologie. Intensivpflegende müssen eine Balance zwischen der Sicherstellung einer optimalen, patientenunterstützenden Funktion der Apparate einerseits und einer pflegerischen Betreuung andererseits erreichen, um Patienten und Angehörige bei der Bewältigung der sie umgebenden Technologie zu unterstützen. Die Pflegekräfte müssen ihre Kenntnisse und Fertigkeiten ständig anpassen, um ihrer Kompetenz sowohl in der Bedienung der Maschinen als auch in der Betreuung der ihnen anvertrauten Menschen zu bewahren. (Millar & Burnard, 2002, S.127 ff.).

2.1.2 Geschichte der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat eine lange Geschichte, wobei sich die Hauptphasen der Entwicklung auf spezifische Zeitpunkte konzentrieren. Vermutlich erwähnte erstmals Florence Nightingale 1859 in ihrem Krankenhaus die Form der Intensivmedizin mit folgenden Worten: „Es ist nicht ungewöhnlich, dass die kleinen Landkrankenhäuser eine Nische oder einen kleinen Raum haben, der aus dem Operationssaal führt, in dem Patienten bleiben, bis sie sich völlig oder zumindest von den unmittelbaren Auswirkungen der Operation erholt haben.“ (Millar & Burnard, 2002, S. 40). Den eigentlichen Ursprung hat die Intensivmedizin am John-Hopkins­Hospital in Baltimore und an der Universitätsklinik Tübingen in den 1920er- und 1930er- Jahren. Dort kam man zur Erkenntnis, dass die kontinuierliche Überwachung der Vitalfunktionen frisch operierter Patienten einen entscheidenden Einfluss auf die Prognose hat. Daraufhin wurden gezielt Bereiche moderner und technischer Ausstattung und speziell ausgebildetem Personal geschaffen. In den 1940er-Jahren erfuhr die Intensivmedizin einen Aufschwung durch die Einrichtung der ersten Intensivstation zur Behandlung Brandverletzter sowie durch die maschinelle Überdruckbeatmung. Die Beatmungsgeräte wurden zunächst in Dänemark, am Rigshospital in Kopenhagen, eingesetzt und verbreiteten sich dann in ganz Europa und Nordamerika.

Die erste deutsche Intensivbehandlungsstation wurde 1957 an der Freien Universität Berlin im Westend-Krankenhaus von G. Neuhaus und K. Ibe als Beatmungszentrum gegründet. Ab Mitte der 1960er-Jahre verfügt nahezu jede größere deutsche Klinik über eine eigene Intensivstation. Dieser Einsatz der hochspezialisierten Behandlungseinheiten machte viele medizinische Entwicklungen wie z.B. in der Herzchirurgie oder Transplantationsmedizin möglich. (Walle, 2004, S. 156 ff.).

Heute verfügt jede Akutklinik über mindestens eine interdisziplinäre Intensivstation. In den meisten großen Krankenhäusern existieren eine internistische und eine operativ- anästhesiologische Intensiveinheit, in den Universitätskliniken und großen Schwerpunkt­krankenhäusern zumeist zusätzliche Spezialbereiche, wie bspw. ein Brandverletztenzentrum.

2.1.3 Zahlen und Fakten

Die Bedeutung der Intensivtherapie in Deutschland ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Es sind dabei sowohl steigende Fallzahlen als auch die Zunahme an intensivmedizinischer sowie komplexer Behandlung zu verzeichnen. Ferner wurden in den Krankenhäusern zusätzliche Kapazitäten in der Intensivtherapie geschaffen. (Isfort et al., 2012, S. 77). Die Zahl der allgemeinen Krankenhäuser, die ausgewiesene Betten für die intensivmedizinische Versorgung vorhalten, sank hingegen zwischen 2002 und 2016 um 13,25 % (von 1.351 auf 1.172). Somit ist auch eine Konzentration der Intensivtherapie auf weniger Krankenhäuser zu beobachten. Einen Anstieg verzeichnen jedoch die Behandlungsfälle auf Intensivstationen. Die Daten aus der Krankenhausstatistik des Bundes zeigen für die allgemeinen Krankenhäuser im Jahr 2016 insgesamt 2.162.221 Behandlungsfälle mit intensivmedizinischer Versorgung. Im Vergleich zu 2002 stieg die Zahl der behandelten Patienten um 261.322. Ebenso wurde die Anzahl der auf den Intensivstationen vorhandenen Betten erhöht. In der Summe wurden im Jahr 2016 insgesamt 27.609 Intensivbetten für die Versorgung vorgehalten. Das sind im Vergleich zu 2002 zusätzliche 4661 Betten. (Isfort et al., 2012, S. 7, Statistisches Bundesamt 2017, S. 76).

2.2 Der Intensivpatient

Laut der DIVI ist der Intensivpatient „ein Patient, dessen Erkrankungs- und/oder Verletzungsfolgen die Behandlung und Überwachung mit den Mitteln der Intensivmedizin unter Verwendung der Möglichkeiten invasiver Diagnose- und Therapieverfahren und deren Monitoring bei lebensbedrohlichem Versagen eines oder mehrerer Organsysteme erfordert." (Genzwürker & Ellinger, 2005, S. 16).

Diese Definition bildet natürlich nicht ab, welchen massiven Einschnitt der Aufenthalt eines Patienten auf einer Intensivstation für dessen Leben bedeutet. Patienten erleben die Aufnahme auf eine Intensivstation als Krise. Die Behandlung stellt eine lebensbedrohliche Situation dar. Sie werden abrupt aus ihrem gewohnten Alltag herausgerissen und mit Schmerzen, Ängsten und Beeinträchtigungen der physischen und psychischen Fähigkeiten konfrontiert. Die Aufnahme auf eine Intensivstation ist mit dem Verlust des Erwachsenseins - Autonomie und Unabhängigkeit - verbunden und der Patient begibt sich in die Abhängigkeit fremder Autoritäten. Die Patienten werden von ihren Bezugspersonen getrennt, fühlen sich ausgeliefert und alleingelassen. Durch permanente Unruhe und Beleuchtung, diverse monotone Geräusche, invasive Prozeduren und eingeschränktem Blickfeld leiden Patienten oft unter einer Reizüberflutung. Dies hat wiederum Veränderungen der Wahrnehmungs­fähigkeit zur Folge. Ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus sowie Orientierungsprobleme, vor allem zeitlich und örtlich, sind häufig auftretende Phänomene auf einer Intensivstation. (Metzing & Osarek, 2000, S. 246).

2.3 Die Angehörigen

Hinter fast jedem der Patienten steht ein Verbund von Menschen, welche ihm nahe stehen und sich um ihn sorgen. Sobald jemand auf die Intensivstation eingeliefert wird, sind die Angehörigen zugegen. Deshalb gehören sie nicht zuletzt häufig zum Alltagsbild einer Intensivstation. Angehörige haben einen außergewöhnlichen Stellenwert für die Patienten.

2.3.1 Definition Angehörige

Der Begriff „Angehörige“ wird je nach Fachgebiet auf ganz unterschiedliche Art und Weise definiert. Im Strafrecht versteht man unter einem Angehörigen „Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, den Ehegatten, den Lebenspartner, den Verlobten, auch im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, Pflegeeltern, Pflegekinder“. Im bürgerlichen Recht ist das „tatsächliche persönliche Verhältnis, nicht der Grad der Verwandtschaft“ maßgeblich. (Gabler Wirtschaftslexikon, o.J.).

Für die Pflege wird der Begriff „Angehörige“ wie folgt beschrieben: „Als Angehörige werden all jene Personen bezeichnet, die sich in einer vertrauten, häufig auch verpflichtenden Nähe zum Patienten befinden und somit neben Familien, Familienangehörigen auch Lebensgefährten, Freunde oder Personen aus dem Lebensumfeld sein können.“ (Harm & Hoschek, 2015, S. 57). Zur Abgrenzung von dem juristischen Begriffsverständnis wird in der vorliegenden Hausarbeit diese Definition genutzt, die Angehörige nicht nur auf die familiäre Ebene beschränkt. Des Weiteren gilt: „Als angehörig gilt, wen der Patient als angehörig bezeichnet, wer ihm nahe steht. Wichtig ist also die emotionale Qualität, die der Patient einer Beziehung beimisst, und nicht die juristische Relevanz.“ (Kanton Zürich, o.J.).

2.3.2 Bedeutung der Angehörigen

Auf einer Intensivstation sind Angehörige von existentieller Bedeutung für den Patienten. Trotz einer individuellen und ganzheitlichen Pflege und Betreuung der Patienten sind es die Angehörigen, die in erster Linien emotionale Beteiligung, Berührung und Trost vermitteln können. Die Stärkung des Lebenswillens durch die emotionalen Kontakte mit nahestehenden Menschen ist eine unverzichtbare Ressource für den Patienten. (Burholt, 2010, S. 198) Sobald Angehörige in die Versorgung der Patienten einbezogen sind, geben sie dem Patienten ein Gefühl von Normalität und vermitteln Sicherheit. Angehörige sind die einzige Verbindung der Patienten ins „normale“ Leben. (Bartel, 2007, S. 9) Angehörige vermitteln Geborgenheit und Vertrauen in einem Ausmaß, zu dem Pflegende auf Grund ihrer Fremdheit nicht in der Lage sind. Angehörige sind die wichtigsten Vertrauenspersonen eines Patienten und für das behandelnde Team ein wesentlicher Schlüssel für Informationen über den Patienten vor dem Aufenthalt. (Metzing & Osarek, 2000, S. 247).

2.3.3 Bedürfnisse der Angehörigen

Eine ernsthafte Krankheit oder Verletzung wirkt sich nicht nur auf den Patienten, sondern auch auf dessen Angehörige aus. Das oft lebensbedrohliche Ereignis stellt für sie einen stressauslösenden Faktor dar. Es gibt wissenschaftlich fundierte Möglichkeiten die Bedürfnisse von Angehörigen zu ermitteln und einzuschätzen. Molter hat 1979 im Rahmen einer Studie herausgefunden, welche persönlichen Bedürfnisse Angehörige auf der Intensiv­station empfinden. Die zehn wichtigsten Bedürfnisse lauten:

- Das Gefühl haben, dass Hoffnung besteht.
- Das Gefühl haben, dass sich das Personal um den Patienten kümmert.
- Einen Warteraum in der Nähe des Patienten zu haben.
- Bei jeder Änderung im Gesundheitszustand des Patienten angerufen zu werden.
- Die Prognose zu kennen.
- Auf Fragen eine ehrliche Antwort zu erhalten.
- Einzelheiten bezüglich des Fortschritts des Patienten zu erkennen.
- Einmal am Tag Informationen über den Patienten zu erhalten.
- Erläuterungen in verständlicher Form zu erhalten.
- Den Patienten häufig sehen zu können. (Millar & Burnard, 2002, S. 288 ff.).

1986 publizierten die Pflegewissenschaftlerinnen Molter und Leske in den USA den von ihnen entwickelten Critical Care Family Needs Inventory-Fragebogen. Dies ist ein Messinstrument zur Erforschung von Bedürfnissen von Angehörigen. Es handelt sich hierbei um einen auf einer Studie zugrundeliegenden Fragebogen. Dieser enthält 45 Bedürfnisaussagen, welche von „sehr wichtig“ bis „nicht wichtig“ eingeschätzt werden. Die Bedürfnisse werden dabei anhand von fünf Dimensionen geordnet. Diese sind:

- Zuversicht
- Information
- Nähe zum kranken Familienmitglied
- Unterstützung
- Persönlicher Komfort (Kornberg, 2015, S. 94).

Angehörige von Intensivpatienten haben ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Zusicherung und Sicherheit. Sie benötigen ehrliche und verständliche Aussagen und Prognosen, aber auch die Gewissheit, dass ihr Angehöriger die bestmögliche Behandlung erhält. Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Vermittlung von Hoffnung - denn nur mit dem Glauben an eine Zukunft für und mit dem schwerkranken Menschen kann diese Krise durchgestanden werden. Nur mit Hilfe ehrlicher und objektiver Informationen ist es den Angehörigen möglich, den Zustand ihres Familienmitgliedes klar zu beurteilen. Sie sind von den Informationen des Behandlungsteams abhängig. Daher ist es wichtig, dass die zahlreichen medizinischen Geräte, Medikamente und Maßnahmen erläutert und Veränderung zeitnah und in Ruhe mitgeteilt werden. Angehörige möchten in der Nähe des Patienten sein. Sie möchten ihrem Familienmitglied physische Nähe und Unterstützung geben. Bei ihrem Angehörigen finden sie Trost und haben die Möglichkeit Veränderung des Zustands möglichst zeitnah mitzuerleben. Des Weiteren möchten sich viele Angehörige an der Pflege beteiligen, um dem Patienten Zuneigung und Sicherheit zu vermitteln. Der Kontakt der Angehörigen zu den Pflegenden und Ärzten ist äußerst wichtig. Angehörige brauchen zum einen das Gefühl willkommen zu sein, zum anderen aber auch die Sicherheit ihre Sorgen und Ängste äußern zu können. Jedoch sind viele Angehörige auf Grund der Überforderung und Unsicherheit nicht fähig, Trost und Unterstützung zu suchen und einzufordern. Außerdem ist Ehrlichkeit und Freundlichkeit des gesamten behandelnden Teams für die Angehörigen von erheblicher Bedeutung. (Burholt, 2010, S. 198 ff.).

2.3.4 Gesetzliche Rahmenbedingungen

Maßnahmen der Angehörigenbetreuung, wie Anleitung oder Beratung, sind in zahlreichen Gesetzten und Regelwerken verankert: in den Ausbildungsgesetzen der Alten- und Krankenpflege, im Pflegeversicherungs- und Krankenversicherungsgesetz sowie in den Nationalen Expertenstandards in der Pflege. (Büker, 2015, S. 18 ff.).

Im § 3 des Krankenpflegegesetzes vom 16.07.2003 werden Beratung und Anleitung von Angehörigen explizit als Aufgaben der Pflege definiert. Dazu gehört „die eigenverantwortliche Beratung, Anleitung und Unterstützung von zu pflegenden Menschen“ und - dies ist hierbei das Wesentliche - „ihrer Bezugspersonen in der individuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit“. Nähere Erläuterungen hierzu befinden sich in der Ausbildungs­und Prüfungsverordnung vom 10.11.2003 für die Berufe in der Krankenpflege: „Die Schülerinnen und Schüler sind zu befähigen, Pflegebedürftige aller Altersgruppen bei der Bewältigung vital oder existenziell bedrohlicher Situationen, die aus Krankheit [..] entstehen, zu unterstützen, [...] Angehörige und Bezugspersonen zu beraten, anzuleiten und in das Pflegehandeln zu integrieren, die Überleitung von Patientinnen oder Patienten in andere Einrichtungen [...] kompetent durchzuführen sowie die Beratung für Patientinnen oder Patienten und Angehörige oder Bezugspersonen in diesem Zusammenhang sicherzustellen.“ In der Entwurfsfassung der neuen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe, die voraussichtlich am 01. Januar 2020 in Kraft treten wird, sind ebenfalls Aspekte der Angehörigenintegration erfasst. Gemäß den Kompetenzen für die staatliche Prüfung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann haben die Auszubildenden folgende Aufgaben:

- „stärken der Kompetenzen von Angehörigen im Umgang mit pflegebedürftigen Menschen aller Altersstufen und unterstützen und fördern der Familiengesundheit“,
- „informieren von schwerkranken und sterbenden Menschen aller Altersstufen sowie deren Angehörige“,
- „aus beruflichen Erfahrungen in der pflegerischen Versorgung und Unterstützung von Menschen aller Altersstufen und ihren Angehörigen mögliche Fragen an Pflege­wissenschaft und -forschung ableiten“.

(Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2018).

Des Weiteren kommt in allen bislang vorliegende Nationalen Expertenstandards der Anleitung und Beratung von Angehörigen eine zentrale Bedeutung zu. Im Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege“ heißt es: „Die Pflegefachkraft gewährleistet eine gezielte Schulung und Beratung für den Patienten und seinen Angehörigen.“ (Büker, 2015, S. 27 f.).

3 Methodik

Um aktuelle Literatur zur Verwendung der Hausarbeit nutzen zu können, bildet die Internetrecherche eine fundierte Grundlage zur Informationsgewinnung. Während der Vorrecherche wird festgestellt, dass zu den Schlagwortverbindungen Angehörige, Intensivstation, Intensivmedizin, Intensivpflege, Bedürfnisse und Rahmenbedingungen im deutschsprachigen Raum wissenschaftliche Artikel zu finden sind. Für die systematische Übersichtsarbeit werden folgende Datenbanken einbezogen: Care-Lit, Google Scholar, Livivo sowie Base-Search. Hier zeigt sich eine große Anzahl von Studien und wissenschaftlichen Arbeiten, die inhaltliche Übereinstimmungen mit den oben genannten Themengebieten aufweisen. Ergebnisse der Suchmaschine Google Scholar wurden aufgrund der hohen Trefferzahlen nicht näher untersucht. Um den Buch- und Zeitschriftenbestand der Fachliteratur für die Thematik nutzen zu können, wird begleitend eine Recherche in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig durchgeführt. Dafür werden die Schlüsselwörter der Fragestellung angepasst. Die Ergebnisse aus der Internet- und Literaturrecherche in der Deutschen Nationalbibliothek werden in zwei tabellarischen Übersichten dargestellt. Im Anschluss werden weiterführend die zeitlich aktuell relevanten Artikel und wissenschaftlichen Arbeiten analysiert und für die weitere Ausarbeitung verwendet.

3.1 Ergebnisse der Datenbankrecherche

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Ergebnisse der Datenbankrecherche, Stand: 21.03.2018

[...]

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Möglichkeiten der Angehörigenintegration auf einer Intensivstation und deren Umsetzung in Deutschland
Hochschule
Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
31
Katalognummer
V539627
ISBN (eBook)
9783346152695
ISBN (Buch)
9783346152701
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Angehörigenarbeit, Angehörigenintegration, Intensivstation, Intensivpflege, Angehörigenbegleitung, Angehörigenbetreuung, Besuchsregelung, Informationsbroschüre, Intensivtagebuch, Aktives Angehörigentelefonat, Anwesenheit von Angehörigen während einer Reanimation
Arbeit zitieren
Robin Scharfenberg (Autor:in), 2018, Möglichkeiten der Angehörigenintegration auf einer Intensivstation und deren Umsetzung in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/539627

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